Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 30.06.2020, Az.: 7 B 1487/20

Amtstierarzt; Beurteilungskompetenz; Veterinär

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
30.06.2020
Aktenzeichen
7 B 1487/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71502
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Das nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende Begehren des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 9. Juni 2020 gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Antragsgegners vom 20. Mai 2020, mit welchem dieser dem Antragsteller unter Zwangsmittelandrohung im Wesentlichen das Halten und Betreuen von Rindern (Ziffer 1) untersagt und die Auflösung des Rinderbestandes (Ziffer 2) auferlegt, wiederherzustellen bzw. anzuordnen, ist zulässig, aber unbegründet.

Hinsichtlich des unter Ziffer 1 des Bescheides vom 20. Mai 2020 mit Wirkung zum 25. Mai 2020 angeordneten Rinderhaltungs- und -betreuungsverbotes sowie der Anordnung in Ziffer 2, die Rinderhaltung bis zum 22. Juni 2020 aufzulösen, ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft, da der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Verfügungen angeordnet hat (Ziffer 4). Dagegen ist der vorläufige Rechtsschutzantrag gegen die Androhung unmittelbaren Zwangs (Ziffer 3) auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO gerichtet, da diese Maßnahme gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 64 Abs. 4 Satz 1 NPOG kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist.

Die im Bescheid vom 20. Mai 2020 ausgesprochene Anordnung der sofortigen Vollziehung des Rinderhaltungs- und -betreuungsverbotes sowie der Anweisung zur Auflösung des Rinderbestandes ist zunächst in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner hat einzelfallbezogen und schlüssig dargelegt, dass es nicht hinnehmbar sei, dass die festgestellten Zustände der Rinderhaltung des Antragstellers noch bis zum Ende eines möglicherweise längerfristigen Klageverfahrens weiter andauern und die Verfügung damit ins Leere gehen würde. Es seien sofort wirksame Maßnahmen zu treffen, damit die vom Antragsteller gehaltenen Rinder möglichst umgehend keinen weiteren Leiden ausgesetzt seien.

In materieller Hinsicht ist für den Erfolg eines Antrages nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist. Bei dieser Interessenabwägung sind mit der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen Zurückhaltung auch die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einem offensichtlich Erfolg versprechenden Rechtsbehelf überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen jedes denkbare öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache offensichtlich keinen Erfolg haben wird, insbesondere, wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegt das öffentliche Interesse an der zeitnahen Beseitigung tierschutzwidriger Zustände das Interesse des Antragstellers an der Fortführung seiner Rinderhaltung bis zum Abschluss des Klageverfahrens. Denn der Bescheid des Antragsgegners vom 20. Mai 2020 ist aller Wahrscheinlichkeit nach rechtmäßig.

Die Verfügung begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. Der Antragsgegner hat den Antragsteller insbesondere mit Schreiben vom 14. April 2020 gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 28 Abs. 1 VwVfG ordnungsgemäß zu dem von ihm beabsichtigten Erlass eines Rinderhaltungs- und -betreuungsverbotes sowie der Auflösung seines Rinderbestandes angehört (BA 1, Bl. 438). Hinsichtlich der Androhung von Zwangsmitteln bedurfte es gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG keiner Anhörung.

Auch in materieller Hinsicht ist das vom Antragsgegner in Ziffer 1 des Bescheides vom 20. Mai 2020 ausgesprochene Rinderhaltungs- und -betreuungsverbot nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Tierschutzbehörde demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG, einer Anordnung nach Nummer § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG oder einer Rechtsverordnung nach § 2a TierSchG wiederholt oder grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Antragsteller hat in wiederholter Weise gegen die Pflichten aus § 2 TierSchG verstoßen. Gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG hat derjenige, der ein Tier hält oder betreut, es seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen zu ernähren, zu pflegen und verhaltensgerecht unterzubringen. Inhaltlich konkretisiert werden diese Pflichten nicht nur durch die auf Grundlage des § 2a TierSchG ergangene Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung (TierSchNutzV), sondern darüber hinaus ebenfalls durch die Tierschutzleitlinie für die Milchkuhhaltung (herausgegeben von dem Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung und dem Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit - LAVES - Tierschutzdienst, 1. Aufl. 2007) bzw. die Tierschutzleitlinie für die Mastrinderhaltung (herausgegeben vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, 1. Aufl. Dezember 2018). Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht stellt in diesem Zusammenhang fest:

„Die in § 2 TierSchG allgemein geregelten Anforderungen an die art- und bedürfnisgerechte Ernährung, Pflege und Unterbringung können durch verschiedene weitere Quellen konkretisiert werden. In Betracht kommen dabei nach den allgemeinen Grundsätzen der Normenhierarchie - jeweils soweit im Einzelfall vorhanden und einschlägig - europarechtliche Vorgaben, nationale Verordnungen (vgl. § 2a TierSchG) sowie Empfehlungen und Leitlinien von Sachverständigen, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Praxiserfahrungen fußen und aussagekräftige, fachwissenschaftliche Angaben zu den bei bestimmten Tierarten unter bestimmten Haltungsbedingungen bestehenden Anforderungen enthalten (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, § 2, Rn. 33 ff.; Senatsurt. v. 20.4.2016 - 11 LB 29/15 -, Nds.VBl 2016, 312, juris, Rn. 41 ff.; Senatsbeschl. v. 17.1.2018 - 11 ME 448/17 -, juris, Rn. 17; Senatsbeschl. v. 21. 3.2007 - 11 ME 237/06 -, juris, Rn. 18; Senatsbeschl. v. 3.8.2009 - 11 ME 187/09 -, juris, Rn. 15).

Danach kann zur Bestimmung des konkreten Regelungsinhalts des § 2 Nr. 1 oder Nr. 2 TierSchG auf Tierschutzleitlinien wie die Tierschutzleitlinie für die Milchkuhhaltung (herausgegeben von dem Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung und dem Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit - LAVES - Tierschutzdienst, 2007) zurückgegriffen werden (Senatsbeschl. v. 26.10.2012 - 11 ME 274/12 -; so auch: Senatsbeschl. v. 25.1.2018 - 11 ME 558/17 - und Senatsbeschl. v. 28.12.2017 - 11 ME 525/17 -). Diese stellt eine sachverständige Zusammenfassung dessen dar, was als verlässlicher und gesicherter wissenschaftlicher Kenntnisstand gelten kann, so dass ihr der Charakter einer sachverständigen Äußerung zukommt (Senatsbeschl. v. 11.2.2015 - 11 ME 26/15 -; vgl. auch Senatsurt. v. 18.6.2013 - 11 LC 206/12 -, NdsVBl. 2013, 346, juris, Rn. 30, m.w.N., zu Empfehlungen für die Freilandhaltung von Pferden). Entsprechendes gilt für die hier vom Antragsgegner herangezogene Tierschutzleitlinie für die Mastrinderhaltung (herausgegeben vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, 1. Auflage Dezember 2018).“

(Nds. OVG Lüneburg, Beschl. v. 29. Juli 2019 – 11 ME 218/19 – juris, Rn. 6 f.)

Der Antragsteller hat sowohl gegen Vorschriften der TierSchNutzV als auch gegen Vorgaben der Tierschutzleitlinie für die Milchkuhhaltung verstoßen.

Die TierSchNutzV stellt insbesondere die folgenden allgemeinen Anforderungen an das Halten von Nutztieren zu Erwerbszwecken:

§ 4 – Allgemeine Anforderungen an Überwachung, Fütterung und Pflege‘
(1) Wer Nutztiere hält, hat vorbehaltlich der Vorschriften der Abschnitte 2 bis 6 sicherzustellen, dass
[…]
3. soweit erforderlich, unverzüglich Maßnahmen für die Behandlung, Absonderung in geeignete Haltungseinrichtungen mit trockener und weicher Einstreu oder Unterlage oder die Tötung kranker oder verletzter Tiere ergriffen werden sowie ein Tierarzt hinzugezogen wird;
4. alle Tiere täglich entsprechend ihrem Bedarf mit Futter und Wasser in ausreichender Menge und Qualität versorgt sind;
[…]
9. die tägliche Beleuchtungsintensität und Beleuchtungsdauer bei Tieren, die in Ställen untergebracht sind, für die Deckung der ihrer Art entsprechenden Bedürfnisse ausreichen und bei hierfür unzureichendem natürlichen Lichteinfall der Stall entsprechend künstlich beleuchtet wird, wobei bei Geflügel das künstliche Licht flackerfrei entsprechend dem tierartspezifischen Wahrnehmungsvermögen sein muss;
10. die Haltungseinrichtung sauber gehalten wird, insbesondere Ausscheidungen so oft wie nötig entfernt werden, und Gebäudeteile, Ausrüstungen und Geräte, mit denen die Tiere in Berührung kommen, in angemessenen Abständen gereinigt und erforderlichenfalls desinfiziert werden.

Im Hinblick auf die Haltung von Kälbern werden die Anforderungen an eine art- und bedürfnisgerechte Ernährung, Pflege und Unterbringung durch die §§ 5 bis 11 TierSchNutzV weitergehend konkretisiert. Hierin heißt es insbesondere:

§ 5 – Allgemeine Anforderungen an das Halten von Kälbern
Kälber dürfen, unbeschadet der Anforderungen des § 3, nur nach Maßgabe der folgenden Vorschriften sowie der §§ 6 bis 10 gehalten werden:
1. Kälber dürfen nicht mehr als unvermeidbar mit Harn oder Kot in Berührung kommen; ihnen muss im Stall ein trockener Liegebereich zur Verfügung stehen.
[…]

§ 6 – Allgemeine Anforderungen an das Halten von Kälbern in Ställen
(1) Kälber dürfen in Ställen nur gehalten werden, wenn diese den Anforderungen der Absätze 2 bis 7 entsprechen
(2) Ställe müssen
1. so gestaltet sein, dass die Kälber ungehindert liegen, aufstehen, sich hinlegen, eine natürliche Körperhaltung einnehmen, sich putzen sowie ungehindert Futter und Wasser aufnehmen können;
[…]

§ 11 – Überwachung, Fütterung und Pflege
Wer Kälber hält, hat, unbeschadet der Anforderungen des § 4, sicherzustellen, dass
[…]
4. jedes über vier Wochen alte Kalb jederzeit Zugang zu Wasser in ausreichender Menge hat;
[…]
6. Kälbern spätestens vom achten Lebenstag an Rauhfutter oder sonstiges rohfaserreiches strukturiertes Futter zur freien Aufnahme angeboten wird;
7. bei Stallhaltung Mist, Jauche oder Gülle in zeitlich erforderlichen Abständen aus dem Liegebereich entfernt werden oder dass regelmäßig neu eingestreut wird;
[…]

Mit Blick auf die Stallhaltung von Milchkühen – wie sie vom Antragsteller betrieben wird (vgl. BA 1, Bl. 36) – werden die Anforderungen an eine den Vorgaben des § 2 Nr. 1 TierSchG entsprechende Tierhaltung durch die Tierschutzleitlinie für die Milchkuhhaltung konkretisiert.

Mit Blick auf die vom Tierhalter zu gewährleistende Klauenpflege wird unter Ziffer 4.1 (S. 11) ausgeführt:

„Da Klauenerkrankungen und Lahmheiten mit Schmerzen und Leiden für das Tier verbunden sind und zu einer erheblichen Einschränkung des Wohlbefindens führen, kommt der sach- und fachgerechten funktionellen Klauenpflege eine wesentliche Bedeutung zu. Es gehört zu den Pflichten des Tierhalters oder -betreuers, die Klauen- und Gliedmaßengesundheit seiner Tiere regelmäßig zu kontrollieren und ggf. entsprechende Pflege- und/oder Behandlungsmaßnahmen einzuleiten. Die regelmäßige Klauenpflege muss dabei schon im Jungtieralter beginnen, damit die Tiere an die Maßnahmen gewöhnt werden und ein solides Fundament für später geschaffen wird. Um Fehlstellungen der Klaue und deren Folgeerkrankungen zu vermeiden müssen die Klauen deshalb mindestens halbjährlich, in Problembeständen ggf. auch häufiger, kontrolliert werden. Bei Bedarf ist eine Klauenpflege durchzuführen. Bei Klauenerkrankungen ist ein Tierarzt hinzuzuziehen.“

Zur Versorgung der Milchkühe mit Wasser und Futter führt die Tierschutzleitlinie für die Milchkuhhaltung ergänzend wie folgt aus:

„Milchkühe haben einen hohen Tränkwasserbedarf (50 bis 150 Liter pro Tag, bei hohen Außentemperaturen bis zu 180 Liter). Für die Bildung von einem Kilogramm Milch benötigt die Kuh etwa 4 Liter Wasser; damit werden für die Produktion von 40 Litern Milch am Tag allein 160 Liter Wasser benötigt. Kühe gehen durchschnittlich 4 bis 12 mal pro Tag zur Tränke. Dabei wird etwa ein Drittel der täglichen Wasserration kurz nach dem Melken aufgenommen.

Abgesehen von zahlreichen Stoffwechselfunktionen spielt Wasser auch eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Körpertemperatur, da bei hohen Außentemperaturen durch Verdunstung überschüssige Wärme abgegeben wird. Mit steigender Umgebungstemperatur nimmt der Wasserbedarf erheblich zu (s. Tab. 1, Anl. 2). Deshalb müssen Rinder jederzeit Wasser in ausreichender Menge und Qualität aufnehmen können.“ (Ziffer 5.4, S. 18)

„Milchkühe sollten jederzeit Zugang zu Grundfutter haben; nur wenn die maximale Futteraufnahmekapazität ausgeschöpft wird, kann die Kuh hohe Milchleistungen ohne gesundheitliche Beeinträchtigung erbringen.“ (Ziffer 7.1.4., S. 35)

Zu den Anforderungen an die Zahl von Liegeboxen in Liegeboxenlaufställen heißt es unter Ziffer 7.1.1 (S. 23):

„Für jedes Tier muss bei Neubauten mindestens eine Liegebox vorhanden sein, damit alle Tiere gleichzeitig ungestört ruhen können. Ein Liegeboxenüberschuss ist vorteilhaft, damit Tiere eine Wahlmöglichkeit haben und rangniedere auch beim Ruhen eine Distanz (Leerboxen) zu ranghöheren einhalten können. In begründeten Einzelfällen können im laufenden Betrieb Ausnahmen von einem Tierzahl-Liegeplatz-Verhältnis von 1:1 akzeptiert werden; eine vorübergehende Überbelegung von 10 bis 15 % kann beispielsweise im Rahmen von Umbaumaßnahmen und Bestandsaufstockungen toleriert werden.“

Dieser Mindestwert, der für Neubauten verbindlich festgelegt wird, gilt dabei auch für Altbauten als Richtwert (vgl. Ziffer 1, S. 8).

Zur Einstreu der Liegeboxen wird ebenfalls unter Ziffer 7.1.1 (S. 26) ausgeführt:

„Die Liegefläche soll weichelastisch und verformbar sein und muss trocken und sauber gehalten werden. Da der Liegeboxboden in der Regel aus Beton bzw. Gussasphalt besteht, muss die Box entweder eingestreut oder mit einer Auflage versehen werden. Wird zu wenig eingestreut, ist die Liegefläche zu hart und isoliert ungenügend. Hautverletzungen, Gelenkprobleme und verkürzte Liegezeiten mit reduzierter Milchbildung sind die Folge. Um der Kuh den nötigen Halt beim Aufstehen und Abliegen zu geben, muss die Liegefläche zudem rutschfest und trittsicher sein.“

In Bezug auf die Separierung kranker Tiere von der Gruppe fordert die Tierschutzleitlinie für die Milchkuhhaltung unter Ziffer 9.1 (S. 49):

„Unabhängig von der Aufstallungsform muss eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit mit weicher und trockener Einstreu vorhanden sein, in der kranke oder verletzte Tiere vorübergehend abgesondert werden können.“

Zur Lichtintensität in der Haltungseinrichtung von Milchkühen heißt es unter Ziffer 12.4 (S. 60):

„Die minimale Lichtintensität im Aufenthaltsbereich der Tiere sollte in der Hellphase 80 Lux betragen. Sofern der Tageslichteinfall hierfür nicht ausreicht, muss Kunstlicht zugeschaltet werden.“

Mit Blick auf die Kälberhaltung wird eine Lichtstärke von mindestens 80 Lux bereits durch § 6 Abs. 2 Nr. 3 TierSchNutzV als verbindliche Vorgabe formuliert.

Sofern in der Haltungseinrichtung des Antragstellers – was für das Gericht aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen nicht vollkommen ausgeschlossen erscheint – jedenfalls auch eine Mastrinderhaltung betrieben wird (vgl. etwa BA 1, Bl. 119), folgen hieraus keine anderen Anforderungen an die Ernährung, Pflege und Unterbringung der zu diesem Zweck gehaltenen Rinder. Für die Mastrinderhaltung werden die Voraussetzungen einer tierschutzgerechten Haltung gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG durch die Tierschutzleitlinie für die Mastrinderhaltung konkretisiert. Die Anforderungen, die hierin insbesondere an die Wasser- (Ziffer 10, S. 58) und Futterversorgung der Tiere (Ziffer 9, S. 52), an die Zahl und Ausgestaltung der Liegeboxen eines Liegeboxenlaufstalls (Ziffer 7.1.3, S. 36 f., 38 f.) sowie an die Lichtintensität im Rahmen der Stallhaltung (Ziffer 11, S. 68) gestellt werden, entsprechen dabei im Wesentlichen jenen der Tierschutzleitlinie für die Milchkuhhaltung.

Der Antragsteller hat in wiederholter Weise (insbesondere) gegen die vorstehend angeführten Vorschriften und Vorgaben zur Gewährleistung einer tierschutzgerechten Haltung von Kälbern, Milchkühen und Mastrindern verstoßen. An dieser Stelle verzichtet das Gericht auf eine erschöpfende Aufzählung der aktenkundigen Zuwiderhandlungen und verweist stattdessen unter entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 5 VwGO auf die ausführlichen Darstellungen des Antragsgegners in dem angegriffenen Bescheid vom 20. Mai 2020, in welchem die über viele Jahre hinweg begangenen tierschutzrechtlichen Verstöße detailliert und unter chronologischer Aufführung der zahlreich durchgeführten Kontrollen aufgeführt werden. Die wiederholten Verstöße des Antragstellers gegen § 2 Nr. 1 TierSchG, bei denen zuvörderst und in deutlicher Regelmäßigkeit die unzureichende Zahl und Ausstattung (Einstreu, Sauberkeit) der Liegeboxen, eine zu geringe Lichtzufuhr, eine ungenügende (Klauen-)Pflege und medizinische Versorgung, eine unzureichende Versorgung der Tiere mit Wasser und Futter von ausreichender Menge und Qualität sowie der hieraus folgende schlechte Pflege- und Ernährungszustand als häufig wiederkehrende Beanstandungen zu nennen sind, werden von diesem im Übrigen nicht bestritten (vgl. S. 2 der Klage- und Antragsschrift v. 9. Juni 2020; GA, Bl. 3).

Neben den wiederholten Verstößen gegen die tierschutzrechtlichen Verpflichtungen aus § 2 TierSchG, die auf Grundlage des § 2a TierSchG ergangene TierSchNutzV sowie die Tierschutzleitlinien für die Milchkuh- bzw. Mastrinderhaltung hat der Antragsteller aber auch wiederholt gegen Anordnungen des Antragsgegners gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG verstoßen.In diesem Zusammenhang kann nicht nur auf die in den Kontrollvermerken des Antragsgegners regelmäßig dokumentierten mündlich getroffenen Anordnungen im Rahmen der zahlreichen Kontrollbesuche verwiesen werden; insbesondere auch auf dessen tierschutzrechtlichen Verfügungen durch Bescheide vom 13. Juni 2017 (BA 1, Bl. 112) und vom 5. Juli 2017 (BA 1, Bl. 126) stellten sich keine Verbesserungen in der Tierhaltung des Antragstellers ein, weshalb der Antragsgegner zur wiederholten Verhängung von Zwangsgeldern gegen ihn gezwungen war (vgl. Bescheide v. 30. Januar 2018; BA 1, Bl. 193 u. 195; Bescheide v. 13. Februar 2018; BA 1, Bl. 215 u. 217).

Da die festgestellten Verstöße gegen die TierSchNutztV und gegen die Tierschutzleitlinien für die Milchkuh- bzw. Mastrinderhaltung aufgrund ihrer Konkretisierungsfunktion zugleich einen Verstoß gegen § 2 Nr. 1 TierSchG bedeuten, nämlich einen Verstoß gegen die verhaltensgerechte Unterbringung der Rinder, braucht das Vorliegen eines Leidens der Tiere – anders als bei § 2 Nr. 2 TierSchG – nicht gesondert festgestellt werden. Denn diese Vorschrift will als Grundnorm der Tierhaltung im Sinne eines Bedarfsdeckungs- und Schadenvermeidungskonzepts sicherstellen, dass die Haltungsform artgemäß ist und die entsprechenden Bedürfnisse der Tiere nicht unangemessen zurückgedrängt werden (OVG Lüneburg, Urt. v. 8. November 2018 – 11 LB 34/18 – juris, Rn. 39; OVG Lüneburg, Beschl. v. 3. August 2009 – 11 ME 187/09 – juris, Rn. 26, m. w. N.). Im Übrigen liegt nach Auffassung des Gerichts ein Leiden der Tiere insbesondere im Hinblick auf die über viele Jahre hinweg dokumentierte Überbelegung der Ställe sowie die gleichzeitige Unterversorgung mit Wasser, Futter und Licht auf der Hand.

Die unzureichende Versorgung und Pflege wird nicht zuletzt auch – ohne dass es hierauf noch entscheidend ankäme – durch die Untersuchung im Betrieb des Antragstellers gehaltener und schließlich verstorbener Tiere belegt. In den Prüfberichten anlässlich der vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) durchgeführten Sektionen einzelner Tiere (vgl. BA 1, Bl. 262, 327, 332, 344) wird durchgängig ein schlechter Ernährungszustand sowie jeweils eine schwerwiegende Erkrankung (Bronchopneumonie, vgl. BA 1, Bl. 263, 327; Hepatitis und Leberegelbefall, vgl. BA 1, 334; 344) der untersuchten Tiere dokumentiert. Hierbei hat der Antragsteller eine tierärztliche Behandlung über Tage und teilweise sogar Wochen hinweg unterlassen und den Tieren dadurch nach den Ausführungen der Amtstierärztin Dr. C., der in diesem Zusammenhang eine vorrangige Beurteilungskompetenz zukommt (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 20. April 2016 – 11 LB 29/15 – juris, Rn. 39; Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl., § 16 a, Rn. 46 m. w. N.), erhebliche und länger andauernde Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt (BA 1, Bl. 577-580).

Es steht zuletzt auch zu erwarten, dass der Antragsteller weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird.

Soweit er in diesem Zusammenhang vorträgt, dass es für die Vornahme dieser Prognose auf den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung – d.h. vorliegend den Erlass des angegriffenen Bescheids vom 20. Mai 2020 – ankomme, sich die Verhältnisse auf seinem Hof jedoch zu diesem Zeitpunkt derart verbessert hätten, dass eine Tierwohlgefährdung nicht mehr zu befürchten stehe, rechtfertigt dies keine andere rechtliche Beurteilung. Auch wenn es grundsätzlich zutrifft, dass entscheidungserheblich auf die tierschutzrechtlichen Zustände der Tierhaltung und -betreuung im Zeitpunkt des Bescheiderlasses als letzte behördliche Entscheidung abzustellen ist und etwaige nachträgliche Verbesserungen der Sach- und Rechtslage in einem nachfolgenden Wiedergestattungsverfahren geltend zu machen sind (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 20. April 2016 – 11 LB 29/15 – juris, Rn. 35), dringt der Antragsteller mit seinem Einwand vorliegend aus gleich mehreren Gründen nicht durch.

So ist insbesondere für eine geänderte Sachlage im Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 20. Mai 2020 nichts ersichtlich. Der Antragsteller beauftragte den Sachverständigen D. erst am 29. Mai 2020 mit der Besichtigung seines landwirtschaftlichen Betriebs (vgl. S. 3 der Antrags- und Klagebegründung vom 9. Juni 2020; GA, Bl. 4 sowie GA, Bl. 53). Die Besichtigung selbst erfolgte schließlich am 2. Juni 2020 (GA, Bl. 53) und somit 13 Tage nach dem Erlass des angegriffenen Bescheides bzw. 11 Tage nach dessen Zustellung gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers (vgl. § 1 Abs. 1 NVwZG i. V. m. §§ 3 Abs. 1, 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG; BA 1, Bl. 483, 504). Auch die vom Antragsteller vorgetragene Überprüfung des Tierbestandes durch den Tierarzt Dr. Hinrichs erfolgte erst am 4. Juni 2020 (GA, Bl. 47) und somit sogar über zwei Wochen nach Bescheiderlass bzw. 13 Tage nach der Zustellung des Bescheides gegenüber seinem Verfahrensbevollmächtigen. Die in diesem Zusammenhang getätigten Feststellungen betreffen folglich einen Zeitpunkt nach der Anordnung des Rinderhaltungs- und -betreuungsverbotes, weshalb die vom Antragsgegner getroffene negative Prognose weiterer Zuwiderhandlungen nicht unter Verweis darauf in Frage gestellt werden kann, dass sich die Situation nach Erlass des Verbotes – nicht zuletzt durch eine mit dem Tierarzt E. getroffene Betreuungsvereinbarung (GA, Bl. 49) – abweichend zugunsten des Antragstellers entwickelt (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 20. April 2016 – 11 LB 29/15 – juris, Rn. 53), zumal sich die Tierhaltung sowohl für den Tierarzt E. (unverzügliche tierärztliche Behandlung eines an Fieber erkrankten Kalbs) als auch den Sachverständigen D. (Reparatur- und Pflegemaßnahmenstau, Überbelegungen in zwei Boxen) ebenfalls nicht als vollkommen beanstandungsfrei darstellt.

Das Gericht weist in diesem Zusammenhang ergänzend darauf hin, dass der Antragsteller die Besichtigung seines Tierhaltungsbetriebs durch den Tierarzt E. und den Sachverständiger D. ganz offensichtlich nur auf den Druck des von Seiten des Antragsgegners mit Bescheid vom 20. Mai 2020 angeordneten Rinderhaltungs- und -betreuungsverbotes hin veranlasste. Nachdem der von ihm angegriffene Bescheid seinem Rechtsanwalt am 22. Mai 2020 (BA 1, Bl. 504) zugestellt worden war, beauftragte er am 29. Mai 2020 den Sachverständigen D. (GA, Bl. 53) und anschließend durch Abschluss eines tierärztlichen Betreuungsvertrags vom 4. Juni 2020 den Tierarzt E. (GA, Bl. 49) mit der Inaugenscheinnahme seines Tierhaltungsbetriebs. Anlass dieser Beauftragungen war erkennbar die vorangegangene Anordnung des Verbotes des Haltens und Betreuens von Rindern durch den Antragsgegner. So wurde in § 8 des tierärztlichen Betreuungsvertrages vom 4. Juni 2020 eine wöchentliche Besuchsfrequenz „für den Zeitraum des amtlich angeordneten Tierhaltungsverbotes“ vereinbart (GA, Bl. 52). In dem Protokoll der ebenfalls am 4. Juni 2020 durchgeführten Bestandsuntersuchung notiert der Tierarzt E. in der Spalte „aktuelles Bestandsproblem“: „behördliche Androhung eines Tierhalterverbotes“ (GA, Bl. 47). Wie der Antragsteller in Ansehung der am gleichen Tage erfolgten Beauftragung und Inaugenscheinnahme des Betriebs durch den Tierarzt E. von einer „unangekündigten Besichtigung“ (Antrags- und Klagebegründung v. 9. Juni 2020, S. 3; GA, Bl. 4) sprechen kann, erschließt sich dem Gericht nicht. Auch der Sachverständige D. geht in seinem Fazit unmittelbar auf das angeordnete Rinderhaltungs- und -betreuungsverbot ein und erklärt, dass nach seinem Dafürhalten kein Grund für eine kurzfristige Auflösung des Tierbestandes bestehe (GA, Bl. 59). Die beiden auf Veranlassung des Antragstellers durchgeführten Besichtigungen durch den Tierarzt E. bzw. den Sachverständigen D. erfolgten somit ausschließlich aufgrund des massiven behördlichen Drucks in Gestalt der ihm gegenüber aufgegebenen Auflösung des Tierbestandes. Ein individueller Lernprozess, auf welchen die begründete Erwartung nicht lediglich kurzfristiger Verbesserungen gestützt werden könnte, ist hingegen nicht zu erkennen.

Die Ausführungen des Tierarztes E. und des Sachverständigen D. sind im Übrigen aber auch nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der bis zuletzt amtstierärztlich festgestellten Verstöße des Antragstellers gegen tierschutzrechtliche Vorgaben zu begründen. Das Gericht verweist insofern auf die besondere fachliche Kompetenz des Amtsveterinärs, dessen fachliche Beurteilung in einem exakten Nachweisen nur begrenzt zugänglichen Bereich einzelfallbezogener Wertungen besonderes Gewicht zukommt (BVerwG, Beschl. v. 2. April 2014 – 3 B 62.13 – juris, Rn. 7; BVerwG, Urt. v. 18. Juni 2013 – 11 LC 206/12 – juris, Rn. 28; BVerwG, Beschl. v. 3. August 2009 – 11 ME 187/09 – juris, Rn. 15; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 5. Februar 2014 – 5 S 22.13 – juris, Rn. 7; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 4. Juni 2013 – 5 S 3.13 – juris, Rn. 8; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 15 Rn. 5 und § 16a Rn. 46, jeweils m. w. N.). Dies gilt gerade auch für die zuständige Tierschutzbehörde, bei der die Amtstierärzte beschäftigt sind. Auch wenn nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, dass die von diesen Amtstierärzten getroffenen Feststellungen substantiiert durch fachliche Stellungnahmen von Amtstierärzten anderer Körperschaften und bei anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften beschäftigten Fachtierärzten im Einzelfall erfolgreich in Frage gestellt werden können (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 10. April 2015 – 3 M 517/14 – juris, Rn. 13, zu Vorstehendem OVG Lüneburg, Urt. v. 20. April 2016 - 11 LB 29/15 – juris, Rn. 39; VG Oldenburg, Beschl. v. 10. Oktober 2019 – 7 B 2917/19 – juris, Rn. 4; VG Oldenburg, Beschl. v. 6. November 2019 – 7 B 2810/19 – V. n. b.). kommt dies vorliegend – unabhängig von dem bereits dargelegten zeitlichen Aspekt der Begutachtungen durch den Tierarzt E. und den Sachverständigen D. – nicht in Betracht, da die vom Antragsteller mit einer Begutachtung seines Tierhaltungsbetriebs Beauftragten schon nicht zu dem Kreis jener Personen gehören, deren Stellungnahme einen nach den vorstehenden Ausführungen beachtlichen Gegenvortrag begründen könnte.

Im Übrigen vermögen die Feststellungen des Tierarztes E. und des Sachverständigen D. die dem Rinderhaltungs- und -betreuungsverbot zugrunde liegende Gefahrenprognose des Antragsgegners auch deshalb nicht zu erschüttern, da eine Kette von Verfehlungen die Annahme weiterer Verstöße auch dann rechtfertigt, wenn es in der Zwischenzeit einzelne kurzfristige Verbesserungen in der Tierhaltung gegeben hat. Im vorliegenden Fall spricht die Vielzahl der über einen langen Zeitraum hinweg begangenen tierschutzrechtlichen Verstöße gegen den Antragsteller. Bei zahlreichen Kontrollen hat der Antragsgegner immer wieder – und regelmäßig auch immer wieder dieselben – Mängel bei der Rinderhaltung durch den Antragsteller festgestellt. Dieser hat sich – wie bereits dargelegt – weder durch diverse behördliche Anordnungen und die Festsetzung von Zwangsgeldern (BA 1, Bl. 193 u. 195 sowie Bl. 215 u. 217) noch durch die Einleitung von Ordnungswidrigkeitenverfahren (BA 1, Bl. 9, 30, 84, 110, 235) und die Verhängung von Bußgeldern (vgl. BA 1, Bl. 134, 294) nachhaltig beeindrucken lassen, sondern über Jahre hinweg immer wieder gegen wesentliche Anforderungen bei der Haltung der Rinder verstoßen. Dem Antragsteller ist es bis zum maßgeblichen Zeitpunkt mithin nicht gelungen, seine Rinderhaltung in einen ordnungsgemäßen Zustand zu bringen. Es bestand daher kein Grund zu der Annahme, dass in absehbarer Zeit mit einer nachhaltigen Verbesserung der Situation zu rechnen ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 20. April 2016 – 11 LB 29/15 – juris, Rn. 54).

Liegen nach Allem die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Einschreiten der Behörde vor, sind vorliegend schließlich auch keine Ermessensfehler des Antragsgegners erkennbar, § 114 S. 1 VwGO. Er hat erkannt, dass ihm bei seiner Entscheidung Ermessen zukommt. Das ausgesprochene Rinderhaltungs- und -betreuungsverbot wahrt insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, durch den das dem Antragsgegner in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG eingeräumte Ermessen eingeschränkt wird. Neben der Verfolgung eines legitimen Zwecks ist das Verbot auch geeignet, erforderlich und angemessen.

Der Zweck des Haltungs- und Betreuungsverbots liegt in der Beseitigung tierschutzwidriger Zustände. Es ist geeignet, die vom Antragsgegner festgestellten Missstände in der Haltungseinrichtung des Antragstellers zu beenden.

Auch die Erforderlichkeit der Anordnung eines Rinderhaltungs- und -betreuungsverbotes ist gegeben. Versuche des Antragsgegners, tierschutzgerechte Zustände durch ein milderes, gleich geeignetes Mittel herzustellen, scheiterten. So hörte er den Antragsteller bereits mit Schreiben vom 15. Februar 2018 zu einer von ihm schon damals beabsichtigten Anordnung eines Haltungs- und Betreuungsverbotes für Rinder an (BA 1, Bl. 222). Nach einem gemeinsamen Gespräch am 28. Februar 2018, in dem man sich mit dem Antragsteller insbesondere auf eine Einstellung der Milchviehhaltung und eine Reduzierung des Tierbestandes verständigte, sah der Antragsgegner nochmals von der ursprünglich beabsichtigten Anordnung des Verbotes ab, betonte zugleich aber auch, dass es sich hierbei um „eine letzte Bewährungschance“ handele und das Haltungs- und Betreuungsverbot bei erneuten tierschutzrechtlichen Verstößen nicht mehr abgewendet werden könne (BA 1, Bl. 255 f.). Trotz dieser unmissverständlichen Erklärung setzte der Antragsteller das gemeinsam erarbeitete Konzept nicht wie vereinbart um (vgl. BA 1, Bl. 437). Gleichzeitig kam es auch weiterhin zu tierschutzrechtlichen Verstößen bei der Rinderhaltung. Im Rahmen eines weiteren Gesprächs am 4. März 2020 bemühte sich der Antragsgegner sodann um eine einvernehmliche Verständigung mit dem Antragsteller hinsichtlich einer freiwilligen Auflösung des Tierbestandes, die von diesem jedoch nicht mitgetragen wurde (vgl. BA 1. Bl. 437, 469), weshalb es schließlich zur Anordnung des Rinderhaltungs- und -betreuungsverbotes kam. Aus den dieser Verfügung vorangegangenen Bemühungen des Antragsgegners ist zu entnehmen, dass sämtliche Bestrebungen zur Herstellung tierschutzgerechter Zustände in der Haltungseinrichtung des Antragstellers durch mildere Mittel erfolglos waren. Der Antragsteller hat im Übrigen durch sein gesamtes vorangegangenes Verhalten gezeigt, dass er nicht gewillt oder in der Lage ist, die Zustände für seine Tiere wahrnehmbar und langfristig zu verbessern. Weder Absprachen noch Anordnungen kam er in hinreichender Weise nach, obwohl der Antragsgegner ihm genügend Gelegenheiten gab, seine Rinderhaltung in Einklang mit den tierschutzrechtlichen Bestimmungen zu bringen.

Das Rinderhaltungs- und -betreuungsverbot ist schließlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne, nämlich angemessen. Der mit der Anordnung verbundene Eingriff in die Grundrechte des Antragstellers, insbesondere in seine Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG, ist infolge seiner fehlenden charakterlichen Eignung zum Halten und Betreuen von Rindern gerechtfertigt. Die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit wird gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG nicht schrankenlos gewährleistet und ist insbesondere mit den übrigen grundrechtlichen Gewährleistungen in ein Verhältnis der praktischen Konkordanz zu bringen. Der achtsame und tierschutzgerechte Umgang mit Tieren wurde durch Art. 20a GG zum Staatsziel erhoben. Der Staat hat hiernach die Aufgabe, die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht zu schützen. Hieraus leitet sich die Verpflichtung des Einzelnen zur Einhaltung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen ab. Dies gilt auch und gerade für denjenigen, der Tiere zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken hält. Die Abwägung zwischen den grundrechtlich geschützten Rechtspositionen aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 20a GG fällt dabei im vorliegenden Fall zugunsten des Tierschutzes aus. Das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers muss zurückstehen, da das Tierwohl angesichts der wiederholten und massiven Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen höher zu gewichten ist. In diesem Zusammenhang ist zudem daran zu erinnern, dass der Antragsteller im Vorfeld genügend Möglichkeiten besaß, dem angeordneten Rinderhaltungs- und -betreuungsverbot durch eigenes Tätigwerden zu entgehen und die wirtschaftlichen Folgen für ihn abzuwenden. Die vorgetragenen gegenwärtigen Schwierigkeiten einer wirtschaftlichen Vermarktung des Tierbestandes können hierbei in Ansehung der hohen Bedeutung des Tierschutzes und der weiterhin zu erwartenden Beeinträchtigungen der Gesundheit und des Wohlbefindens der vom Antragsteller gehaltenen Rinder keine andere Entscheidung rechtfertigen. Gleiches gilt mit Blick auf seinen Einwand, dass insbesondere aufgrund der Besichtigung seines Tierhaltungsbetriebs durch einen Tierarzt und einen Sachverständigen keine gegenwärtige Tierwohlgefährdung vorhanden und die Anordnung daher unangemessen und somit rechtswidrig sei. Eine solche Prognose liegt unter Verweis auf die vorstehenden Ausführungen zu kurzfristigen Verbesserungen in der Tierhaltung fern. Der in diesem Zusammenhang getätigte Verweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg (6 K 4672/19) verfängt schon aus diesem Grunde nicht. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass im Übrigen auch der der zitierten Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt nicht mit dem hier zu entscheidenden Fall vergleichbar ist. So nahm der Sachverständige D. im vorliegenden Fall im Rahmen einer einmaligen Besichtigung ausschließlich eine Beschreibung des im Zeitpunkt seines Besuchs festzustellenden Zustands der Tierhaltung des Antragstellers vor und erarbeitete nicht – wie im vom Verwaltungsgericht Freiburg entschiedenen Fall – ein sich auf die Eindrücke mehrerer Betriebsbesuche stützendes Konzept zur Neuausrichtung, sodass auch aus diesem Grund eine Heranziehung dieser Entscheidung fernliegt.

Aufgrund der vorgenannten Umstände hat der Antragsgegner dem Antragsteller in Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides vom 20. Mai 2020 zudem zu Recht aufgegeben, seinen Tierbestand bis zum 22. Juni 2020 aufzulösen und den Verbleib der Tiere bis zum 23. Juni 2020 um 10 Uhr schriftlich nachzuweisen. Hierbei handelt es sich um eine notwendige Folge aus dem in Ziffer 1 des Bescheides angeordneten Rinderhaltungs- und -betreuungsverbot. Denn wenn der Antragsteller keine Rinder mehr halten und betreuen darf, folgt daraus zwangsläufig, dass er alle derzeit gehaltenen bzw. betreuten Rinder abgeben muss. Als notwendige Ergänzung des Haltungsverbotes findet die Anordnung folglich ihre Rechtsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i. V. m. der Generalklausel des § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 30. August 2011 – 11 ME 225/11 – V. n. b.; VGH München, Beschl. v. 7. November 2006 – 25 CS 06.2619 – juris, Rn. 6 m. w. N.). Da der Bescheid dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 22. Mai 2020 zugestellt wurde, verblieb diesem ein Zeitraum von einem Monat, um die Bestandsauflösung zu veranlassen. Diese Frist erscheint angemessen, zumal ihm keinerlei Vorgaben zur Art der Auflösung des Rinderbestandes gemacht wurden. Die ergänzende Anordnung, die Auflösung des Tierbestandes schriftlich nachzuweisen, stützt sich auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG und soll insbesondere verhindern, dass eine „Scheinabgabe“ an Angehörige oder Freunde erfolgt (vgl. VG Arnsberg, Beschl. v. 2. September 2009 – 14 L 428/09 – juris, Rn. 20 m. w. N.).

Die Androhung des unmittelbaren Zwangs in Ziffer 3 des Bescheids vom 20. Mai 2020 erfolgte ebenfalls rechtmäßig. Rechtsgrundlage dieser Anordnung sind §§ 64 Abs. 1 Alt. 2, 65 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 69 Abs. 1, 70 Abs. 1, Abs. 2, 74 Abs. 1 S. 1 NPOG. Der Antragsgegner wählte dabei mit dem unmittelbaren Zwang das richtige Zwangsmittel aus. Das Tierhaltungsverbot richtet sich an den Halter im Sinne des § 2 TierSchG. Die Haltereigenschaft folgt dabei ungeachtet der Eigentumsverhältnisse am Tier aus der tatsächlichen Bestimmungsmacht über das Tier und den damit verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten. Die mit der Anordnung in Ziffer 3 bezweckte Beendigung der Halterstellung zielt demnach in erster Linie auf die Aufgabe des Besitzes bzw. des tatsächlichen Obhutsverhältnisses an den Rindern. Diese Verpflichtung stellt eine unvertretbare Handlung dar und kann dadurch nur vom Antragsteller selbst erfüllt werden (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 52 m. w. N.; VG München, Beschl. v. 18. August 2014 – M 18 S 14.2843 – juris, Rn. 40; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 17. März 2005 – 1 S 381/05 – juris, Rn. 6). Dass der Antragsgegner sich im Rahmen der Ermessensausübung nicht für die Androhung eines Zwangsgeldes gemäß §§ 65 Abs. 1 Nr. 2, 67 Abs. 1 NPOG entschieden hat, ist dabei nicht zu beanstanden. Da der Antragsteller sich bereits in der Vergangenheit nicht durch die Verhängung eines Zwangsgeldes zur Erfüllung seiner Verpflichtungen bewegen ließ (vgl. BA 1, Bl. 193 u. 195 sowie Bl. 215 u. 217), war dies auch nicht mit Blick auf die ihm gegenüber angeordnete Auflösung des Tierbestandes zu erwarten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und orientiert sich an den Ziffern 35.2, 54.2.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NordÖR 2014, 11). Für die Anordnung gegen einen Tierhalter, die einer Gewerbeuntersagung gleichkommt (vgl. hierzu S. 4 der Antrags- und Klageschrift v. 9. Juni 2020; GA, Bl. 5), ist hiernach ein Streitwert in Höhe von 15.000,00 € vorgesehen. Da im vorliegenden Eilverfahren lediglich eine vorläufige Regelung getroffen wird, ist der Wert nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren (7.500,00 €).