Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 09.02.2016, Az.: 1 VAs 7/15

Gewährung von Sozialleistungen durch die Vollzugsbehörde im Rahmen der einstweiligen Unterbringung gem. § 126a Strafprozessordnung (StPO); Voraussetzungen eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung; Kein Anspruch des vorläufig Untergebrachten auf Gewährung von Sozialleistungen durch die Vollzugseinrichtung

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
09.02.2016
Aktenzeichen
1 VAs 7/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 10818
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2016:0209.1VAS7.15.0A

Fundstelle

  • StRR 2016, 3

Amtlicher Leitsatz

Kein Anspruch auf die Gewährung von Sozialleistungen durch die Vollzugsbehörde im Rahmen der einstweiligen Unterbringung nach § 126 a StPO

Ein gemäß § 126 a StPO einstweilen Untergebrachter hat nach der gegenwärtigen Rechtslage gegenüber dem Vollzugsträger keinen Anspruch auf die Gewährung eines Taschengeldes oder die Übernahme der Kosten für seine Mietwohnung.

Tenor:

Der Antrag des Untergebrachten auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Maßregelvollzugszentrums Moringen vom 4. November 2015 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 21. Dezember 2015 wird abgelehnt.

Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist auf der Grundlage eines Unterbringungsbefehls vom 07. August 2015 (Bl. 7 d.A.) einstweilig gemäß § 126a StPO im Maßregelvollzugszentrum Moringen (MRVZN) untergebracht. Er hat am 13. August 2015 die Übernahme der nicht näher bezifferten Kosten seiner Mietwohnung sowie die Zahlung eines Barbetrages (§ 11 Nds. MVollzG) beantragt (Bl. 14 d.A.). Diesen Antrag hat das Maßregelvollzugszentrum Moringen mit Bescheid vom 27. Oktober 2015 abgelehnt (Bl. 15 d.A.). Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 04. November 2015, der am 16. November 2015 beim Oberlandesgericht Braunschweig eingegangen ist. Mit weiterem Schreiben vom 21. Dezember 2015 hat das MRVZN darüber hinaus die Bestellung eines Rechtsbeistandes für den Antragsteller sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ihn für das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung beantragt.

II.

Der am 16. November 2015 eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist als unzulässig abzulehnen, weil er nicht den Anforderungen des § 24 EGGVG genügt. Wie die Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig in ihrer Stellungnahme vom 07. Dezember 2015 zutreffend ausgeführt hat, gehört zur Zulässigkeit eines solchen Antrags eine aus sich heraus verständliche Sachdarstellung, aus der Art und Datum der angefochtenen Maßnahme hervorgeht und der Grund ersichtlich ist, aus dem sich der Antragsteller gegen sie wendet (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Auflage, Vor § 23 EGGVG Rn. 3). Für die behauptete Rechtsverletzung muss der Antragsteller Tatsachen anführen, die - träfen sie zu - die Rechtsverletzung ergeben (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 24 EGGVG Rn. 1). Diese Voraussetzungen erfüllt das am 16. November 2015 eingegangene Schreiben des Antragstellers vom 04. November 2015 schon deshalb nicht, weil aus ihm nicht schlüssig hervorgeht, ob er überhaupt bedürftig ist, was Voraussetzung für die Übernahme der Mietkosten und den Bezug von Taschengeld ist (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 07. Januar 2009 - 1 Ws 547/08, Rn. 4; OLG Braunschweig, Beschlüsse vom 23. Juli 2012 - 1 Ws 91/12 und vom 11. September 2015 - 1 VAs 4/15, unveröffentlicht).

Der Antragsteller kann die fehlenden Angaben auch nicht mehr nachholen, weil der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe gestellt, sondern innerhalb dieser Frist auch begründet werden muss (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 26 Rn. 3; Mayer in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Auflage 2013, § 26 EGGVG Rn. 17 jeweils m.w.N.). Da der vom Antragsteller angegriffene Bescheid diesem am 29. Oktober 2015 schriftlich bekanntgegeben wurde, ist die Frist am Montag den 30. November 2015 abgelaufen. Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.S.d. § 26 Abs. 2 EGGVG rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Darüber hinaus wäre der Antrag auch unbegründet. Dem Antragsteller steht gegen den Vollzugsträger kein auf die Gewährung von Sozialleistungen gerichteter Anspruch zu. Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 04. Januar 2016 Folgendes ausgeführt:

"Er kann die begehrten Sozialleistungen im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB AT nur aufgrund einer gesetzlichen Regelung geltend machen, die die Antragsgegnerin zur Leistung verpflichtet hätte (vgl. OLG Stuttgart, ZfStrVo 1994, 247 (248), sowie Keck, ZfStrVo 1990, 18 (19) bei Fußn. 22). § 31 SGB AT selbst enthält keine Anspruchsgrundlage, sondern schreibt vor, dass Sozialleistungen nur gewährt werden können, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht. Übertragen auf den vorliegenden Fall heißt dies, dass eine Vollzugsbehörde nicht berechtigt ist, einem einstweilig nach § 126a StPO Untergebrachten Taschengeld zu gewähren, wenn auf ein solches kein Rechtsanspruch besteht. Hierdurch wird abgesichert, dass keine Willkürentscheidungen getroffen werden und die Ansprüche haushaltsrechtlich abgesichert werden können. Die für die Gewährung von Geldleistungen erforderliche, in einem Gesetz geregelte Anspruchsgrundlage existiert jedoch nicht (vgl. hierzu die ausführliche Begründung im Beschluss des OLG Celle vom 18.03.1997, NStZ-RR 1998, 89 [OLG Celle 18.03.1997 - 1 VAs 18/96]; OLG Hamm, NStZ 1993, 608; BverwG DVBl 1994, 425 [BVerwG 12.10.1993 - BVerwG 5 C 38.92]).

Das Nds. MVollzG enthält keine rechtliche Grundlage, die es der Vollzugseinrichtung erlaubt, dem Antragsteller in seinem gegenwärtigen Status die von ihm beantragten Sozialleistungen zu gewähren. § 11 Nds. MVollzG sieht zwar die Gewährung von Taschengeld als Sozialleistung vor. Diese Norm gilt allerdings nur für die Personen, die von dem Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst sind. Nach § 1 Nds. MVollzG regelt das Gesetz den Vollzug der durch strafrichterliche Entscheidung angeordneten freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt (Unterbringung). Bei der Unterbringung nach § 126a StPO handelt es sich jedoch nicht um eine Maßregel der Besserung und Sicherung, sondern lediglich um eine Sicherungsmaßnahme, die dem Ziel dient, eine strafrichterliche Maßregelentscheidung in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren erst zu ermöglichen. Eine Verweisungsnorm, die die ergänzende Heranziehung des Maßregelvollzugsgesetzes in Niedersachsen auch für einstweilig Untergebrachte vorsieht, fehlt.

Auch § 138 StVollzG trifft keine Regelung zum Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach § 126 a StPO, sondern setzt die rechtskräftige Anordnung einer Maßregelunterbringung voraus und bestimmt insoweit, dass sich der Vollzug nach Landesrecht richtet, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. Ein Landesgesetz, welches über die StPO hinaus konkrete Regelungen zum Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach § 126 a StPO trifft, existiert in Niedersachsen bis heute nicht, sodass insoweit ausnahmslos die Regelungen der StPO gelten. Diese Regelungen befassen sich allerdings nur mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Gefangenen bzw. einstweilig Untergebrachten Beschränkungen auferlegt werden können. Einen Anspruch auf Sozialleistungen sieht die StPO für einstweilig nach § 126 a StPO Untergebrachte nicht vor. Die vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in seinem Beschluss vom 07.06.2006 - L 7 AS 423/05 ER (zitiert nach ) vor Geltung des NJVollzG auch für Untersuchungsgefangene angesprochene Lücke ist bezogen auf einstweilig nach § 126 a StPO Untergebrachte bis heute nicht geschlossen. In jener Entscheidung vertrat das Landessozialgericht die auf das Maßregelvollzugsgesetz übertragbare Auffassung, dass § 46 StVollzG nur für rechtskräftig verurteilte Gefangene, nicht jedoch für Untersuchungsgefangene gilt und der Untersuchungsgefangene keinen Anspruch darauf hat, dass diese im Strafvollzugsrecht gegenwärtig bestehende Lücke durch ein Tätigwerden des (Landes-)Gesetzgebers geschlossen wird. Es war deshalb der Meinung, dass der Untersuchungsgefangene, der in jenem Fall einen Antrag auf Gewährung eines Taschengeldes gestellt hat, sich an den Sozialleistungsträger nach dem SGB II zu wenden hat. Die Lücke ist für Untersuchungsgefangene durch § 43 NJVollzG zwischenzeitlich geschlossen worden, besteht mangels einer vergleichbaren Regelung für einstweilig nach § 126a StPO Untergebrachte aber weiterhin fort."

Dem tritt der Senat bei.

III.

Infolge der Unzulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung ist auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurückzuweisen (§ 29 Abs. 4 EGGVG i. V. m. §§ 114 ff. ZPO).

Die beantragte Beiordnung eines Rechtsbeistandes gemäß § 29 Abs. 4 EGGVG i.V.m. § 121 ZPO scheidet aus, weil sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe voraussetzt.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 1 Abs. 2 Nr. 19, § 22 GNotKG (i.V.m. Teil 1, Hauptabschnitt 5, Abschnitt 3, Nr. 15301 des Kostenverzeichnisses zum GNotKG).

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf billigem Ermessen (§ 36 Abs. 1 GNotKG).