Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.11.2003, Az.: 1 K 10565/99
Ausübung des Wahlrechts zwischen linearer und degressiver AfA
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 03.11.2003
- Aktenzeichen
- 1 K 10565/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 20717
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:1103.1K10565.99.0A
Rechtsgrundlage
- § 7 Abs. 5 EStG
Fundstellen
- BBK 2004, 393
- DB 2005, 1
- DB (Beilage) 2005, 1 (amtl. Leitsatz)
- EFG 2004, 487-488
- JWO-MietR 2004, 85
- StuB 2004, 469
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Das Wahlrecht nach § 7 Abs. 5 EStG, abweichend von der linearen AfA die AfA in fallenden Jahresbeträgen in Anspruch zu nehmen, ist zu Beginn des Abschreibungszeitraumes auszuüben.
- 2.
Nach Bestandskraft des Erstbescheides ist ein Übergang von der AfA in gleichen Jahresbeträgen zur AfA in fallenden Jahresbeträgen nicht möglich.
- 3.
Das gilt auch dann, wenn der Stpfl. zwar im Erstjahr degressive AfA beantragt, das FA aber nur lineare AfA anerkannt hat und der dagegen eingelegte Einspruch erfolglos blieb.
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob für eine vom Kläger erworbene und anschließend vermietete Eigentumswohnung degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) gem. § 7 Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) oder nur lineare AfA nach § 7 Abs. 4 EStG gewährt werden kann.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 20. Dezember 1994 erwarb der Kläger die Eigentumswohnung Nr. 4 in dem Gebäude Kstraße 9 in L. Gem. § 1 Abs. 2 des Kaufvertrages sollte die Wohnung zum 31. Dezember 1994 bezugsfertig erstellt werden. § 1 Abs. 3 und 4 lauten: "Käufer erklärt, das Objekt eingehend besichtigt zu haben und übernimmt es in schlüsselfertigem und bezugsfertigem Zustand....Ergänzend hierzu werden im Abstellraum sowie im Flur durch den Verkäufer Fliesen verlegt." In Abs. 8 heißt es: "Durch Verkäufer sind noch Restarbeiten vorzunehmen. Auf eine Auflistung wird verzichtet."
Der Kaufpreis beträgt gem. § 2 des Vertrages 193.500,00 DM. Dieser ist laut § 3 in Höhe eines Teilbetrages von 150.000,00 DM zum 31.12.1994 und im übrigen zum 01.02.1995 fällig. Der wirtschaftliche Übergang des Kaufgegenstandes erfolgt gem. § 7 mit dem Tage der vollständigen Kaufpreiszahlung.
Die Eigentumswohnung hat der Kläger ab 1. April 1995 vermietet.
In der Einkommensteuererklärung 1995 begehrte der Kläger für die Eigentumswohnung die Berücksichtigung degressiver AfA in Höhe von 7 %. Mit Einkommensteuerbescheid 1995 vom 3. Februar 1995 berücksichtigte der Beklagte lediglich lineare AfA in Höhe von 2 % der Bemessungsgrundlage von 187.682,00 DM zeitanteilig für 11 Monate, weil die Anschaffung der Wohnung nicht im Jahr der Fertigstellung erfolgt sei. Gegen diesen Bescheid legte der Beklagte Einspruch ein und reichte ein Übergabeprotokoll vom 18. Februar 1995 ein, in dem als Mangel ein Sprung im Balkonfensterglas festgehalten wird. Er begründete den Einspruch unter Hinweis auf dieses Protokoll damit, dass nach dem 31.12.1994 noch Arbeiten auszuführen gewesen seien.
Nachdem der Beklagte erläuterte, dass es für die Fertigstellung des Gebäudes nur auf die Beendigung der wesentlichen Bauarbeiten ankomme, teilte der Kläger mit Schreiben vom 03.11.1997 mit, dass er an seiner Rechtsauffassung bezüglich der AfA nicht mehr festhalte. Nach Änderung in anderen, für dieses Verfahren nicht erheblichen Punkten, wurde das Rechtsbehelfsverfahren mit geändertem Einkommensteuerbescheid 1995 vom 26. November 1997 abgeschlossen.
In der Einkommensteuererklärung 1996 beantragte der Kläger für die Eigentumswohnung Kstraße 9 lineare AfA in Höhe von 2 %. Der Einkommensteuerbescheid 1996 vom 26. November 1997 erging im wesentlichen erklärungsgemäß und ist bestandskräftig geworden.
In seiner Einkommensteuererklärung 1997 begehrte der Kläger erneut den Ansatz von degressiver AfA in Höhe von 7 % sowie zusätzlich die "Nachholung" der in den Veranlagungszeiträumen 1995 und 1996 nicht in Anspruch genommenen degressiven AfA. Der Beklagte setzte mit der gleichen Begründung wie bezüglich des Veranlagungszeitraums 1995 im Einkommensteuerbescheid 1997 lediglich die lineare AfA an. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.
Im Klageverfahren trägt der Kläger vor, dass zum Jahresende 1994 noch wesentliche Restarbeiten zu erledigen gewesen wären. So habe der Estrich- und Fußboden gefehlt. Bad- und Flur seien noch nicht verfliest gewesen. Es seien die Innentüren noch nicht eingebaut gewesen. Die Etagenheizung sei verpackt in der Wohnung abgestellt worden. Die Heizungsrohre seien noch nicht komplett verlegt worden. Es sei deshalb von einer Fertigstellung der Wohnung im Jahre 1995 auszugehen. Bestätigt werde dieses durch den Vertragstext in § 1 Abs. 2, 4 und 8. Außerdem hätten die Handwerker im Zeitraum vom 20. Dezember 1994 bis zum Jahresende die ausstehenden Arbeiten nicht mehr ausführen können. Schließlich zeige der Umstand, dass die Wohnung erst ab 1. April vermietet worden sei und der Restkaufpreis zum 1. Februar 1995 geleistet werden sollte, dass die Fertigstellung der Wohnung erst 1995 erfolgt sei. Dies könne die Ehefrau des Klägers bezeugen.
Es stehe der Gewährung der degressiven AfA für 1997 nicht entgegen, dass im Einkommensteuerbescheid 1995 vom Beklagten nur lineare AfA angesetzt worden sei. Beantragt habe der Kläger die degressive AfA, er habe das bestehende Wahlrecht in diesem Sinne ausgeübt. Eventuell könne der Einkommensteuerbescheid 1995 auch heute noch nach§ 174 Abs. 4 AO im Sinne der Gewährung der degressiven AfA berichtigt werden.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1997 vom 12. Oktober 1998 und des Einspruchsbescheides vom 19. Juli 1999 die Einkommensteuer 1997 von einem um 9.384,00 DM niedrigeren zu versteuernden Einkommen festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass nur die lineare AfA angesetzt werden könne. Die degressive AfA des § 7 Abs. 5 EStG habe zur Voraussetzung, dass die Anschaffung des Objekts bis spätestens zum Ende des Jahres der Fertigstellung erfolge. Im Streitfall sei die Anschaffung im Jahre 1995, die Fertigstellung jedoch bereits 1994 erfolgt.
Für den Zeitpunkt der Anschaffung komme es nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des schuldrechtlichen Vertrages, sondern auf die Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht an. Das sei hier mit vollständiger Kaufpreiszahlung im April 1995 geschehen.
Für die Fertigstellung sei maßgebend, von welchem Zeitpunkt an das Beziehen der Wohnung nach objektiven Merkmalen zumutbar und die Wohnung beziehbar sei. Eine Wohnung sei als bezugsfertig anzusehen, wenn die wesentlichen Bauarbeiten durchgeführt worden seien. Nach dem Text des notariellen Kaufvertrags sei davon auszugehen, dass im Streitfall alle wesentlichen Arbeiten erfolgt seien. Wenn die Frist bis zum vorgesehenen Fertigstellungstermin nur 11 Tage einschließlich Weihnachtsfeiertage betrage, dann könnten nur unerhebliche Restarbeiten noch zu erledigen gewesen sein. Es verwundere, dass der Kläger erstmals nach 5 Jahren behaupte, dass noch erhebliche Bauarbeiten an der Wohnung vorzunehmen wären. Bewiesen habe er diese Behauptung jedenfalls nicht.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger kann für das Gebäude Kstraße 9 in L im Veranlagungszeitraum 1997 keine degressive AfA nach § 7 Abs. 5 EStG in Anspruch nehmen. Das Wahlrecht zwischen den Abschreibungsmethoden des § 7 Abs. 4 und 5 EStG ist dadurch ausgeschlossen, dass für den Veranlagungszeitraum 1995 bestandskräftig lineare AfA nach § 7 Abs. 4 EStG berücksichtigt worden ist.
Bei im Inland belegenen Gebäuden, die vom Steuerpflichtigen bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft worden sind, besteht nach § 7 Abs. 5 EStG das Wahlrecht, abweichend von der linearen AfA des § 7 Abs. 4 EStG AfA in fallenden Jahresbeträgen in Anspruch zu nehmen. Dieses Wahlrecht ist zu Beginn des Abschreibungszeitraums auszuüben, ein Übergang von der AfA in gleichen Jahresbeträgen zur AfA in fallenden Jahresbeträgen nach Bestandskraft des Erstbescheides ist nicht möglich (BFH BStBl. II 1987, 618; Nds. FG EFG 2001, 351; Littmann, Kommentar zum EStG § 7 Rn. 455; Schmidt, Kommentar zum EStG, § 7 Rn. 154). Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass § 7 Abs. 5 EStG starre unveränderliche Staffelsätze für den gesamten Abschreibungszeitraum vorgibt, von denen nicht abgewichen werden kann. Es ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, dass der Kläger zunächst die Gewährung degressiver AfA beantragt und der Beklagte dieses unter Hinweis auf die seiner Auffassung nach nicht vorliegenden Tatbestandsvoraussetzungen verweigert hat. Denn im Verlaufe des Einspruchsverfahrens hat der Kläger den Ansatz linearer AfA akzeptiert und damit die Weiche in Richtung linearer AfA gestellt; für das Jahr 1996 hat er sogar selbst lineare AfA beantragt. Jedes andere Ergebnis würde zu der vom Gesetzgeber nicht gewollten Vermischung der Abschreibungsmethoden und zu Unklarheiten über die Abschreibungsdauer führen. So würden im Streitfall beispielsweise, da die ersten beiden Jahre für die degressive AfA unwiederbringlich verloren sind, zum Ende des vorgegebenen Abschreibungszeitraums 10 % AfA-Volumen (2 x 7 % abzüglich gewährter 2 x 2 %) noch offen sein. Hier würden sich weitere Fragen anschließen, ob z.B. dieser Restüber die Restnutzungsdauer bei hypothetischer linearer AfA zu verteilen wäre oder gänzlich unberücksichtigt bliebe; darüber hinaus dürfte in rund 40 Jahren die Aufklärung der Ursachen für die Abweichung von der normalen Abschreibungsreihe mangels dann vorhandener Unterlagen nahezu unmöglich sein. Um solche Schwierigkeiten zu vermeiden, soll zu Beginn der Nutzungsdauer des Gebäudes der Verlauf der Abschreibung feststehen.
Fehl geht der Einwand des Klägers, dass im Wege derÄnderung nach § 174 Abs. 4 AO auch für das Jahr 1995 noch degressive AfA berücksichtigt werden könne. § 174 Abs. 4 AO betrifft nur Berichtigungen im Sinne eines Entweder-Oder, nicht aber eines Sowohl-als-auch. Hier geht es aber nicht darum, 1995 statt 1997 höhere AfA zu gewähren, sondern um eine einheitliche steuerliche Behandlung beider Veranlagungszeiträume.
Im Ergebnis hätte der Kläger, wenn er der Auffassung ist, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung degressiver AfA nach § 7 Abs. 5 EStG vorliegen, dieses für den Veranlagungszeitraum 1995 und nicht erst 1997 mit der Klage durchfechten müssen.
Auf die Frage, ob die Wohnung schon 1994 oder erst 1995 bezugsfertig geworden ist, kommt es von daher im Streitfall nicht an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.