Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 23.01.2003, Az.: 1 A 405/01
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 23.01.2003
- Aktenzeichen
- 1 A 405/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 40822
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2003:0123.1A405.01.0A
Tatbestand:
Der Kläger begehrt den Erlass von Grundsteuern in Höhe von 4.297,95 DM, die für das Jahr 1999 festgesetzt worden waren.
Der Kläger hat im Jahre 1998 ein in Zeven-Aspe belegenes ehemaliges Bundeswehrdepot vom Bund erworben. Bei den Gebäuden handelt es sich um ein früheres Krankenhaus, das jahrelang als Depot benutzt worden war und das für andere Zwecke zum Zeitpunkt des Kaufes bereits kaum nutzbar war. Seit dem Erwerb stand das Gebäude unbenutzt leer.
Mit Bescheid vom 07. Juli 1999 wurde der Kläger für das Veranlagungsjahr 1999 zu einer Grundsteuer B in Höhe von 4.297,65 DM herangezogen, nachdem das Finanzamt Zeven durch Bescheid vom 14.04.1999 den Einheitswert auf 409.300,-- DM und den Grundsteuermessbetrag auf 1.432,55 DM auf den 01. Januar 1999 festgesetzt hatte.
Mit Schreiben vom 09. Juli 1999 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers, diesem die Grundsteuer zu erlassen, weil das Grundstück auf absehbare Zeit nicht genutzt wird. Da keinerlei Erträge anfallen, bitte er um Erlass der Grundsteuer. Mit weiterem Schreiben vom 31. Juli 2000 legte er dar, dass er durch verschiedene Anzeigen versucht habe, das Gebäude als Lagerraum zu vermieten. Eine Vermietung sei jedoch wegen der vielen Räume und der fehlenden Fahrwege für Gabelstapler nicht möglich.
Mit Schreiben vom 06. August 1999 bat die Beklagte den Kläger um Übersendung weiterer Unterlagen über Vermietungs- und Verpachtungsbemühungen. Der Bevollmächtigte des Klägers teilte daraufhin mit Schreiben vom 18. August mit, er plane einen kompletten Umbau des Gebäudes zu einem Hotel. Endgültige Pläne lägen jedoch noch nicht vor.
Mit Bescheid vom 07. Januar 2000 wurde der Kläger für das Jahr 2000 zu Grundsteuern in Höhe von 4.603,65 DM herangezogen. Auch insoweit beantragte er den Erlass der Abgaben.
Mit Bescheid vom 12. Oktober 2000 lehnte die Beklagte den Erlass für das Jahr 1999 ab. Ein Erlass komme nur in Betracht, wenn der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrages nicht zu vertreten habe. Der Kläger habe bereits, als er das Objekt 1998 erwarb, gewusst, dass es in seinem derzeitigen Zustand nicht nutzbar sein würde. Er habe daher bewusst die vorhandenen ungünstigen Umstände in Kauf genommen. Außerdem habe er mit Teilbaumaßnahmen zum Umbau zu einem Hotel begonnen, was der Vermietung oder Verpachtung zusätzlich durch eigenes Zutun entgegen stünde. Der Kläger habe im Übrigen für 1999 keine Nachwiese erbracht, dass er die Absicht hatte, das Objekt zu vermieten oder zu verpachten. Eine Rohertragsminderung sei nicht eingetreten, so dass diese Voraussetzung für den Grundsteuererlass fehle.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger durch Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23. Oktober 2000 Widerspruch ein. Es werde Grundsteuer für den ursprünglichen Wert erhoben, obwohl die Gebäudenutzung nicht möglich sei. Die Minderung des Gebrauchswertes sei von dem Kläger nicht zu vertreten. Vielmehr sei dem Altbesitzer die Grundsteuer erlassen worden, obwohl er die Minderung des Gebrauchswertes zu vertreten hat. Dem Kläger werde dies versagt, obwohl eine Änderung in der Nutzbarkeit seit dem Erwerb nicht eingetreten sei. Der Kläger sei selbst Makler und habe die Räumlichkeit nach dem Kauf z.B. der Firma Möbelhof zur Verpachtung angeboten. Für das Folgejahr sei sein Bemühen durch Annoncen nachgewiesen.
Mit Bescheid vom 05. März 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen für einen Erlass nach § 33 Abs. 1 Grundsteuergesetz lägen nicht vor. Der Kläger habe das Grundstück in Kenntnis seines Zustandes erworben und damit die ungünstigen Umstände in Kauf genommen. Die begonnenen Umbauarbeiten erschwerten bzw. verhinderten darüber hinaus die Vermietung oder Verpachtung. Nachweise über Versuche, das Objekt zu vermieten, habe er auch erst für das Jahr 2000 erbracht. Die erst Ende Januar 2001 eingegangene Bescheinigung habe bei der Beschlussfassung nicht berücksichtigt werden können, zumal sie bereits früher hätte eingereicht werden können. Die Bescheinigung reiche im Übrigen ohne Maklerauftrag und ohne Nachweise für tatsächliche Vermietungsversuche nicht aus. Soweit der Kläger geltend mache, dem Voreigentümer sei ein Grundsteuererlass gewährt worden, sei darauf zu verweisen, dass seinerzeit die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass vorgelegen hätten, so dass eine Ungleichbehandlung nicht vorliege. Anhaltspunkte für einen Erlass aus Billigkeitsgründen seien ebenfalls nicht ersichtlich.
Der Kläger hat am 28. März 2001 Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Vorverfahren. Die Baumaßnahmen für den Umbau eines Hotels hätten noch nicht begonnen, weil eine Baugenehmigung noch nicht vorliege. Es seien lediglich Sicherungsmaßnahmen am Bauwerk vorgenommen worden, weil das Staatshochbauamt entgegen den Aussagen während der Verkaufsverhandlungen versäumt habe, das Gebäude zu sichern. Das Dach sei daher undicht und die gesamte Heizungsanlage unbrauchbar geworden. Sofern der Umbau zu einer Hotelanlage scheitern sollte, wäre das Gebäude abrissreif. Im Übrigen sei es unverständlich, dass dem Voreigentümer der Erlass gewährt worden sei, weil dieser die Nutzung freiwillig aufgegeben habe. Daher sei auch dem Kläger aus Gründen der Gleichbehandlung ein Grundsteuererlass zu gewähren.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Oktober 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05. März 2001 zu verpflichten, dem Kläger die für 1999 durch Bescheid vom 07. Juli1999 festgesetzte Grundsteuer zu erlassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der von dem Kläger beigebrachte Nachweis vom 12. Oktober 2000 über einen ohne Erfolg verlaufenden Maklerauftrag sei bei der Beklagten erst am 31. Januar 2001, also nach Ablehnung des Grundsteuererlasses, eingegangen. Die Beklagte habe den Kläger in mehreren Telefonaten vor Erlass des ablehnenden Bescheides aufgefordert, Makleraufträge und entsprechende Nachweise um Vermietungsbemühungen vorzulegen. Die Voreigentümerin, die Bundesrepublik Deutschland, habe demgegenüber Nachweise über ihre Verkaufsversuche für das Erlassjahr erbringen können, so dass die Voraussetzungen für den Grundsteuererlass erfüllt waren. Aus dem Schriftverkehr mit dem Kläger ergebe sich im Übrigen, dass nicht nur der bauliche Zustand, sondern auch die begonnenen Baumaßnahmen eine Vermietung und Verpachtung des Objektes erschwert hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Kläger kann den Erlass der Grundsteuer nicht beanspruchen. Die angefochtenen Bescheide sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Bei der Grundsteuer handelt es sich um eine ertragsunabhängige Real- oder Objektsteuer, die nicht nach Ertragsmerkmalen, sondern auf der Grundlage des Grundstückswertes - genauer: des Einheitswertes - erhoben wird und deshalb auch bei ertraglosen Grundstücken anfällt (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Urt. v. 15.04.83, Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr: 19 S. 4, 5 zkf 1983, 195; Urt. v. 15.02.1991, Buchholz 401.4 § 32 GrStG Nr. 3 S. 1; Urt. v. 10.02.1994, KStZ 1995, 34 f = Buchholz 401,4 § 33 GrStG Nr. 25). Aus der mangelnden Ertragslage eines Grundstückes lässt sich deshalb abgesehen von den gesetzlichen geregelten Ausnahmefällen eine zum Billigkeitserlass berechtigende sachliche Härte nicht herleiten (BVerwG, Urt. v. 10.02.1994 a.a.O.).
Danach kommt im vorliegenden Fall allein der Erlass von Grundsteuern wegen wesentlicher Ertragsminderung in Betracht. In § 33 Abs. 1 GrStG ist Folgendes bestimmt:
Ist bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 20 v.H. gemindert und hat der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrages nicht zu vertreten, so wird die Grundsteuer in Höhe des Prozentsatzes erlassen, der 4/5 des Prozentsatzes der Minderung entspricht. Bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und bei eigengewerblich genutzten bebauten Grundstücken wird der Erlass nur gewährt, wenn die Einziehung der Grundsteuer nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebes unbillig wäre. Normaler Rohertrag ist
bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft der Rohertrag, der nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung gemeinhin und nachhaltig erzielbar wäre;
bei bebauten Grundstücken, deren Wert nach dem Bewertungsgesetz nach dem Ertragswertverfahren zu ermitteln ist, die Jahresrohmiete, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraumes maßgebend wäre. § 79 Abs. 3 und 4 des Bewertungsgesetzes finden keine Anwendung;
bei bebauten Grundstücken, deren Wert nach dem Bewertungsgesetzt im Sachwertverfahren zu ermitteln ist, die nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraumes geschätzte übliche Jahresrohmiete.
In den Fällen des § 77 des Bewertungsgesetzes gilt als normaler Rohertrag die in entsprechender Anwendung des Satzes 3 Nr. 2 oder 3 zu ermittelnde Jahresrohmiete.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Normaler Rohertrag ist bei bebauten Grundstücken, deren Wert nach dem Bewertungsgesetz im Sachwertverfahren zu ermitteln ist, die nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraumes geschätzte übliche Jahresrohmiete. Das Sachwertverfahren bei solchen bebauten Grundstücken anzuwenden, für die weder eine Jahresrohmiete ermittelt noch die übliche Miete geschätzt werden kann (§ 75 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 76 Abs. 3 Nr. 2, § 79 Abs. 2 BewG). Für das Grundstück des Klägers ist weder eine Jahresrohmiete ermittelt noch kann die übliche Miete geschätzt werden. Das Grundstück ist im maßgeblichen Zeitraum auch nicht vermietet gewesen. Auch eine Anlehnung an eine Miete, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird, konnte nicht stattfinden. Die Gebäude auf dem Grundstück des Klägers befinden sich unstreitig in einem schlechten baulichen Zustand, der die Nutzung zwangsläufig beeinträchtigt. Grundsätzlich werden derartige konkrete Umstände der Nutzung im Einzelfall nur bei Festsetzung des Einheitswertes berücksichtigt (vgl. §§ 13 Abs. 1, 16 Abs. 1 GrStG, § 79 Abs. 1 u. 2, 19 Abs. 4, 22 BewG). Umstände, die für den Erlasszeitraum durch Fortschreibung des Einheitswertes berücksichtigt werden können oder bei rechtzeitiger Stellung des Antrages auf Fortschreibung hätten berücksichtigte werden können, sind aber bereits gem. § 33 Abs. 6 GrStG als Erlassgrund nicht zu berücksichtigen. Dies gilt im Übrigen durch den Verweis des § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GrStG auf § 79 Abs. 1 u. 2 BewG für sämtliche Veränderungen, die den Wert beeinflussen können, die bei einer Hauptfeststellung zur Feststellung eines verminderten Einheitswertes führen würden. Diesen Regelungen liegt die Vorstellung des Gesetzgebers zu Grunde, dass Ertragsminderung an einen Grundsteuererlass nur rechtfertigen, wenn sie auf für die Ertragslage außergewöhnlichen ("atypischen") Umständen beruhen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03. Mai 1991, a.a.O. u. v. 04.04.2001 - 11 C 13/00). Der Kläger hat gegen die Festsetzung des Einheitswertes nach seinen Angaben zwar beim Finanzamt remonstriert, hat aber Rechtsmittel wegen der erwarteten langen Laufzeit der finanzgerichtlichen Verfahren nicht eingelegt. Das kann aber nicht dazu führen, dass diese Umstände nun in diesem Verfahren berücksichtigt werden können. Vielmehr kann hier der Erlass nur nach den Bestimmungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG gewährt werden. Die Vorschrift des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG als eng auszulegende Ausnahmeregelung kann daher nur in Fällen greifen, in denen eine wesentliche Ertragsminderung des grundsteuerbelasteten Grundstückes den Eigentümer in einen solchen Umfang trifft, dass sie ihm nicht mehr zumutbar ist. Davon kann jedoch, wovon auch das Bundesverwaltungsgericht ausgeht (vgl. Urt. v. 15.04.1983, a.a.O.) nur dann die Rede sein, wenn der Steuerpflichtige nicht selbst durch ein ihm zurechenbares Verhalten die Ursache für die Ertragsminderung herbeigeführt hat oder er es unterlassen hat, den Eintritt der Ertragsminderung durch solche geeigneten Maßnahmen zu verhindern, die von ihm erwartet werden konnten. Der Steuerpflichtige hat daher eine Ertragsminderung nur dann nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereiches liegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.04.1983 a.a.O.).
Derartige Umstände sind hier nicht ersichtlich. Vielmehr war der Leerstand und die sich daraus ergebende Ertraglosigkeit von Anfang an seit dem Erwerb durch den Kläger angelegt, soweit er nicht wesentliche Änderungen an dem Grundstück vornimmt. Eine Situation, in der eine frühere Nutzung bereits bei dem Erwerb aufgegeben war und in der der neue Eigentümer eine neue Nutzung anstrebt, fällt nicht aus dem Rahmen und führt typischerweise zu einem zwischenzeitlichen Leerstand. Die bloße Ertraglosigkeit allein kann daher in einem solchen Fall nicht zum Erlass der Grundsteuer führen, weil von vornherein mit einem Ertrag nicht zu rechnen war (vgl. auch Troll, GrStG, 7. Aufl. 1997, § 33 Rdnr. 6). Der Kläger befindet sich insoweit in der gleichen Lage wie viele andere Grundstückseigentümer, die nach Aufgabe einer früheren Nutzung erfolglos eine andere Nutzung des Grundstücks oder dessen Verkauf anstreben. Danach kann der Kläger im vorliegenden Fall einen Anspruch auf Erlass der Grundsteuer aus § 33 GrStG nicht herleiten. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, er habe das Grundstück in dem guten Glauben erworben, dass es ihm in ordnungsgemäßem Zustand übergeben werde, vermag dies einen Erlassanspruch ebenfalls nicht zu begründen. Zum einen betrifft dies ausschließlich das Innenverhältnis zwischen Verkäufer und Käufer. Zum anderen erscheint dies kaum realistisch, weil der Kläger als gelernter Maurer und Makler über soviel Sachkenntnis verfügen dürfte, dass er die nunmehr drastisch geschilderten Zustände in dem erworbenen Gebäude einschätzen konnte.
Einen derartigen Anspruch kann er auch nicht aus § 33 GrStG i.V.m. Art. 3 GG daraus herleiten, dass der Bundesrepublik Deutschland zuvor ein Grundsteuererlass gewährt worden war. Tatsächlich hat in dem vorausgegangenen Zeitraum eine wesentliche Nutzungsänderung stattgefunden, und die Voreigentümerin hat sich tatsächlich um einen Verkauf der Liegenschaft, der letztlich ja auch zum Erfolg geführt hat, bemüht. Derartige Bemühungen hat der Kläger in dem hier für das Jahr 1999 maßgeblichen Erlassantragsverfahren nicht vorgelegt. Darüber hinaus ist er darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf Gleichbehandlung selbst dann nicht zu einem Erlass führen würde, wenn ein derartiger Erlass rechtswidrig erfolgt wäre.
Die Kammer weist allerdings darauf hin, dass die Beklagte wegen der veränderten Umstände im Jahre 2000 über einen Erlass oder Teilerlass für die Folgejahre neu wird entscheiden müssen.