Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 23.06.2020, Az.: 7 A 2200/19
Besitz kinderpornographischer Schriften; Bindungswirkung; Strafrechtliche Verurteilung; Widerruf der Approbation als Arzt; Wiederherstellung der Würdigkeit; Wohlverhaltensphase
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 23.06.2020
- Aktenzeichen
- 7 A 2200/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 71732
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 BÄO
- § 5 BÄO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die strafrechtliche Verurteilung eines Arztes wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften rechtfertigt den Widerruf seiner Approbation.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der am 00. August 1982 in B-Stadt geborene Kläger ist seit Juni 2011 approbierter Arzt. Er arbeitet im Range eines Oberstabsarztes bei der Bundeswehr, mit der das Dienstverhältnis auf 18 Jahre geschlossen ist (Beginn 2004, reguläres Ende 2021).
Nach vorangegangenen strafrechtlichen Ermittlungen im Vorfeld kam es am 23. April 2013 zu einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers, bei der auf seinem PC, seinem Laptop und seiner Festplatte insgesamt mindestens 2.717 Dateien mit Fotos und 23 Dateien mit entsprechenden Videos vorhanden waren, die den sexuellen Missbrauch unter 14 Jahre alter Mädchen und Jungen durch Erwachsene in grob anreißerischer (pornografischer) Weise darstellten. Die weitere Ermittlungstätigkeit und strafrechtliche Verfolgung mündeten zunächst im Urteil des Amtsgerichts Leer vom 13. Oktober 2015 - 6a Ds 3584 Js 17053/13 (292/15) -, mit dem der Kläger wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften (unter Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde. Dort (Blatt 134 ff. Beiakte 1) heißt es in den Gründen:
„Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang noch nicht in Erscheinung getreten.
II.
Nunmehr war folgende Tat abzuurteilen:
Der Angeklagte lud sich am 23.04.2013 und davor über seinen Internetzugang in C. mit Hilfe seines Computers im Chat-Bereich bzw. in Newsgroups und Tauschbörsen des Internets Video- und Bilddateien herunter, auf denen der sexuelle Missbrauch unter 14 Jahre alter Mädchen und Jungen durch Erwachsene in grob anreißerischer (pornografischer) Weise dargestellt werden. Auf diesen Video- und Bilddateien wurden sexuelle Handlungen von Kindern untereinander bzw. an sich selbst oder die grob anreißerische Zurschaustellung der Geschlechtsteile der Kinder dargestellt. Diese Video- und Bilddateien ließ sich der Angeklagte von anderen Internetteilnehmern übermitteln. Diese Dateien wurden in einem sogenannten ‚Cache-Speicher‘ auf seinem PC, seinem Laptop und seiner Festplatte abgespeichert. Anlässlich einer Durchsuchung am 23.04.2014 wurden bei ihm auf diesen Dateidatenträgern insgesamt mindestens 2.717 Dateien mit den oben beschriebenen Bildern und 23 Dateien mit entsprechenden Bildfolgen (Videodateien) gefunden. Diese Bild- und Videodateien wurden allesamt im Cache-Speicher gesammelt.
III.
... Die Feststellungen zur Tat beruhen zunächst auf der glaubhaften geständigen Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, in welcher er einräumte, die entsprechend angeklagten Bilder und Videos kinder- bzw. jugendpornografischen Inhalts angesehen zu haben. An der Richtigkeit bestehen für das Gericht keine Zweifel.
...
Der objektive Tatbestand des § 184b Abs. 4 StGB ist erfüllt. Bei den sichergestellten Dateien handelt es sich um kinderpornographisches Material. Hierauf sind eindeutig sexuelle Handlungen zu sehen.
Darüber hinaus hat sich der Angeklagte entgegen seiner Einlassung auch den Besitz hierüber verschafft. Das Material konnte über die Computerzugänge „D.“ (Vorname des Angeklagten) eindeutig diesem zugeordnet werden. Der Besitz kinderpornographischer Schriften ist auch dann gegeben, wenn die entsprechenden Dateien allesamt lediglich in einem Cache Speicher aufgefunden werden.
Auch mit der bloßen Speicherung solcher Dateien im Cache-Speicher eines PC-Systems erlangt dessen Benutzer Besitz ..., weil es ihm möglich ist, jederzeit diese Dateien wieder aufzurufen, solange sie nicht manuell oder systembedingt automatisch gelöscht wurden ...
...
Das Gericht ist ... davon überzeugt, dass der Angeklagte bedingten Vorsatz ... <und> ... zumindest auch bedingten Besitzwillen hatte.
...
Schon wer bewusst und gewollt Seiten mit kinderpornografischem Inhalt aus dem Internet aufruft und auf den Bildschirm seines Computers betrachtet, unternimmt es, sich den Besitz von kinderpornografischen Schriften zu verschaffen. ...
Im vorliegenden Fall sprach insbesondere die große Anzahl von Dateien (mehr als 2.500) für den von der Sachherrschaft getragenen Besitzwillen des Angeklagten. Bei einer derart großen Zahl von Dateien ist davon auszugehen, dass der Angeklagte sich die entsprechenden Bild- und Videodateien dauerhaft zueignen wollte. ... Darüber hinaus befindet sich der Angeklagte in einem Alter, in dem das Gericht davon ausgeht, dass er mit der Nutzung von digitalen Medien großgeworden ist ...“
Auf die zunächst unbeschränkte und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23. Februar 2017 vor der 1. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Aurich verhandelte Berufung, die in diesem Termin auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurde, verurteilte das Strafgericht
– Landgericht Aurich, Geschäftsnummer 12 Ns 28/16 (Staatsanwaltschaft Hannover 3584 Js 17053/13), Urteil vom 23. Februar 2017; Rechtskraftdatum: 3. März 2017, Datum der letzten Tat: 23. April 2013 –
unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Leer vom 13. Oktober 2015 den Kläger im Rechtsfolgenausspruch zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 80,00 €. In den Urteilsgründen heißt es, dass der Kläger inzwischen seine frühere Lebensgefährtin, eine Polizeibeamtin, geheiratet (Eheschließung ... 2016) habe; die Strafkammer habe durch den Sachverständigen festgestellt, dass durch die Speicherung im Cache-Speicher die Sachherrschaft an den maßgeblichen Dateien gegeben sei. Weiter heißt es dort (Blatt 147 ff. Beiakte 1):
„IV.
Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte wie vom Amtsgericht entschieden strafbar gemacht. Denn die Zugriffsmöglichkeit auf die inkriminierten Dateien über die im Cache gespeicherten Informationen entspricht der pönalisierten Sachherrschaft.
V.
Bei der Strafzumessung hat die Kammer das Geständnis und die echte Reue des bisher unbestraften Angeklagten berücksichtigt und hat dafürgehalten, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht erforderlich war ...“
Am 22. Dezember 2017 ging bei dem Beklagten die „Mistra Nr. 26“ der Staatsanwaltschaft Hannover (Mitteilung nach Nr. 26 der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen vom 13. Dezember 2017 zum Az.: 3584 Js 17053/13) über die Verurteilung des Klägers ein (Blatt 1/2 Beiakte 1), woraufhin der Beklagte zunächst durch Anforderung der Strafakten das auf den Widerruf der Approbation des Klägers gerichtete Verwaltungsverfahren eröffnete, während parallel das Truppendienstgericht gegen den Kläger disziplinarrechtlich ein Verfahren führte.
Mit Schreiben vom 8. April 2019 (Bl. 82 ff. Beiakte) hörte der Beklagte den Kläger zu seiner Absicht an, die ihm erteilte Approbation als Arzt zu widerrufen. Dort heißt es, dass auf die strafgerichtliche Verurteilung, insbesondere hinsichtlich des Sachverhaltes im Urteil des Amtsgerichts, Bezug genommen werde, ohne eigene Sachverhaltsermittlungen anzustellen. Daraus folge jedenfalls die Unwürdigkeit des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufs, weil die abgeurteilte Straftat geeignet sei, das Ansehen und Vertrauen in den ärztlichen Berufsstand zu zerstören. Bei Vorliegen der zutage getretenen charakterlichen Mängel könne er Respektierung und Achtung als Kollege seitens seines Berufsstandes nicht mehr erwarten. Seine Taten seien geeignet, einen Vertrauens- und Ansehensverlust der gesamten Ärzteschaft herbeizuführen, was nicht hingenommen werden könne. Auch sei die Würdigkeit nicht etwa angesichts der Zeitabläufe bereits wiederhergestellt. Hier sei ein Reifeprozess von regelmäßig mindestens 5 bzw. 8 Jahren erforderlich, aber nicht alleine ausreichend. Zwar habe es sich hier um Taten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises gehandelt, aber das Tatunrecht gebiete hier ein Mindestmaß von acht Jahren als Reifeprozess. Außerdem sei dem Zeitraum seit Begehung der Tat bis zur Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Aurich kein besonderer Wert beizumessen, da der Kläger insoweit unter dem Druck des strafrechtlichen Verfahrens Wohlverhalten gezeigt habe. Dasselbe gelte hinsichtlich des Verfahrens beim Truppendienstgericht. Insoweit könne der Zeitraum nur zu 2/3 angerechnet werden, weshalb davon auszugehen sei, dass erst ein Bewährungszeitraum von höchstens (Seite 4 des Schreibens) vier Jahren verstrichen sei.
Der Kläger nahm – anwaltlich vertreten – mit außergerichtlichem Schriftsatz vom 21. Juni 2019 (Bl. 157 ff. Beiakte) Stellung und machte maßgeblich geltend, dass sich das strafgerichtliche Urteil an der untersten Strafbarkeitsschwelle bewege und damit berücksichtigt habe, dass der Kläger geständig gewesen und echte Reue gezeigt habe. Insbesondere läge aufgrund der Persönlichkeitsstruktur des Klägers auch keine Wiederholungsgefahr vor. So habe er nach der Tat seine Ehefrau, die Polizeibeamtin sei und trotz derer Kenntnis vom Tatvorwurf, geheiratet, die auch höchsten Wert darauf lege, dass sich diese Vorgänge nicht wiederholten. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass das Truppendienstgericht noch nicht entschieden habe, aber jedenfalls im schlimmsten Fall auf eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis erkennen könne.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2019, zugestellt am 2. Juli 2019, widerrief der Beklagte die Approbation des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufes. In den Gründen wiederholte, ergänzte und vertiefte der Beklagte die in seinem Anhörungsschreiben vom 8. April 2019 (aaO.) bereits dargetanen Gründe; insbesondere heißt es wörtlich (Seite 6 des Bescheides, Blatt 160 ff. Beiakte1):
„Anknüpfungspunkt für die Berechnung des Bewährungszeitraums stellt die letzte Tat dar, welche Ihr Mandant im April 2013 beging. Dem Zeitraum der letzten Tat bis zu der Entscheidung des Landgerichts Aurich vom 23.02.2017 ist jedoch nur ein geringer Wert beizumessen, da er diesen unter dem Druck des strafrechtlichen Verfahrens absolviert hat. Nach Auffassung des OVG Lüneburg kann für diese Zeiten nur ein Anteil von höchstens 2/3 angerechnet werden. Da Ihr Mandant zudem zusätzlich unter dem Druck des hiesigen aufsichtsrechtlichen Verfahrens sowie des behördlichen Verfahrens beim Truppendienstgericht Nord in Hamburg steht, kann auch der bis heute verstrichene Zeitraum nur zu 2/3 angerechnet werden.
Vor diesem Hintergrund gehe ich davon aus, dass in seinem Fall derzeit erst ein Bewährungszeitraum von höchstens vier Jahren und einem Monat verstrichen ist. Unter Zugrundelegung eines außerberuflichen Bewährungszeitraumes von mindestens acht Jahren kann eine Wiedererlangung der Würdigkeit in absehbarer Zeit – trotz Geständigkeit und Reue Ihres Mandanten – nicht angenommen werden.“
Der Kläger hat am 1. August 2019 Klage erhoben.
Zur Begründung bringt er im Wesentlichen Folgendes vor:
Nur die jüngere strafrechtliche Rechtsprechung habe überhaupt erst zur Strafbarkeit der bloßen Abspeicherung in einem Cache-Speicher geführt. Diese strafrechtliche Wertung sei höchst fragwürdig, weil sie dazu führe, dass allein das Betrachten von etwaigen Bildern im Internet zu einer Strafbarkeit führen könne. Die rechtliche Bewertung durch das (allerdings rechtskräftige) Urteil des Landgerichts Aurich sei unrichtig. Dies gelte erst recht hinsichtlich der subjektiven Tatseite, denn der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt solche Daten speichern wollen. Auch seien nach Ergehen des Berufungsurteils des Landgerichts Aurich noch entgegenstehende Urteile in der Strafjustiz ergangen, in welchen der Vorsatz verneint worden sei. Hier gehe keine Bindungswirkung vom Strafurteil für das Verwaltungsgericht aus. Der Beklagte wiederum habe fehlerhaft die Urteile bewertet, so dass sie nicht Grundlage des Approbationswiderrufs sein könnten. Auch ergebe sich wegen des geringen Strafmaßes kein Rückschluss auf die Unwürdigkeit des Klägers. Inzwischen habe der Kläger u.a. nach der Eheschließung mit der Polizeibeamtin und z.B. des Weiteren auch noch durch Vaterschaft und andere Umstände einen Prozess durchgemacht, der den sicheren Rückschluss auf zukünftige Straffreiheit, insbesondere im Hinblick auf kindergefährdende Handlungen, ermögliche. Er habe in den letzten Jahren einen erheblichen inneren Reifeprozess durchlebt und sei aber auch aus eigenem Antrieb im Rahmen des strafrechtlichen Verfahrens bei einem Psychotherapeuten vorstellig geworden, der im Rahmen zweier ausführlicher Gespräche festgestellt habe, dass eine weitere Therapie nicht erforderlich sei. Ferner werde er weiterhin in seiner Funktion als Oberstabsarzt tätig und sei im Bereich der Heilfürsorge eingesetzt. Er sei zudem beruflich überdurchschnittlich engagiert und habe auch „im Jahr 2014 im Rahmen seiner Arbeit in Afghanistan eine Dankesauszeichnung seines Dienstherrn“ (Seite 8 Klageschrift oben, Blatt 8 Gerichtsakte) erhalten, ähnlich im Herbst 2015 in Lettland, ferner eine Auszeichnung für die Flüchtlingshilfe 2015. Dies alles führe dazu, dass nur die Beurteilung richtig sei, dass er nicht unwürdig im Sinne der Bundesärzteordnung sei.
Auch sei die Verfehlung allein in seinem privaten Umfeld geschehen, ohne dass überhaupt nur ein Bezug zur ärztlichen Tätigkeit bestanden hätte.
Darüber hinaus sei seine Würdigkeit zumindest wiederhergestellt. Dies zeige der einwandfreie Reifeprozess seit dem letzten strafrechtlich relevanten Vorfall vom 23. April 2013.
Fristen, wie der Beklagte sie anführe, existierten nicht. Regelmäßig werde allerdings eine Wohlverhaltensdauer von fünf Jahren bei gravierenden Verfehlungen außerhalb des beruflichen Wirkungskreises angenommen. Hierfür sei der Zeitraum von der letzten strafrechtlich relevanten Handlung bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Hier seien aber bis zum Widerruf der Approbation über sechs Jahre vergangen. In dieser Zeit habe der Kläger den oben dargestellten Reifeprozess durchlebt. Die hier regelmäßig angenommenen Wohlverhaltensphasen von fünf Jahren ohne beruflichen Bezug und acht Jahren mit beruflichem Bezug erschienen als Anhaltspunkte nur möglich. Dabei dürfe jedoch nicht missachtet werden, dass es insoweit um eine Ermessensentscheidung gehe, die den Einzelfall in den Blick zu nehmen habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2019 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt, vertieft und ergänzt die Gründe seines angegriffenen Bescheides.
Mit Urteil vom 27. November 2019 hat das Truppendienstgericht Nord in Münster (N 7 VL 23/19) auf Entfernung des Klägers aus dem Dienst erkannt (Blatt 140 ff. Gerichtsakte). Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers zum Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Januar 2020 (Blatt 139 Gerichtsakte), über die noch nicht entschieden ist, sondern die womöglich im Jahre 2021 zur Berufungshauptverhandlung gebracht wird (Blatt 177 Gerichtsakte).
Das Gericht hat am 18. Februar 2020 einen nichtöffentlichen Erörterungstermin vor dem Berichterstatter der Kammer durchgeführt, auf dessen Niederschrift verwiesen wird.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten (Beiakte 1) und der Beiakte 2 („Fachpsychologische Stellungnahme“ des Dipl.-Psych. E. vom 2. Oktober 2019 nebst Anlagen) verwiesen; er ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2019 und damit der Widerruf der Approbation des Klägers ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weshalb die Anfechtungsklage unbegründet und abzuweisen ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für den Widerruf der Approbation ist § 5 Abs. 2 Satz 1 Bundesärzteordnung (BÄO). Danach ist die Approbation zu widerrufen, wenn nachträglich eine Voraussetzung für ihre Erteilung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO weggefallen ist, d.h. wenn sich der Betroffene nach Erteilung der Approbation eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergibt. Die Voraussetzungen sind erfüllt.
Beim Widerruf einer Approbation handelt es sich um einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit der Berufswahl; denn die freie Berufswahl umfasst nicht nur die Entscheidung über den Eintritt in den Beruf, sondern auch die Entscheidung darüber, ob und wie lange ein Beruf ausgeübt werden soll (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1977 - 1 BvR 124/76 -, BVerfGE 44, 105-124). Diese Entscheidungsfreiheit wird dem Arzt durch einen Widerruf der Approbation genommen. Ein solcher Eingriff ist als subjektive Berufszulassungsvoraussetzung nur zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut verfassungsrechtlich gerechtfertigt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. April 2012 - 8 LA 45/11 - juris). Der Widerruf ist nur dann gerechtfertigt, wenn der mit dem Ausschluss des Betroffenen von einer weiteren Berufsausübung bezweckten Abwehr von Gefahren für das Gemeinwohl ein Gewicht zukommt, das in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs steht (BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2010 - 3 B 61/10 -, juris). Dieser Anforderung ist grundsätzlich genügt, wenn die Würdigkeit oder Zuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs, die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO Voraussetzung für die Erteilung der Approbation sind, nachträglich weggefallen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1997 - 3 C 12/95 -, BVerwGE 105, 214-223). In diesem Fall ergibt sich die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs aus der vom Gesetzgeber selbst getroffenen Wertung (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 22/09 -, BVerwGE 137, 1-10; zum Vorstehenden insgesamt BayVGH, Urteil vom 8. November 2011 - 21 B 10.1543 -, juris). Die Begriffe der Unwürdigkeit und der Unzuverlässigkeit sind allerdings als tatbestandliche Voraussetzungen eines weitreichenden Grundrechtseingriffs im Lichte des Art. 12 GG auszulegen und anzuwenden. Ein Berufsverbot greift regelmäßig tief in das Recht der freien Berufswahl und zugleich in die private und familiäre Existenz ein. Es kann Lebenspläne von Betroffenen zunichtemachen, die von Berufen ausgeschlossen werden, für die sie sich ausgebildet und die sie für sich und ihre Angehörigen zur Grundlage der Lebensführung gemacht haben. Solche Einschränkungen sind verfassungsrechtlich nur statthaft, wenn und solange sie zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter notwendig sind. In diesem Zusammenhang darf insbesondere die Fähigkeit des Menschen zur Änderung und Resozialisierung nicht außer Acht gelassen werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. April 1984 - 1 BvR 276/83 -, BVerfGE 66, 331-337, und Beschluss vom 26. Februar 1986 - 1 BvL 12/85 -, BVerfGE 72, 51-65; BVerwG, Urteil vom 26. September 2002 - 3 C 37/01 -, juris). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Widerrufsvoraussetzungen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (BVerwG, Beschluss vom 18. August 2011 - 3 B 6.11 -, juris).
Die Voraussetzungen für den Widerruf der Approbation liegen hier vor. Der Kläger ist im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 28. Juni 2019 als unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufes anzusehen. Eine andere Entscheidung als der Widerruf seiner Approbation kam nicht in Betracht.
Durchgreifende und insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des unbestimmten Rechtsbegriffes der Unwürdigkeit hat die Kammer nicht (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2013 – 7 A 4882/12 – mit Nds. OVG Lüneburg, 8. Senat, Beschluss vom 17. Februar 2015, 8 LA 26/14, juris; Urteil vom 8. Juli 2014 - 7 A 4646/13 -, Vnb.; Urteil vom 31. Januar 2017 – 7 A 2236/17 - juris).
Unwürdigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn ein Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2003 - 3 B 149/02 -; Nds. OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. April 2012 - 8 LA 45/11 -, juris), siehe insbesondere:
Kammerurteil vom 31. Januar 2017 – 7 A 2236/15 –, juris, sowie nachfolgend:
Nichtzulassungsbeschluss des 8. Senats des Nds. OVG vom 12. Juli 2017 – 8 LA 39/17 –, juris, Einstweilige Anordnung des 1. Senats des BVerfG`s vom 1. August 2017 – 1 BvR 1657/17 –, juris, mit danach ergangenem Nichtannahmebeschluss vom 8. September 2017 – 1 BvR 1657/17 –, juris, jeweils mwN.
Diese Definition knüpft die Feststellung der Berufsunwürdigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an hohe Voraussetzungen. Sie verlangt ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt als untragbar erscheinen lässt. Der Widerrufstatbestand stellt auch nicht auf den zufälligen Umstand ab, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint. Der Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit stellt keine Sanktion dar, sondern soll das Ansehen der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit schützen, um das für jede Heilbehandlung unabdingbare Vertrauen der Patienten in die Integrität der Personen aufrecht zu erhalten, denen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde verliehen ist und in deren Behandlung sich die Patienten begeben. Unwürdigkeit liegt demnach vor, wenn ein gravierendes Fehlverhalten gegeben ist, das nicht mit der Vorstellung in Einklang gebracht werden kann, die mit der Einschätzung der Persönlichkeit eines Arztes gemeinhin verbunden ist. Für die Frage der Unwürdigkeit ist deshalb von entscheidender Bedeutung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Arztes mit dem gesamten Berufsbild und den Vorstellungen übereinstimmt, die die Bevölkerung allgemein vom Arzt hat. Von einem Arzt, dem auch von seinen Patienten ein besonderes Vertrauen entgegengebracht wird, erwartet man nicht nur eine sorgfältige Behandlung der Patienten, sondern auch eine sonst in jeder Hinsicht einwandfreie Berufsausübung.
Positive Entwicklungen nach der Tat und der zeitliche Abstand zum vorgeworfenen Fehlverhalten sind bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht nur bei der Feststellung der Unzuverlässigkeit, sondern auch bei der Frage der Unwürdigkeit zur Ausübung des Arztberufes zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. April 1984 - 1 BvR 276/83 -, BVerfGE 66, 331-337; Beschluss vom 26. Februar 1986 - 1 BvL 12/85 -, BVerfGE 72, 51-65; Beschluss vom 18. Mai 2005 - 1 BvR 1028/05 -; Beschluss vom 28. August 2007 - 1 BvR 1098/07 -, juris). Bei der Unzuverlässigkeit fließen diese Gesichtspunkte schon deshalb ein, weil diese nur vorliegt, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Arzt werde auch in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten. Diese zu erstellende Zukunftsprognose zwingt dazu, auch die weitere Fortentwicklung der Persönlichkeit seit der Straftat in die Betrachtung einzubeziehen. Eine Unwürdigkeit des Arztes liegt hingegen vor, wenn er infolge seines Verhaltens nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen der Öffentlichkeit genießt, die für die Ausübung des Berufes unabdingbar nötig sind. Die Feststellung der Berufsunwürdigkeit verlangt danach keine Prognose, dass er auch in Zukunft seine Berufspflichten nicht erfüllen wird. Ein prognostisches Element trägt nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nur der Begriff der Unzuverlässigkeit in sich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. November 1991 - 3 B 87/92 -, NJW 1993, S. 806 [BVerwG 02.11.1992 - BVerwG 3 B 87.92]; BayVGH, Urteil vom 15. Februar 2000 - 21 B 96.1637 -; BayVGH, Urteil vom 8. November 2011 - 21 B 10.1543 -, juris). Das schließt jedoch nicht aus, dass auch die Beurteilung der Berufsunwürdigkeit mit zunehmenden zeitlichem Abstand zum maßgeblichen Fehlverhalten Veränderungen unterworfen ist. Ob jemand das Vertrauen und Ansehen in der Bevölkerung besitzt, die für die Ausübung des Arztberufs notwendig sind, hängt entscheidend von den sich auch verändernden Umständen des Einzelfalls ab. Von Bedeutung bei dieser Wertung sind die Art der Straftat, das Ausmaß der Schuld und der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. August 1993 - 3 B 5/93 -, juris). Aus einer begangenen Straftat kann auf die Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs insbesondere dann zu schließen sein, wenn sie mit der Verletzung spezifisch ärztlicher Berufspflichten einhergegangen ist, weil das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Ärzteschaft sich auch darauf bezieht, dass die berufsspezifischen Anforderungen an ärztliches Verhalten eingehalten werden. Bedeutsam sind aber auch eine zuvor einwandfreie Tätigkeit sowie das Verhalten nach der Tat. Je geringer im Übrigen der Strafvorwurf ist, der der Feststellung der Unwürdigkeit zugrunde liegt, desto eher muss der erlittene Vertrauensverlust mit zunehmender Zeitdauer als geheilt angesehen werden. Soweit es - wie hier - um die Unwürdigkeit im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO geht, können mithin veränderte Umstände nicht in Hinblick auf eine zu erstellende Prognose, wohl aber im Rahmen einer zur Feststellung des Tatbestandsmerkmals vorzunehmenden Abwägung Berücksichtigung finden (vgl. VG Bremen, Beschluss vom 31. März 2004 - 1 V 309/04 -, juris). Diese Grundsätze zur Erforderlichkeit einer Prognose im Falle des Widerrufs einer Approbation wegen Unwürdigkeit finden auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 2010 (Az 1 BvR 2709/09, juris) weiter Anwendung (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 21. Mai 2013 - 8 LA 54/13 -, juris).
Nach diesen Maßstäben hat sich der Kläger im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides eines sehr schwerwiegenden Fehlverhaltens schuldig gemacht, aus dem sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs unmittelbar ergibt.
Zu diesem Ergebnis ist die Kammer aufgrund der Würdigung des Vorbringens der Beteiligten und insbesondere des Inhalts der Verwaltungsvorgänge des Beklagten mit den dort enthaltenen maßgeblichen Teilen der strafrechtlichen Akten der Staatsanwaltschaft gekommen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die in einem rechtskräftigen Strafurteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen dürfen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden, ohne diese auf ihre vom Betroffenen bestrittene Richtigkeit selbst überprüfen zu müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 2003 - 3 B 10/03 -; Urteil vom 26. September 2002 - 3 C 37/01 - juris). Im Approbationswiderrufsverfahren besteht für die Verwaltungsgerichte damit grundsätzlich keine Veranlassung, die tatsächlichen Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil erneut zu überprüfen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen sprechen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 2003 - 3 B 10/03 -; Urteil vom 26. September 2002 - 3 C 37/01 - juris), insbesondere wenn ersichtlich Wiederaufnahmegründe vorliegen oder wenn die Behörden und Verwaltungsgerichte den bestrittenen Sachverhalt nunmehr besser als das Strafgericht aufklären können (VG München, Urteil vom 16. Oktober 2007 - M 16 K. 06 4847 - juris). Es bedarf demzufolge insoweit der Darlegung substantiierter nachprüfbarer Umstände, die eine Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen belegen könnten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. August 2011 - 3 B 6/11 -; ferner BayVGH, Urteil vom 8. November 2011 - 21 B 10.1543 -, juris), an der (und denen) es aber hier gerade fehlt.
Gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Feststellungen und der Beweiswürdigung in der strafgerichtlichen Entscheidung ergeben sich hier weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus dem gesamten Inhalt der Akten.
Entgegen der Annahme des Klägers sieht die Kammer daher auch keinen Ansatzpunkt dafür, etwa ein Gutachten zur Frage des Umstandes des Besitzes von im Cachespeicher eines Computers enthaltenen Dateien anzufordern. Ein solches spezielles Gutachten hat auch die Strafjustiz für den Kläger – mit dem hier die Frage des Besitzes bejahenden Ergebnis – bereits eingeholt (siehe Blatt 141 ff. Beiakte 1) und darauf auch das (rechtskräftige) Berufungsurteil gestützt (so explizit Blatt 148 Beiakte 1).
Außerdem ist die entsprechende Strafbarkeit in der Strafjustiz schon seit geraumer Zeit anerkannt (vgl. z.B. Bay. VGH, Urteil vom 10. Juli 2019 – 16aD17.1249 –, juris, Rn. 29, mit Verweis auf den Beschluss des BGH vom 10. Oktober 2006 – 1 StR 430/06 –, NStZ 2007, 95, und Hinweis darauf, dass ein entsprechendes Wissen um den Automatismus der Speicherung nicht einmal erforderlich ist). Danach geht das entgegenstehende Vorbringen des Klägers von Vornherein ins Leere.
Insoweit wiederholend und vertiefend verweist die Kammer dazu darauf, dass nach der gefestigten Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. nur: Nds. OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. April 2012 - 8 LA 6/11 -, juris, mwN) bei Entscheidungen über den Widerruf einer Approbation die in einem rechtskräftigen Strafurteil (wie hier) oder auch nur Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden dürfen (ebenso: BVerwG vom 18. August 2011- 3 B 6/11 -, 6. März 2003 - 3 B 10/03 -, 26. September 2002 - 3 C 37/01 -, NJW 2003, 913; Nds. OVG Lüneburg vom 13. Januar 2009 - 8 LA 88/08 -, NdsVBl 2009, 166). Auch schränkt das bewusste Absehen der Strafgerichte von der Verhängung eines Berufsverbotes als Maßregel der Besserung und Sicherung nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches die den Verwaltungsbehörden eingeräumte Befugnis zur Untersagung eines Berufs nicht ein (Nds. OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. April 2012 - 8 LA 6/11 -, juris).
Das Fehlverhalten des Klägers ist derart schwerwiegend, dass es ihn untragbar für die weitere Ausübung des Arztberufes macht.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Arzt, der die Tathandlung einer sexuellen Nötigung begangen hat, regelmäßig nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbar ist (Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 29. Mai 2013 - 1 A 306/12 -, juris; BayVGH, Urteil vom 25. September 2012 - 21 BV 11.340 -, juris; vgl. hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2011, aaO.; OVG Bremen, Urteil vom 18. Juni 2002 - 1 A 216/01 -, juris; Nds. OVG, Beschluss vom 10. Juni 2015 - 8 LA 114/14 -, juris). Der hier maßgebliche strafrechtliche Tatbestand ist zur Überzeugung der Kammer jedoch auch als hinreichende und zumindest mittelschwere Straftat zu würdigen (die immerhin regelmäßig auch dienstrechtlich zu entsprechenden Urteilen der Disziplinargerichte der Entfernung aus dem Dienst führen kann, so z.B. statt vieler: BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – 2 C 3/18 –, juris, mwN., Pressemitteilung des BVerwG vom 16. Juni 2020 – 2 C 12/19 – juris, und hier im Einzelfall des Klägers auch sein Truppendienstgericht). Die Kammer macht sich hierfür die maßgebliche Einordnung des (abstrakt zu beurteilenden) Unwertgehalts von § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB in der zum Zeitpunkt der letzten Tat (23. April 2013) gültigen Fassung vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007 <3009>) zu eigen (BVerwG, ebenda, RdNrn. 9, 27, 28 und 29 – 30 und zur Geldstrafe im Folgenden) und verdeutlicht, dass zudem beim Kläger angesichts der Fülle an Dateien (das Truppendienstgericht geht von weitaus mehr Dateien als das Strafgericht aus) von großer Hartnäckigkeit gesprochen werden muss, die erst durch die Beschlagnahme am 23. April 2013 ihr Ende finden konnte.
Wer kinderpornographische Schriften besitzt (§ 184b StGB), trägt durch seine Nachfrage nach solchen Darstellungen zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 176a Abs. 2 StGB) und damit zum Verstoß gegen ihre Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit bei. Der sexuelle Missbrauch eines Kindes ist in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich. Er greift in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Bildung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft, weil ein Kind wegen seiner fehlenden oder noch nicht hinreichenden Reife intellektuell und gefühlsmäßig das Erlebte in der Regel gar nicht oder nur schwer verarbeiten kann. Zudem degradiert der Täter die sexuell missbrauchten kindlichen Opfer zum bloßen auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde oder Erregung (BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 -, juris).
Eine solche Straftat iSv § 184b StGB ist geeignet, das Ansehen des ärztlichen Berufsstandes insgesamt derart schwerwiegend zu beeinträchtigen, dass die Entziehung der Approbation wegen Unwürdigkeit als einziges Mittel verbleibt. Denn die Nachfrage nach derartigen Bild- und Videodateien trägt schlussendlich jedenfalls mittelbar zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern und damit zum Verstoß gegen ihre körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde bei (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 19). Für das Ausmaß des durch die begangene Straftat hervorgerufenen Vertrauensschadens und ihres Unwertgehalts ist auf den zum Tatzeitpunkt geltenden Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Orientierung des Unwertgehalts am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare Bewertung von begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Gerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - und - 2 C 13.10 -, juris). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Gerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.
Für die Feststellung der Unwürdigkeit hat die Kammer aus dem für die Zeit von 2004 bis 2015 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB idF. des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) - siehe oben - von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass die abgeurteilte Tat hinreichend gravierend ist. Die Anhebung der Strafandrohung für den (bloßen) Besitz kinderpornographischer Schriften auf bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe durch § 184b Abs. 3 StGB idF. des am 22. Januar 2015 in Kraft getretenen Gesetzes vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10) ist erst nach der hier vorliegenden Tatbegehung in Kraft getreten und kann daher zwar repressiv voraussichtlich nicht (nulla poena sine lege), aber präventiv zur Gefahrenabwehr nach Auffassung der Kammer sehr wohl zur Verdeutlichung des erheblichen Gewichts und gravierenden Unrechtsgehalts der damals noch minderschwerer abgeurteilten Tat insoweit zu Ungunsten des Klägers verwertet werden.
Die im konkreten Fall im Wege der Strafzumessung ausgesprochene Strafe (Geldstrafe von 120 Tagessätzen) hat demgegenüber allein strafrechtliche Relevanz. Eine weitergehende Indizwirkung kommt ihr nicht zu. Aus der vorliegenden konkreten strafgerichtlichen Ahndung der Straftat mit nur einer Geldstrafe kann der Kläger insbesondere nicht etwa indiziell auf eine geringe Schwere der Tat und ihren vermeintlich geringeren Unwertgehalt schließen. Die Geldstrafe ist im Strafgesetzbuch gleichwertig zur Freiheitsstrafe als Hauptstrafe konzipiert. Das Strafgesetzbuch benennt unter der Überschrift seines Dritten Abschnitts (Rechtsfolgen der Tat) zwei Hauptstrafen, die Freiheitsstrafe (§§ 38 und 39 StGB) und die Geldstrafe (§§ 40, 41 und 42 StGB). An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt nach § 43 Satz 1 StGB die Freiheitsstrafe. Die Geldstrafe ist eine Strafe, die nur durch ein Strafurteil oder durch einen Strafbefehl im Strafprozess nach Feststellung der Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 StGB) verhängt werden kann. Sie ist als schuldangemessene Strafe von Gewicht und von zivil- oder öffentlich-rechtlichen Geldbußen, Ordnungsgeldern, Zwangsgeldern oder anderen Ordnungsmitteln zu unterscheiden. Ebenso ist sie von der bloßen Geldauflage bei einer Verfahrenseinstellung zu unterscheiden. Der Rechtmäßigkeit des Widerrufs steht daher nicht entgegen, dass der Kläger nur zu einer eher geringen Strafe verurteilt wurde. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist zudem geklärt, dass die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Unwürdigkeit weder einen bestimmten abstrakten Schweregrad der Straftat noch eine für alle Fälle geltende Mindesthöhe der verhängten strafrechtlichen Sanktion voraussetzt. Ob ein solch gravierendes Fehlverhalten vorliegt, so dass wegen Unwürdigkeit die Approbation zu widerrufen ist, hängt zudem entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer fallübergreifenden abstrakten Betrachtung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. August 2011 - 3 B 6/11 -, juris). Das geringe Strafmaß im konkreten Einzelfall mag u.a. damit begründet sein, dass das abgeurteilte Fehlverhalten des Klägers im Spektrum der strafbaren Handlungen im mittleren bis unteren Bereich angesiedelt war. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Verhalten des Klägers - wie bereits ausgeführt - gerade im Hinblick auf seine Tätigkeit als Arzt und dem ihm von den Patienten entgegengebrachten Vertrauen als gravierend angesehen werden muss. Auch aus der vom Strafgericht für den Kläger angenommenen günstigen Sozialprognose, die offenbar schon beim Amtsgericht der Aussetzung der dort noch ausgeworfenen Freiheitsstrafe zur Bewährung zugrunde lag, kann vorliegend keine grundlegend andere Bewertung der Frage des Approbationswiderrufs hergeleitet werden. Für diese strafrechtliche Sozialprognose gilt ein anderer Bewertungsmaßstab als für die unter den Aspekten einer Gefahrenabwehr erfolgende Aufhebung einer Berufszulassung. Während es bei der Sozialprognose insbesondere um die Einschätzung der Rückfallgefahren unter Berücksichtigung bisheriger Vorstrafen geht, ist im Falle einer gravierenden strafrechtlichen Verfehlung für das Schutzgut der Eingriffsermächtigung bereits ein Schaden eingetreten, weil ein Ansehensverlust mit Begehung der Straftat verursacht worden ist.
Auch der Abschluss des strafrechtlichen Verfahrens als solcher stellt den Approbationswiderruf nicht in Frage. Insbesondere kann der Widerruf (ebenso wenig wie die disziplinarrechtliche Verurteilung) nicht als unzulässige Doppelbestrafung angesehen werden. Denn die Entscheidung des Beklagten über den Fortbestand der Approbation ist nicht auf eine weitere Ahndung oder Bestrafung des Klägers gerichtet, sondern stellt allein eine Maßnahme zur Abwehr von mit der Fortsetzung der Berufstätigkeit als Arzt verbundenen Gefahren und des ansonsten zu besorgenden Würdeverlustes des ganzen Berufsstandes dar.
Der Approbationswiderruf ist nicht etwa deshalb unverhältnismäßig, weil das geahndete Fehlverhalten des Klägers nach längerer beruflicher Tätigkeit den nach Aktenlage einzigen rechtskräftig geahndeten Verstoß darstellt, den die Kammer (wie schon der Beklagte im angegriffenen Bescheid) als allein tragend heranzieht. Auch ein erstmaliger, zumal strafrechtlich rechtskräftig erfasster Verstoß genügt grundsätzlich für die Annahme der Berufsunwürdigkeit, wenn, wie hier, die Art der Straftat, das Ausmaß der Schuld und der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit von bedeutendem Gewicht sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. August 1993 - 3 B 5.93 -, NVwZ-RR 1994, 388). Dem vorgelegten Attest vom 2. Oktober 2019 kommt schließlich insgesamt kein Aussagewert zu.
Der Widerruf der Approbation ist auch im Übrigen verhältnismäßig.
Der Widerruf der Approbation ist im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG dann gerechtfertigt, wenn der mit dem Ausschluss des Betroffenen von einer weiteren Berufsausübung bezweckten Abwehr von Gefahren für das Gemeinwohl ein Gewicht zukommt, das in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs steht. Andernfalls kommen nur unterhalb der Schwelle des Widerrufs liegende berufsrechtliche Maßnahmen in Betracht. Vorliegend sind jedoch die Voraussetzungen für den Widerruf der Approbation erfüllt, so dass sich die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs aus der vom Gesetzgeber selbst getroffenen Wertung ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 22/09 -, juris).
Ferner ist eine Beschränkung der Approbation, also ein Teilwiderruf, gesetzlich nicht möglich. Die Approbation ist eine unbeschränkte Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes und als solche unteilbar. Aus diesem Grund kam auch die Erteilung von „Auflagen“ zur Approbation (Behandlung nur unter Aufsicht Dritter oder etwa ein „Behandlungsverbot“ für Kinder / jugendliche Patienten) als Alternative zum Widerruf der Approbation hier nicht in Betracht. Der Gesetzgeber hat zudem dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung getragen, dass er im Rahmen des § 8 Abs. 1 BÄO unter anderem für den Fall eines Widerrufs der Approbation wegen Wegfalls einer der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO die Möglichkeit eröffnet hat, einen Antrag auf Wiedererteilung zu stellen und unter Umständen zunächst eine zeitlich beschränkte Erlaubnis zur erneuten Ausübung des ärztlichen Berufes nach § 8 Abs. 1 BÄO zu erhalten. In diesem Verfahren sind dann die Lebensführung und die berufliche Entwicklung des Betroffenen nach dem für das Widerrufsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. August 2011 - 3 B 6/11 -; VGH Kassel, Beschluss vom 24. November 2011 - 7 A 37/11.Z -, juris).
Auch die lange Verfahrensdauer (gemessen vom Zeitpunkt des Verstoßes bis zum Ergehen der Widerrufsentscheidung) stellt den Approbationswiderruf nicht als unverhältnismäßig dar. Die Bundesärzteordnung ermöglicht das Zuwarten mit dem Widerruf der Approbation bis zum Abschluss des Strafverfahrens. Auch dass der Kläger sich während des Strafverfahrens und des Approbationswiderrufsverfahrens beanstandungsfrei geführt hat, steht der Annahme der Unwürdigkeit nicht entgegen. Einem Wohlverhalten, das unter dem Druck eines schwebenden behördlichen Verfahrens an den Tag gelegt wird, kann regelmäßig kein besonderer Wert beigemessen werden (vgl. OVG Saarland, Urteil vom 29. November 2005 - 1 R 12/05 – juris, Rn. 166; Bayerischer VGH, Beschluss vom 15. Juni 1993 - 21 B 92.226 -, juris, Rn. 34). Anlass, von diesem Grundsatz im vorliegenden Fall ausnahmsweise abzuweichen, besteht nicht.
Die Kammer vermag sich dem Gedankengang des Klägers nicht anzunähern, er habe inzwischen wieder die Würdigkeit erreicht, insbesondere aufgrund eines langen Reifungsprozesses, weshalb nunmehr der verfügte Approbationswiderruf durch die Kammer aufzuheben sei. Dies liegt fern. Es ist auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht geboten, auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen, etwa weil die Lebensführung des Betroffenen nach der letzten Verwaltungsentscheidung und seine Persönlichkeitsentwicklung nach diesem Zeitpunkt in einem Verfahren auf Wiedererteilung der Approbation zu berücksichtigen wären. In den Fällen des Widerrufs der Approbation wegen Unwürdigkeit setzt die Wiedererlangung der Würdigkeit voraus, dass sich an der zum Widerruf führenden Sachlage nachweislich etwas „zum Guten geändert hat“ (Nds. OVG, Beschluss vom 29. Juli 2015 - 8 ME 33/15 -, juris, Rn. 20), mithin der Arzt das für die Ausübung seines Berufes erforderliche Ansehen und Vertrauen zurückerlangt hat, was regelmäßig einen längeren inneren Reifeprozess zur Kompensation der zutage getretenen charakterlichen Mängel erfordert (ebenda, Rn. 21), wobei regelmäßig von mindestens fünf Jahren bei gravierenden Verfehlungen wie hier außerhalb des beruflichen Wirkungskreises und von regelmäßig mindestens acht Jahren bei gravierenden Verfehlungen im beruflichen Wirkungskreis ausgegangen werden kann (ebenda). Die durch eine gravierende Verfehlung - wie hier - eingebüßte Berufswürdigkeit kann auch schon während des laufenden behördlichen Verfahrens über den Widerruf der Approbation wiedererlangt werden, wobei allerdings ein bloßer Zeitablauf allein für die Wiedererlangung der Würdigkeit nicht ausreichend ist (ebenda, Rn. 25). Vielmehr ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, die neben Art, Schwere und Anzahl der Verfehlungen, die zur Annahme der Unwürdigkeit geführt haben, auch das Verhalten des Betreffenden zu berücksichtigen hat; so sind etwa auch seine Bemühungen um eine Wiedergutmachung entstandener Schäden bedeutsam (ebenda, Rn. 25 a.E.). |
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