Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 14.01.2021, Az.: 1 U 160/20

Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Kraftfahrzeug; Gebrauchtwagenkauf im Dezember 2017; Unzulässige Abschalteinrichtung; Verwendung einer Motoraufwärmfunktion; Begriff der Sittenwidrigkeit

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
14.01.2021
Aktenzeichen
1 U 160/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 48921
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Aurich - 29.06.2020 - AZ: 5 O 1183/19

In dem Rechtsstreit
AA, Ort1,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
BB AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden CC, Ort2,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...), die Richterin am Oberlandesgericht (...) und den Richter am Oberlandesgericht (...) auf die mündliche Verhandlung vom 10.12.2020 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.06.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Aurich teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.285,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2019 zu zahlen und ihn von den künftigen Netto-Darlehensraten aus dem Darlehensvertrag mit der DD AG, Finanzierungs-Nummer: (...), freizustellen, nämlich monatlich 504,20 € für die Zeit von Dezember 2020 bis einschließlich November 2021 und 18.969,24 € im Dezember 2021, Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs Pkw1, Fahrzeugidentifikationsnummer (...) und Übertragung seines diesbezüglichen Anwartschaftsrechts gegen die DD AG.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den vorgerichtlichen Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten, der Rechtsanwälte EE mbB, Ort3, in Höhe von 1.434,20 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche in Zusammenhang mit dem sogenannten Abgasskandal.

Der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 11.12.2017 (Anlage K 1, Blatt 19/I) bei dem FF Autohaus einen von der Beklagten entwickelten und hergestellten Pkw1 als Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 12.360 km zu einem Kaufpreis von 52.485,00 € brutto bzw. 44.105,04 € netto. Er leistete eine Anzahlung von 6.500,00 €. Im Übrigen wurde der Kaufpreis über die DD AG finanziert, an die das streitgegenständliche Fahrzeug zur Sicherheit übereignet wurde. Nach dem mit der DD AG geschlossenen Darlehensvertrag hatte der Kläger im Januar 2018 eine Darlehensrate in Höhe von 555,97 € zu zahlen und ab Februar 2018 46 Monatsraten von 600,00 € sowie eine Schlussrate von 22.573,40 €.

Durch das Kraftfahrtbundesamt erfolgte die Anordnung eines am 12.12.2018 veröffentlichten Rückrufs, der auch das streitgegenständliche Fahrzeug betraf. Hierzu teilte das Kraftfahrtbundesamt mit, bei der Überprüfung der Fahrzeugmodelle (...) seien unzulässige Abschalteinrichtungen nachgewiesen worden. Die sogenannte schnelle Motoraufwärmfunktion, die der Schadstoffminderung diene, springe bei diesen Fahrzeugen nahezu nur im Prüfzyklus NEFZ an, wohingegen im realen Straßenverkehr diese NOx-Schadstoffminderung unterbleibe.

Am 31.07.2019 ließ der Kläger bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug ein von der Beklagten zu Verfügung gestelltes Software-Update aufspielen.

Mit einem anwaltlichen Schreiben vom 17.10.2019 legitimierten sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers gegenüber der Beklagten und forderten diese auf, die Ansprüche, die sich aus dem diesem Schreiben beigefügten Klageentwurf ergaben, zu erfüllen. Hierfür wurde eine Frist auf den 22.10.2019 gesetzt (Anlage K 7, Blatt 39/I).

Am Tag der Berufungsverhandlung wies das streitgegenständliche Fahrzeug eine Gesamtlaufleistung von 69.664 km auf.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Abschalteinrichtung sei illegal. Der Beklagten sei insoweit eine sittenwidrige Täuschung vorzuwerfen. Er könne daher von ihr die Rückabwicklung des Vertrages nach §§ 826, 31 BGB verlangen.

Hierzu hat er behauptet, der Vorstand der Beklagten habe Kenntnis von der Verwendung der Manipulationssoftware gehabt. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte müsse davon ausgegangen werden, dass den Organen der Beklagten völlig klar gewesen sei, dass sie Dieselmotoren verkauft habe, die hinsichtlich der Abgaswerte nicht den Vorschriften entsprochen hätten, so dass die Kunden wirtschaftlich nachteilige Kaufverträge abgeschlossen hätten. Weil die Beklagte die Entscheidungsprozesse in ihrem Hause nicht dargelegt habe, sei davon auszugehen, dass ihr Vorstand die Manipulation angeordnet oder zumindest genehmigt habe. Er, der Kläger, hätte von dem Kauf des Fahrzeugs abgesehen, wenn ihm das Vorhandensein der Abschalteinrichtung bekannt gewesen wäre.

Hinsichtlich der abzuziehenden Nutzungsentschädigung behauptet er, das streitgegenständliche Fahrzeug habe eine zu erwartende Gesamtlaufleistung und 400.000 km.

Er hat in der ersten Instanz zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.707,53 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % aus 52.485,00 € seit dem 19.07.2017 bis zum 22.10.2019 und in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2019 zu zahlen und ihn von den künftigen Netto-Darlehensraten aus dem Darlehensvertrag mit der DD AG, Finanzierungs-Nummer (...), freizustellen, Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs Pkw1, Fahrzeugidentifikationsnummer (...),

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs Pkw1, Fahrzeugidentifikationsnummer (...), im Annahmeverzug befindet,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den vorgerichtlichen Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten, der Rechtsanwälte EE mbH, Ort3, in Höhe von 1.434,20 € freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, infolge der Sicherungsübereignung des Fahrzeugs an die DD AG sei der Kläger nicht aktiv legitimiert.

Er habe nicht schlüssig vorgetragen, inwieweit er von der Beklagten getäuscht worden sein solle. Dies gelte für den Vorsatz entsprechend. Im Übrigen habe der Kläger auch keinen Schaden erlitten, denn das streitgegenständliche Fahrzeug sei zu jedem Zeitpunkt sicher und fahrbereit gewesen und habe über alle erforderlichen Genehmigungen verfügt. Eine etwaige Täuschung ihrerseits sei für den Abschluss des Kaufvertrags nicht ursächlich geworden. Es sei nicht nachzuvollziehen, inwieweit das Emissionsverhalten eines derartig leistungsstarken Fahrzeugs für die Kaufentscheidung des Klägers entscheidend gewesen sein sollte.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, das gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO in Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz aus §§ 826, 31, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB. Zwar scheitere ein Anspruch des Klägers nicht an einer fehlenden Substantiierung seines Vortrags hinsichtlich einer unzulässigen Abschalteinrichtung, wohl aber an der fehlenden Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten. Es sei nicht in jedem Fall sittenwidrig, ein Produkt in den Verkehr zu bringen, welches möglicherweise mangelbehaftet sei. Nicht jeder Verstoß gegen vertragliche Pflichten oder Gesetze und nicht jede Zufügung eines Vermögensschadens begründe zugleich den Vorwurf der Sittenwidrigkeit. Dieser Vorwurf sei erst dann begründet, wenn eine besondere Verwerflichkeit des Handelns festgestellt werden könne. Dies sei bei dem bloßen Inverkehrbringen eines mit einem Sachmangel behafteten Kraftfahrzeugs nicht der Fall.

Auch Abschalteinrichtung seien nicht per se unzulässig und begründeten überhaupt einen Mangel. Es sei auch nicht ausreichend, dass das Kraftfahrtbundesamt die Steuerung als unerlaubte Abschalteinrichtung eingestuft habe. Es sei nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Entwickler davon ausgegangen seien, es handele sich um erlaubte Ausnahmen, etwa zum Schutz des Motors.

Alleine die Durchführung einer Nachrüstung von Dieselfahrzeugen eröffne nicht ansatzweise die Schlussfolgerung auf die Möglichkeit einer Manipulationssoftware. Es müsse eine möglicherweise falsche, aber dennoch vertretbare Gesetzesauslegung und -anwendung durch die Organe der Beklagten in Betracht gezogen werden. Diese könne in Ermangelung gegenteiliger Indizien auch nicht widerlegt werden. Eine Verkennung der Rechtslage begründe aber selbst im Falle eines grob fahrlässigen Handels nicht den im Rahmen der §§ 826, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB geforderten Schädigungsvorsatz.

Der vorliegende Fall sei insoweit nicht mit dem von GG entwickelten Motor Typ1 vergleichbar. Dort ergebe sich die Sittenwidrigkeit des Handelns per se aus der Verwendung einer Umschaltlogik, die allein danach unterscheide, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befinde. Bei einer anderen die Abgasreinigung beeinflussenden Motorsteuerungssoftware wie dem hier in Rede stehenden Thermofenster, die vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeite wie auf dem Prüfstand und bei der der Gesichtspunkt des Motoren- bzw. Bauteilschutzes als Rechtfertigung ernsthaft zu erwägen sei, könne bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die Handelnden bzw. Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er weiterhin die Rückabwicklung des Kaufvertrages erreichen möchte. Die Zahlung von Deliktszinsen begehrt er nicht mehr.

Er macht geltend, das Landgericht hätte darauf hinweisen müssen, dass es an Vortrag zu einer zumindest billigenden Inkaufnahme eines möglichen Gesetzesverstoßes auf Seiten der Beklagten gefehlt habe. Das Landgericht habe darüber hinaus die Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten zu Unrecht verneint. Die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung durch die Beklagte habe den Zweck gehabt, Gewinne zu maximieren. Hierfür seien zentrale Zulassungsvorschriften ausgehebelt und eine große Anzahl von Fahrzeugkäufern konkludent getäuscht worden. Die Beklagte sei nicht davon ausgegangen, dass die Abschalteinrichtung zulässig sei und habe das Kraftfahrtbundesamt bewusst getäuscht, um eine EG-Typengenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug zu erhalten. Infolgedessen drohe ihm, dem Kläger, die Stilllegung seines Fahrzeugs.

Zu Unrecht sei das Landgericht in seinem Urteil davon ausgegangen, es sei ein sogenanntes Thermofenster verbaut. Dies habe er, der Kläger nicht behauptet. Vielmehr sei eine "Aufwärmfunktion" verbaut worden.

Er hat zunächst beantragt,

unter Abänderung des am 29.06.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Aurich, Az.: 5 O 1183/19

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.707,53 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2019 zu zahlen und ihn von den künftigen Netto-Darlehensraten aus dem Darlehensvertrag mit der DD AG, Finanzierungs-Nr.: (...), freizustellen, Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs Pkw1, Fahrzeugidentifikationsnummer (...),

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme das Fahrzeugs Pkw1, Fahrzeugidentifikationsnummer (...), im Annahmeverzug befindet,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den vorgerichtlichen Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten, der Rechtsanwälte EE mbB, Ort3, in Höhe von 1.434,20 € freizustellen.

Mit Schriftsatz vom 01.12.2020 hat er vorgetragen, er habe die weiteren Darlehensraten bis einschließlich November 2020 gezahlt.

Er beantragt nunmehr,

unter Abänderung des am 29.06.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Aurich, AZ.: 5 O 1183/19

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.613,22 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2019 zu zahlen und ihn von den künftigen Netto-Darlehensraten aus dem Darlehensvertrag mit der DD AG, Finanzierungs-Nr.: (...), freizustellen, Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs Pkw1, Fahrzeugidentifikationsnummer (...),

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme das Fahrzeugs Pkw1, Fahrzeugidentifikationsnummer (...), im Annahmeverzug befindet,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den vorgerichtlichen Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten, der Rechtsanwälte EE mbB, Ort3, in Höhe von 1.434,20 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe zutreffend festgestellt, dass ihr Verhalten nicht als sittenwidrige Handlung einzustufen sei. Es fehle weiterhin an schlüssigem Vortrag des Klägers, inwieweit sie ihn getäuscht bzw. ihm gegenüber in sittenwidrige Art und Weise unzutreffende Angaben gemacht haben sollte.

Dies gelte selbst dann, wenn man davon ausgehe, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut worden sei. Zu einer besonderen Verwerflichkeit habe der Kläger weder vorgetragen noch sei dies sonst ersichtlich. Außerdem fehle es an einer Kausalität zwischen einer vermeintlichen Täuschung und dem Abschluss des Kaufvertrages.

Der Kläger habe weiterhin nicht dargelegt, inwieweit er sich über die Stickoxidemissionen des streitgegenständlichen Fahrzeugs informiert habe. Ihm sei es neben dem Umstand, ein möglichst leistungsstarkes Fahrzeug zu erwerben, ausschließlich darauf angekommen, dass das Fahrzeug für den Straßenverkehr zugelassen sei. Dies sei indes der Fall.

Dem Kläger sei auch kein berücksichtigenswerter Schaden entstanden. Er lege weiterhin nicht dar, weshalb das Fahrzeug gerade für ihn unbrauchbar und für den gewünschten Vertragszweck nicht geeignet gewesen sei. Der Vortrag, einen ungewollten Vertrag abgeschlossen zu haben, genüge insoweit nicht. Der abgeschlossene Kaufvertrag sei für den Kläger weder ungewollt noch nachteilig. Durch den Vertragsschluss habe der Kläger keine Vermögenseinbuße erlitten. Es gebe auch keine Einschränkung bei dem Gebrauch des Fahrzeugs. Da das Software-Update bereits aufgespielt sei, drohe keine Stilllegung des Fahrzeugs.

Darüber hinaus habe der Kläger nicht konkret zu einem Schädigungsvorsatz der Beklagten vorgetragen.

In Bezug auf die Höhe eines etwaigen Schadens seien die gezogenen Nutzungen anzurechnen. Hierbei stelle die Anwendung der linearen Wertberechnungsmethode keinen interessengerechten Vorteilsausgleich dar. Vielmehr sei eine degressive Berechnung vorzunehmen.

Wenn man allerdings eine lineare Wertberechnungsmethode anwende, sei keine Gesamtlaufleistung von mehr als 250.000 km für das streitgegenständliche Fahrzeug anzunehmen. Substantiierter Vortrag des Klägers, weshalb von einer höheren Auffassung ausgegangen werden sollte, sei nicht erfolgt.

Wenn man unterstelle, dass ein Schadensersatzanspruch des Klägers bestehe, umfasse dieser lediglich den Ersatz des von ihm bezahlten Kaufpreises, nicht aber die Finanzierungskosten. Die Entscheidung, ein Darlehen zur Finanzierung des Fahrzeugkaufes aufzunehmen, wäre ihr nicht zurechenbar.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. In der Sache hat sie überwiegend Erfolg.

1. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 14.285,58 €, Zug um Zug gegen Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs und Übertragung seines auf den Eigentumserwerb gerichteten Anwartschaftsrechts gegenüber dem finanzierenden Kreditinstitut aus §§ 826, 31 BGB.

Die Beklagte ist dem Kläger gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet, denn sie hat ihm in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise zumindest bedingt vorsätzlich einen Schaden zugefügt, indem sie das streitgegenständliche Fahrzeug, welches mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, hergestellt und in Verkehr gebracht hat.

a) Das Verhalten der Beklagten verstößt gegen die guten Sitten.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 15).

Unstreitig hat die Beklagte das streitgegenständliche Fahrzeug entwickelt und hergestellt. Ebenso ist unstreitig, dass am 12.12.2018 ein durch das Kraftfahrtbundesamt angeordneter Rückruf erfolgt ist, der auch dieses Fahrzeug betrifft. Dieser beruht darauf, dass die zurückgerufenen Fahrzeuge über eine schadstoffmindernde, sogenannte schnelle Motoraufwärmfunktion verfügen, welche allerdings nahezu nur im Prüfzyklus NEFZ anspringt, während im realen Verkehr diese NOx-Schadstoffminderung unterbleibt.

Dies stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.07.2007 dar. Nach dieser Vorschrift ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Gemäß Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.07.2007 ist eine Abschalteinrichtung ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl, den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei einem normalen Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.

Genau dies ist hier der Fall: Unstreitig verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug über eine schnelle Motoraufwärmfunktion, die der Schadstoffminderung dient. Sie springt allerdings nahezu nur im Prüfzyklus NEFZ an, während im realen Verkehr diese Maßnahme der Schadstoffminderung nicht greift. Da hier keiner der in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.07.2007 normierten Ausnahmetatbestände greift, ist diese Abschalteinrichtung unzulässig (ebenso OLG Koblenz, Urteil vom 05.06.2020 - 8 U 1803/19 -, Rn. 34, juris; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.09.2020 - 8 U 39/20 -, Rn. 57, juris).

Der Einsatz dieser Abschalteinrichtung ist bei zahlreichen Fahrzeugmodellen der Beklagten erfolgt. Wie sich aus der Mitteilung über den Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes (Blatt 4/I) ergibt, sind von den insoweit angeordneten Rückrufaktionen allein in Deutschland rund 77.600 und weltweit insgesamt rund 127.000 Fahrzeuge betroffen gewesen.

Der Senat ist deshalb der Überzeugung, dass der Einsatz der Abschalteinrichtung auf der Grundlage einer strategischen unternehmerischen Entscheidung stattgefunden hat, um die Abgasrückführung beeinflussen zu können und die Typengenehmigung zu erhalten (ebenso OLG Koblenz, Urteil vom 05.06.2020 - 8 U 1803/19 -, Rn. 56). Bei der Beklagten handelt es sich um einen großen, international tätigen und renommierten Autohersteller. Vor diesem Hintergrund erscheint es als ausgeschlossen, dass eine Maßnahme von derartiger Reichweite von nachgeordneten Mitarbeitern der Beklagten angeordnet und durchgeführt worden sein könnte. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass es sich um eine grundlegende, weltweit zahlreiche Fahrzeuge betreffende Strategieentscheidung handelt, die mit erheblichen Risiken für das gesamte Unternehmen und auch mit persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen verbunden gewesen ist (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 39, juris). Entgegenstehende Anhaltspunkte lassen sich auch dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen. Ein anderes Ziel der unternehmerischen Entscheidung, hinsichtlich der Motoraufwärmfunktion eine Abschalteinrichtung zu verwenden, als die Erlangung der Typengenehmigung ist ebenfalls weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Daraus ergibt sich, dass der Verwendung der Motoraufwärmfunktion letztlich ein Gewinnstreben der Beklagten zugrunde gelegen hat. Weshalb sie zur Erlangung der Typengenehmigung auf eine unzulässige Abschalteinrichtung hätte zurückgreifen sollen, wenn dies ohne wirtschaftliche Auswirkungen auf andere Weise möglich gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Dies lässt wiederum den Schluss darauf zu, dass der Beklagten die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte jedenfalls nicht ohne finanzielle Einbußen möglich gewesen ist. Dass sie die betroffenen Fahrzeuge gleichwohl hergestellt und auf den Markt gebracht hat, zeigt, dass sie sich diese Geschäfte gleichwohl nicht hat entgehen lassen wollen, und sei es um den Preis, im Zulassungsverfahren auf unlautere Mittel zurückgreifen zu müssen.

Für sich genommen ist ein Gewinnstreben zwar nicht verwerflich. Hier sind allerdings zur Erreichung dieses Ziels in großem Umfang zentrale Zulassungsvorschriften umgangen worden. Weder die Genehmigungsbehörde noch die Endkunden haben zu erkennen vermocht, dass die auf dem Prüfstand erzielten Emissionsmesswerte unter Verwendung eines im regulären Straßenbetrieb ausgeschalteten Emissionskontrollsystems - der schnellen Motoraufwärmfunktion - zustande gekommen sind. Genau auf diese Täuschung war das Verhalten der Beklagten angelegt. Ein anderer Grund dafür, die betroffenen Fahrzeug mit einer Abschalteinrichtung auszustatten, deren einziger Zweck es gewesen ist, die Motoraufwärmfunktion nur auf dem Prüfstand zu aktivieren, lässt sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Es liegt demnach ein rechtswidriges, von einem übersteigerten Gewinnstreben getragenes und im großen Stil durchgeführtes Verhalten der Beklagten vor. Betrachtet man diese Umstände in ihrer Gesamtheit, ergibt sich, dass dieses Verhalten gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, mithin sittenwidrig ist (ebenso OLG Koblenz, Urteil vom 05.06.2020 - 8 U 1803/19 -, Rn. 48ff, juris; im Ergebnis so auch Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.09.2020 - 8 U 39/20 -, Rn. 63, juris). An dieser Bewertung ändert auch der Umstand, dass die Beklagte später ein Software-Update entwickelt und dem Kläger zur Verfügung gestellt hat, nichts. Dies stellt lediglich eine Maßnahme der Schadenswiedergutmachung dar (ebenso OLG Koblenz, Urteil vom 05.06.2020 - 8 U 1803/19 -, Rn. 50, juris).

b) Die Software, über welche die Steuerung der Motoraufwärmfunktion erfolgt ist, ist vorsätzlich verwendet worden. Dass sie ihren Weg in die Motorsteuerung auf eine Weise gefunden haben könnte, die lediglich als fahrlässig zu bewerten wäre, widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und kann ausgeschlossen werden.

Wie oben bereits dargelegt worden ist, kommt für die Verwendung der Abschaltfunktion kein anderer Zweck in Betracht als die Beeinflussung der Abgasrückführung zur Erlangung der Typengenehmigung, denn es ist weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Abschalteinrichtung dem Motorschutz oder einem der anderen in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nummer 715/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.07.2007 genannten Ausnahmetatbestände gedient hätte. Hieraus folgt, dass den konkret tätigen Mitarbeitern der Beklagten nicht nur bewusst gewesen ist, dass sie eine Abschalteinrichtung verwendet haben, sondern dass sie auch zumindest billigend in Kauf genommen haben, dass diese unzulässig gewesen ist (im Ergebnis ebenso OLG Koblenz, Urteil vom 05.06.2020 - 8 U 1803/19 -, Rn. 54ff, juris). Hierfür spricht auch die heimliche Begehungsweise (vgl. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.09.2020 - 8 U 39/20 -, Rn. 65, juris); die Verwendung der Abschalteinrichtung ist über mehrere Jahre unbemerkt geblieben, was sich daraus ergibt, dass der Rückruf erst im Jahr 2018 erfolgt ist und sich auf Fahrzeuge mit dem Baujahr 2015 bezieht.

Dass das Landgericht hiergegen argumentiert, bei der Verwendung eines Thermofensters könne das Bewusstsein der Handelnden einer Unzulässigkeit nicht ohne weiteres unterstellt werden, geht hier fehl. Dass das streitgegenständliche Fahrzeug über ein solches Thermofenster verfügt, bei dem außerhalb eines definierten Temperaturbereichs Emissionskontrollsysteme ausgeschaltet oder "ausgerampt" werden, ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien nicht.

Das Verhalten ihrer Mitarbeiter ist der Beklagten auch gemäß § 31 BGB zuzurechnen. Hierbei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob konkret der Vorstand im aktienrechtlichen Sinne oder ein Mitglied des Vorstands in Kenntnis der Umstände entschieden hat, die Abschalteinrichtung solle verwendet werden. § 31 BGB sieht eine Zurechnung auch vor, wenn das Verhalten eines anderen verfassungsmäßig berufenen Vertreters in Rede steht. Dies trifft auf Mitarbeiter zu, denen bedeutsame, wesensmäßige Funktionen des Unternehmens zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, die also das Unternehmen auf diese Weise repräsentieren (BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 33, juris). Es lässt sich hier zwar nicht feststellen, wer konkret auf Seiten der Beklagten gehandelt hat. Hierzu hat der Kläger nicht näher vorgetragen. Dies ist jedoch unschädlich, denn bei der hier gegebenen Sachlage trifft den Hersteller des Fahrzeugs, der anders als der Kläger Einblick in die maßgeblichen Entscheidungsprozesse hat, eine sekundäre Darlegungslast (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 37ff, juris). Die Beklagte hat indes diesbezüglich nichts zu ihrer Entlastung vorgetragen. Wie bereits oben dargelegt worden ist, kann ausgeschlossen werden, dass ein nachgeordneter, nicht in den Anwendungsbereich des § 31 BGB fallender Mitarbeiter der Beklagten entschieden hat, die Abschalteinrichtung solle eingesetzt werden.

c) Der nach § 826 BGB erforderliche Schaden des Klägers ist in dem Abschluss des Kaufvertrages vom 11.12.2017 über das streitgegenständliche Fahrzeug zu erblicken (vgl. BGH, Urteil vom 25 5. 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 44, juris). Der Vertragsschluss beruht hierbei auf der Unkenntnis von dem Vorhandensein der Abschalteinrichtung. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist auszuschließen, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann (BGH, Urteil vom 25 5. 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 49, juris). So ist es hier. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ist das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Kaufvertrags mit einer gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.07.2007 unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet gewesen, so dass nicht ausgeschlossen war, dass die Zulassungsbehörde Maßnahmen nach § 5 Abs. 1 FZV ergreifen würde. Der Rückruf und die Entwicklung des Software-Updates - dieses wurde bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug erst am 31.07.2019 aufgespielt - erfolgten erst später. Ob eine Behebung des Mangels möglich gewesen ist, hat damit aus Sicht eines objektiven Dritten zum Zeitpunkt des Kaufvertrags noch nicht festgestanden.

d) Der Eintritt des Schadens war ebenfalls von dem - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, gemäß § 31 BGB der Beklagten zuzurechnenden - Vorsatz der konkret handelnden Personen umfasst. Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass den zuständigen Organen oder verfassungsgemäßen Vertretern eines Fahrzeugherstellers bewusst ist, dass niemand in Kenntnis des Risikos einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung der betroffenen Fahrzeuge (ohne einen erheblichen, dies berücksichtigenden Abschlag vom Kaufpreis) ein damit belastetes Fahrzeug erwerben würde (BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 63, juris).

e) Der nach alledem gemäß §§ 826, 31 BGB bestehende Schadensersatzanspruch ist auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne den Eintritt des schädigenden Ereignisses stünde.

In Fällen der streitgegenständlichen Art bedeutet dies, dass der Kaufpreis Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs zurückzuerstatten ist (OLG Koblenz, Urteil vom 05.06.2020 - 8 U 1803/19 -, Rn. 88 f, juris). Entgegen der Auffassung der Beklagten ändert der Umstand, dass das streitgegenständliche Fahrzeug zur Sicherheit an das finanzierende Kreditinstitut abgetreten worden ist, hieran nichts. Die Sicherungsabtretung hat keinen Einfluss darauf, wer Partei des rückabzuwickelnden Kaufvertrags ist. Der Kläger ist somit aktivlegitimiert, ohne dass es darauf ankommt, welche Wirkung ihm von dem finanzierenden Kreditinstitut unter dem 26.05.2020 erteilte Vollmacht (Anlage K 10, Blatt 12/II) entfaltet.

Ist - wie hier - der Fahrzeugkauf kreditfinanziert, umfasst der Schadensersatzanspruch nach §§ 826, 31 BGB neben der Zurückerstattung des gezahlten Kaufpreises - entgegen der Auffassung der Beklagten - grundsätzlich auch die Finanzierungskosten (OLG Köln, Urteil vom 06.02.2020 - 3 U 121/19 -, Rn. 61, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04.03.2020 - 4 U 58/19 -, Rn. 56, juris; OLG München, Urteil vom 15. Juli 2020 - 20 U 4658/19 -, Rn. 35, juris). Von etwaig noch bestehenden Verbindlichkeiten gegenüber seinem Kreditgeber ist der Anspruchsteller freizustellen, und zwar Zug um Zug gegen Übergabe des betroffenen Fahrzeugs und Übertragung des dem jeweiligen Kläger gegenüber dem finanzierenden Kreditinstitut zustehenden Anwartschaftsrechts (OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.11.2019 - 17 U 146/19 -, Rn. 66, juris).

Hier ist weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger hinsichtlich des streitgegenständlichen Kaufvertrags zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Im Falle einer Erstattung des in dem Brutto-Kaufpreis enthaltenen Mehrwertsteueranteils durch die Finanzbehörde entsteht in dieser Höhe allerdings kein Schaden, so dass bei der Berechnung der Anspruchshöhe lediglich der Nettokaufpreis Berücksichtigung findet (OLG Stuttgart, Urteil vom 19.02.2020 - 4 U 149/19 -, Rn. 76, juris).

Auf der Rechtsfolgenseite sind außerdem die gezogenen Nutzungen anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Kaufpreiserstattungsanspruch des Klägers unabhängig von der Rechtsgrundlage im Wege der Vorteilsanrechnung um die vom Kläger gezogenen Nutzungsvorteile zu reduzieren (BGH, Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 354/19 -, Rn. 11, juris). Dies gilt auch für kreditfinanzierte Kaufverträge (OLG München, Urteil vom 15.07.2020 - 20 U 4658/19 -, Rn. 35, juris), wobei die Finanzierungskosten neben dem Kaufpreis keine Berücksichtigung finden (OLG Köln, Urteil vom 06.02.2020 - 3 U 121/19 -, Rn. 61, juris). Der Senat schließt sich auch dieser Rechtsprechung an.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind die gezogenen Nutzungen gemäß § 287 Abs. 1 ZPO nach der - vom BGH nicht beanstandeten (Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 354/19 -, Rn. 12f, juris) - Formel "Kaufpreis ./. im Erwerbszeitpunkt zu erwartende Gesamtlaufleistung x Laufleistung seit dem Erwerb" zu berechnen. Der Vortrag der Beklagten, es habe eine stufenweise degressive Abschreibung zu erfolgen, rechtfertigt nicht, hiervon abzuweichen. Eine Schätzung nach § 287 ZPO dient der pragmatischen Beendigung eines Rechtsstreits. Eine umständliche Berechnung, die letztlich lediglich eine Scheingenauigkeit erzeugt, ist insoweit fehl am Platz.

Bei Fahrzeugen der streitgegenständlichen Art ist eine Gesamtlaufleistung von 300.000 km zu erwarten (in demselben Sinne hinsichtlich eines Pkw2: OLG Koblenz, Urteil vom 25.06.2020 - 1 U 1719/19 -, Rn. 92, juris; im Hinblick auf einen Pkw3: OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 - 5 U 1318/18 -, Rn. 109, juris; bezüglich eines Pkw4: OLG Schleswig, Urteil vom 22.11.2019, Az.: 17 U 44/19, Rn. 68, juris; hinsichtlich eines Pkw5: OLG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2019 - 10 U 11/19 -, Rn. 82, juris; im Hinblick auf einen Pkw6: KG, Urteil vom 26.09.2019 - 4 U 77/18 -, Rn. 151, juris). Diesen Wert, von dem der Senat auch in seinen Entscheidungen in Parallelfällen ausgeht, hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 25.05.2020 - Az.: VI ZR 252/19 - unbeanstandet gelassen (Rn. 83, juris). Wieso hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Fahrzeugs, das ausweislich des Kaufpreises und der Motorisierung sogar höherwertig ist als die soeben genannten Fahrzeugtypen, eine geringere Laufleistung maßgeblich sein sollte, wie die Beklagte meint, erschließt sich dem Senat nicht.

Auf Grundlage dieser rechtlichen Vorgaben ergibt sich hier folgendes:

Der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug zu einem Brutto-Kaufpreis von 52.485,00 € (entspricht 44.105,04 € netto) erworben. Er hat eine Anzahlung von 6.500,00 € brutto geleistet. Den Restbetrag hat er über ein Darlehen finanziert, dass er bei der DD AG aufgenommen hat. Insoweit hat er im Januar 2018 eine Darlehensrate von 555,97 € und in der Zeit von Februar 2018 bis November 2020 monatliche Raten von jeweils brutto 600,00 €, mithin 20.400,00 € gezahlt. Die insgesamt von ihm gezahlten Beträge belaufen sich demnach auf 27.455,97 €.

Die Beklagte hat zwar bestritten, dass der Kläger entsprechende Zahlung vorgenommen hat. Der Senat ist jedoch von der Richtigkeit des Vortrags des Klägers überzeugt. Der Kläger hat seine Zahlungsverpflichtungen hinreichend belegt. Er hat den Kaufvertrag vom 11.12.2017 sowie den Darlehensvertrag vom 09.12.2017 (Anlage K 1, Blatt 19/I) vorgelegt. Aus dem Darlehensvertrag ergibt sich insbesondere, dass eine Anzahlung in Höhe von 6.500,00 € erfolgt ist. Auch die Ratenzahlungsverpflichtungen - 555,97 € für Januar 2018, jeweils 600,00 € für die nachfolgenden 46 Monate sowie eine Schlussrate von 22.543,40 € - ergeben sich aus diesem Vertrag. Anhaltspunkte dafür, die Verkäuferin des streitgegenständlichen Fahrzeugs könnte die Anzahlung - und damit den vollständigen vereinbarten Kaufpreis - nicht erhalten haben, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Kläger einen Kontoauszug vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass er den vollständigen Kaufpreis an die Fahrzeugverkäuferin überwiesen hat (Blatt 87/II). Hinsichtlich der laufenden Ratenzahlungen hat der Kläger eine Erklärung seines Steuerberaters vorgelegt, in dem bestätigt wird, dass er seit dem Erwerb des Fahrzeuges im Dezember 2017 die monatlichen Darlehensraten in Höhe von 600,00 € bei der DD AG zu den monatlichen Fälligkeitsterminen geleistet habe (Anlage K 9, Blatt 11). Für die Monate Mai bis November 2020 hat er einen Kontoauszug zur Akte gereicht (Anlage zum Schriftsatz vom 08.12.2020 - Blatt 135/II), der die Zahlung der auf diesen Zeitraum entfallenden Raten dokumentiert.

Die Beklagte ist dem nicht weiter entgegengetreten. Sie mag demnach den diesbezüglichen Vortrag des Klägers der Form nach bestreiten. Die Echtheit der von dem Kläger zur Akte gereichten Belege nimmt sie jedoch nicht in Abrede. Zur Überzeugung des Senats steht deshalb fest, dass entsprechende Zahlungen erfolgt sind.

Wie bereits dargelegt, belaufen die Bruttozahlungen des Klägers hinsichtlich des Fahrzeugerwerbs sich auf 27.455,97 €. Rechnet man die Mehrwertsteuer von 19 % heraus, ergibt sich ein zu erstattender Nettobetrag von 23.072,24 €. Hiervon sind die gezogenen Nutzungen abzuziehen. Insoweit ist unstreitig, dass zum Zeitpunkt des Kaufvertrags das streitgegenständliche Fahrzeug eine Laufleistung von 12.360 km hatte. Die zu erwartende Gesamtlaufleistung bei Übergabe belief sich demnach auf 287.640 km. Zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung hat das Fahrzeug eine Laufleistung von 69.664 km aufgewiesen. In der Besitzzeit des Klägers hatte es somit eine Laufleistung von 57.304 km. Setzt man dies zu der im Kaufzeitpunkt zu erwarten Gesamtlaufleistung (287.640 km) ins Verhältnis und multipliziert das Ergebnis mit dem Nettokaufpreis (44.105,04 €), so ergibt sich ein hinsichtlich der gezogenen Nutzungen zu berücksichtigender Betrag von 8.786,66 €. Setzt man diesen Betrag von dem zu erstattenden Betrag (23.072,24 €) ab, verbleibt ein nunmehr noch von der Beklagten zu erstattenden Betrag von 14.285,58 €.

Hieraus ergibt sich zugleich, dass die Klage unbegründet ist, soweit der Kläger die Zahlung eines über 14.285,58 € hinausgehenden Betrages fordert, sodass sie insoweit teilweise abzuweisen ist.

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, hat die Beklagte den Kläger außerdem von den künftigen Darlehensraten gegenüber der DD AG freizustellen. Insoweit ist die Klage nicht beziffert. Durch die hier gebotene Auslegung des Klageantrags kann allerdings zweifelsfrei ermittelt werden, welche Beträge der Kläger insoweit geltend macht. Dies geht insbesondere aus der Angaben zum Streitwert in dem Antrag zu Ziff. 1) in der Klageschrift hervor. Im Übrigen hatte der Kläger 46 Raten zu je 600,00 € (brutto) zu zahlen. 34 Raten hat er bereits gezahlt und die Teilbeträge zum Gegenstand seines Zahlungsantrags gemacht. Der Freistellungsantrag betrifft demnach die zwölf noch ausstehenden Raten, beginnend mit Dezember 2020, sowie die Schlussrate von netto 18.969,24 €, die nach dem Darlehensvertrag in dem Monat nach der letzten einfachen Rate, hier also im Dezember 2021 fällig wird.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den zu erstattenden Betrag seit dem 23.10.2019 gemäß §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Beklagte ist in Verzug geraten, nachdem die in dem anwaltlichen Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 17.10.2019 (Anlage K 7, Blatt 39/I) auf den 22.10.2019 gesetzte Leistungsfrist abgelaufen war.

Dass für die Zeit des Verzugs die Geldschuld zu verzinsen ist, ergibt sich aus § 288 Abs. 1 S. 1 BGB. In entsprechender Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB beginnt der Zinslauf mit dem Tag, der auf dem Beginn des Verzugs folgt, hier also mit dem 23.10.2019. Der Zinssatz trägt für das Jahr 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 S. 2 BGB).

Soweit der Kläger die Zahlung eines 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz übersteigenden Zinssatzes verlangt, ist die Klage unbegründet und unterliegt der teilweisen Abweisung. Entgegen der Auffassung des Klägers findet hier § 288 Abs. 2 BGB keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift beträgt der Zinssatz bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, für Entgeltforderungen 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Hier steht dem Kläger gegen die Beklagte eine Schadensersatzforderung aus §§ 826,31 BGB zu. Schadensersatzforderungen sind allerdings keine Entgeltforderungen im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB (Palandt/Grüneberg, 80. Aufl., § 288 BGB, Rn. 8 i. V. m. § 286 BGB, Rn. 27).

3. Die Beklagte ist gemäß §§ 826, 31 BGB verpflichtet, dem Kläger von den vorgerichtlichen Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.434,20 € freizustellen.

Wie oben dargelegt worden ist, besteht dem Grunde nach eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger. Diese umfasst auch die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts war hier notwendig, denn es ist nicht ersichtlich, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers gegenüber der Beklagten legitimiert haben, nämlich am 17.10.2019, bereits bekannt gewesen wäre, dass diese weder zu einer freiwilligen Schadensersatzleistung noch zur Aufnahme von Vergleichsverhandlungen bereit gewesen wäre.

Maßgeblich für die Höhe der zu erstattenden Gebühren ist die zum damaligen Zeitpunkt berechtigte Forderungen. Diese belief sich ausweislich der Klage, die dem Forderungsschreiben vom 17.10.2019 als Entwurf beigefügt war, auf 43.752,63 €. Schon zum damaligen Zeitpunkt hat der Kläger bei der Berechnung seiner Forderung zutreffend berücksichtigt, dass infolge seiner Vorsteuerabzugsberechtigung jeweils die Mehrwertsteuer aus den Beträgen herauszurechnen ist (s. o.) und dass er sich die gezogenen Nutzungen entgegenhalten lassen muss.

Dass er auch dort unzutreffend von einer Gesamtlaufleistung von mindestens 400.000 km ausgegangen ist (Seite 16 der Klage), wirkt sich nicht so deutlich aus, dass zum damaligen Zeitpunkt der Gebührensprung von 40.000,00 € unterschritten worden wäre.

Bei Zugrundelegung des somit maßgeblichen Gebührenschritts bis 45.000,00 € ergibt sich bei Berücksichtigung einer 1,3-Geschäftsgebühr und der Auslagenpauschale der geltend gemachte Betrag von 1.434,20 €.

4. Es ist nicht festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet.

Der diesbezügliche Antrag des Klägers ist zwar zulässig. Insbesondere ergibt sich das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse aus §§ 756 Abs. 1, 765 Nr. 1 ZPO.

Er ist jedoch unbegründet, denn die Voraussetzungen der §§ 293ff BGB liegen nicht vor.

Der Gläubiger kommt gemäß § 293 BGB in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Ein Rückgabeangebot in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn es an die Erfüllung einer überhöhten Forderung geknüpft ist (BGH, Urteil vom 20.07.2005 - VIII ZR 275/04 -, Rn. 30, juris). So ist es hier. Der Kläger mag zwar ein Rückgabeangebot unterbreitet haben, indem er in seinem vorgerichtlichen anwaltlichen Forderungsschreiben (Anlage K 7, Blatt 39/II) mitgeteilt hat, das Fahrzeug werde zur Herausgabe angeboten. Die zu diesem Zeitpunkt geltend gemachte Forderung war allerdings schon deshalb zu hoch, weil der Kläger der Berechnung der gezogenen Nutzungen die - übersetzte - Gesamtlaufleistung von 400.000 km zugrundegelegt hat.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Dass der Kläger in der ersten Instanz noch einen Anspruch auf Zahlung von Deliktszinsen (§ 849 BGB) geltend gemacht hat, wirkt sich bei der Kostenentscheidung nicht zu seinen Lasten aus, denn es handelt sich hierbei um eine kostenneutrale Nebenforderung (vgl. BGH, Beschluss vom 07.12.2020 - VI ZR 226/20).

6. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihren Rechtsgrund in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

7. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen nicht vor. Die Voraussetzungen, unter denen der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Kraftfahrzeugs einen Anspruch gegen den Fahrzeughersteller auf Rückabwicklung des Kaufvertrags hat, sind höchstrichterlich hinreichend geklärt.