Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 12.10.2017, Az.: 2 B 7016/17

Aktualität der Regelbeurteilung; Anlassbeurteilung; Beförderung nach der Regelbeurteilung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
12.10.2017
Aktenzeichen
2 B 7016/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 54051
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Es bedarf einer Anlassbeurteilung, wenn der Bewerber nach der letzten Regelbeurteilung befördert wurde, und das Beförderungsamt zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung für ein weiteres Beförderungsamt seit 1 1/2 Jahren inne hatte.

Tenor:

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, vor Ablauf von zwei Wochen nach Bekanntgabe einer erneuten Beförderungsentscheidung an die Antragstellerin, längstens bis zur Bestandskraft der der Antragstellerin mit Schreiben vom 21. Juli 2017 bekanntgegebenen Auswahlentscheidung, die in der Niedersächsischen Rechtspflege vom 15. Juni 2017 ausgeschriebenen Beförderungsstellen für Justizamtsinspektorinnen oder Justizamtsinspektoren bei dem Amtsgericht Hannover mit den Beigeladenen zu 1. bis 4. zu besetzen und diese in das höhere Statusamt zu befördern.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 19.863,84 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Sicherung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs.

Der Antragsgegner schrieb in der Nds. Rechtspflege vom 15. Juni 2017, Seite 170 vier Stellen für Justizamtsinspektorinnen/Justizamtsinspektoren (Besoldungsgruppe A 9) bei dem Amtsgericht Hannover aus. Hierauf bewarben sich insgesamt 14 - alle beim Amtsgericht Hannover eingesetzten - Bewerber, darunter die Antragstellerin und die vier Beigeladenen.

Die im Jahre 19G. geborene Antragstellerin befindet sich seit Januar 2016 im Statusamt einer Justizhauptsekretärin (Besoldungsgruppe A 8). Die für Sie noch in ihrem Statusamt als Justizobersekretärin (Besoldungsgruppe A 7) zum Stichtag 1. Mai 2015 erstellte Regelbeurteilung für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis zum 30. April 2015 endete mit dem Gesamturteil „übertrifft in hervorragender Weise die Anforderungen“; dies entspricht der besten Gesamtnote. Bei den einzelnen Merkmalen erhielt sie in den fünf Kategorien der Leistungsmerkmale viermal die Rangstufe “übertrifft in hervorragender Weise die Anforderungen“. Bei dem Leistungsmerkmal Verwendungsbreite/Einsatzbereitschaft erhielt sie die Bewertung „übertrifft erheblich die Anforderungen“; dies entspricht der zweitbesten Note.

Die für die im Jahre 19H. geborene Beigeladene zu 1. (Frau I.) in ihrem Statusamt als Justizhauptsekretärin (seit 2006) zum Stichtag 1. September 2015 erstellte Regelbeurteilung für die Zeit vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2015 endete mit dem Gesamturteil „übertrifft erheblich die Anforderungen“; dies entspricht der zweitbesten Gesamtnote. Bei den einzelnen Merkmalen erhielt die Beigeladene zu 1. in den fünf Kategorien der Einzelmerkmale jeweils die Bewertung „übertrifft erheblich die Anforderungen“.

Die für die im Jahre 19J. geborene Beigeladene zu 2. (Frau K.) in ihrem Statusamt als Justizhauptsekretärin (seit 2007) zum Stichtag 1. September 2015 erstellte Regelbeurteilung für die Zeit vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2015 endete mit dem Gesamturteil „übertrifft erheblich die Anforderungen“. Auch sie erhielt bei den Einzelmerkmalen in den fünf Kategorien jeweils die Bewertung „übertrifft erheblich die Anforderungen“.

Die im Jahre 19L. geborene Beigeladene zu 3. (Frau M.) steht seit 2009 als Justizhauptsekretärin im Dienst des Amtsgerichts Hannover. Die für sie zum Stichtag 1. September 2015 erstellte Regelbeurteilung für den Zeitraum vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2015 endete mit dem Gesamturteil „übertrifft erheblich die Anforderungen“. In ihrer Beurteilung erhielt sie bei den Einzelmerkmalen in allen fünf Kategorien jeweils die Bewertung „übertrifft erheblich die Anforderungen“.

Der im Jahre 19N. geborene Beigeladene zu 4. (Herr O.) befindet sich seit 2007 im Statusamt eines Justizhauptsekretärs. Seine zum Stichtag 1. September 2015 erstellte Regelbeurteilung für den Zeitraum vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2015 endete mit dem Gesamturteil „übertrifft erheblich die Anforderungen“. In seiner Beurteilung erhielt auch er in allen fünf Kategorien bei den Einzelmerkmalen jeweils die Bewertung „übertrifft erheblich die Anforderungen.

Nach Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten und des Bezirkspersonalrats teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Schreiben vom 21. Juli 2017 mit, dass beabsichtigt sei, die Stelle mit den Beigeladenen zu 1. bis 4. zu besetzen. Der Antragsgegner stellte darauf ab, dass die Mitbewerber in ihren Regelbeurteilungen im Amt einer Justizhauptsekretärin bzw. eines Justizhauptsekretärs beurteilt worden seien. Beurteilungen konkurrierender Bewerber in unterschiedlichen Statusämtern seien durchaus vergleichbar, auch wenn der Konkurrent im höheren Statusamt um eine Gesamtnote schlechter beurteilt worden sei, da hiermit den höheren Erwartungen Rechnung getragen werde. Ausgehend von einer im Wesentlichen gleichen Beurteilungslage der Bewerber sei als Hilfskriterium insbesondere die Leistungsentwicklung heranzuziehen. Die Antragstellerin und die Beigeladenen seien im Jahre 2012 jeweils mit dem Gesamturteil „entspricht voll den Anforderungen (oberer Bereich)“ beurteilt worden. Die Beigeladenen hätten sich aber seinerzeit bereits schon im höheren Statusamt befunden. Deren Beurteilungen seien daher als höherwertig anzusehen. Unabhängig davon wiesen die Beigeladenen außerdem ein deutlich höheres Dienstalter im Amt auf.

Am 3. August 2017 hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie trägt vor: Der Antragsgegner sei zu Unrecht von im Wesentlichen gleichen Beurteilungen ausgegangen. Es fehle die gebotene Einzelfallbetrachtung, warum hier von einem Leistungsgleichstand ausgegangen worden sei. Die Anforderungen der Dienstposten der Beigeladenen, die sich im Statusamt der Besoldungsgruppe A 8 befänden seien nicht höher, als jene, die an ein Amt der Besoldungsgruppe A 7 gestellt würden. Daher übertreffe die im Statusamt der Besoldungsgruppe A 7 vergebene Bestnote der Antragstellerin die Gesamturteile der Beigeladenen.

Selbst wenn im Wesentlichen gleiche Beurteilungen vorlägen, habe der Antragsgegner zu früh auf das Hilfskriterium der Leistungsentwicklung abgestellt. Vorrangig sei eine ausschärfende Betrachtungsweise geboten gewesen. Spätestens hier habe sich ihr Leistungsvorsprung auswirken müssen. Völlig ungeeignet, da ohne Leistungsbezug, sei auf das höhere Dienstalter der Beigeladenen abgestellt worden. Eine Berücksichtigung des Dienstalters sei allenfalls dann möglich, wenn alle leistungsbezogenen Kriterien ergebnislos ausgeschöpft seien.

Der Rechtsmangel - die fehlende ausschärfende Betrachtung -  lasse sich durch die nachträglich angestellten Überlegungen nicht beseitigen. Das Nachschieben von Gründen sei nicht zulässig. Zudem sei der Ermessensspielraum der Behörde durch neuere Rechtsprechung des Nds. OVG weiter eingeschränkt.

Die Antragstellerin beantragt,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die vier in der Niedersächsischen Rechtspflege vom 15. Juni 2017 ausgeschriebenen Beförderungsstellen für Justizamtsinspektorinnen oder Justizamtsinspektoren bei dem Amtsgericht Hannover mit den Beigeladenen zu besetzen und die Beigeladenen in das höhere Statusamt zu befördern, bis der Bescheid des Antragsgegners vom 21. Juli 2017 über die Auswahlentscheidung zu dem Zeichen 2010 II Slg. 6/17 (A 9) AG Hn bestandskräftig geworden ist oder bis zum Ablauf einer Frist von einem Monat nach der Zustellung einer neuen Auswahlentscheidung.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verteidigt die getroffene Auswahlentscheidung und erwidert im Wesentlichen: Es liege nur ein scheinbarer Leistungsvorsprung zugunsten der Antragstellerin vor. Die Beurteilungen seien in unterschiedlichen Statusämtern erfolgt. Während die Antragstellerin ihre Beurteilung im Amt einer Justizobersekretärin erhalten habe, bezögen sich die Beurteilungen aller Beigeladenen auf Beurteilungen im Amt einer Justizhauptsekretärin bzw. eines Justizhauptsekretärs. Für die unterschiedlichen Ämter existierten verschiedene Beurteilungsmaßstäbe. Eine Spitzenbeurteilung in einem Amt der Besoldungsgruppe A 7 entspreche im Regelfall nicht einer solchen im nächsthöheren Amt. Vielmehr sei es in der Praxis so, dass nach einer Beförderung die nächste Beurteilung mitunter zwei Stufen unterhalb der bisherigen liege. Insoweit verweist der Antragsgegner auch auf die einschlägigen Beurteilungsrichtlinien. Auch aus dem konkreten Einsatzgebiet lasse sich ein Leistungsvorsprung der Antragstellerin nicht herleiten. Die von den Beigeladenen ausgeübten Dienstposten wiesen ebenso einen besonderen Schwierigkeitsgrad auf.

Die von der Antragstellerin geforderte ausschärfende Betrachtungsweise bei den aktuellen Beurteilungen führe zu keiner anderen Bewertung. Auch dann müssten die unterschiedlichen Statusämter berücksichtigt werden, was zu einer (fiktiven) Abwertung der Beurteilung der Antragstellerin um jeweils eine Notenstufe führe. Mit Blick auf das Beurteilungsmerkmal Verwendungsbreite/Einsatzbereitschaft ergebe sich für alle Beigeladenen zudem ein Leistungsvorsprung, da diese dort mit „übertrifft erheblich die Anforderungen“ beurteilt worden seien; die Antragstellerin jedoch fiktiv nur mit „entspricht voll den Anforderungen“. Die ausschärfende Betrachtung der Vorbeurteilungen ergebe ebenfalls einen leichten Leistungsvorsprung zugunsten der Beigeladenen. Diese seien sämtlich in zwei Beurteilungsmerkmalen mit „übertrifft erheblich die Anforderungen“ beurteilt worden. Die Antragstellerin sei nur in einem Merkmal mit dieser Rangstufe beurteilt worden. Aufgrund des minimalen Leistungsunterschiedes in den bisherigen Auswahlkriterien sei zusätzlich das Dienstalter herangezogen worden. Hier sei die Antragstellerin erst 2016 zur Justizhauptsekretärin ernannt worden; die Beigeladenen in den Jahren 2006, 2007 und 2009.

Die Beigeladenen haben sich nicht zur Sache geäußert und auch keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Auswahlvorgang und die vorgelegten Personalakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag hat in der Sache nach Maßgabe des Tenors Erfolg.

Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist nach § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 und § 294 ZPO, dass ein Anspruch auf eine bestimmte Leistung glaubhaft gemacht wird (Anordnungsanspruch) sowie, dass dieser Anspruch gefährdet und durch eine vorläufige Maßnahme zu sichern ist (Anordnungsgrund). Ein Anordnungsgrund liegt vor, da der Antragsgegner beabsichtigt, die hier streitgegenständlichen Stellen mit den Beigeladenen zu besetzen. Der Antragstellerin steht auch ein Anordnungsanspruch zu.

Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Daraus folgt der Anspruch eines Bewerbers auf ermessens- und beurteilungsfreie Entscheidung über seine Bewerbung - sog. Bewerbungsverfahrensanspruch - (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. November 2012 - 2 VR 5/12 -, Rn. 23 juris m.w.N.). Die der Ernennung vorangehende Auswahlentscheidung ist als Akt wertender Erkenntnis gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbar. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung bei der Auswahlentscheidung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Maßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17. August 2005 - 5 ME 100/05 -). Ein abgelehnter Bewerber, dessen subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, kann somit eine Neubescheidung seiner Bewerbung beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei der erneuten Auswahl offen sind, d.h. seine Auswahl also möglich erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 2 C 14/02 -, juris).

Der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgende Grundsatz der Bestenauslese gebietet es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Dies sind regelmäßig die aktuellen dienstlichen Beurteilungen, weil für die zu treffende Entscheidung hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachliche Leistung auf den aktuellen Stand abzustellen ist. Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (vgl. nur Nds. OVG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 5 ME 151/16 –, Rn. 9 juris m.N.). Der vorzunehmende Leistungsvergleich ist mithin anhand aussagekräftiger, d.h. aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Beurteilungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen.

Ausgehend hiervon ist der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin nach Auffassung des Gerichts verletzt. Verfahrensfehler sind zwar nicht ersichtlich. Auch wenn neben dem Besetzungsvorschlag und einem Bewerberverzeichnis kein Auswahlvermerk über die wesentlichen Auswahlerwägungen existiert, hat der Antragsgegner der Antragstellerin die Gründe dafür, aus welchen Erwägungen sie gegenüber den Beigeladenen unterlegen war, im Schreiben vom 21. Juli 2017 mitgeteilt. Damit ist den Dokumentationspflichten hinreichend genügt.

Die Auswahlentscheidung auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilungen der Antragstellerin und der Beigeladenen begegnet aber in der Sache rechtlichen Bedenken, weil die für die Antragstellerin zum Stichtag 1. Mai 2015 erstellte Regelbeurteilung zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nicht mehr hinreichend aktuell war. Im Allgemeinen können zwar, wenn - wie hier der Fall - nach den einschlägigen Beurteilungsrichtlinien Regelbeurteilungen alle drei Jahre zu erstellen sind, diese jedenfalls dann den Personalentscheidungen zugrunde gelegt werden, wenn sie nicht vor längerer Zeit als vor drei Jahren erstellt wurden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Juni 2016 – 4 S 585/16 –, Rn. 5 juris). Hier besteht die Besonderheit, dass die Antragstellerin nach dem Erstellen ihrer Regelbeurteilung für das Jahr 2015 Anfang 2016 befördert wurde und zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung bereits über 1 1/2 Jahre in einem höheren Statusamt tätig war. Dies wirft die Frage nach der inhaltlichen Aussagekraft der Regelbeurteilung als Grundlage für die getroffene Auswahlentscheidung auf.

Unter welchen Voraussetzungen zurückliegende Beurteilungen noch eine hinreichend verlässliche Grundlage für eine Auswahlentscheidung darstellen, lässt sich nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantworten (vgl. hierzu Nds. OVG, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - 5 ME 296/11 -, Rn. 7 juris). Hiernach kann eine Anlassbeurteilung aus Gründen der Fürsorgepflicht und der Bestenauslese geboten sein, wenn sich in Bezug auf die dienstliche Verwendung des Beamten „einschneidende Veränderungen“ ergeben haben (z.B., weil rund eineinhalb Jahre seit der letzten Regelbeurteilung andere Aufgaben wahrgenommen wurden). Weiter wird eine Anlassbeurteilung für unverzichtbar gehalten, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der letzten Regelbeurteilung noch ein niedrigeres Statusamt bekleidet, erst danach befördert wird und nunmehr ein Beförderungsamt anstrebt (vgl. nur Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, 2015, Anhang 2Rn. 54). Die zuletzt genannte Konstellation liegt hier vor. Zum Zeitpunkt der erstellten letzten Regelbeurteilung befand sich die Antragstellerin noch im Statusamt einer Justizobersekretärin. Anfang 2016 wurde sie zur Justizhauptsekretärin ernannt. Sie nahm daher zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung 11/2 Jahre lang Aufgaben in einem höheren Statusamt wahr. Dieser Umstand führt dazu, dass es der zum Stichtag 1. Mai 2015 erstellten Regelbeurteilung im Zeitpunkt der im Juli 2017 getroffenen Auswahlentscheidung an der gebotenen Aktualität fehlt.

Auch aus den hier einschlägigen Beurteilungsrichtlinien (vgl. III. Buchst. e) der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Niedersächsischen Justizministerium, bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie bei der Norddeutschen Fachhochschule für Rechtspflege, AV des MJ vom 15. November 2011, Nds. Rpfl. 2011, S. 404) ergibt sich insoweit nichts Gegenteiliges. Dort sind Anlassbeurteilungen vorgesehen, wenn dies rechtlich geboten ist, insbesondere wenn bei Beförderungsentscheidungen Regel- und Anlassbeurteilungen zu vergleichen sind, zwischen denen ein Abstand von mehr als einem Jahr liegt. Diese Formulierung deutet darauf hin, dass auch die Richtlinien dem Erfordernis der hinreichenden Aktualität von Beurteilungen Rechnung tragen wollen. Ausgehend hiervon ist die getroffene Auswahlentscheidung als fehlerhaft anzusehen. Der Bewerbungsverfahrensanspruch ist verletzt, weil es nicht ausgeschlossen ist, dass die Antragstellerin bei einer erneuten Auswahlentscheidung zum Zuge kommen kann.

Auf die von der Antragstellerin angeführten Einwände kommt es nach alledem nicht entscheidungserheblich an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO). Diese haben sich nicht zur Sache geäußert, keine Anträge gestellt und sich damit nicht am Kostenrisiko beteiligt (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die Höhe des Streitwertes folgt aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG. Danach ist für das Hauptsacheverfahren die Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge der in dem Beförderungsverfahren in Rede stehenden Besoldungsgruppe zuzüglich der allgemeinen Stellenzulage anzusetzen. Der hiernach zugrunde zu legende sechsfache Betrag des Endgrundgehalts des angestrebten Ernennungsamtes (Statusamt der Besoldungsgruppe A 9) und die allgemeine Stellenzulage ergibt - bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung - den Betrag von 19.863,84 EUR (3.230,05 EUR + 80,59 EUR allgemeine Stellenzulage = 3.310,64 EUR x 6). Eine Halbierung dieses Wertes wegen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens findet nicht statt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 9. März 2015 - 5 OA 31/15 -, juris).