Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 04.03.1999, Az.: Ss 40/99

Unzulässige Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ohne die entsprechende Verschreibung; Fehlen der Gefährdung des Rechtsguts der Volksgesundheit als Unrechtserfolg bei einer Tatprovokation durch Testkäufer; Voraussetzungen für die Strafbarkeit des agent provocateur; Analoge Anwendbarkeit der Grundsätze über die Strafbarkeit der Tatprovokation im Bereich des Betäubungsmittelrechts auf von Apothekerkammern zu Kontrollzwecken durchgeführte Testkäufe

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
04.03.1999
Aktenzeichen
Ss 40/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 29356
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1999:0304.SS40.99.0A

Fundstellen

  • APR 1999, 86-87
  • NJW 1999, 2751-2753 (Volltext mit amtl. LS)
  • wistra 1999, 314-315

Amtlicher Leitsatz

Zur Strafbarkeit der Tatprovokation bei einer durch einen Apotheker veranlassten unzulässigen Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch andere Apotheker.

Gründe

1

Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass in den o.g. Fällen Apotheker bewusst vorschriftswidrig Medikamente ohne eine entsprechende Verschreibung an die Testkäufer abgegeben und sich deshalb einer vollendeten vorsätzlichen Straftat gemäß §§ 96 Ziff. 11, 48 Abs. 1 AMG schuldig gemacht haben. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht auch angenommen, die Angeklagten hätten in Kauf genommen, dass es im Rahmen der von ihnen initiierten Testkäufe zu vorsätzlichen Verstößen der Apotheker gegen das Arzneimittelgesetz gekommen ist. Der äußere Straftatbestand der den Angeklagten vorgeworfenen, ist somit verwirklicht worden. Eine Bestrafung der Angeklagten wegen Anstiftung kommt jedoch trotz Vollendung der Haupttat nicht in Betracht, weil der hinter der formellen Tatbestandserfüllung liegende eigentliche Unrechtserfolg - hier die Gefährdung des Rechtsguts der Volksgesundheit - von vornherein nicht beabsichtigt war und auch nicht eingetreten ist. Die Annahme des Landgerichts, der agent provocateur sei stets zu bestrafen, wenn die von ihm hervorgerufene Straftat über den Versuch hinaus ausgeführt wird, ist in dieser allgemeinen Form rechtlich nicht zutreffend. Für die Tatprovokation eines Verdächtigen im Bereich des Betäubungsmittelrechts ist es anerkannt, dass derjenige bestraft wird, der die Verletzung des durch den Straftatbestand geschützten Rechtsguts will oder damit rechnet. Will der Provokateur dies nicht und kann er annehmen, dass die Gefährdung des Rechtsguts durch ein Eingreifen staatlicher Behörden verhindert wird, kann ihm ein strafbares Verhalten mangels Vorsatzes nicht zur Last gelegt werden, vgl. BGH StV 1981, 549. Diese Grundsätze auch auf von Selbstverwaltungskörperschaften wie Apothekerkammern zu Kontrollzwecken durchgeführte Testkäufe anzuwenden , begegnet keinen rechtlichen Bedenken . Vergleichbar damit kommt jedenfalls unter den hier vorliegenden Voraussetzungen der Ausschluss eines vorsätzlichen Verhaltens auch der Angeklagten in Betracht.

2

Das Landgericht hat im einzelnen festgestellt, dass die Angeklagten die Testkäufe zu dem Zweck durchgeführt haben, zu überprüfen, ob konkurrierende Apotheker bereit seien, verschreibungspflichtige Medikamente ohne Verschreibung abzugeben. Es ging den Angeklagten darum, etwaige Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz beweissicher nachzuweisen. Die im Wege der Testkäufe erlangten Medikamente sind, nachdem sie für die Beweisführung nicht mehr erforderlich waren, von dem Angeklagten W als Apotheker vernichtet worden.

3

Die von dem Angeklagten W initiierten Testkäufe unterscheiden sich in der Art und Weise ihrer Durchführung nicht von denjenigen, die von den Apothekerkammern unter Einschaltung von Testkäufern durchgeführt werden. In beiden Fällen dienen die Testkäufe der Aufdeckung etwaiger Pflichtverletzungen von Apothekern. Entscheidend bei der Beurteilung des Verhaltens der Angeklagten ist, dass sie eine mögliche Gefährdung der Volksgesundheit nicht in Kauf genommen haben. Nach der unwiderlegten Einlassung des Angeklagten N war sichergestellt, dass die Arzneien an den Apotheker W und nicht unkontrolliert an Verbraucher gelangten. Zu einer Gefährdung des geschützten Rechtsguts Volksgesundheit ist es tatsächlich auch nicht gekommen. Da der missbilligte Erfolg im Sinne der Strafbestimmungen des Arzneimittelgesetzes,- die unkontrollierte Abgabe von Medikamenten an Verbraucher - , mithin weder beabsichtigt war noch eingetreten ist und insoweit weitere Feststellungen in einer neuen Verhandlung auch nicht zu erwarten sind, kommt eine Bestrafung der Angeklagten als Anstifter zu einer Straftat nach dem Arzneimittelgesetz nicht in Betracht. Sie waren deswegen freizusprechen.