Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 28.05.2013, Az.: 1 Ss 14/13
Geltendmachung eines Feststellungsanspruchs im Adhäsionsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 28.05.2013
- Aktenzeichen
- 1 Ss 14/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 58000
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2013:0528.1SS14.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 02.08.2012
Rechtsgrundlagen
- StPO § 406
- ZPO § 256 Abs. 1
- ZPO § 301
- ZPO § 304 Abs. 1
Fundstellen
- NStZ-RR 2014, 6
- NStZ-RR 2014, 186
Amtlicher Leitsatz
Es ist wegen der umfassenden Kognitionspflicht des Revisionsgerichts zulässig, auf eine Revision des Angeklagten den Schuldspruch zu dessen Nachteil zu berichtigen, um die Verurteilung mit dem materiellen Recht in Übereinstimmung zu bringen.
Die Entscheidung über einen Feststellungsantrag ist im Adhäsionsverfahren neben einem auf demselben tatsächlichen Vorgang beruhenden Grundurteil über Schmerzensgeld geboten, um ein unzulässiges Teilurteil wegen der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen zu vermeiden.
Weil im Betragsverfahren vom Zivilgericht auf Antrag des Adhäsionsklägers ein Schmerzensgeld festgesetzt werden wird, das nicht nur die bereits eingetretenen und erkennbaren, sondern auch alle im Entscheidungszeitpunkt objektiv vorhersehbaren zukünftigen Folgen abdeckt, erfasst der Feststellungsausspruch lediglich die nicht vorhersehbaren, aber möglichen immateriellen Verletzungsfolgen.
Tenor:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 2. August 2012 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Feststellung der Ersatzpflicht des Angeklagten gegenüber der Adhäsionsklägerin für immaterielle Schäden lediglich die weiteren (noch nicht vorhersehbaren) Beeinträchtigungen betrifft.
Außerdem wird die Verletzte S. als Adhäsionsklägerin in das Rubrum des angefochtenen Urteils aufgenommen und der Schuldspruch im Fall Nr. 5 des angefochtenen Urteils dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses in Tateinheit mit sexueller Nötigung verurteilt wird.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen und der Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
1. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Verteidigers ist die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
2. Der Schuldspruch ist im Fall Nr. 5 des angefochtenen Urteils jedoch zu berichtigen, weil der Angeklagte nach den Feststellungen der Kammer nicht nur wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses, sondern - tateinheitlich hierzu (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 174 c Rn. 15) - auch wegen sexueller Nötigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB) zu bestrafen ist. Es ist wegen der umfassenden Kognitionspflicht des Revisionsgerichts zulässig, auf eine Revision des Angeklagten den Schuldspruch zu dessen Nachteil zu berichtigen, um die Verurteilung mit dem materiellen Recht in Übereinstimmung zu bringen (BGH St 37, 5, 8 f.; Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozess, 8. Aufl., Rn. 619). Das Tatbestandsmerkmal der Gewalt ist im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Kammer (UA S.70) bereits dadurch erfüllt, dass sich der Angeklagte nach den Feststellungen (UA S. 15) auf die Zeugin S. gelegt hat (vgl. dazu: BGH, NStZ-RR 2003, 42 [BGH 10.10.2002 - 2 StR 153/02]). Weil er auf der leicht bekleideten Zeugin "beischlafartige Bewegungen" ausgeführt hat und zum Samenerguß gelangt ist (UA S. 15), liegt eine sexuelle Handlung i. S. d. § 184 g StGB vor, die die unten liegende Geschädigte zu erdulden hatte.
3. Außerdem ist der Feststellungsausspruch - wie tenoriert - einzuschränken, soweit es die immateriellen Schäden betrifft. Ein Feststellungsausspruch ist im Adhäsionsverfahren zwar zulässig (Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. § 406 Rn. 2) und hier neben dem Grundurteil sogar geboten, um ein unzulässiges Teilurteil wegen der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen zu vermeiden (dazu: Zöller/Vollkommer, 29. Aufl., § 301 Rn. 7). Weil im Betragsverfahren allerdings vom Zivilgericht auf Antrag der Adhäsionsklägerin (zu diesem Erfordernis: Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 304 Rn. 4) ein Schmerzensgeld festgesetzt werden wird, das nicht nur die bereits eingetretenen und erkennbaren, sondern auch alle im Entscheidungszeitpunkt objektiv vorhersehbaren zukünftigen Folgen abdeckt (BGH, Urteil vom 20.03.2001, VI ZR 325/99, juris, Rn.12 = NJW 2001, 3414), muss der Feststellungsausspruch eingeschränkt werden. Er erfasst nur noch die nicht vorhersehbaren, aber möglichen Verletzungsfolgen (BGH, aaO., Rn. 11 f.) und muss deshalb im Adhäsionsverfahren auf die weiteren immateriellen Schäden beschränkt werden (BGH, Beschluss vom 07.02.2012, 4 StR 552/11, juris, Rn. 6).
Soweit der Angeklagte die gebotene Einschränkung des Adhäsionsausspruchs hinsichtlich des immateriellen Vorbehalts in seinen Gegenerklärungen angreift, verkennt er, dass es sich nicht um eine Ergänzung zu seinem Nachteil, sondern um eine Korrektur zu seinem Vorteil geht.
4. Eine Beschränkung des materiellen Vorbehalts ist demgegenüber nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, trotz des grundsätzlich anerkannten Vorrangs der Leistungsklage selbst dann nicht geboten, wenn ein Teil der materiellen Schäden schon entstanden ist (BGH, Urteil vom 04.12.1986, III ZR 205/85, juris, Rn. 13 ff.; BGH, Urteil vom 21.02.1991, III ZR 204/89, juris, Rn. 44 ff.).
5. In das Rubrum des angefochtenen Urteils ist schließlich die Geschädigte S. als Adhäsionsklägerin aufzunehmen. Eine solche Aufnahme ist, damit aus dem Urteil vollstreckt werden kann, geboten (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. § 406 Rn. 2). Die Rubrumsergänzung konnte hier durch den Senat ausgesprochen werden. Dass S. Adhäsionsklägerin ist, ergibt sich eindeutig aus dem Urteil (UA S. 3).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 472 a Abs.1, Abs. 2 S. 1, 473 Abs. 1 S. 1 und S. 2 StPO. Trotz des Teilerfolgs beim Feststellungsausspruch sind dem Angeklagten nach pflichtgemäßem Ermessen die gesamten Kosten des Rechtsmittelverfahrens und die notwendigen Auslagen der Adhäsionsklägerin S. aufzuerlegen.