Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.09.1995, Az.: VIII 136/95 V

Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides bei ernsthaften Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes; Geltendmachung einer möglichen Dürftigkeitseinrede im Steuerfestsetzungsverfahren

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
07.09.1995
Aktenzeichen
VIII 136/95 V
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 19535
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1995:0907.VIII136.95V.0A

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 1991 und Umsatzsteuer 1992

In dem Rechtsstreit
hat der VIII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
am 7. September 1995 im Einverständnis der Beteiligten
durch
den Richter am Finanzgericht ... als Berichterstatter
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerinnen zurückgewiesen.

Gründe

1

Der Antrag hat keinen Erfolg.

2

Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 m.w.N.).

3

Solche Umstände liegen im Streitfall nicht vor.

4

Die Antragstellerinnen sind Erben nach ihrem verstorbenen Vater ... D.. Der Einkommensteuerbescheid 1991 und der Umsatzsteuerbescheid 1992 wurde den Antragstellerinnen als Rechtsnachfolgerinnen erteilt. Diese beantragten einen Aufteilungsbescheid zur Einkommensteuer zwecks Zurechnung der Steuerschuld auf die Eheleute J. und M. D.. Der Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) erließ daraufhin unter dem 24.10.1994 einen entsprechenden Aufteilungsbescheid, nach dem die Einkommensteuer 1991 in vollem Umfang auf die Antragstellerinnen entfiel. Hinsichtlich der Umsatzsteuer 1992 nahm das FA eine Schätzung gemäß § 162 AO vor. Es schätzte hierin die steuerpflichtigen Lieferungen, die sonstigen Leistungen und den Eigenverbrauch auf 50.000 DM. Dies führte zu einer Umsatzsteuer von 7.000 DM. Die Vorsteuerbeträge schätzte das FA auf 1.300 DM und setzte mithin die Umsatzsteuer für das Jahr 1992 auf 5.700 DM fest.

5

Gegen den Umsatzsteuerbescheid und den Aufteilungsbescheid haben die Antragstellerinnen Einspruch eingelegt, den das FA mit Bescheid vom 24.02.1995 als unbegründet zurückwies. Gegen diese Entscheidung haben die Antragstellerinnen Klage erhoben und gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung des Aufteilungsbescheides zur Einkommensteuer 1991 sowie des Umsatzsteuerbescheides 1992 beantragt.

6

Zur Begründung machen sie die Dürftigkeit des Nachlasses des J. D. geltend. Ein positives Vermögen sei auf sie nichtübergegangen. Mangels eines Nachlasses dürften sie für die Steuerschulden ihres verstorbenen Vaters nicht in Anspruch genommen werden. Dies ergebe sich aus § 45 Abs. 2 AO in Verbindung mit § 1990 BGB. Die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses müsse bereits im Rahmen der Steuerfestsetzung berücksichtigt werden.

7

Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen ist das Gericht der Ansicht, daß die nach § 45 Abs. 2 AO mögliche Dürftigkeitseinrede nicht im Steuerfestsetzungsverfahren von den Antragstellerinnen geltend gemacht werden kann. Zwar gibt die in § 45 Abs. 2 Satz 1 AO genannte sinngemäße Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Haftung des Erben für Nachlaßverbindlichkeiten den Antragstellerinnen grundsätzlich die Möglichkeit, die nach bürgerlichem Recht vorgesehenen Haftungsbeschränkungen auch in Bezug auf die Steuerschulden des Erblassers geltend zu machen; dies kann jedoch nicht im Steuerfestsetzungsverfahren erfolgen. Das folgt aus der bürgerlich-rechtlichen Regelung in § 1990 Abs. 1 BGB: Die Dürftigkeitseinrede des Nachlasses führt danach bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen zu einer Beschränkung der Erbenhaftung auf die Gegenstände des Nachlasses. Das bedeutet, daß die Erben die Zahlung von etwaigen Steuerschulden des Erblassers insoweit verweigern können, als der Nachlaß zur Begleichung der übergegangenen Steuerschulden nicht ausreicht. § 1990 Abs. 1 Satz 2 BGB legt für diese Fälle eine Verpflichtung des Erben fest, den Nachlaß zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben. Daraus ergibt sich, daß die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses erst im Zwangsvollstreckungsverfahren ihre für die Haftung der Erben bedeutsamen Rechtsfolgen auslöst.

8

Im Streitfall haben die Antragstellerinnen die Dürftigkeitseinrede nach § 45 Abs. 2 AO in Verbindung mit § 1990 BGB jedoch im Steuerfestsetzungsverfahren erhoben. Aus den o.a. Gründen konnte demgemäß der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung keinen Erfolg haben.

9

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

10

Dieser Beschluß ist unanfechtbar , da die Beschwerde nicht zugelassen worden ist (§ 128 Abs. 3 FGO).