Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 26.02.2016, Az.: 1 Ws 5/16

Auslandstaten als Anlass zum Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung; Erschütterung der bei der Strafaussetzung angenommenen günstigen Legalprognose; Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen; Offensichtlichkeit des fehlenden Verschuldens des Verurteilten an der Fristversäumung; Widerruf der Bewährung nach Begehung einer Straftat im Ausland

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
26.02.2016
Aktenzeichen
1 Ws 5/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 14851
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2016:0226.1WS5.16.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 25.09.2015

Fundstellen

  • StRR 2016, 3
  • ZAP EN-Nr. 381/2016
  • ZAP 2016, 517

Amtlicher Leitsatz

Auch Auslandstaten können Anlass zum Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung geben.

Tenor:

Dem Verurteilten wird von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig vom 25. September 2015 gewährt.

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig vom 25. September 2015 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe

Dem Verurteilten war von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu gewähren.

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

I.

Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Braunschweig vom 22. März 2006 (1 KLs 60/05), das seit demselben Tag rechtskräftig ist, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten belegt.

Mit Beschluss der kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig vom 13. September 2007, der seit dem 27. September 2007 rechtskräftig ist, wurde die Vollstreckung des Restes der nach Verbüßung von zwei Dritteln noch nicht vollstreckten Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 23. März 2006 zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Der Verurteilte wurde am 29. Oktober 2007 aus der Strafhaft entlassen.

Am 05. August 2008 wurde er dann auf dem Flughafen Guayaquil/Ecuador festgenommen. Ihm wurde vorgeworfen, in seinem Fluggepäck circa 20,5 kg Kokain transportiert zu haben. Seit dieser Zeit befindet der Verurteilte sich in Ecuador in Haft.

Der Verurteilte hat den Tatvorwurf bestritten und behauptet, bei dem Koffer, in dem das Kokain aufgefunden worden sei, habe es sich nicht um seinen Koffer gehandelt. Die Koffer seien ausgetauscht worden.

Mit Urteil des Dritten Strafgerichts von Guayas vom 04. August 2009 wurden gegen ihn, weil er als Täter der im Artikel 62 des Gesetzes über Suchtstoffe und Psychotrope Substanzen geregelten und bestraften Straftat gehandelt habe, eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren und einer Geldstrafe verhängt. Nach den Urteilsfeststellungen soll er am 05. August 2008 versucht haben, drei mit Kokain gefüllte Plastikbeutel in einem Koffer auf dem Luftwege außer Landes zu bringen. Das Urteil wurde dem Ersten Senat für Straf- und Verkehrsrecht des Provinzialgerichts von Guayas vorgelegt. Dieser hat am 15. Juni 2010 das Urteil des Dritten Strafgerichts von Guayas vom 04. August 2009 vollständig bestätigt.

Mit Schreiben vom 07. Juni 2011 hatte die Strafvollstreckungskammer den Verurteilten erstmals schriftlich zu dem von der Kammer beabsichtigten Widerruf der mit Beschluss vom 13. September 2007 bewilligten Strafrestaussetzung zur Bewährung angehört. Hierauf hatte der Verurteilte zunächst mit undatiertem Schreiben mitgeteilt, dass er gegen das Urteil des Dritten Strafgerichts von Guayas vom 04. August 2009 Berufung und gegen die Höhe der verhängten Strafe Revision eingelegt habe. Er hatte deshalb darum gebeten, vor einem Widerruf der Strafrestaussetzung den Ausgang der Rechtsmittel abzuwarten. Mit einem weiteren Schreiben, in dem er auf die schriftliche Anhörung der Strafvollstreckungskammer Bezug nahm, hatte der Verurteilte außerdem mitgeteilt, dass er das Anhörungsschreiben am 02. August 2011 erhalten habe und "Berufung dagegen" einlegen werde, da seine Gerichtssache noch nicht beendet sei. Die "richtige Berufung" werde er im August 2011 verfassen.

Mit Beschluss vom 08. November 2011 hatte die kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig, die aufgrund einer Rechtskraftbescheinigung des Straf- und Verkehrsgerichts der Provinz Guayas vom 28. Juni 2010 davon ausgegangen war, dass das Urteil des Dritten Strafgerichts von Guayas rechtskräftig sei, die Aussetzung der Vollstreckung der noch nicht verbüßten Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 22. März 2006 zur Bewährung widerrufen. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Verurteilten hatte der Senat den angefochtenen Beschluss durch Entscheidung vom 07. Mai 2012 (Az.: Ws 33/12) aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Braunschweig zurückverwiesen, da über die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Dritten Strafgerichts von Guayas vom 04. August 2009 nach Mitteilung der Konsularabteilung der Deutschen Botschaft in Quito vom 30. März 2012 tatsächlich noch nicht entschieden worden war.

Am 25. Februar 2013 hat der Corte National de Justicia die Revision des Verurteilten dann als unzulässig verworfen. Die Ausgangsentscheidung ist damit - jedenfalls hinsichtlich des Strafvorwurfes - rechtskräftig (vgl. Bd. II Bl. 94 ff. d. BewH).

Nach einer Reform des Betäubungsmittelstrafrechts in Ecuador am 10. August 2014 wurde die gegen den Verurteilten mit Urteil des Dritten Strafgerichts von Guayas vom 04. August 2009 verhängte Freiheitsstrafe durch Entscheidung des Unidad Judical Penal Sur Guayaquil De Guayas vom 20. Mai 2015 auf 13 Jahre reduziert (vgl. Bd. II Bl. 117 ff. d. BewH). Hiergegen hat der Verurteilte einen Antrag auf Überstellung nach dem Straßburger Abkommen gestellt, über den das Justizministerium noch nicht entschieden hat.

Bereits mit Verfügung vom 06. Februar 2015 hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig abermals den Widerruf der mit Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 13. September 2007 gewährten Strafaussetzung beantragt. Über diesen Widerrufsantrag informierte die Strafvollstreckungskammer den Verurteilten mit Schreiben vom 12. Februar 2015, welches diesem am 07. April 2015 ausgehändigt wurde, aber nach Aktenlage ohne Reaktion blieb.

Mit Beschluss vom 25. September 2015, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, entsprach die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig dem Antrag der Staatsanwaltschaft und widerrief die mit Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 13. September 2007 erfolgte Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung aus dem Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 22. März 2006. Dieser Beschluss wurde dem Verurteilten gemeinsam mit einer Rechtsmittelbelehrung am 29. Oktober 2015 in Ecuador zugestellt (Bd. II Bl. 122 d. BewH).

Hiergegen legte der Verurteilte mit Schreiben vom 02. November 2015, welches am 21. Dezember 2015 beim Landgericht einging und auf das inhaltlich verwiesen wird, Beschwerde ein.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt wie erkannt.

II.

Die - nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

1. Das gemäß § 453 Abs. 2 S. 2 StPO statthafte Rechtsmittel des Verurteilten (nachfolgend auch Beschwerdeführer) ist zulässig. Es ist zwar nicht innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO beim Landgericht Braunschweig eingegangen. Ausweislich des bei der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses ist ihm der angefochtene Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 25. September 2015 am 29. Oktober 2015 übergeben worden, was er auch nochmals in seinem Beschwerdeschreiben vom 02. November 2015 bestätigt hat. Seine hiergegen gerichtete Beschwerde lag dem Landgericht Braunschweig erst am 21. Dezember 2015 und damit weit nach Ablauf der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO vor. Auch hat der Verurteilte nicht ausdrücklich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zudem nicht glaubhaft gemacht, warum er an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels gehindert war. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall nicht erforderlich.

Ihm war vielmehr gemäß §§ 44 S. 1, 45 Abs. 2 S. 3 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 25. September 2015 zu gewähren.

Die von Amts wegen gewährte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass das fehlende Verschulden des Betroffenen an der Fristversäumung (vgl. § 44 S. 1 StPO) offensichtlich und eine Glaubhaftmachung (vgl. § 45 Abs. 2 S. 1 StPO) wegen Offenkundigkeit oder Aktenkundigkeit überflüssig ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 19.01.2012 - III-3 Ws 9/12, 3 Ws 9/12 - zitiert nach , Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 45, Rn. 12). Darüber hinaus ist gemäß § 45 Abs. 2 S. 2 StPO erforderlich, dass die versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt wird.

Dieses Erfordernis ist durch den Eingang des Rechtsmittels beim Landgericht Braunschweig am 21. Dezember 2015 bereits erfüllt.

Das fehlende Verschulden des Verurteilten an der Fristversäumung ist nach Auffassung des Senats offensichtlich. Den Akten ist zu entnehmen, dass der Schriftverkehr mit dem Verurteilten über die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Quito geführt wird und nicht etwa direkt über die Anstalt, in der er die Strafhaft verbüßt. So hat das Landgericht den angefochtenen Beschluss auch an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Quito übersandt.

Der Beschluss wurde ausweislich des Absendevermerks Bl. 113 des Bewährungsheftes am 06. Oktober 2015 abgesandt und erreichte den Verurteilten erst circa 3 1/2 Wochen danach. Die Zustelldauer für den ersten Widerrufsbeschluss vom 08. November 2011 hatte sogar etwa 5 1/2 Wochen betragen. Entsprechende Zeiträume sind offensichtlich mindestens zugrunde zu legen, wenn die Post durch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Quito weitergeleitet wird. Bestätigt wird dies durch die Mitteilung der Konsularabteilung der Deutschen Botschaft Quito vom 30. März 2012, wonach der Verurteilte nur einmal im Monat besucht werden kann. Infolgedessen ist es offensichtlich, dass der Verurteilte bei dieser Art der Rechtsmittelübersendung, die er auch aufgrund des Senatsbeschlusses vom 07. Mai 2012 für ausreichend halten durfte, unverschuldet an der Einhaltung der Wochenfrist gehindert war.

2. Gemäß § 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 57 Abs. 5 S. 1 StGB widerruft das Gericht die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass sich die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, nicht erfüllt hat. Die Erwartung ist dabei durch jede neue Tat von nicht unerheblichem Gewicht in Frage gestellt (vgl. Fischer, StGB, 62. Auflage 2015, § 56 f, Rn. 8). Grundsätzlich müssen die frühere Tat und das neue Delikt noch nicht einmal einen kriminologischen Zusammenhang aufweisen oder nach Art und Schwere vergleichbar sein, weil die Strafaussetzung stets auf der Erwartung vollständiger Straffreiheit beruht (vgl. Hubrach in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Auflage, § 56f, Rn. 14). Daher ist jede Tat geeignet, den Widerruf zu rechtfertigen, wenn sie von einigem Gewicht ist (vgl. KG, Beschluss vom 02. April 2001, 5 Ws 113/01, , Rn. 7; OLG Braunschweig, Beschluss vom 26. September 2011, 1 Ws 280/11, , Rn. 5).

a) Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Beschwerdeführer hat, wie im Urteil des Dritten Strafgerichts von Guayas vom 04. August 2009 rechtskräftig festgestellt worden ist, am 05. August 2008 und damit innerhalb der Bewährungszeit eine Straftat gemäß Artikel 62 des ecuadorianischen Gesetzes über Suchtstoffe und Psychotrope Substanzen begangen, wegen derer er zu einer erheblichen Freiheitsstrafe von 16 bzw. 13 Jahren verurteilt worden ist. Er ist damit nicht einmal 1 Jahr nach der Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 23. März 2006 erneut (einschlägig) straffällig geworden und hat damit deutlich gezeigt, dass sich die Erwartung, die der Strafaussetzung zur Grunde lag, nicht erfüllt hat.

b) Dass der Beschwerdeführer die vorgenannte Tat im Ausland begangen hat, steht der Widerrufsentscheidung nicht entgegen. Nach ganz überwiegender und vom Senat geteilter Ansicht können auch Auslandstaten Anlass zum Widerruf einer Strafaussetzung geben, weil auch sie die bei der Strafaussetzung angenommene günstige Legalprognose zu erschüttern vermögen (vgl. OLG Köln MDR 1972, 437, 438; KG NStZ 2015, 165 [KG Berlin 23.05.2014 - 2 Ws 198/14 - 141 AR 259/14] m.z.w.N).

c) Die schuldhafte Begehung der neuen Tat steht zur Überzeugung des Senates auch fest.

Zwar ist das widerrufende Gericht - und damit auch der Senat als Beschwerdeinstanz - an die rechtskräftige Anlassentscheidung des Dritten Strafgerichts von Guayas vom 04. August 2009 nicht gebunden (vgl. OLG Düsseldorf StV 1996, 45; KG NStZ-RR 2001, 136 [KG Berlin 01.03.2000 - 5 Ws 58/00], NStZ 2015, 165 [KG Berlin 23.05.2014 - 2 Ws 198/14 - 141 AR 259/14][KG Berlin 23.05.2014 - 2 Ws 198/14 - 141 AR 259/14] m.w.N.).

Jedenfalls auf inländische rechtskräftige Urteile darf sich das Widerrufsgericht aber stützen und dadurch die Überzeugung von Art und Ausmaß der Schuld des Täters gewinnen (vgl. OLG Zweibrücken StV 1991, 270; KG NStZ-RR 2005, 94 [KG Berlin 01.12.2004 - 5 Ws 561/04; 1 AR 1135/04], NStZ 2015, 165 [KG Berlin 23.05.2014 - 2 Ws 198/14 - 141 AR 259/14][KG Berlin 23.05.2014 - 2 Ws 198/14 - 141 AR 259/14] m.w.N.). Denn eine rechtskräftige Verurteilung wegen der Anlasstat, der eine Hauptverhandlung mit durchgeführter Beweisaufnahme vorausgegangen ist, verschafft dem Widerrufsgericht in der Regel einen so hohen Grad an Verlässlichkeit, dass es seine Überzeugung ohne weiteres allein auf diese Verurteilung zu stützen vermag (vgl. KG NStZ-RR 2009, 61 [KG Berlin 11.01.2008 - 2 Ws 772/07], NStZ 2015, 165 [KG Berlin 23.05.2014 - 2 Ws 198/14 - 141 AR 259/14][KG Berlin 23.05.2014 - 2 Ws 198/14 - 141 AR 259/14]). Die neue Tat muss im Widerrufsverfahren grundsätzlich nicht noch einmal aufgeklärt und bewiesen werden (KG NStZ 2015, 165 [KG Berlin 23.05.2014 - 2 Ws 198/14 - 141 AR 259/14]. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Gründe des Urteils den Schuldspruch nicht tragen (vgl. OLG Düsseldorf StV 1996, 45; VRS 95, 253; KG NStZ 2015, 165), dem Widerrufsgericht aufgrund anderer Beweismittel die Unschuld des Verurteilten bekannt ist oder es die Rechtsauffassung des Tatrichters nicht teilt (vgl. KG NStZ-RR 2001, 136 [KG Berlin 01.03.2000 - 5 Ws 58/00]).

Diese Grundsätze gelten in der Regel auch für ausländische Urteile, soweit diese auf einem rechtsstaatlichen Verfahren beruhen, in dem die maßgeblichen Feststellungen auf fundierter und nachvollziehbarer Tatsachengrundlage durch ein unabhängiges Gericht unter Wahrung der Rechte des Angeklagten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, insbesondere aus deren Artikel 6 getroffen worden sind (KG NStZ 2015, 165 [KG Berlin 23.05.2014 - 2 Ws 198/14 - 141 AR 259/14]).

Die Einhaltung dieser Grundstandards wird aus dem Urteil des Dritten Strafgerichts von Guayas vom 04. August 2009 hinreichend deutlich. Der Verurteilte hat rechtliches Gehör gefunden; das Dritte Strafgericht von Guayas, der Erste Senat für Straf- und Verkehrsrecht des Provinzialgerichts von Guayas sowie der Corte National de Justicia haben sich mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer war verteidigt. Grundlage für das Urteil waren neben den Angaben des Beschwerdeführers die Bekundungen der Polizeiunteroffiziere D. N., D. U. und M. C., des Polizeiunterleutnants J. P. sowie des Sachverständigen G. M. Der Beschwerdeführer hatte schließlich auch die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil einzulegen.

Materiell-rechtlich ist die Entscheidung des Dritten Strafgerichts von Guayas ebenfalls ohne weiteres nachvollziehbar. Der festgestellte Sachverhalt wäre in Deutschland als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar.

3. Mildere Maßnahmen nach § 56 f Abs. 2 StGB kommen nicht in Betracht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Ursache des kriminellen Verhaltens des Verurteilten inzwischen entfallen ist und deshalb künftig keine weiteren Straftaten zu erwarten sind. Anhaltspunkte hierfür finden sich indes nicht. Der Beschwerdeführer war schon durch Urteil des Gerichtshofes Amsterdam vom 29. September 2003 wegen Handelns mit Betäubungsmitteln zu einer zwanzigmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, die auch vollstreckt worden ist. Bereits diese Hafterfahrung hat ihn nicht von der neuerlichen, einschlägigen Straftatbegehung im Juni 2005 abgehalten, wegen der durch das Landgericht Braunschweig am 22. März 2006 zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt wurde. Auch die der jüngsten Verurteilung durch das Dritte Strafgericht von Guayas vom 04. August 2009 zugrundeliegende Tat zeichnet sich durch eine enorme Rückfallgeschwindigkeit aus und entspricht in ihrer Begehungsweise den vorangegangenen Straftaten. Aufgrund dessen steht zu erwarten, dass eine Verlängerung der Bewährungszeit und/oder die Erteilung von zusätzlichen Auflagen oder Weisungen den Beschwerdeführer nicht zu einem straffreien Leben anhalten könnten.

4. Schließlich steht der Umstand, dass die Bewährungszeit bereits am 26. September 2010 geendet hat, dem Widerruf vorliegend nicht entgegen.

Ein Widerruf der Strafaussetzung ist auch nach Ablauf der Bewährungszeit noch möglich (vgl. OLG Zweibrücken NStZ 1988, 501 [OLG Zweibrücken 19.05.1988 - 1 Ws 245/88]; KG NStZ 2015, 165 [KG Berlin 23.05.2014 - 2 Ws 198/14 - 141 AR 259/14]). Eine Höchstfrist für den nachträglichen Widerruf sieht das Gesetz nicht vor; § 56 g Abs. 2 Satz 2 StGB ist insoweit nicht entsprechend anwendbar (vgl. OLG Hamm NStZ 1998, 478 [OLG Hamm 07.05.1998 - 2 Ws 167/98]; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 254 [OLG Düsseldorf 10.03.1997 - 1 Ws 169/97]; KG NStZ 2015, 165). Unzulässig wird ein Widerruf aus Gründen der Rechtssicherheit erst bei einer ungebührlichen Verzögerung im Widerrufsverfahren oder im Verfahren zur Feststellung der für die Widerrufsprüfung relevanten Straftat, sofern der Verurteilte darauf vertrauen durfte, dass sein Verhalten in der Bewährungszeit keine Konsequenzen mehr nach sich ziehen würde (vgl. u.a. BVerfG StraFo 2009, 377 [BVerfG 08.06.2009 - 2 BvR 847/09]; BGH NStZ 1993, 235). Dies ist hier nicht der Fall.

Schon angesichts des Gewichts der in der Bewährungszeit begangenen neuen Straftat konnte sich vorliegend ein Vertrauen des Beschwerdeführers auf den Bestand der Strafaussetzung nicht bilden. Hinzu kommt, dass die Strafvollstreckungskammer ihn bereits mit Schreiben vom 07. Juni 2011 darauf hingewiesen hat, dass sie im Hinblick auf die neuerliche Verurteilung durch das Dritte Strafgericht von Guayas, die erst im Jahre 2013 rechtskräftig wurde, einen Widerruf der Strafaussetzung prüfe. In der Folge beschloss das Landgericht Braunschweig erstmals 08. November 2011 den Bewährungswiderruf. Diese Entscheidung wurde dem Verurteilten ebenso bekannt gemacht wie der diese Entscheidung aufhebende Beschluss des Senates vom 07. Mai 2012. Diesem ließ sich außerdem entnehmen, dass die Sache zur erneuten Entscheidung über den Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft an das Landgericht zurückverwiesen wird und dass der Grund für die Aufhebung der Widerrufsentscheidung der noch nicht rechtskräftige Abschluss des Verfahrens in Ecuador war. Dem Beschwerdeführer war folglich bekannt, dass er vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in Ecuador - einen entsprechenden Nachweis hat die Strafvollstreckungskammer trotz intensiver Bemühungen erst im September 2015 erhalten - nicht auf das Unterbleiben des Bewährungswiderrufs vertrauen kann. Dem Beschwerdeschreiben des Verurteilten vom 02. November 2015 lässt sich entnehmen, dass er selbst jetzt noch glaubt, das Verfahren in Ecuador sei nicht rechtskräftig abgeschlossen und auf einen Freispruch hofft. Schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass seine Tat vom 05. August 2008 keine Konsequenzen nach sich ziehen werde, hat und konnte sich mithin nicht bilden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.