Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 26.06.2001, Az.: 4 A 90/99

Bestattungskosten; Heim; Sozialhilfe

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
26.06.2001
Aktenzeichen
4 A 90/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40217
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

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Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Übernahme von Bestattungskosten.

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Der 1904 geborene und am 12. Oktober 1996 verstorbene A. K.  lebte von 1974 bis zu seinem Tode im Alten- und Pflegeheim C. des Klägers. Herr K. hatte keine Angehörigen mehr. Die Kosten für seine Heimunterbringung wurden von dem Beklagten aus Sozialhilfemitteln getragen.

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Mit Schreiben vom 14. Oktober 1996 unterrichtete der Kläger den Beklagten von dem Tode des Hilfeempfängers und kündigte an, die Rechnung über die Beerdigungskosten zu übersenden. Der Beklagte wies den Kläger fernmündlich darauf hin, dass die Bestattungskosten nicht aus Sozialhilfemitteln übernommen werden könnten. Der Kläger übersandte dem Beklagten in der Folgezeit die Pflegekostenendabrechnung. Mit Rechnung vom 8. Januar 1997 machte er außerdem die nicht gedeckten Bestattungskosten geltend. Aus den der Rechnung beigefügten Unterlagen ergibt sich, dass das Bestattungsinstitut Bosse Bestattungen Kosten in Höhe von 1.442,--DM in Rechnung gestellt hatte. Die von der Stadt Wolfsburg erhobenen Beerdigungsgebühren beliefen sich auf insgesamt

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2.150,--DM. Abzüglich des von der AOK gezahlten Sterbegeldes in Höhe von 2.100,--DM verblieben somit nicht gedeckte Beerdigungskosten in Höhe von insgesamt 1.492,--DM.

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Mit Schreiben vom 25. Februar 1998 beanstandete der Kläger gegenüber dem Beklagten, dass dieser die Sozialhilfeleistungen zu Unrecht um die Beerdigungskosten in Höhe von 1.492,--DM gekürzt habe und bat um Überweisung des ausstehenden Betrages. Mit Schreiben vom 16. Februar 1999 erinnerte der Kläger den Beklagten an die Zahlung des offenen Betrages und setzte eine Frist bis zum 5. März 1999. Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 22. Februar 1999 mit, dass er aufgrund seiner Kostenübernahmeerklärung nur verpflichtet sei, die Pflegekosten zu tragen. Ein Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten sei nicht gegeben. Der Kläger bat den Beklagten mit Schreiben vom 12. und 26. April 1999 unter Hinweis auf § 15 BSHG nochmals um Ausgleich der angefallenen Bestattungskosten.

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Am 19. Mai 1999 hat der Kläger Klage erhoben.

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Er trägt vor, dass die Klage als Untätigkeitsklage zulässig sei. Ein ablehnender Bescheid liege bislang nicht vor. Selbst wenn das die Übernahme der Kosten ablehnende Schreiben als Verwaltungsakt und seine Mahnung als Widerspruch angesehen werden würde, läge jedenfalls kein Widerspruchsbescheid vor, so dass die Klage ebenfalls als Untätigkeitsklage zulässig sei. Sein Anspruch aus § 15 BSHG sei begründet, da er den Bestattungsauftrag erteilt habe und seinerseits von keinem anderen Ersatz oder Freistellung verlangen könne. Der Heimvertrag enthalte keine Regelungen über die Durchführung der Beisetzung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reiche aber jeder zu Lebzeiten formlos geäußerte Wille des Verstorbenen über die gewünschte Art der Beisetzung aus. Der Verstorbene müsse seinen Willen nicht einmal ausdrücklich bekundet haben. Es reiche aus, wenn der Wille aus den Umständen geschlossen werden könne. Hier habe sich aus den Umständen ergeben, dass Herr K. die Durchführung der Beisetzung durch den Kläger gewünscht habe. Herr K. sei wohnungslos gewesen und von der Abteilung Wohnen und Beraten Kästorf in den C. gewechselt. Er habe keine Angehörigen mehr gehabt. Für die in seiner Einrichtung untergebrachten Wohnungslosen sei die Einrichtung eine Art "zweite Heimat". Das Heimpersonal und der übrige Bewohnerkreis stellten "Ersatzangehörige" dar. Es sei gewissermaßen Geschäftsgrundlage, dass die Mitarbeiter der Einrichtung sich um die persönlichen Belange der Bewohner kümmerten, sofern Angehörige nicht vorhanden seien. Gerade deswegen kämen die Wohnungslosen in ihre Einrichtung.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten zu verpflichten, die nicht gedeckten Kosten der Bestattung des am 12. Oktober 1996 im C.  des Klägers verstorbenen Herrn K. in Höhe von 1.492,--DM zu

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übernehmen und den Bescheid des Beklagten vom 22. Februar 1999 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

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Der Kläger hat mit Schreiben vom 12. September 2000 den zwischen ihm und Herrn K.  am 16. Oktober 1992 geschlossenen Heimvertrag vorgelegt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.

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1. Die Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig. Dabei ist das Schreiben des Beklagten vom 22. Februar 1999 als Verwaltungsakt anzusehen, mit dem der Antrag des Klägers auf Übernahme der Bestattungskosten abgelehnt worden ist. Das Schreiben des Klägers vom 12. April 1999 ist als Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid des Beklagten zu werten. Der Kläger hat daraufhin zwar bereits am 19. Mai 1999 und damit vor Ablauf der Sperrfrist von drei Monaten nach § 75 Satz 2 VwGO Klage erhoben. Hier lagen aber besondere Umstände vor, die eine kürzere Frist als drei Monate gebieten konnten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits mit Rechnung vom 8. Januar 1997 die nicht gedeckten Bestattungskosten gegenüber dem Beklagten geltend gemacht hatte. Der Beklagte reagierte darauf jedoch erst nach wiederholten Anfragen des Klägers mit seinem Schreiben vom 22. Februar 1999 und damit mehr als zwei Jahre nach Stellung des Antrages. Da dieses Schreiben nicht in der äußeren Form eines Verwaltungsaktes abgefasst war und auch das Schreiben des Klägers vom 12. April 1999 nicht ausdrücklich als Widerspruch bezeichnet worden war, konnte der Kläger nicht mehr mit einer Entscheidung des Beklagten über seinen Widerspruch rechnen. Im Übrigen ist darüber bis jetzt nicht entschieden worden.

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2. Die Klage ist aber nicht begründet.

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Nach § 15 BSHG sind die erforderlichen Kosten einer Bestattung zu übernehmen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Anspruchsberechtigt ist danach derjenige, der verpflichtet ist, die Bestattungskosten zu tragen. Dies ist im Allgemeinen der Erbe, der gem. § 1968 BGB die Kosten der standesgemäßen Beerdigung des Erblassers zu tragen hat. Hier hatte der verstorbene Heimbewohner Arthur K.  jedoch keine Erben. Auch der Fiskus als Erbe hatte wegen des Fehlens eines Nachlasses die Kosten nicht zu tragen (vgl. Palandt, BGB, Kommentar, 59. Auflage, § 2011 Rn. 1). Soweit nach dem Erben Unterhaltsverpflichtete die Beerdigungskosten zu übernehmen haben, sind solche ebenfalls nicht vorhanden gewesen.

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Als Verpflichtete im Sinne von § 15 BSHG gelten weiterhin diejenigen, die in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht die Bestattung veranlasst haben und aufgrund einer Zivilrechtsnorm - in der Regel aus einem Werkvertrag mit dem Bestattungsunternehmen - die Bestattungskosten ganz oder teilweise tragen müssen, ohne von einem Erben oder Unterhaltsverpflichteten Ersatz verlangen zu können (Fichtner, BSHG, Komm., § 15 Rdnr. 2 m. w. N.; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.3.1992 - 6 S 1736/90 -, FEVS 42, 380; VG Gießen, Urt. v. 14.12.1999 - 4 E 23/96 -, NVWZ - RR 2000, 437; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 14.3.2000 - 22 A 3975/99 -, DVBl. 2000, 1704). In Niedersachsen fehlt es allerdings - anders als in den meisten anderen Bundesländern (vgl. Nachweise bei Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 8. Aufl., S. 117 Fn.11) - an einer öffentlich-rechtlichen Regelung der Bestattungspflicht. Während zum Beispiel nach § 12 Abs. 3 des Hessischen Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen (abgedruckt bei Gaedke, a.a.O., S. 551 ff.) bei dem Tode eines Heimbewohners der Heimleiter, wenn Angehörige nicht vorhanden sind, verpflichtet ist, die Leichenschau und auch die Bestattung zu veranlassen, regelt § 2 des Niedersächsischen Gesetzes über das Leichenwesen (vom 29.3.1963, Nds. GVBl. S. 142) nur, wer verpflichtet ist, die Leichenschau unverzüglich zu veranlassen. Die Niedersächsische Verordnung über die Bestattung von Leichen (vom 29.10.1964, Nds. GVBl. S. 183) spricht lediglich von demjenigen, "der für die Bestattung sorgt" (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2, § 2 Abs. 2), ohne einen Bestattungspflichtigen zu bestimmen.

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Die die Bestattungspflicht umfassende Totenfürsorge kann allerdings auch privatrechtlich geregelt sein. Berechtigt und verpflichtet, für die Bestattung zu sorgen, ist in erster Linie derjenige, den der Verstorbene mit der Wahrnehmung der Totenfürsorge beauftragt hat. Dieser muss nicht zum Kreis der an sich dazu berufenen Angehörigen zählen, sondern kann auch ein Dritter sein. Der Verstorbene, dessen Wille in erster Linie entscheidend ist, kann also das Totenfürsorgerecht den Angehörigen belassen oder entziehen oder ihre Reihenfolge ändern. Nur soweit ein Wille des Verstorbenen nicht erkennbar ist, sind nach Gewohnheitsrecht seine nächsten Angehörigen berechtigt und verpflichtet (Palandt, a.a.O., Einl. vor § 1922 Rdnr. 9 ff.). Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat vor diesem Hintergrund entschieden, dass, wenn ein Heimbewohner im Heimvertrag vereinbart habe, dass im Falle seines Todes der Heimträger für die Beisetzung sorgen solle, wenn Angehörige nicht rechtzeitig erreicht werden könnten, der Heimträger, der in einem solchen Fall die Beisetzung veranlasse, Anspruch gegen den Sozialhilfeträger auf Übernahme der erforderlichen, durch Leistungen anderer nicht gedeckten Kosten der Bestattung habe (Nds. OVG, Urt. v. 8.2.2000 - 4 L 2110/00 -, NJW 2000, 3513 = NDV-RD 2000, 107 [BVerwG 30.06.1999 - BVerwG 5 C 40/97]).

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In dem zwischen dem verstorbenen Heimbewohner A.K. und dem Kläger geschlossenen Heimvertrag vom 16. Oktober 1992 fehlt allerdings eine derartige Vereinbarung. Daraus, dass § 22 des Vertrages, der besondere Regelungen für den Todesfall vorsieht, nicht ausgefüllt ist, lässt sich lediglich entnehmen, dass im Falle seines Todes niemand benachrichtigt werden sollte. Eine Pflicht oder ein Recht des Klägers, die Bestattung zu veranlassen, ergibt sich aus dem Vertrag dagegen nicht.

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Auch aus den sonstigen Umständen konnte nicht auf einen Willen des Herrn K. , den Kläger mit seiner Bestattung zu beauftragen, geschlossen werden. Bei der Ermittlung des für die Wahrnehmung der Totenfürsorge maßgebenden Willens des Verstorbenen kommt es nicht nur auf dessen ausdrückliche Willensbekundungen, etwa in einer letztwilligen Verfügung, an; vielmehr genügt es, wenn der Wille aus den Umständen mit Sicherheit geschlossen werden kann (BGH, Urt. v. 26.2.1992 - XII ZR 58/91 -, MDR 1992, 588 =FamRZ 1992, 657 m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall. Zwar ist zu berücksichtigen, dass der 1904 geborene Herr K.  aus dem Nichtsesshaftenmilieu stammte, keine Angehörigen mehr hatte und über 20 Jahre in dem Heim des Klägers gelebt hatte, so dass das Heim quasi sein Zuhause geworden war. Dies reicht jedoch objektiv nicht für die Schlussfolgerung aus, dass Herr K.  auch den Willen hatte, den Träger des Heims mit der Totenfürsorge zu betrauen. Denn der Heimträger ist keine natürliche Person, zu der Herr K.  eine persönliche Beziehung entwickeln konnte. Um allein aufgrund der Lebensumstände von einem Willen des Verstorbenen ausgehen zu können, jemanden mit der Totenfürsorge zu betrauen, ist jedoch eine persönliche Beziehung zu einer bestimmten Person erforderlich. Persönliche Beziehungen und Bindungen bestanden aber lediglich zwischen Herrn K.  und anderen Heimbewohnern oder den Betreuern.

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Da der Kläger auch privatrechtlich nicht berechtigt gewesen ist, die Bestattung zu veranlassen, ist er kein Verpflichteter im Sinne des § 15 BSHG und hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten. Im vorliegenden Fall hätte vielmehr die zuständige Gemeinde als Ordnungsbehörde die Bestattung veranlassen und die dafür anfallenden Kosten übernehmen müssen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.