Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.11.2003, Az.: 12 K 247/02
Zuständige Behörde für Einlegung des Einspruchs; Auslegung eines Einspruchs; Abgabe einer Gewinn- und Verlustrechnung im Schätzungsfall als Einspruch
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 12.11.2003
- Aktenzeichen
- 12 K 247/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 20721
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:1112.12K247.02.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 24.08.2004 - AZ: VIII R 7/04
Rechtsgrundlagen
- § 357 Abs. 2 S. 1 AO 1977
- § 357 Abs. 2 S. 2 AO 1977
- § 133 BGB
- § 162 AO 1977
Fundstellen
- DStR 2004, X Heft 15 (amtl. Leitsatz)
- DStRE 2004, 594-596 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2004, 474-475
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Grundsätzlich ist der Einspruch bei der Behörde anzubringen, deren Verwaltungsakt angefochten wird.
- 2.
Bei der Auslegung eines Einspruchs können in entsprechender Anwendung des § 133 BGB auch außerhalb der Erklärung liegende Umstände berücksichtigt werden. Die Auslegung darf aber nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der Erklärung selbst keine Anhaltspunkte finden lassen.
- 3.
Die beim Wohnsitz-Finanzamt eines GbR-Gesellschafters abgegebene Gewinn- und Verlustrechnung der Gesellschaft kann als Einspruch gegen den Feststellungsbescheid der GbR, in dem die Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden, gewertet werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Gewinn- und Verlustrechnung mit dem Namen der GbR, des Beklagten und der Steuernummer versehen war und für den Empfänger erkennbar war, dass sich der Kl. gegen die Schätzung der gewerblichen Einkünfte wenden wollte.
Tatbestand
Streitig ist die Zulässigkeit eines Einspruches gegen den Feststellungsbescheid 1999.
Der Kläger war beteiligt an der bis zum 31. Dezember 1999 in Hildesheim bestehenden "C. & Partner GbR". Die Mutter des Klägers, W. K., war einzige weitere Gesellschafterin dieser Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Am Gewinn der GbR war sie jedoch nicht beteiligt. Ausweislich der Anzeige über die Gründung einer Personengesellschaft vom 5. April 1997 war der Kläger auch Empfangsbevollmächtigter gegenüber den Finanzbehörden für alle Steuerarten.
Nachdem die GbR trotz besonderer Aufforderung die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1999 nicht abgegeben hatte, schätzte das beklagte Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen auf Grundlage der in den eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen angegebenen Umsätze (415.209,00 DM; geschätzt: 425.000,00 DM) und eines Reingewinnsatzes von 37 v.H. wie folgt:
Laufender Gewinn aus Gewerbebetrieb: | 157.250,00 DM |
---|---|
Veräußerungsgewinn | 10.000,00 DM |
Mit Bescheid vom 18. Dezember 2000 stellte der Beklagte die Einkünfte für 1999 auf 167.250 DM gesondert und einheitlich fest. Der Feststellungsbescheid wurde dem Kläger als Empfangsbevollmächtigtem mit Postzustellungsurkunde am 19. Dezember 2000 zugestellt. Die Zustellung erfolgte ausweislich der Eintragungen des Zustellers und des für die Niederlegung zuständigen Postbediensteten durch Niederlegung bei der Deutschen Post AG, Filiale Pattensen 1, 30982 Pattensen. Die Mitteilung für 1999 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der GbR vom 18. Dezember 2000 ging ebenfalls am 19. Dezember 2000 beim für die Einkommensteuer des Klägers örtlich zuständigen Finanzamt Hannover-Land I ein.
Am 10. Januar 2001 suchte der Kläger die Vollstreckungsstelle des Finanzamts Hannover - Land I auf, um eine Aussetzung der Vollstreckung der Einkommensteuervorauszahlungen für 1999 und 2000 zu erreichen. Auf Anraten der zuständigen Sachbearbeiterin fertigte der Kläger an Amtsstelle folgendes Schreiben:
"Sehr geehrte Frau K.!
Hiermit stelle ich den Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung für die Einkommensteuervorauszahlungen 1999 und 2000. Anbei erhalten Sie EkSt 99 mit G und V 99. Bitte passen Sie die EkSt für 2000 entsprechend an."
Bei dieser Gelegenheit überreichte er zur Begründung seines Antrags der zuständigen Sachbearbeiterin, Frau K., die Einkommensteuererklärung 1999 und eine Gewinn- und Verlustrechnung (im Folgenden: GuV) der C. & Partner GbR für 1999 ein. Diese Gewinnermittlung enthielt folgende Überschrift:
" C. & Partner GbR, Hildesheim
- FA Hildesheim, St.-Nr..... - "
In dieser Gewinnermittlung vom 4. September 2000 errechnete der Kläger einen Gewinn der GbR für 1999 in Höhe 37.440,99 DM, den er auch in seine Einkommensteuererklärung in der Anlage GSE in Zeile 5 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb lt. gesonderter Feststellung) unter Angabe der Steuernummer des Beklagten übernahm.
Im Rahmen der anschließenden, von der Außenstelle des Finanzamtes Hannover-Land I in Springe durchgeführten Einkommensteuerveranlagung berücksichtigte das Finanzamt diesen Gewinnanteil des Klägers als "Einkünfte aus Gewerbebetrieb lt. gesonderter Feststellung" mit dem Vermerk "ohne Mitteil." und erließ am 29. Januar 2001 einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid 1999.
Am 4. Oktober 2001 wertete das Einkommensteuerfinanzamt die Mitteilung des Beklagten vom 18. Dezember 2000 aus und änderte am 16. Oktober 2001 den Einkommensteuerbescheid 1999 nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) entsprechend.
Am 22. November 2001 rief der Kläger beim Beklagten an und erfragte, warum in seinem Einkommensteuerbescheid 1999 ein so hoher GbR-Gewinnanteil berücksichtigt worden sei. Er wies darauf hin, dass er den Feststellungsbescheid 1999 der GbR nicht erhalten habe. Zur Aufklärung übersandte der Beklagte Kopien des streitbefangenen Steuerbescheides am 23. November 2001 an den Kläger zur Kenntnis.
Mit Schreiben vom 9. Januar 2002 übersandte der Kläger eine Kopie der GuV-Rechnung der GbR für 1999 an den Beklagten und beantragte eine Änderung der vorgenommenen Schätzungen. Mit Schreiben vom 17. Januar 2002 teilte das beklagte Finanzamt unter Hinweis auf die bereits eingetretene Bestandskraft mit, dass eine Änderung nicht möglich sei. Bei einem Gespräch an Amtsstelle am 25. Februar 2002 wurde dem Kläger der Sachverhalt und die Rechtsauffassung des Beklagten nochmals erläutert.
Schließlich legte der Kläger am 5. März 2002 Einspruch gegen den Feststellungsbescheid der GbR ein. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, er habe von dem Inhalt des Feststellungsbescheides erst am 25. Februar 2002 Kenntnis erlangt. Der Einspruch sei daher zulässig. Im Übrigen habe er die Feststellungserklärung 1999 zusammen mit der Einkommensteuererklärung 1999 bereits am 10. Januar 2001 beim Finanzamt Hannover-Land I abgegeben. Von dort sei die Einkommensteuer antragsgemäß veranlagt worden. Die Feststellungserklärung 1999 sei an den Beklagten auch weitergeleitet worden.
Der Einspruch blieb jedoch ohne Erfolg. Der Beklagte verwarf den Einspruch im Einspruchsbescheid vom 17. April 2002 als unzulässig.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Der Kläger verfolgt sein Begehren aus den Einspruchsverfahren weiter. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen folgendes vor: Zunächst bestreitet der Kläger, die mit Postzustellungsurkunde zugestellten Steuerbescheide erhalten zu haben. Er habe keinen Benachrichtigungszettel in seinem Briefkasten gehabt. Es habe auch beim Postamt in Pattensen nicht mehr geklärt werden können, ob er einen Benachrichtigungsschein bekommen habe, ob das Schriftstück zurückgesandt oder abgeholt worden sei. Auf jeden Fall habe der Kläger jedoch beim Finanzamt Hannover-Land I am 10. Januar 2001 die Einkommensteuererklärung 1999, die Gewinn- und Verlust-Rechnungen 1999 und die Erklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung 1999 abgegeben. Die Einkommensteuererklärung 1999 samt der Anlage GSE sei auch bei der Außenstelle Springe des Finanzamts Hannover-Land I veranlagt worden. Das Anschreiben in Verbindung mit der Abgabe der Steuererklärung und der GuV-Rechnung 1999 sei als Einspruch gegen den Feststellungsbescheid 1999 auszulegen. Durch die Einreichung der Unterlagen bringe der Kläger eindeutig zum Ausdruck, dass er eine Abänderung des bisherigen Bescheides für 1999 begehre. Da die Niederlegung der Bescheide am 19. Dezember 2000 geschehen und die Einspruchseinlegung am 10. Januar 2000 erfolgt sei, sei der Einspruch auch rechtzeitig erfolgt. Auch sei eine Weiterleitung der GuV-Rechnung und der Erklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung 1999 an den Beklagten bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsfrist möglich gewesen, wie die Weiterleitung der Einkommensteuererklärung an die Außenstelle Springe zeige. Wie aus den Finanzamtsakten ersichtlich sei, sei der Schätzungsbescheid vom 18. Dezember 2000 über die einheitliche und gesonderte Feststellung beim Finanzamt Hannover-Land I am 19. Dezember 2000 eingegangen. Trotzdem habe das Wohnsitzfinanzamt den Kläger entgegen dem vorliegenden Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung veranlagt. Der Kläger habe somit davon ausgehen können, dass damit alles erledigt sei. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien in Höhe von 37.440,00 DM angesetzt worden. Genau dieser Betrag habe sich aus der abgegebenen Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) für 1999 ergeben.
Der Kläger hat zunächst beantragt,
den Feststellungsbescheid 1999 abzuändern und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 37.440,00 DM festzustellen.
Im Laufe der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seinen Antrag umgestellt und beantragt nunmehr,
den Einspruchsbescheid hinsichtlich der gesonderten Feststellung 1999 vom 17. April 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, der Einspruch sei unzulässig. Er sei erst über ein Jahr nach Ablauf der Einspruchsfrist beim beklagten Finanzamt eingegangen. Im Übrigen seien dem Kläger Kopien der angefochtenen Bescheide bereits am 23. November 2001 zugesandt worden. Beim Beklagten sei innerhalb der Einspruchsfrist für den Feststellungsbescheid 1999 weder ein Einspruch noch die - wie behauptet - bei einem anderen Amt abgegebenen Steuererklärung eingegangen. Das Finanzamt Hannover-Land I, Außenstelle Springe, habe auf telefonische Anfrage bestätigt, dass entgegen der Behauptungen des Klägers die Feststellungserklärung 1999 nicht zusammen mit der Einkommensteuererklärung 1999 eingereicht worden seien. Zweifel an der wirksamen Zustellung der angefochtenen Schätzungsbescheide bestünden nicht. Nach dem Akteninhalt seien die Bescheide an die zutreffende Anschrift adressiert und mangels Erreichbarkeit des Empfängers oder einer zur Entgegennahme berechtigten Person bei der zuständigen Postfiliale niedergelegt worden. Soweit der Kläger den Ort der Niederlegung in Zweifel ziehe, sei dies nicht konkret erläutert worden und deshalb nicht nachzuvollziehen. Das Schreiben an das Finanzamt Hannover-Land I, Vollstreckungsstelle, vom 10. Januar 2002 betreffend Einkommensteuervorauszahlungen 1999/2000 sei auch nicht als Einspruch auszulegen. Selbst wenn - was der handschriftliche Vermerk der Vollstreckungssachbearbeiterin nicht einmal zwingend bestätige - dem Aussetzungsantrag tatsächlich als Anlage auch die Einkommensteuererklärung für 1999 sowie die Gewinn- und Verlustrechnung für den Betrieb der GbR beigefügt worden seien, beinhalte dies nicht einen als "Einspruch" auszulegenden Einwand des Klägers gegen den Feststellungsbescheid für 1999. Zunächst gehöre es zum notwendigen Inhalt der Einspruchseinlegung, dass der Einspruchsführer eindeutig identifizierbar sei. Aus dem Wortlaut des Schreibens vom 10. Januar 2001 sei nicht zu entnehmen, dass dieses Schreiben von dem Kläger gegebenenfalls in seiner Eigenschaft als Beteiligter bzw. als Empfangs- oder Einspruchsbevollmächtigter der C. & Partner GbR verfasst worden sei. Dies müsse umso mehr gelten, als der Kläger nicht die entsprechende Steuernummer des Finanzamts Hildesheim, sondern seine Steuernummer beim Finanzamt Hannover-Land I bezeichnet habe. Aus dem gesamten Vorbringen des Klägers im Schreiben vom 10. Januar 2001 sei auch bei großzügiger Auslegung nicht zu entnehmen, dass er darin Einspruch gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung 1999 der C. & Partner GbR erhoben habe bzw. erheben wolle.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
1.
Die Klage hat Erfolg, denn der Beklagte hat zu Unrecht den Einspruch als unzulässig verworfen. Mit der Abgabe der GuV-Rechnung der GbR für 1999 beim Wohnsitzfinanzamt Hannover-Land I am 10. Januar 2001 hat der Kläger vielmehr rechtzeitig Einspruch gegen den streitbefangenen Feststellungsbescheid erhoben.
a.
Die Einspruchsfrist im Sinne des § 355 Abs. 1 AO begann am 20. Dezember 2000 und endete mit Ablauf des 19. Januar 2001 (§ 108 Abs. 1 AO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).
Die mit der Bekanntgabe des Feststellungsbescheids an den Kläger als Empfangsbevollmächtigten der GbR beginnende Einspruchsfrist wird in Lauf gesetzt, wenn die Bekanntgabe den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Im Streitfall entspricht die Zustellung des Feststellungsbescheids diesen Vorschriften.
Die Zustellung eines Steuerbescheids vollzieht sich nach den Bestimmungen des Verwaltungszustellungsgesetzes --VwZG-- (§ 122 Abs.5 AO 1977). Der Beklagte hat sich gemäß § 3 VwZG für die Zustellung durch die Post entschieden. Der Postbedienstete hat die Zustellung im Wege der Ersatzzustellung vorgenommen (§ 3 Abs.3 VwZG, § 182 ZPO). Ausweislich der Postzustellungsurkunde (PZU) wurde der Feststellungsbescheid am 19. Dezember 2000 beim örtlichen Postamt niedergelegt; die Zustellung war in diesem Zeitpunkt bewirkt. Der Zeitpunkt der Niederlegung ergibt sich aus der Beurkundung in der Zustellungsurkunde.
Als öffentliche Urkunde i.S. des § 418 Abs.1 ZPO erbringt die PZU den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Zwar kann der Inhalt der Urkunde durch Gegenbeweis widerlegt werden (BFH-Urteil vom 10. Oktober 1978 VIII R 197/74, BFHE 126, 359, BStBl II 1979, 209; BFH-Urteil vom 7. Februar 1996 X R 79/95, BFH/NV 1996, 567). Hierzu bedarf es jedoch der Darlegung konkreter Umstände, die ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der beurkundeten Tatsachen zu begründen vermögen.
Einen derartigen Gegenbeweis hat der Kläger nicht geführt. Allein die Behauptung des Klägers, er habe keinen Benachrichtigungszettel in seinem Briefkasten gefunden und auch beim Postamt der Niederlegung habe nicht geklärt werden können, ob er den Benachrichtigungszettel bekommen habe und was mit der Postsendung geschehen sei, reicht insoweit nicht aus.
Für die Wirksamkeit der Ersatzzustellung kommt es nicht darauf an, ob und ggf. wann der Adressat die Mitteilung über die Niederlegung seinem Briefkasten entnommen hat oder ob er sie tatsächlich vorgefunden hat (BFH-Urteil vom 2. Juni 1987 VI R 36/84, BFH/NV 1988, 170; BFH-Urteil vom 5. Januar 1990 III S 7/89, BFH/NV 1991, 322). Der Einwand des Klägers, er habe eine derartige Benachrichtigung in seinem Briefkasten nicht vorgefunden, ist daher unerheblich.
b.
Die innerhalb der Einspruchsfrist beim Wohnsitzfinanzamt Hannover-Land I eingegangene GuV-Rechnung der GbR für 1999 ist als Einspruch auszulegen.
aa.
Die GuV-Rechnung der GbR ist bei einer für die Einspruchseinlegung zuständigen Behörde, dem Einkommensteuerfinanzamt des Klägers, innerhalb der Einspruchsfrist eingegangen.
Grundsätzlich ist der Einspruch bei der Behörde anzubringen, deren Verwaltungsakt angefochten wird oder bei der ein Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes gestellt worden ist (§ 357 Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Einspruch, der sich gegen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder die Festsetzung eines Steuermessbetrags richtet, kann auch bei der zur Erteilung des Steuerbescheids zuständigen Behörde, im Streitfall das Finanzamt Hannover-Land I, angebracht werden (§ 357 Abs. 2 Satz 2 AO).
bb.
Die GuV-Rechnung der GbR für 1999 ist auch als Einspruch gegen den Feststellungsbescheid 1999 des Beklagten auszulegen.
Gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 AO "soll" bei der Einlegung des Einspruchs der Verwaltungsakt bezeichnet werden, gegen den der Einspruch gerichtet ist. Demnach setzt die Zulässigkeit eines Einspruchs zwar keine konkrete und genaue Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts voraus. Der angefochtene Verwaltungsakt als Objekt des Einspruchs muss sich aber aus der Einspruchsschrift in der Weise ergeben, dass er sich entweder durch deren Auslegung ermitteln lässt oder dass Zweifel oder Unklarheiten am Gewollten durch Rückfragen beseitigt werden können (Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 19. Juni 1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998, 6; BFH, Beschluss vom 15. Dezember 1998 I B 45/98, BFH/NV 1999, 751). Denn ein Einspruch, mit dem ein Verwaltungsakt angefochten werden soll, muss sich gegen einen (= einen bestimmten) Verwaltungsakt richten (s. § 347 Abs. 1 Satz 1 AO) und die Zulässigkeit eines solchen Einspruchs setzt voraus, dass der Einspruchsführer geltend macht, durch diesen Verwaltungsakt beschwert zu sein (§ 350 AO).
Nach der Rechtsprechung des BFH dürfen bei der Auslegung eines Einspruchs in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auch außerhalb der Erklärung liegende Umstände berücksichtigt werden (vgl. zu Prozesserklärungen BFH-Urteil vom 18. März 1998 II R 41/97, BFH/NV 1998, 1235; BFH-Beschluss vom 29. November 1995 X B 328/94, BFHE 179, 222, BStBl II 1996, 322). Die Auslegung darf jedoch nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der Erklärung selbst keine Anhaltspunkte finden lassen (s. Urteil in BFH/NV 1998, 1235).
In diesem Zusammenhang hat der BFH entschieden, dass eine in einem Schätzfall nach Erlass des Steuerbescheids beim Finanzamt innerhalb der Einspruchsfrist ohne weitere Erklärung eingereichte Steuererklärung im Zweifel als Einspruch auszulegen ist (BFH-Urteil vom 27. Februar 2003 V R 87/01, BStBl. II 2003, 505). Der BFH hält ein solches Auslegungsergebnis für verfassungsrechtlich geboten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gebietet die Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) eine Auslegung und Anwendung der die Einlegung von Rechtsbehelfen regelnden Vorschriften, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs nicht in zumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschweren. Durch übermäßig strenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften dürfe der Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts nicht unzumutbar verkürzt werden. Lasse deshalb die Äußerung eines Steuerpflichtigen ungewiss, ob er ein Rechtsmittel einlegen wolle, so sei im Allgemeinen die Erklärung als Rechtsmittel zu betrachten, um zugunsten des Steuerpflichtigen den Eintritt der Rechtskraft aufzuhalten (Vergl. Beschluss des BVerfG vom 2. September 2002 1 BvR 476/01, HFR 2003, 74 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechungsgrundsätze, denen der Senat folgt, und nach Würdigung aller besonderen Umstände dieses Streitfalls ist die eingereichte GuV-Rechnung der GbR für 1999 als Einspruch auszulegen.
(1)
Das an Amtsstelle des Finanzamts Hannover-Land I gefertigte und an dieses gerichtete Schreiben vom 10. Januar 2001 weist zwar die Steuernummer des Wohnsitzfinanzamtes auf. Gleichwohl ist aus der Überschrift der gleichzeitig abgegebenen GuV-Rechnung (C. & Partner GbR, Hildesheim; Finanzamt Hildesheim), der hier eingefügten Steuernummer, der Bezeichnung des Ergebnisses der Berechnung (Gewinn 1999) eindeutig erkennbar, dass die Gewinnermittlung den Beklagten und das Feststellungsverfahren bzw. den Feststellungsbescheid 1999 betrifft. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, dass es sich nur um eine - allein zur Begründung des Antrags auf Herabsetzung der Vorauszahlungen - vorläufig oder gar überschlägig erstellte Gewinnermittlung handelt. Vielmehr war für den Empfänger darüber hinaus eindeutig ersichtlich, dass die Besteuerungsgrundlagen bis dahin im Feststellungsbescheid 1999 geschätzt waren. Denn immerhin lag dem Finanzamt Hannover-Land I bereits seit dem 19. Dezember 2000 die entsprechende Mitteilung des Beklagten vor. Der Umstand, dass das Wohnsitzfinanzamt diese Mitteilung ganz offensichtlich auch bei der durch die Außenstelle in Springe vorgenommenen Einkommensteuerveranlagung nicht berücksichtigte, kann nicht zu Lasten des Klägers gehen, denn die zuständigen Sachbearbeiter hätten den Akteninhalt und damit den Eingang der Mitteilung des Beklagten kennen müssen.
Im Ergebnis ist durch die Kennzeichnung der GuV-Rechnung mit dem Namen der GbR, des Beklagten und der Steuernummer in Kenntnis des Umstandes, dass die Besteuerungsgrundlagen im Feststellungsbescheid 1999 (höher) geschätzt waren, ausreichend deutlich gemacht und für den Empfänger auch erkennbar, dass sich der Kläger gegen die aus seiner Sicht zu hohen geschätzten gewerblichen Einkünfte im Feststellungsbescheid 1999 wendet bzw. sich dadurch beschwert fühlt.
(2)
Der vorliegende Sachverhalt kann nach Überzeugung des Senats nicht anders behandelt werden als der Schätzfall, bei dem innerhalb der Einspruchsfrist ohne weitere Mitteilung einer Steuererklärung eingeht und diese als Einspruch auszulegen ist (so der BFH im Urteil vom 27. Februar 2003, a.a.O.). Daß im vorliegenden Streitfall keine Feststellungserklärung, sondern (nur) eine GuV-Rechnung eingereicht wird, steht diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Die Feststellungserklärung an sich ist gerade bei Berücksichtigung der vorliegenden besonderen Umstände (zweigliederige GbR; Kläger zu 100 v.H. am Gewinn beteiligt) nur eine äußere Hülle ohne weiteren Aussagewert hinsichtlich der Frage, wodurch und inwieweit sich ein Steuerpflichtiger beschwert fühlt. Einen eine anderweitige Entscheidung rechtfertigenden substantiiellen Unterschied vermag der Senat jedenfalls nicht zuerkennen.
(3)
Unerheblich ist nach Auffassung des Senats auch, dass die GuV-Rechnung bei der Vollstreckungsstelle des Wohnsitzfinanzamtes abgegeben wurde. Zum einen kann ein Einspruch gegen einen Feststellungsbescheid hier in zulässigerweise angebracht werden (siehe oben unter aa.), zum anderen darf - als Folge hiervon - auch bei der Auslegung eines Schriftstücks als Einspruch die aus Praktikabilitätsgründen vorgenommene Aufsplitterung der Zuständigkeiten auf Seiten der Finanzverwaltung nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen. Für die Frage der Auslegung als Einspruch ist der Kläger also so zu stellen, als wäre die GuV-Rechnung beim Beklagten eingegangen. In diesem Fall hätte der zuständige Sachbearbeiter ohne Weiteres erkennen können, dass sich der Kläger gegen die Höhe der geschätzten Besteuerungsgrundlagen im kurz zuvor ergangenen Feststellungsbescheid 1999 wendet.
Nach alledem war der Einspruchsbescheid aufzuheben.
2.
Auf eine Beiladung der Mutter des Klägers als weitere ehemalige Gesellschafterin der GbR hat der Senat verzichtet, da eine Entscheidung in diesem Verfahren mangels Gewinnbeteiligung keine steuerliche Wirkungen für sie entfalten kann.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die hälftige Kostentragung zu Lasten des Klägers ergibt sich daraus, dass der eingeschränkte Antrag auf Aufhebung des Einspruchsbescheides erst am Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt wurde. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).