Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.09.1995, Az.: III 305/88

Veräußerung von Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH); Verdeckte Gewinnausschüttung (vGA); Einkünfte aus Kapitalvermögen; Zum Privatvermögen gehörende wesentliche Beteiligung; Missbrauch der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
06.09.1995
Aktenzeichen
III 305/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 17888
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1995:0906.III305.88.0A

Fundstellen

  • EFG 1996, 385-387 (Volltext mit amtl. LS)
  • GmbHR 1996, 637 (amtl. Leitsatz)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die im Privatvermögen gehalten werden, ist unter dem Gesichtspunkt des § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) kein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 Abgabenordnung (AO), wenn die Veräußerungsgewinne mangels wesentlicher Beteiligung nicht besteuert werden können, da das Gesetz, wie sich aus § 17 Abs. 1 EStG ergibt, anlässlich der Veräußerung von Kapitalanteilen entstehende Gewinne bewusst erst dann erfasst, wenn die Beteiligung mehr als ein Viertel beträgt.

  2. 2.

    Eine unangemessene Rechtsgestaltung i.S.d. § 42 AO ist abzulehnen, wenn zwar Zweck einer Anteilsveräußerung die Liquidation der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist und der Weg der Anteilsveräußerung lediglich zur Vermeidung einer Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG gewählt wird, aber beachtliche wirtschaftliche Gründe für die gewählte Gestaltung vorgetragen werden.

Der III. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 6. September 1995,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 19 vom 30. März 19 ... in der Fassung der Änderungsbescheids vom 16. Dezember 19 ... sowie des weiteren Änderungsbescheids vom 6. September 19 ... und des Einspruchsbescheids vom 11. April 19 ... wird die Einkommensteuer 19 auf DM festgesetzt.

Der Beklagte trägt die Kosten.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Finanzamt kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Veräußerung sämtlicher jeweils für sich nicht i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz 1981 - EStG - wesentlicher Anteile an einer GmbH eine verdeckte Gewinnausschüttung oder einen Gestaltungsmißbrauch (§ 42 Abgabenordnung - AO -) darstellt und daher der den Klägern zugeflossene Veräußerungserlös ihren Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen ist.

2

Der Kläger und G. L. gründeten am 10. Mai 19 ... die GmbH - im folgenden: B. GmbH -. Sie waren am Stammkapital der B. GmbH von ... DM mit je ... DM beteiligt und Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Zweck der Gesellschaft war u.a. der An- und Verkauf von Grundstücken. Die beiden Gesellschafter hielten zunächst einen Teilbetrag ihrer Geschäftsanteile von jeweils ... DM treuhänderisch für ihre Ehefrauen, d.h. für die Klägerin und Frau I. L. Durch notariellen Abtretungsvertrag vom 24. Juli 19 ... traten der Kläger und G. L. die Geschäftsanteile von je ... DM an ihre Ehefrauen - die Klägerin und I. L. - ab, so daß nunmehr die Kläger sowie G. und I. L. Geschäftsanteile von jeweils ... DM an der B. GmbH hielten.

3

Die B. GmbH hatte die Beplanung und Vermarktung eines Grundstücks in B., Straße 193 - 197 übernommen. Eigentümerin dieses Grundstücks war die H. KG B. - gesellschaft mbH & Co. Geschäftsführer deren Komplementärin - der B. gesellschaft mbH - waren der Kläger und G. L. Durch Vertrag vom 15. Oktober 19 ... verpflichtete sich die Firma H. K. H. KG, an die B. GmbH für die Baureifmachung des vorgenannten Grundstücks in B. ... DM und weitere ... DM als wirtschaftlichen Ausgleich für den Verzicht der B. GmbH auf die Durchführung der auf dem vorgenannten Grundstück vorgesehenen Baumaßnahmen zu zahlen. Durch weiteren Vertrag vom 15. Oktober 19 ... verpflichtete sich die B. H. GmbH W. W. KG, weitere DM an die B. GmbH als Provision für den Nachweis der Zwischenfinanzierung zu zahlen. Die B. GmbH überließ in der Folge den ihr zugeflossenen Veräußerungserlös von insgesamt ... DM sowie weitere Guthabensbeträge ihren Gesellschaftern entsprechend deren Geschäftsanteilen zu jeweils 25 v.H. darlehensweise mit einer Verzinsung von 9 v.H.

4

Durch Kauf- und Abtretungsvertrag vom 17. März 19 ... verkauften die Gesellschafter der B. GmbH - die Kläger und die Eheleute L. - ihre Geschäftsanteile an der B. GmbH an die X. GmbH i.G. zu einem Kaufpreis von ... DM. Die X. GmbH war bereits durch notarielle Urkunde vom 9. März 19 ... mit Sitz in B. errichtet worden. Ihr Stammkapital von ... DM wurde von der X. AG mit Sitz in Ba. übernommen. Geschäftsführer der X. GmbH war der in B. wohnhafte B. H. Dieser bestellte sich bereits durch Gesellschafterbeschluß vom 9. März 19 ..., in dem die X. GmbH als alleinige Gesellschafterin der B. GmbH bezeichnet war, zum alleinigen Geschäftsführer der B. GmbH und berief gleichzeitig den Kläger und G. L. als Geschäftsführer der B. GmbH ab. In einem weiteren zwischen der X. GmbH i.G. und den Klägern sowie den Eheleuten L. geschlossenen Vertrag vom 17. März 19 ... wurde hinsichtlich der Belegung des von der X. GmbH i.G. zu entrichtenden Kaufpreises für den Erwerb der Gesellschaftsanteile der B. GmbH vereinbart, daß die X. GmbH i.G. die Verbindlichkeiten jeden Gesellschafters in Höhe von je ... DM - insgesamt ... DM - gegenüber der B. GmbH übernimmt. Hinsichtlich der weiteren Verbindlichkeiten der Verkäufer - der Kläger sowie der Eheleute L. gegenüber der B. GmbH von DM war vereinbart, daß die Kläger und die Eheleute L. diesen Betrag unverzüglich der B. GmbH überweisen. Durch Gesellschafterbeschluß vom 29. März 19 ... wurde die B. GmbH auf die X. GmbH umgewandelt. Durch Gesellschafterbeschluß vom 25. Oktober 19 ... wurde schließlich die X. GmbH aufgelöst und B. H. zum Liquidator bestellt.

5

In der Folgezeit kam es zu Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle P. Diese vernahm u.a. am 20. Januar 19 ... den Prozeßbevollmächtigten der Kläger sowie am 20. November 19 ... den Kläger selbst. Der Kläger räumte bei seiner Vernehmung ein, daß er am 8. März 19 ... dem Verwaltungsrat der X. AG, Herrn Dr. K., zwei von ihm - dem Kläger - und Herrn L. unterzeichnete Schecks über jeweils ... DM übergeben habe. Durch diese Zahlung habe die Verkaufsvermittlung durch Dr. K. abgegolten werden sollen.

6

Nachdem dem beklagten Finanzamt - FA - der vorgenannte Sachverhalt aufgrund der Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle P. bekanntgeworden war, setzte es unter Änderung des an die Kläger ergangenen Einkommensteuerbescheids 19 vom 14. Mai 19 ... in seiner durch Bescheid vom 18. Februar 19 ... geänderten Fassung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gegen die Kläger durch Bescheid vom 30. März 19 ... Einkommensteuer 19 von ... DM fest. Das FA berücksichtigte hierbei den den Klägern zugeflossenen - von der B. GmbH zunächst darlehensweise zur Verfügung gestellten - Betrag von ... DM als verdeckte Gewinnausschüttung. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das FA durch Bescheid vom 11. April 19 ... als unbegründet zurück. In dem Einspruchsbescheid ist als Gegenstand des Einspruchs allein der Einkommensteuerbescheid vom 18. Februar 19 ... bezeichnet.

7

Hiergegen richtet sich die Klage. Im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 19 vom 30. März 19 ... durch Bescheide vom 6. Juli 19 ..., 19. August 19 ... und 16. Dezember 19 .... Durch den letzteren setzte das FA gegen die Kläger Einkommensteuer 19 von ... DM fest. Durch weiteren Änderungsbescheid vom 6. September 19 ... erklärte das FA die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 19 im Hinblick auf anhängige Musterverfahren nach § 165 Abs. 1 AO für vorläufig. Die Kläger erklärten diese Änderungsbescheide zum Gegenstand des Klageverfahrens und tragen zur Klagebegründung vor:

8

Die angegriffenen Bescheide seien bereits wegen der Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften aufzuheben. Das FA sei bezüglich der von ihm angenommenen verdeckten Gewinnausschüttung örtlich nicht zuständig gewesen, weil die B. GmbH ihren Sitz in B. gehabt habe und allein das FA für Körperschaften in B. für die Einkommensermittlung gem. § 8 Körperschaftsteuergesetz - KStG - zuständig gewesen sei. Die gem. § 91 AO gebotene Anhörung vor Erlaß des Änderungsbescheids vom 30. März 19 ... sei, zumal ihnen das Ergebnis der Feststellungen der Steuerfahndungsstelle P. nicht zur Kenntnis gegeben worden sei, versäumt worden. Ferner seien die §§ 193 ff. AO deshalb verletzt worden, weil die Steuerfahndungsstelle P. im Ergebnis eine Außenprüfung durchgeführt habe. Die Steuerfahndungsstelle hätte sich demgemäß an die für eine Außenprüfung geltenden Rechtsvorschriften - insbesondere bezüglich der Durchführung einer Schlußbesprechung (§ 201 AO) sowie Vorlage des Prüfungsberichts (§ 202 AO) - halten müssen; das sei jedoch unterblieben. Ferner stelle sich der Einspruchsbescheid vom 11. April 19 ... als unzulässige Teilentscheidung dar, weil der Änderungsbescheid vom 30. März 19 ... ersichtlich nicht Gegenstand des Einspruchsbescheids gewesen sei und es somit an einer Entscheidung über den gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch fehle. Schließlich stehe den angegriffenen Bescheiden auch Zahlungsverjährung entgegen. In materiell-rechtlicher Hinsicht dürfe der ihnen zugeflossene Betrag aus der Veräußerung der Anteile an der B. GmbH nicht nach § 20 EStG erfaßt werden. Eine von dem FA angenommene verdeckte Gewinnausschüttung liege nicht vor, weil es bezüglich der Anteilsveräußerung an einer Vermögensminderung oder veränderten Vermögensmehrung im Gesellschaftsverhältnis fehle. Sie bzw. die Eheleute L. seien zu keiner Zeit Gesellschafter der X. GmbH gewesen. Auch in der Verrechnungsabrede in dem Vertrag vom 17. März 19 ... bezüglich des von der X. GmbH zu entrichtenden Kaufpreises liege keine verdeckte Gewinnausschüttung, weil insoweit lediglich der Zahlungsweg aus Vereinfachungsgründen abgekürzt worden sei.

9

Auch ein Gestaltungsmißbrauch (§ 42 AO) sei nicht gegeben. Es fehle insoweit aufgrund des hier vorliegenden wirtschaftlichen Sachverhalts bereits tatbestandlich an einer unangemessenen Rechtsgestaltung. Nach dem Abschluß des Vertrags zwischen der B. GmbH und der Unternehmensgruppe H. hätten sie keine weitere Verwendung für die B. GmbH gehabt. In dieser Situation habe man sich zur Veräußerung der Anteile an der B. GmbH entschlossen, zumal der Anteilsverkauf bedeutend einfacher abzuwickeln sei als die zeit- und arbeitsaufwendige Liquidation der GmbH. Zudem sei die Veräußerung der Anteile steuerlich wesentlich vorteilhafter. Auch aus der Entstehungsgeschichte der X. GmbH sowie dem weiteren rechtlichen Schicksal der B. GmbH lasse sich - abgesehen davon, daß der Frage der Person des Käufers steuerrechtlich keine Bedeutung zukommen könne - ein Gestaltungsmißbrauch nicht herleiten. Der Umstand, daß es sich bei der X. AG um eine schweizerische Domizilgesellschaft gehandelt habe, sei ihnen erst im Verlauf des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bekanntgeworden. Die Motive dafür, weshalb die B. GmbH durch Gesellschafterbeschluß vom 25. Oktober 19 ... aufgelöst wurde, seien ihnen nicht bekannt. Ebenso sei ihnen unbekannt, welche Geschäfte die X. GmbH betrieben habe.

10

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 11. April 19 ... den Einkommensteuerbescheid 19 vom 30. März 19 ... in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16. Dezember 19 ... sowie in der Fassung vom heutigen Tage dahingehend zu ändern, daß die Einkünfte aus Kapitalvermögen um ... DM vermindert werden und die Einkommensteuer 19 dementsprechend herabgesetzt wird.

11

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Es ist der Auffassung, daß die angegriffenen Bescheide nicht verfahrensfehlerhaft seien. Der Inhalt der Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle P. seien dem Kläger und dessen Prozeßbevollmächtigten aufgrund deren Vernehmung am 20. Januar bzw. 20. November 19 ... bekannt gewesen. Eine nochmalige Erörterung der Sache vor Ergehen des Änderungsbescheids vom 30. März 19 ... hätte daher zu keinem anderen Ergebnis geführt. Da die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Steuerfahndung erfolgt sei, habe ein Anspruch des Klägers auf Übersendung des Fahndungsberichts zur Stellungnahme nicht bestanden. Der angegriffene Einspruchsbescheid habe keine unzulässige Teilentscheidung über den Einspruch getroffen. Der in diesem Bescheid allein erwähnte Einkommensteuerbescheid vom 18. Februar 19 ... stelle sich als unschädliche "falsa demonstratio" dar, weil der Bescheid vom 30. März 19 ... gem. § 365 Abs. 3 AO automatisch zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden sei. Auch der Hinweis der Kläger auf die örtliche Unzuständigkeit des FA bezüglich der hier erfaßten verdeckten Gewinnausschüttung gehe fehl, weil das Veranlagungs-Finanzamt bezüglich des betreffenden Anteilseigners insoweit in eigener Zuständigkeit zu entscheiden habe. In materiell-rechtlicher Hinsicht liege in dem "Verkauf" der Anteile an der B. GmbH ein Gestaltungsmißbrauch (§ 42 AO). Der alleinige Zweck der gewählten Gestaltung habe in der Liquidation der B. GmbH bestanden, ohne die Darlehensforderungen dieser GmbH aus Geldmitteln der Gesellschafter ausgleichen und ohne den durch den Darlehensverzicht der GmbH zugeflossenen Vorteil der Einkommensteuer nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu unterwerfen oder diesen als Aufgabegewinn gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfassen zu müssen. Die rechtliche Gestaltung der Veräußerung der Anteile an eine - wie hier - eigens für diesen Erwerb gegründete und nach Anteilserwerb sowie ohne weiteren Geschäftsbetrieb anschließend liquidierte GmbH sei für den angestreben wirtschaftlichen Vorgang unangemessen. Verständige Dritte hätten in Anbetracht des erstrebten wirtschaftlichen Ziels nicht den umständlichen und unökonomischen Weg über die Veräußerung gewählt, um eine Liquidation unter Verzicht auf die Darlehensforderungen zu erreichen. Zur Erreichung dieses Zwecks hätte es lediglich eines Gesellschafterbeschlusses der B. GmbH bedurft. Es sei mithin kein wirtschaftlich sinnvoller Grund für den Erwerb der Anteile an der B. GmbH durch die X. GmbH gegeben. Die Annahme eines Gestaltungsmißbrauchs rechtfertige sich insbesondere auch daraus, daß die Kläger sowie die Eheleute L. ersichtlich die Gründung der X. GmbH finanziert hätten. Aufgrund des an Dr. K. am 8. März 19 ... gezahlten Betrags von ... DM sei davon auszugehen, daß sich die X. AG das Stammkapital an der X. GmbH von den Klägern und den Eheleuten L. habe vergüten lassen. Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die Gerichtsakte und die beim FA geführten Einkommensteuerakten (St.-Nr.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet.

14

Die gegen die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide erhobenen verfahrensrechtlichen Einwendungen der Kläger haben zwar keinen Erfolg (dazu 1). Das FA hat jedoch den fraglichen Betrag von ... DM aus materiell-rechtlichen Gründen zu Unrecht den Einkünften der Kläger aus Kapitalvermögen zugeordnet (dazu 2).

15

1)

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Aufhebung der angegriffenen Bescheide, soweit sie die Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 91 AO) rügen. Für eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit dem Erlaß des angegriffenen Änderungsbescheids vom 30. März 19 ... ist nichts erkennbar. Insoweit macht das FA zu Recht geltend, daß dem Kläger und seinem Prozeßbevollmächtigten aufgrund deren Vernehmung am 20. Januar 19 ... bzw. 20. November 19 ... durch die Steuerfahndungsstelle P. bekannt war, daß bezüglich des hier fraglichen Vorgangs Ermittlungen durchgeführt wurden. Der Kläger und sein Prozeßbevollmächtigter hatten in ihren Vernehmungen auch hinreichend Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen zu äußern überdies hätte zumindest eine andere Entscheidung in der Sache nicht ergehen können, so daß aus diesem Grunde auch im Fall einer angenommenen Verletzung des § 91 AO eine Aufhebung der angegriffenen Bescheide gem. § 127 AO ausscheidet. Denn bei der für die Sachentscheidungserheblichkeit des Verfahrensverstoßes maßgeblichen objektiven Beurteilung (vgl. Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 127 AO Rz. 9) ist im Streitfall davon auszugehen, daß eine den Klägern etwa gewährte zusätzliche Äußerungsmöglichkeit das sachliche Ergebnis der vom FA mit dem Änderungsbescheid vom 30. März 19 ... getroffenen Entscheidung nicht beeinflußt hätte. Die Kläger räumen im übrigen selbst ein, daß im Streitfall ausschließlich die rechtliche Würdigung eines bekannten Sachverhalts in Rede steht. Der aus § 127 AO folgende Ausschluß der Aufhebungsmöglichkeit gilt ferner auch insoweit, als die Kläger aufgrund des kurzen Zeitraums zwischen dem Erlaß des Änderungsbescheids vom 30. März 19 ... und dem Erlaß des Einspruchsbescheids vom 11. April 19... keine Gelegenheit zur Stellungnahme im Einspruchsverfahren (§ 365 Abs. 1 AO i.V.m. § 91 AO) hatten.

16

Die Kläger rügen ferner zu Unrecht eine Verletzung der §§ 193 ff AO. Soweit die Kläger unter Hinweis auf die Verlagerung von der Außenprüfung obliegenden Maßnahmen in die Steuerfahndung eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 91 AO) geltend machen, ist diesem Vorbringen schon aus den vorstehenden Gründen nicht zu folgen. Auch kommt bezüglich den von der Steuerfahndungsstelle P. getroffenen Ermittlungen ein von dem beklagten FA zu beachtendes Verwertungsverbot nicht in Betracht. Denn ein im Steuerstrafverfahren ermittelter Sachverhalt darf auch für steuerliche Zwecke verwertet werden (Tipke/Kruse, a.a.O., § 208 Rz. 23). Eine Verpflichtung zur Bekanntgabe des Inhalts des Fahndungsberichts bestand nicht, weil § 202 AO im Rahmen der Steuerfahndung nicht anzuwenden ist.

17

Auch die örtliche Zuständigkeit des FA ist - entgegen der Ansicht der Kläger - zu bejahen. Im Streitfall geht es nicht um die Korrektur des Einkommens der B. GmbH gem. § 8 KStG, sondern um den Klägern etwa zuzurechnende Einkünfte aus Kapitalvermögen. Hierfür ist gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 AO das Wohnsitzfinanzamt der Kläger und mithin das beklagte FA örtlich zuständig.

18

Ohne Erfolg ist ferner der Einwand der Kläger, daß der angegriffene Einspruchsbescheid vom 11. April 19 ... ausschließlich über den Einspruch gegen den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 19 vom 18. Februar 19 ... entschieden habe und mithin der Änderungsbescheid vom 30. März 19 ... nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens gewesen sei. Insoweit verkennen die Kläger, daß der Änderungsbescheid vom 30. März 19 ... aufgrund der in § 365 Abs. 3 AO getroffenen Regelung automatisch zum Gegenstand des laufenden Rechtsbehelfsverfahrens wurde (vgl. FG Köln, Urteil vom 12. Juni 1986 V K 156/86, EFG 1986, 570 [FG Rheinland-Pfalz 30.06.1986 - 5 K 329/85]).

19

Schließlich ist - entgegen der Auffassung der Kläger - der hier fragliche Steueranspruch auch nicht durch Zahlungsverjährung erloschen. Die Zahlungsverjährung für den durch Bescheid vom 30. März 19 ... erstmals fällig gewordenen Anspruch begann gem. § 229 Abs. 1 Satz 1 AO mit dem Ablauf des 31. Dezember 19 .... Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 228 AO ist im Streitfall jedoch bereits durch Gewährung eines Vollstreckungsaufschubs (§ 231 Abs. 1 AO i.V.m. § 258 AO) unterbrochen worden. Grundsätzlich liegt ein Vollstreckungsaufschub nur vor, wenn die entsprechende Mitteilung der Finanzbehörde mit erkennbarem Regelungswillen ergangen ist. Dieser Regelungswille muß sich darauf erstrecken, dem Steuerpflichtigen die Rechtsposition zu verschaffen, sich auf den Aufschub der Vollstreckung berufen zu können. Fehlt es hingegen an einem solchen Verwaltungsakt - der nicht schriftlich ergehen muß - bleibt der Vollstreckungsaufschub eine nur innerdienstlich wirkende Maßnahme, die das Finanzamt dem Steuerpflichtigen gegenüber nicht verpflichtet (BFH-Urteil vom 28. November 1985 V R 139/81, BFH/NV 1987, 8). In Anwendung dieser Grundsätze liegt im Streitfall ein Vollstreckungsaufschub vor: Das FA hat ausweislich der Steuerakten am 5. September 19 ... amtsintern einen Vollstreckungsaufschub bezüglich der Einkommensteuer 19 verfügt. Bei einem am 27. Dezember 19 ... zwischen dem FA und dem früheren Pnozeßbevollmächtigten der Kläger an Amtsstelle geführten Gespräch wurde vereinbart, daß vorerst keine Tilgung der rückständigen Einkommensteuer 19 erfolgen solle. Mit Schreiben vom 21. Dezember 19 ... beantragte der frühere Prozeßbevollmächtigte der Kläger gegenüber dem FA, die in dem geänderten Einkommensteuerbescheid 19 vom 16. Dezember 19 ... festgesetzten Nachzahlungsbeträge weiter auszusetzen. Das FA ist in der Folgezeit dementsprechend verfahren. Die vom FA insoweit abgegebenen Erklärungen lassen sich bei sachgerechter Auslegung nur dahingehend würdigen, daß es insoweit einen auf Gewährung von Vollstreckungsaufschub gerichteten Regelungswillen hatte und sich insoweit auch den Klägern gegenüber gebunden fühlte. Dies wird insbesondere in dem an den früheren Prozeßbevollmächtigten der Kläger gerichteten Schreiben des FA vom 18. April 19 ... deutlich, wonach ausdrücklich hinsichtlich der rückständigen Einkommen- und Kirchensteuern für 19 zuzüglich der steuerlichen Nebenleistungen die Vollstreckung gem. § 258 AO weiterhin ausgesetzt wurde. Darüber hinaus ist die Zahlungsverjährung auch durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gem. § 231 Abs. 1 AO unterbrochen worden. Denn der Anspruch der Finanzbehörde wird schriftlich geltend gemacht durch das schriftliche Leistungsgebot - d.h. die Aufforderung der Behörde, die geschuldete Leistung innerhalb einer bestimmten Frist zu bewirken, vgl. § 254 Abs. 1 Satz 1 AO - sowie durch jedes andere Schreiben, das den Steuerpflichtigen zur Zahlung auffordert (Tipke/Kruse, a.a.O., § 231 Rz. 5). Eine solche schriftliche Geltendmachung ist im Streitfall durch den Änderungsbescheid betreffend Einkommensteuer 19 vom 16. Dezember 19 ... erfolgt, durch den die Kläger u.a. zur sofortigen Zahlung der Einkommensteuer 19 in Höhe von ... DM aufgefordert wurden.

20

2)

Dem FA kann jedoch nicht darin gefolgt werden, daß der hier fragliche Betrag von ... DM als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen ist.

21

Unstreitig gehört der den Klägern zugeflossene Betrag von ... DM nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, weil die Voraussetzungen des § 17 EStG insoweit nicht erfüllt sind. Die Veräußerung der Anteile an der B. GmbH erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 EStG, da die Kläger an dieser nicht jeweils wesentlich beteiligt waren. Mangels Vorliegen einer zum Privatvermögen gehörenden wesentlichen Beteiligung ist auch § 17 Abs. 4 EStG nicht erfüllt. Die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die - wie hier - im Privatvermögen gehalten werden, ist unter dem Gesichtspunkt des § 17 EStG auch kein Gestaltungsmißbrauch (§ 42 AO), wenn die Veräußerungsgewinne mangels wesentlicher Beteiligung nicht besteuert werden können (vgl. BFH-Beschluß vom 10. November 1993 I S 9/93, BFH/NV 1994, 684). Das Gesetz erfaßt - wie sich aus § 17 Abs. 1 EStG ergibt - anläßlich der Veräußerung von Kapitalanteilen entstehende Gewinne bewußt erst dann, wenn die Beteiligung mehr als ein Viertel beträgt (BFH-Beschluß vom 10. November 1993, a.a.O.).

22

Dem FA kann nicht darin gefolgt werden, daß der von den Klägern erzielte Veräußerungserlös von ... DM gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG als verdeckte Gewinnausschüttung zu erfassen ist. Verdeckte Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 EStG sind (zugeflossene) Vermögensvorteile, die eine Kapitalgesellschaft ihren Gesellschaftern außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung zuwendet, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter sie einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht zugewendet hätte (Schmidt, Kommentar zum EStG, 14. Aufl. 1995, § 20 Rz. 61 m.w.N.). Im Streitfall fehlt es bezüglich der Anteilsveräußerung an einer den Klägern aus außerbetrieblichen Gründen oder mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährten Leistung. Eine solche Leistung liegt - entgegen der Auffassung des FA - insbesondere nicht in der im Vertrag vom 17. März 19 ... bezüglich der Kaufpreiszahlung getroffenen Verrechnungsabrede, wonach die Käuferin die Verbindlichkeiten der Verkäufer in Höhe von jeweils ... DM (insgesamt ... DM) gegenüber der B. GmbH übernimmt. Zwar ist den Klägern aufgrund dieser Verrechnungsabrede der ihnen seitens der B. GmbH gewährte Darlehensbetrag von jeweils DM endgültig zugeflossen. Gleichwohl liegt hierin keine Vorteilsgewährung im Sinne eines Verzichts der B. GmbH gegenüber den Klägern auf Rückzahlung des fraglichen Darlehensbetrags, sondern lediglich eine ausschließlich im Verhältnis zwischen der Käuferin und den Klägern vereinbarte Zahlungsmodalität über die Belegung des von der X. GmbH zu zahlenden Kaufpreises. Die Anteilsveräußerungen selbst können im übrigen nicht für sich als verdeckte Gewinnausschüttungen erfaßt werden, weil § 8 Abs. 3 KStG die Freiheit des Anteilseigners bezüglich seines Bestimmungsrechts über die Existenz und die Organisation der Körperschaft nicht einschränkt (Streck, Kommentar zum KStG, 4. Aufl. 1995 § 8 Anm. 65).

23

Der Senat verneint auch die Möglichkeit einer Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG unter dem Gesichtspunkt eines Gestaltungsmißbrauchs (§ 42 AO). Eine unangemessene Rechtsgestaltung ist zwar zu erwägen, wenn Zweck einer Anteilsveräußerung die Liquidation der GmbH ist und - obwohl eine Liquidation durch den Anteilsveräußerer nahe liegt - der Weg der Anteilsveräußerung lediglich zur Vermeidung einer Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG gewählt wird (BFH-Beschlüsse vom 3. Februar 1993 I B 90/92, BStBl II 1993, 46 [BFH 25.05.1992 - VI R 18/90]; vom 10. November 1993, a.a.O.). Die Annahme eines Gestaltungsmißbrauchs für die hier in Betracht stehende Gestaltung wird in der Literatur gegensätzlich beantwortet (vgl. etwa Hollatz DStR 1994, 817; Grögler DStR 1993, 981; Streck BB 1992, 685 sowie die Nachweise in dem BFH-Beschluß vom 3. Februar 1993, a.a.O.). Eine höchstrichterliche Entscheidung der Frage liegt nicht vor. Der BFH geht in seinem Aussetzungsbeschluß vom 3. Februar 1993 (a.a.O.) bei summarischer Betrachtung im Grundsatz davon aus, daß die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen vor der Liquidation bei Vorliegen beachtlicher wirtschaftlicher Gründe (z.B. Verlagerung von Liquidationsaufgaben oder -risiken) auch bei ungewöhnlicher Vertragsgestaltung keinen Gestaltungsmißbrauch darstellt.

24

Bei der erforderlichen Grenzziehung zwischen der steuerlich zulässigen und der steuerlich unzulässigen Gestaltung legt der Senat die folgenden für § 42 AO maßgebenden Grundsätze zugrunde: Bei der rechtlichen Gestaltung wirtschaftlicher Vorgänge ist der Steuerpflichtige im Rahmen der Gesetze frei. Auch aus steuerrechtlicher Sicht ist grundsätzlich von der gewählten (bürgerlich-)rechtlichen Gestaltung auszugehen. Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine rechtliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine Rechtsgestaltung ist hingegen unangemessen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären. Entscheidend ist, ob der Steuerpflichtige, dessen Steuerschuld zu beurteilen ist, die vom Gesetzgeber bei seiner Regelung vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht und hierfür keine beachtlichen außersteuerrechtlichen Gründe vorliegen, ob er vielmehr auf einem ungewöhnlichen Weg einen Erfolg zu erreichen versucht, der nach den Wertungen des Gesetzgebers auf diesem Weg nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteil vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BStBl II 1992, 51 m.w.N.). Eine Vermutung für einen Rechtsmißbrauch besteht allgemein nicht (BFH-Urteil vom 13. Juli 1989 V R 8/86, BStBl II 1990, 10 [BFH 31.05.1989 - III R 91/87]). Grundsätzlich trägt die Finanzbehörde die objektive Feststellungslast bezüglich der Voraussetzungen des § 42 AO (BFH-Urteil vom 13. Juli 1989, a.a.O.; Tipke/Kruse, a.a.O., § 42 Rz. 21). Ergibt sich bei der Ermittlung des Sachverhalts kein Anhaltspunkt dafür, daß hinreichende wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Gestaltung vorliegen, so obliegt es hingegen dem Steuerpflichtigen im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht, beachtliche Gründe substantiiert darzulegen. Sind beachtliche Gründe nicht feststellbar oder erweisen sich die geltend gemachten Gründe der vom FA bzw. von dem Finanzgericht nach §§ 88, 89 AO, § 76 FGO vorzunehmenden Prüfungen als nicht bedeutsam, so gereicht dies dem Steuerpflichtigen nach den Grundsätzen über die objektive Beweislast (Feststellungslast) zum Nachteil (BFH-Beschluß vom 29. Oktober 1987 V B 61/87, BStBl II 1988, 4 [BFH 14.10.1987 - II R 198/84]).

25

In Anwendung der vorstehenden Grundsätze ist bei der Beurteilung der hier fraglichen Gestaltung als Mißbrauch i.S.d. § 42 AO von den Wertungen des Gesetzgebers auszugehen, die sich in erster Linie aus § 17 EStG ergeben. Zu der durch diese Vorschrift angeordneten unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der wesentlichen und der nicht wesentlichen Beteiligungen des Privatvermögens ist in der Begründung zum Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes (BT-Drs. 7/1470, S. 263) ausgeführt, daß ein im Privatvermögen erzielbarer Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft bei wesentlicher Beteiligung die finanzielle Leistungsfähigkeit des Veräußerers erhöhe. Dies würde es an sich nahelegen, sämtliche privaten Veräußerungsgewinne zur Einkommensteuer heranzuziehen. Die Besteuerung privater Veräußerungsgewinne müsse jedoch auf Fälle beschränkt bleiben, bei denen die Veräußerungen verhältnismäßig leicht feststellbar und nachprüfbar seien, in denen die Veräußerungsgewinne regelmäßig einen erheblichen Umfang hätten und bei denen besondere Gründe eine Besteuerung gebieten würden, wie das bei den Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft bei wesentlicher Beteiligung der Fall sei (vgl. auch Blümich, Kommentar zum EStG, § 17 Rz. 7). An diesem für § 17 EStG maßgebenden klaren gesetzgeberischen Willen hat sich auch in bezug auf die im Streitjahr anzuwendende Gesetzeslage nichts geändert. Der Gesetzgeber hat vielmehr - ungeachtet der vielfältigen Kritik an § 17 EStG und insbesondere an der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der wesentlichen und der nicht wesentlichen Beteiligungen des Privatvermögens (dazu etwa Dötsch in: Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, Band II, EStG § 17 Rz. 13 ff, 148) - an der Regelung weiter festgehalten. Noch in dem Entwurf des Jahressteuergesetzes 1996 hat die Bundesregierung bezüglich der von ihr vorgeschlagenen Ergänzung des § 50 c EStG um einen Abs. 11 in der Begründung zu diesem Gesetzesvorschlag Gestaltungsmodelle vorausgesetzt, in denen "die Gewinne von Kapitalgesellschaften letztlich steuerfrei vereinnahmt werden können .... Insbesondere in den Fällen, in denen auch die Anteilsveräußerung beim Veräußerer nicht nach § 23 oder § 17 EStG steuerpflichtig ist (z.B. Veräußerung einer nicht wesentlichen Beteiligung im Privatvermögen außerhalb der Sechsmonatsfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b EStG), bleiben die von der Kapitalgesellschaft an den Erwerber ausgeschütteten thesaurierten offenen Reserven letztlich unbesteuert." Diese vom EStG vorgegebenen Richtpunkte müssen bei der Frage, ob das im Streitfall angewendete Veräußerungsmodell als Gestaltungsmißbrauch zu qualifizieren ist, berücksichtigt werden.

26

Nach Ansicht des Senats steht einem Gestaltungsmißbrauch i.S.d. § 42 AO im Streitfall bereits entgegen, daß die Kläger beachtliche wirtschaftliche Gründe für die gewählte Gestaltung vorgetragen haben. Denn sie haben zu Recht darauf hingewiesen, daß die Veräußerung der GmbH-Anteile im Vergleich zur Liquidation der GmbH der einfachere und ökonomischere Weg ist. Dies ergibt sich insbesondere aus dem bei der Liquidation einer GmbH gem. § 73 Abs. 1 GmbHG zu beachtenden Sperrjahr mit den insoweit erforderlichen vorherigen Bekanntmachungen gem. § 65 Abs. 2 GmbHG. Insoweit bejaht der Senat die vom BFH (Beschluß vom 3. Februar 1993, a.a.O.) offengelassene Frage, ob die "Verflüssigung" des Stammkapitals vor Ablauf des Sperrjahres gem. § 73 Abs. 1 GmbHG für die ursprünglichen Anteilseigener als außersteuerlicher Grund eine ungewöhnliche Gestaltung rechtfertigen kann. Im übrigen ist es offensichtlich, daß der hier beschrittene Weg der Anteilsveräußerung das Liquidationsrisiko auf die Erwerberin - die X. GmbH - verlagert hat. Auch dieser Gesichtspunkt steht bereits für sich der Annahme einer mißbräuchlichen Gestaltung i.S.d. § 42 AO entgegen (zutr. Hollatz, a.a.O., S. 818).

27

Selbst wenn man die vorstehenden Erwägungen bezüglich des Ausschlusses eines Gestaltungsmißbrauchs für sich als noch nicht hinreichend tragfähig ansähe, kann nach Ansicht des Senats auch in der konkreten Durchführung der hier erfolgten Anteilsveräußerungen ein Gestaltungsmißbrauch nicht festgestellt werden. Die Rechtsfolgen des § 42 AO kämen nur dann in Betracht, wenn das letztlich erstrebte und eindeutig erkennbare wirtschaftliche Ziel der hier fraglichen Anteilsveräußerungen offensichtlich in der Liquidation der B. GmbH unter gleichzeitiger Transferierung der von der B. GmbH erwirtschafteten Gewinne auf die Gesellschafter bestanden hätte. Im Streitfall ist eine solche letztlich auf die Liquidation der B. GmbH gerichtete Zielsetzung nicht erkennbar. Zwar macht das FA geltend, daß die Existenz der X. GmbH einzig den Sinn gehabt habe, die Versteuerung des Aufgabegewinns nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu vermeiden und daß allein vor diesem Hintergrund das weitere rechtliche Schicksal der X. GmbH bis zu dem Beschluß über deren Auflösung vom 25. Oktober 19 ... erklärlich sei. Dieser Beurteilung kann sich der Senat nicht anschließen, weil insoweit eine hinreichende, den Klägern zurechenbare Verknüpfung zwischen den fraglichen Anteilsveräußerungen vom 17. März 19 ... und der späteren Liquidation der X. GmbH fehlt. Die Kläger weisen insoweit zu Recht darauf hin, daß sie nicht Gesellschafter der X. GmbH waren und keinerlei Einfluß auf die von dieser betriebenen Geschäfte sowie auf deren weiteres rechtliches Schicksal genommen haben. Das FA ist diesem Vorbringen nicht entgegengetreten. Es verweist zwar darauf, daß die Gründung der X. GmbH ausweislich einer von Dr. K. unterzeichneten Quittung vom 8. März 19 ... über den Empfang von ... DM ersichtlich durch die Kläger und ihre Mitgesellschafter finanziert worden sei. Insoweit kann der Senat jedoch offenlassen, ob die unstreitig geleistete Zahlung über ... DM tatsächlich der Finanzierung des Stammkapitals der X. GmbH gedient hat oder ob - wie die Kläger geltend machen - durch diesen Betrag lediglich die Verkaufsvermittlung durch Dr. K. habe abgegolten werden sollen. Denn selbst im Falle der Finanzierung des Stammkapitals der X. GmbH durch die Kläger und deren Mitgesellschafter ist nichts dafür ersichtlich, daß die Kläger auch anschließend einen Einfluß auf das weitere rechtliche Schicksal der X. GmbH genommen und insoweit mit dem Geschäftsführer der X. GmbH zusammengewirkt haben. Mit Rücksicht auf diesen Sachverhalt obliegt dem FA der erforderliche Nachweis, daß die X. GmbH ausschließlich deshalb eingeschaltet wurde, um den Klägern die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns zu ermöglichen. Diesen Nachweis hat das FA nicht geführt. Ein Gestaltungsmißbrauch ist auch aus den sonstigen vom FA geltend gemachten Umständen bezüglich der Einschaltung des Prozeßbevollmächtigten der Kläger in die Abwicklung der Anteilsveräußerung sowie der näheren Umstände, unter denen die Steuererklärungen der B. GmbH abgegeben worden sind, nicht ersichtlich. Auch ist der im Streitfall gegebene zeitliche Zusammenhang zwischen dem hier fraglichen Anteilserwerb durch die X. GmbH und deren späteren Liquidation nicht geeignet, für sich einen Gestaltungsmißbrauch zu begründen. Zwar kann aus einem solchen zeitlichen Zusammenhang im Grundsatz auf die Mißbräuchlichkeit der gewählten Gestaltung geschlossen werden (vgl. etwa Weindl, DB 1992, S. 1467). Nach Auffassung des Senats kann dieser zeitliche Zusammenhang jedoch nur dann Bedeutung für eine etwaige Anwendung des § 42 AO gewinnen, wenn dieser zeitliche Zusammenhang auf den Klägern eindeutig zurechenbaren tatsächlichen Umständen beruht. Dafür ist im Streitfall - wie dargelegt - nichts ersichtlich.

28

Nach allem war der Klage stattzugeben und die Einkommensteuer wie folgt festzusetzen:

Einkünfte aus Gewerbebetrieb... DM
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit... DM
Einkünfte aus Kapitalvermögen... DM
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung... DM
Gesamtbetrag der Einkünfte... DM
ab Kirchensteuer... DM
ab Steuerberatungskosten... DM
ab Beiträge und Spenden nach § 10 b EStG DM ab beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben - wie bisher - ... DM
zu versteuerndes Einkommen... DM
festzusetzende Einkommensteuer... DM.
29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

30

Die Entscheidung über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren folgt aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

31

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

32

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die steuerliche Beurteilung einer Veräußerung nicht wesentlicher GmbH-Anteile unter dem Gesichtspunkt eines Gestaltungsmißbrauchs grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

33

Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.