Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 28.01.2021, Az.: 1 U 76/20

Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen Pkw Porsche Cayenne; Einrede der Verjährung; Anfechtung einer Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung; Schadensersatzansprüche gegen den Hersteller eines Kraftfahrzeugs im Wege einer isolierten Feststellungsklage

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
28.01.2021
Aktenzeichen
1 U 76/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 48924
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 08.12.2021 - AZ: VII ZR 205/21

In dem Rechtsstreit
AA, Ort1,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
1. (...)-Center BB GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer CC, DD, EE, FF und GG, Ort2,
2. HH AG, vertreten durch den Vorstand, Ort3,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
Prozessbevollmächtigte zu 2:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. (...), die Richterin am Oberlandesgericht Dr. (...)p und den Richter am Oberlandesgericht Dr. (...) auf die mündliche Verhandlung vom 03.12.2020 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 10.03.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen PKW1, Baujahr 2011.

Dieses von der Beklagten zu 2) hergestellte Fahrzeug kaufte der Kläger bei der Beklagten zu 1) am 29.05.2015 als Gebrauchtwagen mit einem Kilometerstand von 41.056 km für 58.000,00 €. Den Kaufpreis zahlte er. Die Übergabe des Fahrzeugs erfolgte noch am 29.05.2015.

Unter dem 28.05.2019 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung sowie den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Zweitinstanzlich ist zu ergänzen, dass es in einer von der Beklagten zu 2) mit ihrem Schriftsatz vom 11.11.2020 zur Akte gereichten amtlichen Auskunft, die das Kraftfahrt-Bundesamt gegenüber dem OLG Stuttgart unter dem 11.09.2020 erteilte, heißt, die seitens des Gerichts gestellten Fragen würden allgemeingültig für die Gruppe an Fahrzeugen des JJ-Konzerns mit dem V6 TDI Euro 5 Generation 2-Motor beantwortet. Für diese Fahrzeuge sei keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt worden. Entsprechend sei auch kein amtlicher Rückruf angeordnet worden. Für die festgestellten emissionsbezogenen Abschaltungsstrategien sei eine Unzulässigkeit nicht festgestellt worden, weil umfangreiche vorgelegte Unterlagen des Herstellers zu spezifischen Feldausfällen, verbunden mit entsprechenden Nachweistests, deren Notwendigkeit zur Gewährleistung des Motorschutzes belegt hätten. Damit sei ein Fall des Art. 5 Abs. 2 S. 2 lit. a der Verordnung (EU) 715/2007 gegeben. Es sei also keine Nebenbestimmung gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV erlassen worden, die ein unzulässiges Emissionsverhalten dieser Fahrzeuge betreffe. Jedoch habe das Kraftfahrt-Bundesamt die vom Hersteller im Rahmen des nationalen Forums Diesel vorgeschlagene freiwillige Serviceaktion zur Emissionsverbesserung durch die Motorsteuerungssoftware akzeptiert und entschieden, diese im Verlauf auf der Grundlage von § 25 Abs. 2 EG-FGV zu überwachen. Hinsichtlich des Wissens zu den sogenannten Thermofenstern sei darauf hinzuweisen, dass die Problematik von umgebungstemperaturgeführten Regelungen dem Kraftfahrt-Bundesamt seinerzeit prinzipiell bekannt gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gegenüber dem Oberlandesgericht Stuttgart erteilte amtliche Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 11.09.2020 (Anlage B 9, Blatt 63/III) Bezug genommen.

Das streitgegenständliche Fahrzeug wies am 02.12.2020 eine Laufleistung von 142.864 km auf.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei gegenüber der Beklagten zu 1) zur Rückabwicklung des Kaufvertrags und auch zu dessen Anfechtung berechtigt. Der Kaufvertrag sei außerdem wegen eines Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV gemäß § 134 BGB nichtig. Hierzu hat er vorgetragen, das streitgegenständliche Fahrzeug sei von der Beklagten zu 2) mit mehreren unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet worden. Sie habe als Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine sogenannte Aufwärmstrategie eingebaut. Die Motorsteuerung erkenne hierbei die Prüfstandsituation. Die Aufwärmstrategie, die zu einer Reduzierung der NOx-Emissionen führe, werde nur in dieser Situation verwendet, nicht aber im regulären Straßenverkehr. Zudem sei ein unzulässiges Thermofenster eingerichtet. Außerdem werde in dem SCR-Katalysator nicht ausreichend AdBlue eingesetzt. Es gebe einen Rückruf für Fahrzeuge des Typs PKW1 Diesel mit 3,0 l-Motoren der Baujahre 2014-2016. Hiervon sei auch das streitgegenständliche Fahrzeug betroffen.

Die verfassungsmäßig berufenen Organe der Beklagten zu 2) hätten die Entstehung von Schäden an den manipulierten Fahrzeugen billigend in Kauf genommen. Dies betreffe insbesondere den Minderwert.

Die durch die Beklagte zu 2) erfolgte Manipulation müsse die Beklagte zu 1) sich als Vertragshändlerin zurechnen lassen.

Der Kläger hat zunächst beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 58.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.06.2019 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw1 Diesel, FIN (...), und Zug-um-Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Pkw,

2. festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs PKW1 Diesel, FIN (...), durch die Beklagte zu 2) resultieren,

3. festzustellen, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag 1) genannten Pkw im Annahmeverzug befindet,

4. die Beklagten zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen.

Nach einem Wechsel seiner Prozessbevollmächtigten hat er beantragt,

1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn 58.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.06.2019 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw1 Diesel, FIN (...), und Zug-um-Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung, hilfsweise 1,00 €, für die Nutzung des Pkw,

2. festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die daraus resultieren, dass sie das Fahrzeug PKW1 Diesel, FIN (...), dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr,

hilfsweise

2. festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu leisten für Schäden, die daraus resultieren, dass sie in den Motor, Typ 3.0 l V6 Dieselmotor des Fahrzeugs PKW1, FIN (...), eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen und Stickoxidemissionsmesswerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb setzt, sodass es zu einem höheren NOx-Ausstoß führt,

höchst hilfsweise

2a. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn 58.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 %-Punkten seit dem 26.05.2015 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw1 Diesel, FIN (...),

2b. festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu zahlen für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass sie das Fahrzeug PKW1 Diesel (FIN ...) dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr,

hilfsweise

2b. festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu leisten für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass sie in den Motor, Typ 3.0 l V6 Dieselmotor des Fahrzeugs Pkw1 Diesel (FIN ...) eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen und Stickoxidemissionsmesswerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrolle außer Betrieb setzt, so dass dies zu einem höheren NOx-Ausstoß führt,

2c. festzustellen, dass sich die Beklagte zu 2) mit der Rücknahme des im Klageantrag 2a) genannten Pkw im Annahmeverzug befindet,

3. festzustellen, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag 1) genannten Pkw im Annahmeverzug befindet,

4. die Beklagten jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 2.994,04 € freizustellen.

Die Beklagten haben jeweils beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1) hat vorgetragen, sie müsse sich als unabhängige Fahrzeughändlerin keine Handlungen der Beklagten zu 2) zurechnen lassen. Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Beklagte zu 2) hat die Auffassung vertreten, die gegen sie gerichtete Feststellungsklage sei unzulässig, denn die Leistungsklage habe Vorrang. Sie hat vorgetragen, das Thermofenster sei eine allgemein anerkannte und auch von anderen Herstellern genutzte, offen erkennbare technische Einrichtung, die zum Schutz des Motors erforderlich und damit zulässig sei.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen, am 10.03.2020 verkündeten Urteil, das wegen der tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO in Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) ergebe sich nicht aus § 812 Abs. 1 BGB, denn es fehle an einer arglistigen Täuschung gemäß § 123 BGB. Eine Täuschung des Klägers durch Mitarbeiter der Beklagten zu 1) sei nicht ersichtlich. Dass die Beklagte zu 1) Kenntnis von etwaig fehlerhaften Angaben zu den Emissionswerten durch die Beklagte zu 2) gehabt habe, sei nicht ersichtlich. Die Beklagte zu 2) sei hier als Dritte im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB zu qualifizieren. Eine Zurechnung einer etwaigen Täuschung komme deshalb nicht in Betracht.

Der Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug sei auch nicht wegen eines behaupteten Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV gemäß § 134 BGB nichtig. § 27 Abs. 1 EG-FGV gelte lediglich für neue Fahrzeuge. Der Kläger habe das streitgegenständliche Fahrzeug jedoch gebraucht erworben. Außerdem stelle § 27 Abs.1 EG-FGV kein Schutzgesetz im Sinne des § 134 BGB dar.

Ein Rückgewähranspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) ergebe sich auch nicht aus §§ 346, 348, 434, 437, 323 BGB. Ob rechtliche Ansprüche verjährt seien, könne hier dahinstehen. Der Kläger sei von dem am 29.05.2015 geschlossenen Kaufvertrag nicht wirksam zurückgetreten. Inwieweit das streitgegenständliche Fahrzeug im Sinne des § 434 BGB mangelhaft sein solle, sei nicht zu erkennen. Der Vortrag des Klägers zu dem Vorhandensein von Abschalteinrichtungen sei ins Blaue hinein erfolgt und daher prozessual unbeachtlich. Insbesondere in Bezug auf das SCR-System und die Aufwärmstrategie fehle jeder stichhaltige Vortrag. Auch zum Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung habe er nicht schlüssig vorgetragen. Es fehle an Vortrag dazu, dass das streitgegenständliche Fahrzeug von einem Rückruf betroffen sei. Die Beklagte zu 2) habe schlüssig vorgetragen, dass das Thermofenster dem Motorschutz diene. Dem sei der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.

Ein Anspruch nach § 437 BGB scheitere im Übrigen auch am Fehlen einer Fristsetzung gegenüber der Beklagten zu 1) zur Nacherfüllung. Eine solche Aufforderung sei unstreitig nicht erfolgt, und sie sei auch nicht entbehrlich gemäß §§ 323 Abs. 5, 440 BGB.

Andere denkbare Anspruchsgrundlagen gegenüber der Beklagten zu 1) seien nicht erkennbar. Eine Pflichtverletzung im Sinne der §§ 437 Nr. 3, 280, 283, 281 BGB sei nicht ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 1) Kenntnis von den behaupteten Softwaremanipulationen der Beklagten zu 2) gehabt habe, seien nicht gegeben. Handlungen der Beklagten zu 2) seien der Beklagten zu 1) nicht zuzurechnen.

Weil der Kläger nicht konkret vortrage, welcher Prospekt in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug bestimmte Werte fehlerhaft angegeben habe, komme auch ein Anspruch aus §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB nicht in Betracht.

Die Klage gegen die Beklagte zu 2) sei ebenfalls abzuweisen. Der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 2) auf Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses gemäß § 826 BGB. Es fehle an schlüssigem Vortrag zu einem Mangel des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Es sei nicht erkennbar, dass es von einer Rückrufaktion des Kraftfahrtbundesamtes betroffen sei. In jedem Fall fehle die erforderliche Sittenwidrigkeit. Es könne nicht erkannt werden, dass hier ein Verstoß gegen die der Rechtsordnung innewohnenden grundlegenden Werte und Prinzipien gegeben sei, deren Verletzung dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspreche. In subjektiver Hinsicht fehle der Schädigungsvorsatz der Beklagten zu 2). Es sei nicht ausreichend vorgetragen worden, dass die Beklagte zu 2) gezielt gegen die Verordnung verstoßen habe, um gerade die Stickoxidemissionswerte zu manipulieren. Im Übrigen könne auch ein Schaden des Klägers nicht erkannt werden. Ein Widerruf der Zulassung drohe ihm nicht, denn sein Fahrzeug sei nicht von einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt betroffen.

Ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2) gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 Abs. 1 StGB bestehe ebenfalls nicht. Es fehle an der Darlegung einer vorsätzlichen Täuschung. Es sei kein Vortrag dazu ersichtlich, durch welche konkrete Werbemaßnahmen der Beklagten zu 2) der Kläger über die Umweltfreundlichkeit des erworbenen Fahrzeugs getäuscht worden sein wolle. Außerdem fehle jeder Vortrag dazu, dass bei den Verkaufsverhandlungen im Hinblick auf das streitgegenständliche Fahrzeug überhaupt Angaben der Beklagten zu 2) in ihren Verkaufsprospekten hinsichtlich der Stickoxidwerte für diesen konkreten Vertragsabschluss maßgeblich gewesen seien. Konkrete Anhaltspunkte dafür, ob und welche Prospekte oder Werbemaßnahmen der Beklagten zu 2) dem Kläger überhaupt bekannt gewesen seien, gebe es nicht.

Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV scheide ebenfalls aus, denn diesen Normen fehle der Charakter als Schutzgesetz.

Eine Haftung der Beklagten zu 2) aus §§ 241, 311 BGB könne ebenfalls nicht erkannt werden. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger in Bezug auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben im Rahmen der Erteilung der Typengenehmigung sich überhaupt vor dem Vertragsschluss irgendeine Vorstellung gemacht und auf Angaben der Beklagten zu 2) vertraut habe, sodass insoweit eine Aufklärungspflicht der Beklagten zu 2) bestanden hätte. Die Grundsätze der Prospekthaftung seien zudem hier nicht anwendbar, weil die Übereinstimmungsbescheinigung einen Teil des zur Fahrzeugzulassung führenden Verwaltungsverfahrens darstelle, aber nicht mit einem auf dem Markt befindlichen Prospekt vergleichbar sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlichen Prozessziele weiterverfolgt. Er macht geltend, die Voraussetzungen eines Rückabwicklungsanspruchs gegen die Beklagte zu 1) gemäß §§ 346, 433, 434, 437 BGB seien entgegen der Auffassung des Landgerichts gegeben. Eine Fristsetzung sei hier entbehrlich. Schließlich fehle es nach dem Vortrag der Beklagten an einem Mangel, der nachgebessert werden könne. Tatsächlich komme eine Nachbesserung nicht in Betracht, weshalb eine Fristsetzung hier eine reine Förmelei darstellen würde. Die Nachbesserung sei im Übrigen auch unzumutbar und deswegen nach § 440 BGB entbehrlich. Wegen der Unmöglichkeit der Nachbesserung folge die Entbehrlichkeit der Fristsetzung im Übrigen auch aus §§ 326 Abs. 5, 275 BGB.

Er vertritt weiterhin die Auffassung, der Kaufvertrag sei gemäß § 134 BGB ungültig wegen eines Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV.

Außerdem ist er der Auffassung, die Klage sei auch gegen die Beklagte zu 2) begründet. Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, die Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung beruhe auf bloßen Vermutungen. Unrichtig sei auch die Annahme, das Thermofenster sei aus Gründen des Motorschutzes erforderlich.

Er trägt weiter vor, das Landgericht gehe fehlerhaft davon aus, ein Schädigungsvorsatz liege nicht vor. Diese Annahme sei naiv und lebensfremd. Die Beklagte zu 2), der insoweit eine sekundäre Darlegungslast obliege, habe den Schädigungsvorsatz nicht widerlegt.

Auch ein Anspruch gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 Abs. 1 StGB sei gegeben. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei zumindest davon auszugehen, dass er, der Kläger, das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn die Auswirkungen der Manipulation ihm bewusst gewesen wären. Kraftfahrzeuge seien für Verbraucher aufgrund der Mobilitätsanforderungen der modernen Gesellschaft von herausragender Wichtigkeit. Aufgrund der zentralen Bedeutung dieses Wirtschaftsguts würde sich kein Verbraucher ein Fahrzeug kaufen, welches möglicherweise stillgelegt werden könne.

Außerdem habe das Landgericht übersehen, dass er erstinstanzlich vorgetragen habe, er habe ein umweltfreundliches und wertbeständiges Fahrzeug gesucht, und die Suche habe ihn zu dem streitgegenständlichen PKW1 geführt; insbesondere die Umweltproblematik und der Spritverbrauch hätten hierbei eine große Rolle für ihn gespielt.

Er beantragt,

das Urteil des LG Oldenburg vom 10.03.2020, Az. 1 O 1723/19, abzuändern und

1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn 58.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.06.2019 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw1 Diesel, FIN (...), und Zug-um-Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung, hilfsweise 1,00 €, für die Nutzung des Pkw,

2. festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die daraus resultieren, dass sie das Fahrzeug PKW1 Diesel, FIN (...), dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr,

hilfsweise

festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu leisten für Schäden, die daraus resultieren, dass sie in den Motor, Typ 3.0 l V6 Dieselmotor des Fahrzeugs PKW1 Diesel, FIN (...), eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen und Stickoxidemissionsmesswerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb setzt, sodass es zu einem höheren NOx-Ausstoß führt,

höchst hilfsweise,

2a. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn 58.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 %-Punkten seit dem 26.05.2015 zu bezahlen, Zug-und-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw1, FIN (...),

2b. festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu bezahlen für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass sie das Fahrzeug PKW1 Diesel (FIN ...) dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr,

hilfsweise

2b. festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu leisten für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass sie in den Motor, Typ 3.0 l V6 Dieselmotor, des Fahrzeugs PKW1 Diesel (FIN ...) eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen und Stickoxidemissionsmesswerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb setzt, sodass es zu einem höheren NOx-Ausstoß führt,

2c. festzustellen, dass sich die Beklagte zu 2) mit der Rücknahme des im Klageantrag 2a) genannten Pkw im Annahmeverzug befindet,

3. festzustellen, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag 1) genannten Pkw im Annahmeverzug befindet,

4. die Beklagten jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 2.994,04 € freizustellen.

Beide Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungen. Die Beklagte zu 1) hält an der Erhebung der Einrede der Verjährung fest.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Im Ergebnis hat sie jedoch keinen Erfolg.

1. Die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage ist zulässig, aber unbegründet.

a) Der Kläger kann von der Beklagten zu 1) nicht gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB die Zahlung von 58.000,00 €, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs sowie Zahlung einer Nutzungsentschädigung, verlangen.

Hierbei kann dahinstehen, ob die Auffassung des Landgerichts zutrifft, der Kläger habe zum Vorliegen eines Sachmangels gemäß § 434 Abs. 1 BGB nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass das streitgegenständliche Fahrzeug bei der Übergabe an den Kläger mangelhaft gewesen ist und man außerdem davon ausgeht, dass hier eine Fristsetzung zur Nacherfüllung entbehrlich gewesen ist, ist der klägerseitig erklärte Rücktritt gleichwohl gemäß § 218 Abs. 1 S. 1 BGB, der hier gemäß §§ 438 Abs. 4 S. 1, 437 Nr. 2 BGB Anwendung findet, unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist der Rücktritt wegen einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistungen unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagte zu 1) hat die Einrede der Verjährung erhoben (Bl. 127R/I). Sie hat vorgetragen, die Verjährungsfrist betrage zwei Jahre. Dies entspricht der gesetzlichen Regelung in § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Dass hier eine demgegenüber längere Verjährungsfrist vereinbart worden wäre, trägt weder der Kläger vor noch ist dies sonst ersichtlich.

Nach den Feststellungen des Landgerichts, die der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, hat der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug am 29.05.2015 bei der Beklagten zu 1) gekauft. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten zu 1) wurde das Fahrzeug dem Kläger noch am gleichen Tag übergeben, womit gemäß § 438 Abs. 2 Alt. 2 BGB die Verjährung begonnen hat. Der Kläger hat den Rücktritt erstmalig mit dem Schreiben seiner vormaligen Prozessbevollmächtigten vom 28.05.2019 (Anlage K 31, im Anlagenband Kläger) geltend gemacht, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Nacherfüllungsanspruch bereits verjährt gewesen ist.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus § 438 Abs. 3 BGB. Nach dieser Vorschrift verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Aus welchen Gründen die Beklagte zu 1) bzw. ihre Geschäftsführer oder der konkret für sie beim Verkauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs tätige Verkäufer Kenntnis von etwaigen seitens der Beklagten zu 2) vorgenommenen "Manipulationen" hätte haben sollen, erschließt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht. Dass die Beklagte zu 1) eng in das Vertriebsnetz der Beklagten zu 2) eingebunden sein mag, bedeutet auch bei einer lebensnahen, typisierenden Betrachtungsweise nicht, dass alles, was im Hause des Herstellers geschieht, auch dem Vertriebspartner bekannt wird.

Es kann in diesem Zusammenhang auch dahinstehen, ob die Beklagte zu 2) arglistig gehandelt hat, denn dies könnte der Beklagten zu 1) nicht zugerechnet werden. Der Hersteller eines Kraftfahrzeugs ist kein Wissensvertreter des Verkäufers, weshalb keine Zurechnung gemäß § 166 Abs. 1 BGB analog erfolgen kann. § 278 BGB führt ebenfalls nicht zu einer Zurechnung, denn der Hersteller ist nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers (BGH, Beschluss vom 09.06.2020 - VIII ZR 315/19, Rn. 17f, juris; BeckOGK/Arnold, § 438 BGB, Rn. 204). Auch § 31 BGB ist bei selbstständigen Vertragshändlern im Verhältnis zu dem jeweiligen Fahrzeughersteller nicht erfüllt (BeckOGK/Arnold, § 438 BGB, Rn. 204; Staudinger/Schwennicke [2019] § 31 BGB, Rn. 31).

Es bleibt also dabei, dass der Nacherfüllungsanspruch hier der zweijährigen Verjährungsfrist gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB unterliegt, die zum Zeitpunkt des Rücktritts bereits abgelaufen war.

b) Ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Prospekthaftung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil ihr nach den vorstehenden Ausführungen etwaige Falschangaben in einem von der Beklagten zu 2) herausgegebenen Prospekt bzw. einer Preisliste nicht zugerechnet werden könnten.

c) Ein Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung des Kaufvertrags vom 29.05.2015 ergibt sich auch nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.

aa) Unstreitig wurde zwischen ihm und der Beklagten zu 1) ein Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug geschlossen. Weder ist die seitens des Klägers erklärte Arglistanfechtung wirksam noch der Vertrag wegen eines Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV nichtig gemäß § 134 BGB, so dass für seine Leistung - die Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 58.000,00 € - weiterhin ein Rechtsgrund besteht (§ 433 Abs. 2 BGB).

bb) Gemäß § 123 Abs. 1 BGB kann, wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist, die Erklärung anfechten. Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste (§ 123 Abs. 2 S. 1 BGB).

Dass die Beklagte zu 1) selbst den Kläger getäuscht hätte, kann hier nicht festgestellt werden, denn eine etwaige Arglist auf Seiten der Beklagten zu 2) lässt - wie oben bereits dargelegt - nicht ohne weiteres auf die Kenntnis der Beklagten zu 1) bzw. ihres Geschäftsführers oder des konkret tätigen Verkäufers von den etwaigen "Manipulationen" schließen. Die Beklagte zu 2) ist indes als Herstellerin des von der Beklagten zu 1) als selbständiger Händlerin verkauften Fahrzeugs Dritte im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, Beschluss vom 09.06.2020 - VIII ZR 315/19 -, Rn. 17, juris; BeckOGK/Rehberg, § 123 BGB, Rn. 46). Selbst wenn man unterstellt, dass diese den Kläger getäuscht hat, ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu 1) die Täuschung kannte oder kennen musste, wie § 123 Abs. 2 S. 1 BGB für diesen Fall voraussetzt.

cc) Eine Nichtigkeit des Vertrages vom 29.05.2015 folgt auch nicht aus § 134 BGB, denn § 27 Abs. 1 EG-FGV stellt kein Verbotsgesetz in diesem Sinne dar, so dass sich auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht die für einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB erforderliche Rechtsgrundlosigkeit der Leistung ergibt.

Nach § 27 Abs. 1 EG-FGV dürfen neue Fahrzeuge im Inland zur Verwendung im Straßenverkehr nur feilgeboten, veräußert oder in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Dass ein Verstoß hiergegen die Nichtigkeit eines entsprechenden (Kauf-) Vertrags zur Folge hätte, lässt sich § 27 EG-FGV nicht entnehmen. In einem solchen Fall entscheiden Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes über die Frage der Nichtigkeit. Hierbei ist in der Regel anzunehmen, dass ein Rechtsgeschäft, welches gegen das Verbotsgesetz verstößt, nichtig sein soll, wenn sich das Verbot gegen beide Teile richtet. Ist das Rechtsgeschäft hingegen nur für einen Teil verboten, ist das verbotswidrige Geschäft in der Regel gültig (BGH, Urteil vom 25.09.2014 - IX ZR 25/14 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 14.12.1999 - X ZR 34/98 -, Rn. 16, 18, juris, Palandt/Ellenberger, 79. Aufl., § 134 BGB, Rn. 7ff).

§ 27 Abs. 1 EG-FGV richtet sich nicht gegen den Verbraucher, hier also gegen den Kläger. Es handelt sich um eine einseitig an denjenigen, der das Fahrzeug feilbietet, veräußert oder in den Verkehr bringt, gerichtete Verbotsnorm mit der Folge, dass nicht davon auszugehen ist, dass eine Normverletzung die Nichtigkeit des jeweiligen Geschäfts nach sich zieht. Gründe, von dem oben geschilderten rechtlichen Grundsatz hier eine Ausnahme zu machen, sind nicht ersichtlich.

d) Da nach alledem kein auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufvertrags gerichteter Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) besteht, ist auch die von dem Bestand der Hauptforderung abhängige Zinsforderung unbegründet.

e) Dies gilt für den seitens des Klägers geltend gemachten Anspruch auf Freistellung von den ihm vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.994,04 € entsprechend.

f) Da der Kaufvertrag vom 29.05.2015 nicht rückabzuwickeln ist, ist die Beklagte auch nicht gemäß § 293 BGB mit der Entgegennahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Verzug geraten, so dass der diesbezügliche - zulässige - Feststellungsantrag ebenfalls unbegründet ist.

2. Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage ist mit dem isolierten Feststellungsantrag zu 2) - auch in der hilfsweise erfolgten Formulierung - unzulässig und im Übrigen unbegründet.

a) Soweit der Kläger die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die Beklagte zu 2) ihm gegenüber für Schäden, die aus der geltend gemachten Manipulation resultieren, zum Schadensersatz verpflichtet ist, fehlt es bereits an dem nach § 256 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse, sodass die Klage bereits unzulässig ist. In dem hier gegebenen Fall genießt die Leistungsklage Vorrang. Etwas anderes gilt freilich für den höchst hilfsweise hinsichtlich weiterer Schäden gestellten Feststellungsantrag, der neben der - ebenfalls höchst hilfsweise erhobenen - Leistungsklage gegen die Beklagte zu 2) steht.

Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis alsbald festgestellt werde. Ist dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm das Feststellungsinteresse, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären kann. Die auf Feststellung des Anspruchsgrundes gerichtete Feststellungsklage ist dann unzulässig (BGH, Versäumnisurteil vom 21.02.2017 - XI ZR 467/15 -, Rn. 14, juris). Dabei ist der Kläger grundsätzlich nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist. Zwar fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann. Es besteht jedoch keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann, wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, der Kläger in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren kann (BGH, Urteil vom 19.04.2016 - VI ZR 506/14 -, Rn. 6, juris).

Was aus diesen Grundsätzen für den hier gegebenen Fall, dass Schadensersatzansprüche aus §§ 826, 31 BGB gegen den Hersteller eines Kraftfahrzeugs im Wege einer isolierten Feststellungsklage geltend gemacht werden, folgt, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird das Feststellungsinteresse bejaht, da schon im Zeitpunkt der Klageerhebung nach allgemeiner Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen sei, die klagende Partei werde bis zum Vollzug der Rückabwicklung der Erhaltung oder Wiederherstellung des streitgegenständlichen Fahrzeugs dienende Aufwendungen tätigen, die sie ohne die behauptete schädigende Handlung der Beklagten mangels Erwerbs des Fahrzeugs nicht getätigt hätte (so OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 - 13 U 12/19 -, Rn. 20, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 20.12.2019 - 5 U 202/18 - Rn. 43, juris). Nach anderer Auffassung (OLG Köln, Beschluss vom 22.10.2020 - 4 U 79/20 -, Rn. 3ff; in diesem Sinne auch OLG Frankfurt, Urteil vom 02.09.2020 - 4 U 174/19 -, Rn. 34, juris; OLG München, Beschluss vom 09.09.2020 - 8 U 1724/20 -, Rn. 7, juris) soll hingegen dem Käufer eines mit dem Dieselmotor der Reihe (...) ausgestatteten Fahrzeugs in der Regel das für die Zulässigkeit des Antrags auf Feststellung der Schadensersatzpflicht des Motorherstellers wegen Manipulation des Motors nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse fehlen.

Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. In Fällen der streitgegenständlichen Art ist es dem Kläger ohne weiteres möglich, seine Klage zu beziffern. Genau dies hat der Kläger hier in seinem höchst hilfsweise zu 2a) gestellten Antrag auch getan. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, welchen Vorteil es für den Kläger haben sollte, seine Ansprüche hier im Wege einer isolierten Feststellungsklage zu verfolgen, obwohl ihm ohne weitere Umstände auch die Erhebung der Leistungsklage möglich ist. Die Feststellungsklage hier zuzulassen, würde bedeuten, in Kauf zu nehmen, dass die Parteien zur Anspruchshöhe einen weiteren Rechtsstreit führen müssten, wenn eine Einigung oder freiwillige Leistung der Beklagten auf Grundlage des Feststellungsausspruchs nicht erfolgen würde. Unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie würde dies einer sachlichen Rechtfertigung bedürfen, die jedoch nicht ersichtlich ist.

Der Umstand, dass in Zukunft Schäden entstehen könnten, die noch nicht bezifferbar sind, mit anderen Worten die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen sein mag, steht dem nicht entgegen. Hinsichtlich der etwaigen weiteren Schäden bleibt es dem Kläger unbenommen, Feststellungsklage zu erheben, was er hier (höchst hilfsweise) auch getan hat. Eine solche Feststellungsklage, die neben einer (Teil-) Leistungsklage steht, welche den bereits bezifferbaren Schaden abdeckt, ist nach Auffassung des Senats zulässig.

Dies stellt zu der hier vertretenen Lösung keinen Widerspruch, sondern eine sachlich gebotene Differenzierung dar. Würde man hier die isolierte Feststellungsklage für zulässig halten, wäre gewiss, dass der Kläger im Falle seines Obsiegens zur Durchsetzung seiner Ansprüche in Ermangelung eines Vollstreckungstitels Leistungsklage erheben müsste, würde die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche auf Grundlage eines Feststellungsurteils nicht erfüllen. Bei der neben einer (Teil-) Leistungsklage stehenden Feststellungsklage ist hingegen offen, ob weitere Schäden überhaupt entstehen, während die bezifferten Ansprüche tituliert werden, soweit sie berechtigt sind. Es besteht ein schützenswertes Interesse des Klägers, für diesen Fall das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach klären zu lassen und zugleich dem Risiko eines späteren Verjährungseintritts zu begegnen, auch soweit noch keine Bezifferung möglich ist.

Diese Argumente greifen hingegen nicht bezüglich des wirtschaftlichen Kerns der Fälle der streitgegenständlichen Art, nämlich der Erstattung des Kaufpreises gegen Übereignung des Fahrzeugs. Insoweit ist, wie bereits gezeigt worden ist, eine Bezifferung der Ansprüche ohne weiteres möglich. Infolgedessen ist die hier vorgenommene Differenzierung hinsichtlich des Feststellungsinteresses zwischen der isolierten und der neben einer (Teil-) Leistungsklage stehenden Feststellungsklage aus prozessökonomischen Gründen geboten. Nur in dem zuerst genannten Fall fehlt das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO.

b) Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet. Der hinsichtlich der behaupteten Manipulation geltend gemachte Schadensersatzanspruch steht dem Kläger unter keinem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt zu.

aa) Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 2) auf Zahlung von 58.000,00 €, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Porsche Cayenne gemäß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB.

Entgegen der Auffassung des Klägers greifen die Grundsätze über die Prospekthaftung hier nicht ein. Die Haftungsbegründung aufgrund bestimmter Aussagen in Prospekten ist für den Bereich des Kapitalanlagerechtes entwickelt worden und findet ihre Rechtfertigung darin, dass in diesem Rechtsbereich Prospekte in der Regel die einzige Informationsquelle über den Vertragsgegenstand darstellen. Ihnen kommt daher maßgebliches Gewicht bei der Entscheidungsfindung zu. Im Bereich des Fahrzeugkaufes gilt dies nicht. Bei den dort angebotenen Prospekten handelt es sich in der Regel um Werbematerial, welches erkennbar keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und bereits deshalb nicht allein kaufentscheidend ist (Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 17.07.2020 - 4 U 25/19 -, Rn. 97, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 09.10.2018 - 12 U 127/17 -, Rn. 6, juris). Anders als im Bereich des Kapitalanlagerechts stehen dem Kaufinteressenten beispielsweise in der Form von Fachzeitschriften, wissenschaftlichen Veröffentlichungen sowie Probefahrten weitere Informationsquellen zur Verfügung, weshalb die Grundlagen der Prospekthaftung auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar sind (OLG Braunschweig, Urteil vom 19.02.2019 - 7 U 134/17 -, Rn. 102, juris; OLG München, Urteil vom 04.12.2019 - 3 U 3129/19 -, Rn. 33, juris; OLG Hamm, Urteil vom 02.09.2020 - I-30 U 192/19 -, Rn. 50, juris).

bb) Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2) auf Zahlung von 58.000,00 €, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen PKW1 ergibt sich auch nicht aus §§ 826, 31 BGB.

Gemäß § 826 BGB ist, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßen Weise einem anderen vorsätzlich einen Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Hier fehlt es bereits an einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten zu 2).

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 15). Als sittenwidrig ist insbesondere zu qualifizieren, wenn der Hersteller eines Kraftfahrzeugs auf der Grundlage einer grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes systematisch, langjährig und in hohen Stückzahlen Fahrzeuge in den Verkehr bringt, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand, nicht aber im regulären Straßenverkehr eingehalten werden (BGH, a. a. O., Rn. 16). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte zu 2) hier eine nach Art. 3 Nr. 10, 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 unzulässige Abschalteinrichtung verwendet hätte.

Hierzu hat der Kläger zunächst vorgetragen, bei dem streitgegenständlichen PKW1 erfolge eine fehlerhafte Dosierung des Harnstoffmittels AdBlue im SCR-Katalysator, was dazu führe, dass das Fahrzeug weniger AdBlue verbrauche, als für die Erreichung der Grenzwerte notwendig sei. Hierauf hat die Beklagte zu 2) erwidert, bei diesem Fahrzeug komme ein SCR-Katalysator nicht zum Einsatz. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten. Diesen Vortrag verfolgt er auch in seiner Berufungsbegründung nicht weiter. Somit ist im Ergebnis unstreitig, dass es insoweit an einer unzulässigen Abschalteinrichtung fehlt, denn in einem nicht vorhandenen SCR-Katalysator kann eine fehlerhafte AdBlue-Dosierung nicht stattfinden.

Auch der Vortrag des Klägers, das streitgegenständliche Fahrzeug sei mit einem unzulässigen Thermofenster ausgestattet, verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Insoweit ist zwar unstreitig, dass hier ein Thermofenster vorhanden ist, sodass außerhalb eines definierten Temperaturbereichs ein Teil des Emissionskontrollsystems, hier konkret die Abgasrückführung, "ausgerampt" wird. Es handelt sich mithin um eine Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007.

Dem Vortrag des Klägers lässt sich indes nicht entnehmen, dass diese Abschalteinrichtung unzulässig ist. Die Verwendung einer Abschalteinrichtung ist nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 nicht unzulässig, wenn sie notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. In diesem Sinne trägt die Beklagte zu 2) vor, die Abgasrückführung werde bei kühleren Temperaturen zurückgefahren, weil es im System der Abgasrückführung insbesondere bei kalten Temperaturen und einer stetig hohen Abgasrückführungsrate zu Ablagerungen kommen könne (sog. Versottung), die Motorschäden verursachen könnten. Das "Ausrampen" der Abgasrückführung sei notwendig und üblich, um dies zu vermeiden.

Ursprünglich ist dieser Vortrag streitig gewesen. Die Beklagte zu 2) hat ihr Vorbringen allerdings mit ihrem Schriftsatz vom 11.11.2020 vertieft und eine Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 11.09.2020 (Anlage B 9, Blatt 63/III) zur Akte gereicht, welche dieses gegenüber dem OLG Stuttgart erteilt hat. Der Senat ist sich bewusst, dass diese amtliche Auskunft hier nicht als Beweismittel verwendet werden kann. Gleichwohl ist sie als substantiierter Parteivortrag zu berücksichtigen.

In dieser Auskunft, die sich ausdrücklich allgemeingültig zu der Gruppe der Fahrzeuge des JJ Konzerns mit dem V6 TDI Euro 5 Generation 2-Motoren verhält, zu der unstreitig auch der streitgegenständliche PKW1 gehört, heißt es, es sei keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt worden. Entsprechend sei auch kein amtlicher Rückruf angeordnet worden. Für die festgestellten emissionsbezogenen Abschaltungsstrategien sei eine Unzulässigkeit nicht festgestellt worden, weil umfangreich vorgelegte Unterlagen des Herstellers zu spezifischen Feldausfällen, verbunden mit entsprechenden Nachweistests, deren Notwendigkeit zur Gewährleistung des Motorschutzes belegt hätten.

Der Inhalt dieser Auskunft bestätigt demnach den Vortrag der Beklagten zu 2) in diesem Punkt. Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten. Dies wäre jedoch nach Maßgabe des § 138 Abs. 2 ZPO erforderlich gewesen, denn bei der nunmehr gegebenen Sachlage erschließt sich nicht, weshalb die Feststellungen des Kraftfahrt-Bundesamts, die der Auskunft vom 11.09.2020 zugrunde liegen, unzutreffend sein sollten. Es ist deshalb davon auszugehen, dass diese Auskunft und mit ihr der diesbezügliche Vortrag der Beklagten zu 2) inhaltlich richtig ist. Das Thermofenster stellt demnach keine unzulässige Abschalteinrichtung dar, denn es dient dem Motorschutz.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass nicht jedes Inverkehrbringen eines mangelhaften Produkts den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu begründen vermag. Hinzukommen muss eine besondere Verwerflichkeit des Handelns, wie sie der BGH (VI ZR 252/19, s. o.) hinsichtlich eines anderen Motortyps eines anderen Herstellers damit begründet hat, durch bewusste und gewollte Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes seien systematisch Motoren mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht worden. An solchen oder vergleichbaren Umständen fehlt es hier. Wie sich aus der Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 11.09.2020 ergibt, sind dort die hier in Rede stehenden Abschalteinrichtungen als zulässig eingeordnet worden. Die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung sei generell als technische Notwendigkeit bekannt gewesen.

Selbst wenn dies im Ergebnis anders zu beurteilen wäre, würde sich doch nicht erschließen, weshalb es aus Sicht der Beklagten zu 2) unvertretbar gewesen sein sollte, denselben rechtlichen Standpunkt wie das Kraftfahrt-Bundesamt einzunehmen. Solange die Einordnung eine Abschalteinrichtung als zulässig im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 als rechtlich vertretbar erscheint, liegt jedenfalls dann, wenn keine weiteren Umstände hinzutreten, keine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB vor.

Auch der Vortrag des Klägers, die Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs löse eine sogenannte "Aufheizstrategie" aus, wenn sich das Fahrzeug in einem Testzyklus befinde, rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Eine derartige Abschalteinrichtung, die dafür sorgt, dass ein Abgaskontrollsystem faktisch nur auf dem Prüfstand in Betrieb ist, so dass im regulären Straßenverkehr eine entsprechende Emissionskontrolle unterbleibt, wäre zwar unzulässig und würde grundsätzlich die Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB indizieren. Die Beklagte hat indes das Vorhandensein einer derartigen Aufwärmstrategie in der Motorsteuerungssoftware bestritten (Blatt 65/II). Dieser Vortrag wird durch die Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 11.09.2020 (Anlage B 9) gestützt, denn demnach konnte bei Fahrzeugen, die - wie der streitgegenständliche PKW1 - mit dem Motor V6 TDI Euro 5 Generation 2 ausgestattet sind, keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt werden. Auch insoweit gilt, dass es gemäß § 138 Abs. 2 ZPO Sache des Klägers gewesen wäre, sich mit dem hierdurch substantiierten Vorbringen der Beklagten zu 2) auseinanderzusetzen. Dies ist nicht geschehen, sodass die Entscheidung des Senats in diesem Punkt der Beklagtenvortrag zugrunde zu legen ist. Demnach verfügt die Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht über eine nur im Prüfstandmodus funktionierende Aufheizstrategie.

Aber selbst wenn man gleichwohl unterstellt, eine solche unzulässige Abschalteinrichtung sei hier vorhanden, lässt sich ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten zu 2) nicht feststellen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motor nicht von der Beklagten zu 2), sondern von der KK AG hergestellt worden ist. Die Kenntnis der Organe der Beklagten zu 2) bzw. ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter (§ 31 BGB) von dem Vorhandensein einer Abschalteinrichtung, die eine Voraussetzung des Unwerturteils der Sittenwidrigkeit nach den oben dargestellten Maßgaben ist, kann demnach nicht auf der Grundlage der allgemeinen Lebenserfahrung unterstellt bzw. vermutet werden, denn es ist nicht zwingend, dass ihnen jede (verborgene) Maßnahme der Motorsteuerung in dem zugelieferten Motor bekannt gewesen ist.

Der Vortrag des Klägers hinsichtlich dieser Kenntnis auf Seiten der Beklagten zu 2) ist indes nicht hinreichend substantiiert. Ihm nachzugehen, würde eine unzulässige Nachforschung darstellen. Der Kläger lässt insoweit unklar, woher die Organe der Beklagten zu 2) bzw. ihre verfassungsmäßig berufenen Vertreter Kenntnis von etwaig vorhandenen unzulässigen Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung erlangt haben sollten. Soweit er diesbezüglich konkret wird, indem er vorträgt, es habe ungefähr im September 2011 einen Schriftwechsel unter anderem unter Beteiligung des KK-Technikers LL, des damaligen Leiters der Motorenentwicklung von JJ, MM, und des Chefs der Elektronikentwicklung bei der Beklagten zu 2), NN, gegeben, in dem KK den Mitarbeitern der Beklagten zu 2) die Begrenzung der Tankgröße bei den 3,0 l Diesel-Motoren und die daraus resultierende Strategie zur Harnstoffdosierung erläutert habe, geht dies ersichtlich an der Sache vorbei. Dieses Vorbringen bezieht sich auf den AdBlue-Verbrauch, der hier keine Rolle spielt, weil, wie oben bereits dargelegt worden ist, unstreitig das streitgegenständliche Fahrzeug nicht über einen SCR-Katalysator verfügt. Nicht nachvollziehbar ist auch der Vortrag des Klägers, die OO GmbH habe in Absprache mit der Beklagten zu 2) die fehlerhafte Motorensteuerung geliefert. Vor dem Hintergrund, dass der Motor von der KK AG hergestellt und geliefert worden ist und dass ein Austausch über die Ausgestaltung der Motorsteuerung zwischen Mitarbeitern der KK AG und der Beklagten zu 2) stattgefunden haben soll, erschließt sich nicht, weshalb die Beklagte zu 2) von der OO GmbH noch eine Motorsteuerung hätte beziehen sollen.

Wenn der Kläger auf Kenntnisse der Herren PP, QQ und MM abstellt, ist dies hier irrelevant. Maßgeblich ist die Kenntnis der Organe bzw. der verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Anspruchsgegnerin, also der Beklagten zu 2), nicht hingegen der an diesem Rechtsstreit nicht beteiligten Volkswagen AG.

Abschließend ist anzumerken, dass die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sich auch nicht aus den in der Berufungsverhandlung vom 03.12.2020 zur Akte gereichten Schreiben der Beklagten zu 2) aus März 2020 bzw. Oktober 2020 (Anlage zum Protokoll vom 03.12.2020, Bl. 72ff/III) ergibt, in denen sie dem Kläger nahegelegt hat, ein von ihr entwickeltes Software-Update zur Reduzierung der Stickoxidemissionen bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug aufzuspielen.

Aus diesen Schreiben geht hervor, dass es sich hierbei um eine freiwillige Maßnahme zur Verbesserung der Luftqualität handelt, die im Rahmen des sogenannten "Diesel-Gipfels" vereinbart worden sei. Dies deckt sich mit der Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 11.09.2020 gegenüber dem Oberlandesgericht Stuttgart (Anlage B 9), die vom Hersteller im Rahmen des Nationalen Forums Diesel vorgeschlagene freiwillige Serviceaktion zur Emissionsverbesserung durch die Motorsteuerungssoftware sei durch das Kraftfahrt-Bundesamt akzeptiert worden. Vor diesem Hintergrund bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Sachverhaltsdarstellung in den genannten Schreiben der Beklagten zu 2) an den Kläger könnte inhaltlich unzutreffend und in der Sache das Eingeständnis der Verwendung einer nunmehr durch das Update zu entfernenden unzulässigen Abschalteinrichtung sein.

cc) Ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2) ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB.

In Fällen der streitgegenständlichen Art besteht die gemäß § 263 Abs. 1 StGB erforderliche Stoffgleichheit zwischen der etwaigen Vermögenseinbuße des Geschädigten - hier des Klägers - mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter des Fahrzeugherstellers - hier der Beklagten - für sich oder einen Dritten erstrebt haben könnte, nicht (BGH, Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 5/20 -, Rn. 24, juris).

dd) Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 2) auch kein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 27 EG-FGV zu.

Aus einer Verletzung des § 27 Abs. 1 EG-FGV kann sich der hier geltend gemachte Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises nicht ergeben. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt nicht im Aufgabenbereich der Norm (BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 76, juris; BGH, Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 5/20 -, Rn. 11, juris).

ee) Weil nicht festgestellt werden kann, dass die Motorsteuerung des streitgegenständlichen PKW1 über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt, weshalb im Übrigen dem Kläger durch den Fahrzeugkauf auch kein Schaden entstanden ist, scheidet auch § 831 BGB als Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren aus.

ff) Nach alledem besteht kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2) auf Zahlung von 58.000,00 €. Deshalb ist auch die insoweit geltend gemachte Zinsforderung nicht begründet, denn sie ist von dem Bestehen der Hauptforderung abhängig.

gg) Dass kein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2) besteht, führt dazu, dass die Klage auch insoweit unbegründet ist, als der Kläger die Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.994,04 € begehrt.

hh) Aus demselben Grunde ist nicht festzustellen, dass die Beklagte zu 2) hinsichtlich weiterer Schäden dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet ist.

ii) Da der Kaufvertrag nicht rückabzuwickeln ist, ist die Beklagte zu 2) mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug geraten, weshalb keine entsprechende gerichtliche Feststellung zu treffen ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihren Rechtsgrund in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen nicht vor.

Die - hier nicht gegebenen - Voraussetzungen, unter denen der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Kraftfahrzeugs einen Anspruch gegen den Fahrzeughersteller auf Rückabwicklung des Kaufvertrags hat, sind höchstrichterlich hinreichend geklärt.

Auch die divergierende Rechtsprechung zu der Frage, ob in Fällen der streitgegenständlichen Art eine isolierte Feststellungsklage zulässig ist, gibt keinen Anlass, die Revision zuzulassen. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, wäre die isolierte Feststellungsklage auch unbegründet, wenn man von ihrer Zulässigkeit ausgehen würde, denn ein Ersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2) besteht unter keinem in Betracht kommenden Gesichtspunkt.