Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 08.11.2016, Az.: 1 A 40/16

Ersatzfahrzeug; Fahrtenbuch; Leasingfahrzeug; sechs Monate

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
08.11.2016
Aktenzeichen
1 A 40/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43068
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine vom Beklagten angeordnete Fahrtenbuchauflage von sechs Monaten.

Mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen B. wurde im Kreis C. am 13. April 2014 um 18:45 Uhr die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 70 km/h um 25 km/h überschritten. Bei dem Fahrzeug handelte es sich um ein Leasingsfahrzeug. Dieses Fahrzeug gehörte dem Fuhrpark der Klägerin an.

Auf dem während des Verkehrsverstoßes aufgenommenen Lichtbild war das Heck des Fahrzeugs (Audi Q 5; schwarz) abgebildet.

In dem daraufhin durch den Beklagten eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren übersendete der Beklagte unter dem 16. April 2014 einen Zeugenfragebogen zur Feststellung des Fahrzeugführers an die Klägerin. Diesen Zeugenfragebogen sowie die Erinnerung an den Zeugenfragebogen vom 27. Mai 2014 sendete die Klägerin nicht zurück.

Unter dem 24. Juli 2014 stellte der Kreis C. das eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren ein, da der Fahrzeugführer nicht festgestellt werden konnte.

Mit Schreiben vom 24. November 2015 wandte sich der Beklagte an die Klägerin und hörte sie zu einer beabsichtigten Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, an. Daraufhin meldete sich die Klägerin zunächst telefonisch am 2. Dezember 2015 beim Beklagten und sodann via E-Mail vom gleichen Tage und teilte mit, dass der Vorgang damals einen Mitarbeiter betroffen habe, der seit Juli 2014 nicht mehr in dem Unternehmen tätig gewesen und bereits im April vergangenen Jahres freigestellt worden sei. Seinerzeit sei auch eine entsprechende Mitteilung an den Mitarbeiter hinsichtlich des Verkehrsverstoßes ergangen. Den Vorgang hierzu könne sie, die Klägerin, in den Geschäftsunterlagen jedoch nicht mehr auffinden, weil das System mittlerweile umgestellt worden sei. Es sei seither auch nie wieder etwas von dem Vorgang erwähnt worden. Deshalb sei sie davon ausgegangen, dass die Ordnungswidrigkeit erledigt worden sei. Das Fahrzeug sei seit August 2014 von dem vormaligen Geschäftsführer der Klägerin genutzt worden. Aufgrund einer Änderung innerhalb der Geschäftsleitung sei beabsichtigt, das Fahrzeug an die Leasinggesellschaft zurückzugeben.

Mit Bescheid vom 9. Dezember 2015 ordnete der Beklagte gegenüber der Klägerin gem. § 31 a StVZO die Führung eines Fahrtenbuchs für die Dauer von sechs Monaten für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen B. an. In dem Bescheid hieß es weiter, dass für den eventuellen Fall eines Wechsels des Fahrzeuges, die Hinweise am Ende des Bescheides zu beachten seien. Solle danach das genannte „Tatfahrzeug“ veräußert, ab- oder umgemeldet werden, so sei das Fahrtenbuch für ein anderes Fahrzeug zu führen, welches von der Klägerin betrieben werde. Hierbei komme es nicht auf die Fahrzeugart (Krad, PKW oder Lkw) an, weil mit der Fahrtenbuchauflage nicht der Umgang mit einem bestimmten Fahrzeug, sondern die Beachtung der einem Kfz-Halter obliegenden Aufsichtspflicht über die von ihm in Verkehr gebrachten Fahrzeuge sichergestellt werden solle. Er, der Beklagte, behalte sich vor, ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge zu bestimmen.

Am 5. Januar 2016 gab die Klägerin das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen B. an die Leasinggesellschaft zurück.

Die Klägerin hat am 8. Januar 2016 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass die Anordnung eines Fahrtenbuchs unrechtmäßig sei. Das Fahrzeug, für das das Führen eines Fahrtenbuches angeordnet worden sei, sei im Zeitraum Oktober 2013 bis Juli 2014 von einem ehemaligen Geschäftsführer gefahren worden. Von August 2014 bis Dezember 2014 sei das Fahrzeug ebenfalls vom nachfolgenden Geschäftsführer gefahren worden. Dieser Geschäftsführer habe das Unternehmen unwiderruflich am 31. Dezember 2015 verlassen. Das Fahrzeug sei damit ersatzlos weggefallen. Die derzeitige Geschäftsführung fahre keinen Firmenwagen.

Mit Schreiben vom 24. Februar 2016 ordnete der Beklagte an, dass das Fahrtenbuch für das auf den Namen der Klägerin zugelassene Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen D. zu führen sei. Sollte ein weiterer Fahrzeugwechsel erfolgt sein oder in nächster Zeit erfolgen, sei das Fahrtenbuch für ein Fahrzeug zu führen, dessen Halterin die Klägerin sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß schriftlich,

den Bescheid des Beklagten vom 9. Dezember 2015 in Gestalt des Bescheids vom 24. Februar 2016 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt schriftlich,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Klage entgegengetreten. Die Anordnung, mit welcher der Klägerin für die Dauer von sechs Monaten das Führen eines Fahrtenbuchs für das von ihr gehaltene Fahrzeug aufgegeben werde, sei rechtmäßig ergangen. Die Feststellung des Fahrzeugführers sei unmöglich gewesen. Unmöglichkeit im Sinne der Norm des § 31a Abs. 1 StVZO liege vor, wenn der Fahrzeugführer nicht ermittelt werden könne, obwohl alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden seien. Dabei sei die Behörde nicht verpflichtet, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg versprechende Ermittlungen anzustrengen. Dadurch, dass die Klägerin den Zeugenfragebogen sowie die Erinnerung an den Zeugenfragebogen nicht zurückgesendet habe, habe sie zum Ausdruck gebracht, dass sie an der Fahrerfeststellung nicht mitwirken wolle. Ihm, dem Beklagten, sei ein Ermittlungsdefizit nicht vorzuwerfen. Es komme Folgendes hinzu: Die Klägerin, die selbst Kaufmann sei, sei buchführungspflichtig. Sie sei etwa verpflichtet Bücher zu führen und über lange Zeit aufzubewahren, aus denen sich die Geschäftsvorfälle „in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen“. Daraus ergebe sich zwar keine unmittelbare Pflicht, Einsatzpläne vorzuhalten. Anders als etwa bei der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs durch verschiedene Familienmitglieder, liege dieses aber im kaufmännischen Eigeninteresse, schon um Vorkehrungen gegen missbräuchliche Verwendungen der Fahrzeuge für Privatfahrten zu treffen oder in Schadensfällen Ersatzansprüche belegen zu können. Es könne deshalb unterstellt werden, dass ein Wirtschaftsbetrieb grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen in der Lage sei, Auslieferungsvorgänge, Geschäftsfahrten usw. zu rekonstruieren. Durch ihr Verhalten im Anschluss an den Geschwindigkeitsverstoß habe die Klägerin eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit sei, an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Bei einer solchen Sachlage sei es der Verfolgungsbehörde nicht zuzumuten, weitere „überobligatorische“ Nachforschung ohne nähere Anhaltspunkte durchzuführen.

Zudem sei die Fahrtenbuchauflage nach der Rechtsprechung auch nicht deshalb rechtswidrig, weil „nur“ ein Heckfoto des betroffenen Fahrzeugs vorliege. Auf Grundlage des § 31 a Abs. 1 Satz 2 StVZO könne er, der Beklagte, die Fahrtenbuchauflage auch auf ein etwaiges Nachfolge- oder Ersatzfahrzeug des eingangs genannten „Tatfahrzeugs“ B. erstrecken, indem er zunächst in der angefochtenen Verfügung bestimmt habe: „sollten Sie das o.g. „Tatfahrzeug“ veräußern, ab- oder ummelden, so ist das Fahrtenbuch für ein anderes Fahrzeug zu führen, welches von ihnen betrieben wird“ und sich sodann in seinem Schreiben vom 24. Februar 2016 auf das auf den Namen der Klägerin zugelassene Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen D. festgelegt habe. Das Gesetz erlaube es, die Führung eines Fahrtenbuchs für ein oder mehrere auf den Halter zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge aufzuerlegen. Die Verwaltungsbehörde könne in dem Zusammenhang ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen. Der Sicherungszweck des Gesetzes lasse es zu und erfordere es sogar regelmäßig, die Maßnahme auf das oder die Fahrzeuge zu erstrecken, die vor Ablauf der Zeit, für die das Fahrtenbuch geführt werden solle, an die Stelle des oder der in der Verfügung bezeichneten Kraftfahrzeuge treten. Dies habe seinen Grund darin, dass die Gefährdung der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs, der die Fahrtenbuchauflage begegnen wolle, mit dem Fortfall eines bestimmten Fahrzeuges nicht ebenfalls fortfiele. Aus diesem Grund sei der Begriff „Ersatzfahrzeug“ weit auszulegen. Er erfasse nicht nur das - vor oder während der Geltung der Fahrtenbuchauflage anstelle des veräußerten - neu angeschaffte Fahrzeug, sondern vielmehr auch alle anderen Fahrzeuge des Halters, die im Zeitpunkt der Veräußerung des Fahrzeugs, für das die Fahrtenbuchanordnung gelte, von ihm betrieben würden und demselben Nutzungszweck zu dienen bestimmt seien. Demzufolge stehe die Abmeldung des „Tatfahrzeugs“ B. an die Leasinggesellschaft zum 5. Januar 2016 einer wirksamen Fahrtenbuchauflage für das Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen D. nicht entgegen. Auch habe er, der Beklagte, sein Ermessen hinsichtlich der Anordnung der Fahrtenbuchauflage fehlerfrei ausgeübt. Diesbezüglich konkretisiert er seine Ermessenserwägungen aus dem streitgegenständlichen Bescheid.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin wendet sich nach einer interessengerechten Auslegung ihres Klagebegehrens (§ 88 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2015 in Gestalt des Bescheides vom 24. Februar 2016. Denn bei der Anordnung nach § 31 a StVZO ein Fahrtenbuch zu führen, handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.10.1978 - 7 C 77.74 -, juris und Beschluss vom 3.2.1989 - 7 B 18/89 -, juris). Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 43 ff.). Das Begehren der Klägerin zielt erkennbar darauf, die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuchs generell aufzuheben. Vor diesem Hintergrund entspricht die Einbeziehung des Bescheids vom 24. Februar 2016 dem Interesse der Klägerin. Denn die zunächst streitgegenständliche Verfügung - Fahrtenbuchanordnung für das Fahrzeug mit dem amtl. Kennzeichen E. bzw. etwaige Ersatzfahrzeuge - ist aufgrund einer nachträglichen Änderung der Sachlage - Rückgabe dieses Fahrzeugs an die Leasinggesellschaft - von dem Beklagten im Wege einer ergänzenden Verfügung nachträglich auf ein bestimmtes Ersatzfahrzeug konkretisiert worden, nämlich das Fahrzeug mit dem amtlichen F..

Die so verstandene Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 9. Dezember 2015 in Gestalt des Bescheids vom 24. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Die Fahrtenbuchauflage hat ihre Rechtsgrundlage in § 31 a Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung - StVZO -. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge - auch Ersatzfahrzeuge - die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Die Klägerin war zunächst Halterin des Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen B.. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein Leasingfahrzeug handelte. Denn Halter eines Leasingfahrzeugs im Sinne des § 31a Abs. 1 StVZO ist regelmäßig der Leasingnehmer (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.6.2014 - 8 B 110/14 -, juris). Dies war vorliegend die Klägerin. Eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften i. S. d. § 31 a Abs. 1 S. 12 StVZO liegt darin, dass die dieses Kraftfahrzeug führende Person die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 70 km/h um 25 km/h überschritten hat. Dies ist durch das Lichtbild und das Messprotokoll belegt. Dem steht nicht entgegen, dass auf dem Lichtbild nur ein „Heckfoto“ zu erkennen war (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 19.9.2012 - 12 LA 296/11 -).

Die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers war nicht möglich i. S. d. § 31 a StVZO. Eine Unmöglichkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen hierfür getroffen hat. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde können sich an dem Verhalten und der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. An der Mitwirkung des Halters fehlt es bereits dann, wenn er den Anhörungs- oder Zeugenfragebogen nicht zusendet bzw. weitere Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer nicht macht. Damit hat es regelmäßig ein Bewenden. Weitere Bemühungen der Bußgeldstelle zur Feststellung des Fahrzeugführers ändern an dieser Rechtslage nichts (ständige Rspr., z. B. Nds. OVG, Beschluss vom 30.6.2008 - 12 ME 166/08 -).

Gemessen an diesen Grundsätzen war die Fahrerfeststellung unmöglich. Denn den Zeugenfragebogen vom 16. April 2014 sowie die Erinnerung daran vom 27. Mai 2014 sandte die Klägerin nicht zurück. Anhaltspunkte dafür, dass ihr der Zeugenfragebogen nicht zugegangen ist, liegen nicht vor und sind von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Weitergehender Ermittlungen bedurfte es nicht.

Der Umstand, dass die Klägerin seit dem 5. Januar 2016 nicht mehr Halterin des im Bescheid vom 9. Dezember 2016 genannten Fahrzeugs ist, berührt die Erfüllung des Tatbestandes nicht. Der Beklagte hat sich im angefochtenen Bescheid vom 9. Dezember 2015 ausdrücklich die Bestimmung eines Ersatzfahrzeugs vorbehalten und von dieser Möglichkeit in seiner ergänzenden Verfügung vom 24. Februar 2016 Gebrauch gemacht und seine Anordnung ein Fahrtenbuch zu führen auf das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen D. bezogen, für das die Klägerin ebenfalls Halterin ist.

Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Unerheblich ist, dass der Beklagte das Ersatzfahrzeug nicht bereits im Bescheid vom 9. Dezember 2015 näher bestimmt hatte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handelt es sich bei der Anschaffung oder Verwendung eines anderen Fahrzeugs für ein veräußertes oder stillgelegtes Fahrzeug um einen alltäglichen Lebensvorgang, bei dem es auch dann, wenn jemand mehrere Fahrzeuge halte, in aller Regel keine Schwierigkeiten bereite, festzustellen, welches Fahrzeug in der Art und Weise seiner typischen Benutzung an die Stelle des früher verwendeten Fahrzeugs getreten sei. Deshalb sei die Straßenverkehrsbehörde im Allgemeinen nicht gehalten und auch gar nicht in der Lage, ihre Anordnung insoweit stärker zu präzisieren. Auf jeden Fall habe die Behörde die Möglichkeit, später im Wege einer ergänzenden Verfügung ein konkretes Ersatzfahrzeug zu bezeichnen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3.2.1989 - 7 B 18.89 -, juris). Von dieser Möglichkeit hat der Beklagte mit seiner Verfügung vom 24. Februar 2016 Gebrauch gemacht. Dort hat er das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen D. dessen Halterin die Klägerin ist, als Ersatzfahrzeug für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen B., das an die Leasingagentur zurückgegeben wurde, bestimmt.

Bei dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen D. handelt es sich auch tatsächlich um ein Ersatzfahrzeug für das „Tatfahrzeug“. Der Begriff Ersatzfahrzeug ist weit auszulegen. Im Hinblick auf das Ziel der Regelung in § 31 a Abs. 1 S. 2 StVZO, nämlich zu verhindern, dass sich der Halter durch Veräußerung des mit der Auflage versehenen „Tatfahrzeugs“ der bestehenden Verpflichtung zu entziehen versucht, ist Ersatzfahrzeug i. S. d. § 31 a Abs. 1 S. 2 StVZO deshalb nicht nur das (vor oder während der Fahrtenbuchauflage anstelle des veräußerten) neu angeschaffte Fahrzeug, vielmehr zählen dazu auch alle anderen Fahrzeuge des Halters, die im Zeitpunkt der Veräußerung des „Tatfahrzeugs“ von ihm betrieben werden und demselben Nutzungszweck zu dienen bestimmt sind (Nds. OVG, Beschluss vom 17.9.2007 - 12 ME 225/07 -, OVG Berlin, Beschluss vom 13.3.2003 - 8 S 330.02 -, BayVGH, Beschluss vom 27.1.2004 - 11 CS 03.2940 -, jeweils juris). Ob ein Fahrzeug „demselben Nutzungszweck zu dienen bestimmt ist“, hängt davon ab, ob beide Kraftfahrzeuge in vergleichbarer Weise zu geschäftlichen und/oder zu privaten Zwecken eingesetzt werden/worden sind (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17.9.2007 - 12 ME 225/07-, a.a.O.). Für die Bestimmung des Nutzungszwecks kommt es insofern nur auf die objektive Zweckbestimmung, nicht aber darauf an, welcher individuelle Fahrer das Fahrzeug für den Halter im Rahmen seines Geschäftsbetriebes nutzt. Auf die individuelle Nutzung kann es schon deshalb nicht ankommen, weil der Halter oder sein Beauftragter, nicht aber der jeweilige Fahrer für das Führen des Fahrtenbuchs verantwortlich ist. Auch wäre § 31 a Abs. 1 StVZO ansonsten dadurch umgehbar, dass bei Fahrtenbuchauflagen für geschäftlich genutzte Fahrzeuge der individuelle Fahrer oder der geschäftsinterne Nutzungszweck verändert wird. Würde man bei derartigen geschäftsinternen Veränderungen von einer Veränderung des Nutzungszwecks ausgehen, wäre dem Rechtsgedanken der Gefahrenabwehr i. S. d. § 31 a StVZO nicht genüge getan (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 13.3.2003 - 8 S 330.02 -, VG Hannover, Urteil vom 30.10.2008 - 9 A 461/08 -, jeweils juris).

Das Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen D. stellt danach ein Ersatzfahrzeug im Sinne der Vorschrift dar. Maßgeblich ist hier, dass das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen D. ebenso wie der an die Leasinggesellschaft zurückgegebene Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen B. als Geschäftsfahrzeug im Fahrzeugpool der Klägerin vorgehalten wird und für geschäftliche Zwecke eingesetzt wird. Damit entspricht der Nutzungszweck dieses Fahrzeugs in vergleichbarer Weise dem Nutzungszweck des ursprünglichen „Tatfahrzeugs“. Darauf, dass dieses Fahrzeug, anderes als das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen B. nicht von der Geschäftsführung genutzt wird, sondern allgemein im Fahrzeugpool der Klägerin vorgehalten wird, kommt es nach dem oben Gesagten nicht an.

Die Fahrtenbuchanordnung lässt auch keine Ermessensfehler erkennen (§ 114 Satz 1 Satz 1 VwGO). Insbesondere ist am 13. April 2014 mit dem von der Klägerin damals gehaltenen Fahrzeug ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht begangen worden. Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, ist regelmäßig dann verhältnismäßig, wenn die Entscheidung über die fragliche Ordnungswidrigkeit in das Verkehrszentralregister einzutragen und daher mit wenigstens einem Punkt zu bewerten wäre (BVerwG, Beschluss vom 9.9.1999 - 3 B 94.99, juris; Nds. OVG, Beschluss vom 15.10.2003 - 12 LA 416/03 -, juris). An diesem Grundsatz hat auch das neue Fahreignungsbewertungssystem nichts geändert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der begangene Verkehrsverstoß zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hat; entscheidend ist allein die abstrakte Gefährdung, die bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung in diesem Umfang regelmäßig anzunehmen ist. Im vorliegenden Fall wäre der Geschwindigkeitsverstoß nach der zum Tatzeitpunkt geltenden Rechtslage mit einem Punkt einzutragen gewesen (Ziff. 3.2.2 der Anlage 13 zu § 40 Fahrerlaubnisverordnung i.d.F. vom 5. 11.2013, BGBl. I 2013, 3925 und ist auch nach aktueller Rechtslage mit einem Punkt einzutragen (Ziff. 3.2.2 der Anlage 13 zu § 40 Fahrerlaubnisverordnung i.d.F. vom 16.4.2014, BGBl. I 2014, 363 i.V. mit Anhang zu Nr. 11 der Anlage, Tabelle 1 Ziffer 11.3.4. der Bußgeldkatalog-Verordnung)

Auch die Dauer der Auflage ist angesichts der Schwere des Verkehrsverstoßes nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Bei der Verhängung einer Fahrtenbuchauflage von sechs Monaten Dauer sind umfassende Ermessenserwägungen regelmäßig nicht erforderlich, weil diese Dauer im unteren Bereich der für eine effektive Kontrolle der Fahrzeugbenutzung erforderlichen Dauer angesiedelt ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 6.4.2010 - 12 ME 47/10 -, juris). Die Erwägungen des Beklagten sind ausreichend. Er hat auf den Zweck der Fahrtenbuchauflage Bezug genommen, dessen Verwirklichung eine gewisse Dauer der Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs erfordere.

Schließlich kann die Klägerin der Anordnung eines Fahrtenbuchs nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass seit dem Verkehrsverstoß bis zur Anordnung des Fahrtenbuchs fast zwei Jahre vergangen seien und der Beklagte seine Rechte verwirkt habe. Denn allein aufgrund eines bloßen Untätigseins bzw. Schweigens der Behörde, durfte die Klägerin nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte sie nicht mehr mit einer Fahrtenbuchanordnung belegen werde. Damit fehlt es an der für die Verwirkung erforderlichen Vertrauensgrundlage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.