Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 23.10.2017, Az.: 10 A 2005/17

Auslagen; Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung; Quarantäne; Tiergesundheitsrecht; Tierheim; Verwaltungshelfer

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
23.10.2017
Aktenzeichen
10 A 2005/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54063
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Kosten der Unterbringung von Hunden, die aufgrund der Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung in Quarantäne genommen werden, können nicht als Auslagen nach dem Verwaltungskostenrecht geltend gemacht werden. Sie sind mit der Gebühr für die Anordnung einer Quarantäne abgegolten.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2017 wird aufgehoben, soweit er Kosten für die Unterbringung von Hundewelpen festsetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem er verpflichtet wird, der Beklagten die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung von vier Hundewelpen zu erstatten.

Am 25. September 2016 gegen 22.55 Uhr wurde der Kläger an einer Tankstelle mit fünf Welpen angetroffen. Der Kläger gab an, er habe sie in A-Stadt gekauft, es seien Chichuahuas. Bei der Durchsuchung fanden Polizeibeamte einen polnischen Impfausweis für Hunde und Katzen mit polnischer und englischer Aufschrift, aus dem sich ergab, dass zwei Entwurmungen und eine Impfung stattgefunden hätten. Einen Bezug zu den Welpen wies der Ausweis nicht auf. Die nähere Überprüfung ergab, dass es sich um Welpen verschiedener Rassen handelte, die nicht gechippt waren. Die Beklagte stellte die Welpen mündlich sicher und brachte sie im Tierheim Langenhagen unter.

Mit - bestandskräftiger - Verfügung vom 29. September 2016 bestätigte die Beklagte die Sicherstellung der von dem Kläger eingeführten Welpen und ordnete die sofortige Vollziehung der Sicherstellung an. Am 4. November 2016 gab der Kläger die Welpen zur Verwertung frei. Am 1. Januar 2017 wurden die Welpen verwertet.

Mit Bescheid vom 3. Februar 2017 legte die Beklagte dem Kläger die Unterbringungskosten von vier Hundewelpen in der 50. bis 52. Kalenderwoche in Höhe von 1.680 €, die Kosten für vier Mikrochips in Höhe von 56 € sowie der darauf entfallenden Mehrwertsteuer in Höhe von 19 %, also insgesamt 2.065,84 €, auf.

Der Kläger hat am 3. März 2017 hiergegen Klage erhoben. Bei der Freigabe zur Verwertung am 4. November 2016 seien die Welpen bereits 13 Wochen alt gewesen und hätten nicht länger in Quarantäne gehalten werden müssen. Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach der Vollendung eines Lebensalters von 13 Wochen habe noch eine Quarantänezeit von 21 Tagen eingehalten werden müssen. Die Verwertung habe nicht sofort, sondern erst zum 1. Januar 2017 erfolgen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, also soweit sie sich gegen die Festsetzung der Auslagen der Unterbringung der Hundewelpen, nicht aber gegen die Anforderung der Auslagen für vier Mikrochips in Höhe von insgesamt 66,64 € (56 € nebst Mehrwertsteuer darauf in Höhe von 10,64 €), richtet. Nur insoweit ist der Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2017 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Der angefochtene Kostenbescheid lässt sich, wie die Beklagte mittlerweile selbst einräumt, nicht auf die im Bescheid genannte Bestimmung des § 29 Abs. 3 Nds. SOG stützen, da die Hundewelpen nicht aufgrund des § 29 Nds. SOG, sondern nach § 24 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen - Tiergesundheitsgesetz - vom 22. Mai 2013 (BGBl. I S. 1324), hier zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides in der Fassung vom 18. Juli 2016 (BGBl. I S. 1666), - TierGesG in Quarantäne genommen wurden. Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 TierGesG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachtes, eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße erforderlich sind. Sie kann nach § 24 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 TierGesG insbesondere ein lebendes Tier sicherstellen.

Nach § 16 des niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Tiergesundheitsgesetz in der Fassung vom 23. Oktober 2014 (Nds. GVBl. S. 276) - Nds. AGTierGesG - gilt für Kosten der Amtshandlungen bei der Ausführung des Tiergesundheitsgesetzes das Niedersächsische Verwaltungskostengesetz. Laut Eingangsformel ist die Gebührenordnung für die Verwaltung im Bereich des Verbraucherschutzes und des Veterinärwesens vom 29. November 2014 (Nds. GVBl. 2014, 318) - GOVV - aufgrund § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 5 Satz 2 sowie des § 13 Abs. 2, jeweils auch in Verbindung mit § 14 Abs. 2, des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes in der Fassung vom 25. April 2007 (Nds. GVBl. S. 172), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 31. Oktober 2013 (Nds. GVBl. S. 254), - NVwKostG - bzw. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 5 Satz 1, des § 4 Abs. 2 und des § 13 Abs. 2, jeweils auch in Verbindung mit § 14 Abs. 2 NVwKostG verordnet. § 1 Nr. 1 d GOVV sieht vor, dass für Amtshandlungen und Leistungen nach dem Tiergesundheitsrecht, hierzu gehören Maßnahmen nach dem Tiergesundheitsgesetz, Kosten (Gebühren und Auslagen) nach dem Kostentarif (Anlage) zu erheben sind. Die Anlage zum Kostentarif sieht in Abschnitt II.1.2.10 für eine Anordnung nach § 24 Abs. 3 TierGesG eine „Gebühr/Pauschbetrag“ von 50 bis 500 Euro vor.

Die Kosten der Unterbringung der Hundewelpen sind von dieser Gebühr abgedeckt und können nicht als Auslagen geltend gemacht werden. Das Tierheim hat als Verwaltungshelfer mit Wirkung für die Beklagte gehandelt (vgl. zum Folgenden OVG Greifswald, Urt. v. 30.1.2013 - 3 L 93/09 -, BeckRS 2013, 49504 zum Tierheim als „Fundbüro“). Der Verwaltungshelfer wird für die Behörde im Rahmen einer untergeordneten Tätigkeit auf Weisung der Behörde tätig; eine eigenständige Ausübung hoheitlicher Gewalt ist mit der Stellung als Verwaltungshelfer nicht verbunden, weshalb die Verwaltungshilfe auch keinem Gesetzesvorbehalt unterliegt. Da das Handeln des Verwaltungshelfers der Behörde zugerechnet wird, kann darin die Ausübung hoheitlicher Gewalt durch die Behörde liegen (vgl. BGH, Urt. v. 14.10.2004 - III ZR 169/04 -, NJW 2005, 286; Urt. v. 21.01.1993 - III ZR 189/91 -, NJW 1993, 1258; Urt. v. 21.03.1991 - II ZR 77/90 -, NJW 1991, 2954 [BGH 21.03.1991 - III ZR 77/90]; jew. zur Amtshaftung). Die Behörde als originär zuständiger Aufgabenträger trägt grundsätzlich auch die rechtliche Verantwortung für die Tätigkeit des Verwaltungshelfers (BayVGH, Urt. v. 28.4.2008 - 9 BV 04.2401 -, juris; Urt. v. 1.6.2017 - 20 B 16.2241 -, BeckRS 2017, 119882).

So liegt der Fall hier. Das Tierheim Langenhagen nahm die Aufgabe „Quarantänestation“ im Sinne von § 20 Satz 1 Nr. 1a der - aufgrund § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierGesG erlassenen - Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. April 2005 (BGBl. I S. 997), für den streitgegenständlichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Mai 2016 (BGBl. I S. 1057) - BMTierSSchV, wahr (vgl. zum Folgenden auch BayVGH, Urt. v. 1.6.2017, a.a.O.). Die Verordnung regelt das innergemeinschaftliche Verbringen sowie die Einfuhr von Hunden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BMTierSSchV). Nach § 20 Satz 1 Nr. 1a TierSSchV ordnet die zuständige Behörde die Quarantäne in einer Quarantänestation an, wenn sie bei der Überwachung des innergemeinschaftlichen Verbringens bei Tieren Tatsachen feststellt, die auf die Gefahr einer Seuchenverbreitung schließen lassen. Der Verhinderung einer Seuchenverbreitung dient, dass die Beklagte zur Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 RL 92/65/EWG, Art. 5 VO (EG) Nr. 998/2003 und der Entscheidung 2005/91/EG nach § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anlage 3 Nr. 7.1, § 18 i.V.m. Anlage 3 Nr. 7, § 20 Nr. 1 BmTierSSchV eine Unterbringung der Welpen in Quarantäne anordnen kann (vgl. VG München, Urt. v. 26.6.2013 - M 18 K 12.5316 -, BeckRS 2013, 59693).

Bei den von der Beklagten geltend gemachten Unterbringungskosten kann es sich damit nicht um Auslagen im Sinne des § 13 NVwKostG handeln. Zwar sind danach die Kosten für die Verwahrung von Sachen regelmäßig nicht in die Verwaltungsgebühr einbezogen und damit „auslagenfähig“ (zum Folgenden vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 30.1.2013, a.a.O.; im Ergebnis ebenso BayVGH, Urt. v. 1.6.2017, a.a.O.). Um Auslagen handelt es sich jedoch nur, soweit besondere, durch die jeweilige konkrete Amtshandlung entstandene Verwaltungskosten in Rede stehen, die aus den allgemeinen Verwaltungskosten ausgesondert werden können. Mit diesem Erfordernis der Aussonderungsfähigkeit soll u. a. gesagt sein, dass Verwaltungskosten, die in gleicher Höhe auch ohne die den maßgeblichen Gebührentatbestand erfüllende Amtshandlung angefallen wären, nicht lediglich rechnerisch anteilig erfasst und auf den Pflichtigen umgelegt werden können, weil es insoweit bereits an der Kausalität im Sinne der conditio sine qua non fehlt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 25.1.1980 - 11 A 19/78 -, OVGE MüLü 34, 286 = juris Rn. 9). Insoweit unterscheidet sich die Auslage als ausscheidbare Aufwendung von der Gebühr als pauschaliertem Entgelt. Zu den Verwaltungskosten bei einer angeordneten Quarantäne gehört zwangsläufig die Inanspruchnahme einer Quarantänestation. Eine Quarantäne kann nicht ersetzt oder vom Bürger selbst vorgenommen werden. Dass dann keine Auslagen mehr verlangt werden können, folgt auch aus § 13 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 VwKostG, wonach die Pflicht zur Erstattung von Auslagen durch den Kostenschuldner dann nicht besteht, wenn die Auslagen durch die Gebühr abgegolten werden.

Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für das Vorliegen von Auslagen hier nur insoweit erfüllt, als aussonderungsfähige Kosten geltend gemacht werden. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 VwKostG hat der Kostenschuldner, werden bei der Vornahme einer Amtshandlung Auslagen notwendig, sie, auch wenn die Amtshandlung gebührenfrei ist, zu erstatten. Bestandteil der Quarantänemaßnahme war die Versorgung der Welpen mit Mikrochips nicht. § 4 Satz 1 des Niedersächsischen Gesetzes über das Halten von Hunden vom 26. Mai 2011 (Nds. GVBl. 2011, 130, 184), geändert durch Gesetz vom 03.06.2015 (Nds. GVBl. S. 100) - NHundG verpflichtet dazu, einen Hund, der älter als sechs Monate ist, durch ein elektronisches Kennzeichen (Transponder) mit einer Kennnummer zu kennzeichnen. Hierfür zu sorgen, obliegt dem Hundehalter oder der Hundehalterin, § 1 Abs. 2 NHundG. Dieser Verpflichtung musste das Tierheim als Quarantänestation damit nicht nachkommen.

Obwohl die GOVV in ihrer Anlage die darin genannten „Gebühren und Auslagen“ kostenpflichtig stellt und Auslagen bei Quarantäneanordnungen in der GOVV nicht geregelt sind, sieht das Gericht noch Raum, die Auslagenerstattungsregel des § 13 VwKostG heranzuziehen (ebenso ohne nähere Diskussion: VG Hannover, Urt. v. 22.9.2016 - 15 A 610/15 -, juris, Rn. 47). Die GOVV enthält zwar auf der Basis des NVwKostG bestimmte Gebühren- und Auslagentatbestände, dies schließt jedoch nicht aus, Kostenerstattungsregeln aus dem NVwKostG als Grundlage, wie § 13 NVwKostG, heranzuziehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.