Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 19.12.2000, Az.: 6 A 363/00

Betreibensaufforderung; fiktive Klagerücknahme; Nichtbetreiben; psychische Erkrankung; Wohnsitz; Zulässigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
19.12.2000
Aktenzeichen
6 A 363/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 41247
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG - 05.02.2001 - AZ: 11 LA 550/01

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Feststellung des Nichtbetreibens des Verfahrens durch Urteil, nachdem die Kläger innerhalb der Betreibensfrist seinen Aufenthaltsort nicht zutreffend benannt hatten und das Versäumnis nicht (mit psych. Erkrankung) entschuldigt ist.

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die Klage gemäß § 81 AsylVfG als zurückgenommen gilt.

Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen, Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können eine vorläufige Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Die 1966 bzw. 1973 geborenen Kläger sind miteinander verheiratete türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Ausweislich der von ihnen vorgelegten Nüfen stammen sie aus dem Ort Y. Nach eigenen Angaben reisten sie Anfang November 1996 auf dem Luftweg über den Flughafen Frankfurt am Main in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihren daraufhin gestellten Asylantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 24.01.1997 ab. Die dagegen erhobene Klage blieb ebenso erfolglos, wie der gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover Urteil vom 03.11.1999 (Az.: 1 A 713/97) gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung, den das Nds. Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 09.02.2000 (11 L 4871/99) ablehnte. Seit dem 09.03.2000 sind die Kläger ausreisepflichtig.

2

Am 26.06.2000 beantragten die Kläger, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen und auch das Verfahren zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG wieder aufzugreifen. Zur Begründung beriefen sie sich u.a. auf die ihrer Ansicht nach gegebene Gruppenverfolgung nichtassimilierter Kurden in der Türkei. Außerdem machten sie geltend, dass nunmehr ein psychologisches Gutachten vom 08.06.2000 vorliege, wonach der Kläger zu 1. an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit überwiegender Vermeidungssymptomatik und Somatisierung gemäß ICD-10-F43.1 leide; im Gutachten werde auch eine Traumatisierung mit folterbiografischer Verankerung diagnostiziert, was die Glaubhaftigkeit der bisherigen Angaben des Klägers zu 1. belege.

3

Mit Bescheid vom 28.06.2000, zugestellt am 30.06.2000, lehnte das Bundesamt die Durchführung von weiteren Asylverfahren und auch die Anträge zu § 53 AuslG ab.

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Dagegen haben die Kläger entsprechend der ihnen erteilten Rechtsmittelbelehrung beim Verwaltungsgericht Göttingen am 30.06.2000 Klage erhoben und am 05.07.2000 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht, wobei sie ihre frühere Adresse im Gebiet des Landkreises Goslar mit dem schon im Bescheid des Bundesamtes aufgeführten Zusatz "untergetaucht" angaben. Das Verwaltungsgericht Göttingen hat die Verfahren mit Beschluss vom 06.07.2000 an das Verwaltungsgericht Braunschweig verwiesen.

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Mit Beschluss vom 08.08.2000 in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Beklagte (6 B 364/00) sowie mit Beschluss vom 15.08.2000 in dem abgetrennten Verfahren gegen den Landkreis Goslar als Ausländerbehörde (6 B 397/00) hat das Verwaltungsgericht Braunschweig die Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes jeweils mit der Begründung zurückgewiesen, den seit März 2000 untergetauchten und nur noch über ihre Prozessbevollmächtigten erreichbaren Antragstellern stünde ein Rechtsschutzbedürfnis nicht zu und ihrem Begehren sei auch deshalb der Erfolg zu versagen, weil sie eine ladungsfähige Anschrift nicht angegeben hätten. Der gegen den Beschluss vom 15.08.2000 gestellte Antrag auf Zulassung der Beschwerde blieb ebenso ohne Erfolg (Beschluss des Nds. OVG vom 19.09.2000 - 1 M 3219/00) wie eine dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde, die von der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 26.10.2000 nicht angenommen worden ist (2 BvR 1711/00).

6

Mit Verfügung vom 21.08.2000, am 23.08.2000 den Prozessbevollmächtigten der Kläger gegen Empfangsbekenntnis zugestellt, hat das erkennende Gericht die Kläger unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 81 AsylVfG aufgefordert, das Verfahren zu betreiben und dazu den tatsächlichen Aufenthaltsort der Kläger unter Angabe ihrer ladungsfähigen Anschrift mitzuteilen.

7

Mit Schreiben vom 25.09.2000, das noch am selben Tag, einem Montag, bei Gericht einging, teilte die Kläger über ihre Prozessbevollmächtigten mit, sie wollten das Verfahren "hiermit" betreiben: Zwischenzeitlich sei gegen den Beschluss vom 15.08.2000 Verfassungsbeschwerde eingereicht worden und sie würden sich gegenwärtig um ein Kirchenasyl bemühen; ihre Bevollmächtigten seien beauftragt mit der Ausländerbehörde zu klären, ob sie für den Fall der Mitteilung ihres gegenwärtigen Aufenthalts von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen absehe.

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Daraufhin stellte das erkennende Gericht mit Beschluss vom 27.09.2000 das Verfahren nach § 81 AsylVfG ein.

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Mit Schreiben vom 05.10.2000 beantragten die Kläger, das Verfahren fortzusetzen. Sie beriefen sich auf ihren bisherigen Vortrag und fügten zur Glaubhaftmachung die Bescheinigung des Psychosozialen Zentrums für ausländische Flüchtlinge e.V. Refugio vom 04.10.2000 bei. Darin wird ausgeführt, der Kläger zu 1. sei als traumatisch erkrankter Patient durch die drohende erzwungene Rückkehr einer potentiell retraumatisierenden Wirkung ausgesetzt. Unabhängig von der Rechtslage habe er diese Situation als subjektiv lebensbedrohlich wahrgenommen. Er habe daraufhin mit einer für solche Notfallsituationen charakteristischen psychischen Nothandlung reagiert, nämlich mit dem Impuls zu fliehen und sich zu verstecken. Das Sich-Verstecken sei subjektiv als der einzig mögliche Ausweg aus der als lebensbedrohlich empfundenen Notlage erschienen. Im weiteren Verlauf des Verwaltungsrechtsstreits haben die Kläger, die sich seit dem 13.12.2000 im sog. "Kirchenasyl" befinden, Angaben zu ihrem tatsächlichen Aufenthaltsort gemacht und sich darüber hinaus auf herausgehobene öffentlichkeitswirksame Protestaktionen berufen, mit denen sie für die kurdische Sache eingetreten seien.

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Die Kläger beantragen,

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das Asylklageverfahren fortzusetzen und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 30.06.2000 zu verpflichten, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen sowie Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise nach § 53 AuslG hinsichtlich der Türkei zu gewähren.

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Die Beklagte, die im Übrigen Klageabweisung beantragt hat, stellt zum Fortsetzungsbegehren keinen Antrag.

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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens, sowie der Verfahren 6 B 364/00, 6 B 397/00 (einschließlich des hierin enthaltenen Vorgangs des Nds. OVG) und 6 B 530/00 sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

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Mit Beschluss vom 14.12.2000 hat das erkennende Gericht den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und angeordnet, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens von Beteiligten verhandeln und entscheiden konnte, da es in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen hat (§ 102 Abs. 2 VwGO), bleibt ohne Erfolg, da ihrem Antrag auf Fortsetzung des mit unanfechtbarem deklaratorischem Beschluss des Gerichts vom 27.09.2000 eingestellten Verfahrens, in dem sie im Wege eines Folgeantrages um Asyl und Abschiebungsschutz nachgesucht hatten, nicht entsprochen werden kann, da das Verfahren nach § 81 AsylVfG beendet und diese Rechtsfolge nunmehr festzustellen ist.

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Nach § 81 AsylVfG gilt eine Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als einen Monat nicht betreibt. Die Beendigung des Verfahrens nach Nichtbefolgung der Aufforderung tritt unmittelbar kraft Gesetzes ein und ist einer Disposition durch die Verwaltungsgerichte nicht mehr zugänglich (vgl. BVerwG, Urt. vom 15.01.1991 - 9 C 96/89, Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG = NVwZ-RR 1991, 443; OVG Weimar Beschl. vom 13.03.98 - 4 EO 305/98, DÖV 99,121). Wird nachträglich streitig, ob die Voraussetzungen der Fiktion der Klagerücknahme vorgelegen haben, ist darüber - wie bei einem Streit über die Wirksamkeit einer erklärten Antragsrücknahme - in der Form zu entscheiden, die bei einer Entscheidung in der Hauptsache vorgesehen ist, im erstinstanzlichen Verfahren also regelmäßig - wie hier - durch Urteil (vgl. BVerfG Beschl. vom 26.01.1998 - 2 BvR 67/98; Beschl. vom 26.01.1998 - 2 BvR 67/98 -jew. zit. nach juris, Schenk in: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Mai 1998, § 81 AsylVfG, Rn. 35 m. w. Nw.).

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Die Voraussetzungen der Verfahrensbeendigung nach § 81 Satz 1 AsylVfG lagen vor. Die Kläger sind über ihre Prozessbevollmächtigten mit einer am 23.08.2000 gegen Empfangsbekenntnis nach § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 5 Abs. 2 des Bundesverwaltungszustellungsgesetzes zugestellten beglaubigten Abschrift des ersichtlich vom Einzelrichter unterzeichneten Schreibens des Gerichts vom 21.08.2000 aufgefordert worden, ihren tatsächlichen Aufenthaltsort unter Angabe ihrer ladungsfähigen Anschrift mitzuteilen. In diesem Zusammenhang sind sie nach § 81 Satz 3 AsylVfG auf den Inhalt der Bestimmungen der Sätze 1 und 2 dieser Vorschrift hingewiesen worden.

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Die sachlichen Voraussetzungen für diese konkrete Aufforderung lagen ebenfalls vor. § 81 AsylVfG bindet zwar nach seinem Wortlaut die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens nicht ausdrücklich an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Diese ergeben sich aber ohne Weiteres aus dem Inhalt der Vorschrift sowie aus Sinn und Zweck der gerichtlichen Betreibensaufforderung. Danach soll der Kläger darauf hingewiesen werden, dass in seinem Fall eine Verfahrensbeendigung ohne Sachprüfung droht, weil Zweifel an seinem Rechtsschutzinteresse bestehen. Eine an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung setzt im Einklang mit Art. 19 Abs. 4 GG stets ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. BVerfG, Beschl. vom 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95, NVwZ 1999, Beilage Nr. 3, S. 17 f m. w. Nw.). Einen Anspruch auf gerichtliche Sachentscheidung hat nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt (BVerfG, Beschl. vom 27.10.1998,  aaO), wobei schützwürdig nur ein Interesse ist, das sich im Rahmen der Rechtsordnung hält. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass eine Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten des Klägers im Einzelfall durchaus als Ausdruck seines Desinteresses an der Weiterverfolgung seines Rechtsschutzbegehrens gewertet werden kann und die Annahme rechtfertigt, ein rechtsschutzwürdiges Interesses an einer Sachentscheidung bestehe nicht (mehr) (grundlegend BVerwG, Urt. vom 23.04.1985, - 9 C 48/84, BVerwGE 71,213,218; ebenso etwa BVerfG, Beschl. vom 27.10.1998,  aaO). Dabei dürfen die Anforderungen an die Mitwirkung und Förderung des Prozesses durch den Kläger aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht überspannt werden (vgl. hierzu BVerfG NVwZ 1985, 33 und Beschluss vom 27. Oktober 1998 a.a.O.). Durch die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens darf von dem Kläger nur das verlangt werden, wozu er im Rahmen der ihn treffenden Mitwirkungspflicht gehalten gewesen wäre und was er bislang schuldig geblieben ist. In diesem Sinne ist insbesondere auch anerkannt, dass ein Rechtsschutzinteresse jedenfalls im Regelfall nicht besteht, wenn ein Asylbewerber das gerichtliche Verfahren aus dem "Verborgenen" heraus führen und entgegen seinen Mitwirkungsobliegenheiten aus § 10 AsylVfG und aus § 82 VwGO (vgl. dazu insbesondere BVerwG, Urteil vom 13.04.1999 - 1 C 24.97 - DVBl. 1999, 989; Nds. OVG, Beschl. vom 20.12.1999 - 12 M 4779/99 -) seinen tatsächlichen Aufenthaltsort bzw. seine ladungsfähige Anschrift nicht preisgeben will (vgl. BVerfG, Beschl. vom 14.12.1995, -2BvR 2552/95 -, DVBl. 1996, 611; Beschl. vom 31.08.1999 - 2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000, 67 sowie die in dem o.g. ausländerrechtlichen Verfahren ergangenen Entscheidungen, BVerfG, Beschl. vom 26.10.2000 - 2 BvR 1711/00 und  Nds. OVG, Beschl. vom 19.09.2000 - 11 M 3219/00 m.w.Nw.). Nach § 10 Abs. 1 AsylVfG muss der Ausländer während der Dauer des Asylverfahrens - hierzu zählt auch ein Asylfolgeverfahren nach § 71 AsylVfG (Schütze in: GK-AsylVfG, § 10 Rn. 11) - für die damit befassten öffentlichen Stellen stets erreichbar sein. Nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur ist demgemäß das "Untertauchen" eines Asylbewerbers in einen unbekannten Aufenthalt - unbekannt ist der Aufenthalt des Ausländers immer dann, wenn die für die Durchsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zuständigen Behörden dessen Aufenthaltsort ohne eigenes Verschulden nicht kennen (vgl. Hailbronner a.a.O., § 42 AuslG Rn. 41) - ein hinreichender Anlass, für eine Aufforderung nach § 81 AsylVfG, den gegenwärtigen Aufenthaltsort bzw. die ladungsfähige Anschrift mitzuteilen (vgl. neben den bereits Genannten insbes. BVerwG, Urt. vom 23.04.1985, BVerwGE 71, 213; Molitor in: GK-AsylVfG, § 81 Rn. 54 m. w. Nw.). Der Umstand, dass der Asylbewerber (womöglich) über seinen Prozessbevollmächtigten erreichbar ist, ändert daran nichts (vgl. dazu insbes. auch OVG Koblenz, Beschl. vom 13.04.2000 - 10 A 111740/98, NVwZ 2000, Beilage 9, 107, VG Neustadt /W., Urt. vom 25.11.1998 - 11 K 332/98.NW -, Urt. vom 14.07.1999 - 4 K 613/99.NW, VG Oldenburg, Urt. vom 03.05 1993 - 5 A 3887/91 -, jew. zit. nach Juris und jew. m. w. Nw.; a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 16.12.1998 - 21 E 1064/98.A, AuAS 1999, 94 f). Denn dadurch erfüllt der Asylbewerber auch seine aus § 82 VwGO folgenden Mitwirkungsobliegenheiten nicht. Zu dem von § 82 Abs. 1 VwGO vorgeschriebenen notwendigen Inhalt einer Klage gehört mit Blick auf die Bezeichnung des Klägers regelmäßig dessen Wohnungsanschrift als die Anschrift, unter der er tatsächlich zu erreichen ist, da es auf diese im Rahmen eines geordneten Gerichtsverfahrens aus den unterschiedlichen Gründen ankommt. Davon kann etwa die Individualisierung des jeweiligen Klägers, die örtliche Zuständigkeit des Gerichts wie aber auch der beklagten Behörde abhängen. Auch ist die Zustellung an den Kläger persönlich zu richtender gerichtliche Anordnungen ohne Kenntnis der aktuellen Wohnungsanschrift ebenso wenig möglich, wie die Zumutbarkeit seines persönlichen Erscheinens bei Gericht, die Angemessenheit der Beauftragung eines auswärtigen Anwalts bzw. die Erstattungsfähigkeit dadurch verbundener Kosten beurteilt werden oder letztlich etwaige Kostenforderungen durchgesetzt werden können. Im Übrigen liegt aber auch unabhängig davon in Fällen der vorliegenden Art, in denen nämlich ein Kläger zwar um gerichtlichen Rechtsschutz nachsucht, gleichzeitig aber die erforderlichen Angaben hinsichtlich seiner Anschrift bzw. seines Aufenthaltsortes zurückhält, der Verdacht des Rechtsmissbrauchs nahe, indem dieser zwar mit der Fortführung seines weiteren Verfahrens aus dem Verborgenen auf ein mögliches Obsiegen hofft und sich alsdann auch die daraus für ihn resultierenden Vorteile zu Nutze machen möchte, gleichzeitig aber Grund zu der Annahme gibt, dass er sich seiner Rolle als Verfahrensbeteiligter mitsamt der daraus resultierenden Pflichten und Risiken insbesondere im Fall des Unterliegens möglicherweise entziehen werde (vgl. dazu insbes. OVG Koblenz, Beschl. vom 13.04.2000 - 10 A 111740/98, NVwZ 2000, Beilage 9, 107 m. w. Nw.).

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Nach diesen Grundsätzen hat auch im Falle der Kläger ein hinreichender Anlass für die ergangene Betreibensaufforderung bestanden. Die Kläger haben bei Einreichung der Klage neben der ihnen zugewiesenen Adresse selbst angegeben, "untergetaucht" und allenfalls über ihre Prozessbevollmächtigten erreichbar zu sein. Auf einen nach Eingang der Sache beim Verwaltungsgericht Braunschweig unter dem 12.07.2000 ergangene Aufforderung, die Anschrift ihres tatsächlichen Aufenthaltsortes mitzuteilen, die mit dem Hinweis verbunden war, andernfalls drohe eine Abweisung der Klage als unzulässig (Bl. 87 GA), haben sie zwar mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 20.07.2000 (Bl. 93 GA) mitgeteilt, die Kläger wohnten bei Semsettin  P. unter der gleichzeitig angebeben Adresse in Bremen. Die daraufhin durchgeführten weiteren Ermittlungen der auf Ersuchen des Verwaltungsgerichts eingeschalteten örtlichen Polizei haben indessen ergeben, dass die Kläger sich in dieser Wohnung jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht aufgehalten haben. In dem Tätigkeitsbericht der Polizei Bremen vom 21.07.2000 heißt es dazu, obwohl Herr P. zu verschiedenen Zeiten am Wochenende aufgesucht wurde, habe der Kläger in dessen Wohnung nicht angetroffen werden. Herr P. habe angegeben, der Gesuchte habe sich vor etwa 10 Tagen bei ihm aufgehalten und sei anschließend in unbekannte Richtung "weitergezogen". Er, Herr P., wisse auch nicht, wo sich die Klägerin, seine Schwester, aufhalte. Dass sich die Kläger weiterhin "verborgen" halten wollten, wird auch mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 31.07.2000 bestätigt. Darin bekräftigen die Kläger ihre Auffassung, ihre Wohnanschrift ergebe sich nach wie vor aus der in der Klageschrift angegebenen "Zuweisungsanschrift" in Seesen. Die Tatsache, dass sie sich vorübergehend dort nicht aufhalten würden, stehe dem nicht entgegen. Das Gericht sei im Übrigen nicht berechtigt, die Preisgabe des tatsächlichen Aufenthaltsortes zu fordern, da sie daran nicht zuletzt wegen der geltend gemachten psychischen Störung ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse hätten. Dies genügt den aufgezeigten gesetzlichen Anforderungen indessen nicht. Der Argumentation der Kläger, ihnen müsse nicht zuletzt mit Blick auf die geltend gemachte psychische Störung des Klägers zu 1. gestattet sein, ihren tatsächlichen Aufenthaltsort zu verbergen, um einer Abschiebung vor der Klärung ihres Aufenthaltsrechts zu begegnen, ist nicht zu folgen. Bereits im vorangegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist das Nds. OVG dazu zutreffend ausgeführt: "Die Bundesrepublik Deutschland hat für im Bundesgebiet um Schutz nachsuchende Ausländer im Asylverfahrens und Ausländergesetz Regelungen getroffen, woraus sich im Einzelnen das Recht eines Ausländers, vorläufig oder endgültig im Bundesgebiet zu bleiben, aber auch seine Pflicht, die Bundesrepublik zu verlassen, ergibt. Wenn Ausländer sich gegenüber der Bundesrepublik Deutschland auf diese Regelungen berufen, müssen sie die Regelungen in ihrer Gesamtheit akzeptieren, mithin auch diejenigen ebenfalls unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten getroffenen Wertungen, die einem weiteren Aufenthalt u.U. entgegenstehen (z.B. die Bestimmung, dass nach negativem Abschluss eines Asylerstverfahrens ein anschließendes Asylfolgeverfahren nicht ohne weiteres zu einem weiteren vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet führt). Sie können mit anderen Worten nicht die Vorteile einer ihren Aufenthalt bejahenden Regelung/gerichtlichen Entscheidung in Anspruch nehmen, für den Fall einer eine weitere Aufenthaltsmöglichkeit ablehnenden Regelung/ gerichtlichen Entscheidung die daraus folgende Verpflichtung (freiwillige Ausreise/ Abschiebung) aber ablehnen bzw. durch Untertauchen zu vereiteln versuchen" (Beschl. vom 19.09.2000, aaO, S. 4).

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Auch mit Blick auf die für den Kläger zu 1. geltend gemachte Erkrankung ergibt sich, jedenfalls für den bei der Beurteilung eines hinreichenden Aufforderungsanlasses allein sachgerechten Zeitraum bis zur Zustellung der Betreibensaufforderung, etwas anderes nicht. Dem vorgelegten Privatgutachten der Gesellschaft zur Unterstützung von Gefolterten und Verfolgten e.V. (Bl. 56 bis 61 GA) lässt sich weder ausdrücklich noch sinngemäß entnehmen, dass es dem Kläger zu 1. unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, die Anschrift seines tatsächlichen Aufenthaltsorts preiszugeben. Im vorgelegten Privatgutachten wird u.a. ausgeführt, der Kläger zu 1. leide an einer "posttraumatischen Belastungsstörung mit überwiegender Vermeidungssymptomatik und Somatisierung gemäß ICD-10 F 43.1". Diese Belastungsstörung, die Krankheitswert erreiche, drücke sich primär in Form von Vermeidungsverhalten, intrusiven Alpträumen und physiologischen Anzeichen eines "erhöhten Arousals (Schreckhaftigkeit, Durchschlafstörungen und Händezittern)" aus. Hinzu kämen anhaltende "Kopfschmerzen, welche durch interne bzw. externe Triggerreize ausgelöst und daher als psychisch bedingte Somatisierungssymptome" einzuordnen seien. Diese könnten zusammen mit dem situativ verstärkten Händezittern als eine Form von "körperlichen Intrusionen" angesehen werden. Die Traumatisierung werde derzeit "aufgrund der akuten Abschiebungsgefahr und seiner prekären Aufenthalts-, Wohn- und Lebensverhältnisse von einer akuten Krisenreaktion überlagert, die sich in anhaltenden Angstzuständen, Übererregung und Rückzugsverhalten niederschlägt und somit sein psychisches Gleichgewicht erschwerend belastet". Dabei werde sein unverarbeitetes Trauma durch den vor drei Monaten entstandenen Sicherheitsverlust und der wahrscheinlich gewordenen Konfrontation mit Auslösereizen in seiner Herkunftsregion erneut aktualisiert, so dass daraus eine "Verschärfung seiner posttraumatischen Angst- und Somatisierungssymptomatik" folge. Da diese den Kläger zu 1. nicht gehindert hat, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen sowie sich z.B. am 24.06.2000 auf einer kurdischen Großveranstaltung als Ordner zu betätigen (Schriftsatz vom 11. 12.2000, Bl. 246 ff), kann auch nicht angenommen werden, er sei krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, seine ladungsfähige Anschrift gegenüber dem Gericht anzugeben bzw. angeben zu lassen. Wäre dem so, wäre auch die Prozessfähigkeit des Klägers zu 1. in Frage gestellt. Solches behaupten indessen auch die Prozessbevollmächtigten der Kläger nicht, die sich noch nicht einmal ausdrücklich darauf berufen, ihnen sei es untersagt, die Anschrift der Kläger preiszugeben bzw. sie würden sie selbst nicht kennen. Erst recht kann aus den für die Klägerin zu 2. vorgelegten Bescheinigungen nicht gefolgert werden, sie sei nicht in der Lage gewesen, ihre ladungsfähige Anschrift anzugeben.

21

Auf die sonach berechtigte Betreibensaufforderung haben die Kläger das Verfahren binnen der Monatsfrist des § 81 AsylVfG, die mit Zustellung der Betreibensaufforderung am 23.08.2000 begann und - da der 23.09.2000 auf einen Samstag fiel - am Montag dem 25.09.2000 endete (§§ 57 Abs. 2 VwGO, 22 Abs. 1 und 2 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB), nicht betrieben. Insoweit ist allgemein anerkannt, dass ein Asylkläger nach Erhalt einer zulässiger Weise ergangenen Betreibensaufforderung auf jeden Fall substantiiert dartun muss, dass und warum das Rechtsschutzinteresse trotz der auf Seiten des Gerichts aufgetretenen Zweifel an seinem Fortbestehen nicht entfallen ist. Beruhen die Zweifel - wie hier - auf einer Vernachlässigung der Mitwirkungspflicht, muss sich aus der Reaktion des Klägers ergeben, dass diese entgegen dem äußeren Anschein nicht begründet sind. Die Zweifel können dadurch ausgeräumt werden, dass der konkreten Aufforderung des Gerichts nachgekommen (vgl. dazu etwa BVerwG, Urt. vom 23.04.1985 - 9 C 48.84 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 3, Urt. vom 13.01.1987 - 9 C 259/86 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 6) oder zumindest substantiiert und glaubhaft darlegt wird, warum die geforderten Mitwirkungshandlungen nicht erbracht werden können (sog. "alternatives Betreiben", vgl. dazu Molitor in: GK- AsylVfG, § 81, Rn. 103 ff. m.w.N.; OVG Koblenz, Beschl. vom 13.04.2000 - 10 A 111740/98, NVwZ 2000, Beilage 9, 107).

22

Dies haben die Kläger nicht getan. Ihrem am letzten Tag der Frist eingegangenen Schriftsatz vom 25.09.2000 lässt sich lediglich entnehmen, dass die Kläger zwischenzeitlich gegen den im einstweiligen Rechtschutzverfahren ergangenen Beschluss vom 15.08.2000 Verfassungsbeschwerde eingelegt haben, sich um ein Kirchenasyl bemühen und ihre Prozessbevollmächtigte beauftragt haben, mit der Ausländerbehörde zu klären, ob diese von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen absieht, wenn sie ihren gegenwärtigen Aufenthalt mitteilen. Die ihnen durch die Betreibensaufforderung nach § 81 AsylVfG eingeräumte Möglichkeit, die der gesetzlichen Fiktion der Verfahrensbeendigung zugrundeliegende Annahme eines Wegfalls des Rechtsschutzinteresses vor Eintritt der Fiktion zu widerlegen, haben die Kläger nicht genutzt. Sie haben es insbesondere auch unterlassen, in einleuchtender Weise darzulegen, aus welchen von ihnen nicht zu vertretenden Gründen sie - wie sie jetzt behaupten - an einem Betreiben des Verfahrens gehindert waren.

23

Die im Zuge ihres Antrages auf Fortsetzung des Verfahrens geltend gemachten Gründe, namentlich die Behauptung einer subjektiven Unmöglichkeit, ihren tatsächlichen Aufenthaltsort unter Angabe der ladungsfähigen Anschrift zu nennen, haben die Kläger nicht binnen der Betreibensfrist vorgebracht, so dass darauf hier nicht weiter einzugehen ist, da die gesetzliche Fiktion einer Klagerücknahme unmittelbar von Gesetzes wegen eingetreten ist und grundsätzlich nicht nachträglich wieder entfallen kann (vgl. dazu insbes. BVerwG, Urt. vom 13.01.1987 -9 C 259.86 -, Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 6; Urt. vom 15.01.1991 - 9 C 96/89 -, Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 11).

24

Die von den Klägern begehrte Widereinsetzung in den vorigen Stand kann ihnen nicht gewährt werden. Allerdings ist höchstrichterlich geklärt, dass in Rechtsanalogie zu §§ 58 Abs. 2, 60 Abs. 3 VwGO Wiedereinsetzung in die versäumte Betreibensfrist zu gewähren ist, wenn diese wegen höherer Gewalt nicht eingehalten werden konnte (BVerwG, Urt. vom 23.04.1985 - 9 C 7.85 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 4; Urt. vom 13.01.1987 -9 C 259.86 -, Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 6; Urt. vom 15.01.1991 - 9 C 96/89 -, Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 11 m. w. Nw.). Unter höherer Gewalt in diesem Sinne ist ein Ereignis zu verstehen, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte, nach den Umständen des konkreten Falls vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe zu erwartenden und zumutbaren Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (BVerwG, Urt. vom 13.01.1987 -9 C 259.86 -, Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 6 m. w. Nw.). Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Kläger durch die geltend gemachte (Re-)Traumatisierung des Klägers zu 1. tatsächlich subjektiv gehindert waren, ihren konkreten Aufenthaltsort bzw. ihre ladungsfähige Anschrift anzugeben. Denn selbst wenn es so gewesen wäre (und sich nach dem Inhalt des Schriftsatzes vom 23.11.2000 - Bl. 209 GA - erst nach Ablauf der Betreibensfrist geändert hätte), könnte dies keinen Grund für ein Wiedereinsetzung hergeben, so dass auch der in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag auf Vernehmung der behandelnden Therapeutin, Frau Dipl. Psych. K. als sachverständige Zeugin abzulehnen ist, der zudem im Sinne des § 87 b VwGO verspätet gestellt worden ist und im Falle seiner Erheblichkeit zurückgewiesen worden wäre. Denn es ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die anwaltlich vertretenen Kläger aus Gründen höherer Gewalt gehindert gewesen wären, diese erstmals im Laufe der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angeführten Gründe binnen der ihnen nach § 81 AsylVfG gesetzten Frist gelten zu machen und das Verfahren dadurch zu betreiben. Selbst wenn dazu eine Stellungnahme der behandelnden Therapeutin K. erforderlich gewesen wäre, was nicht zwingend erscheint, könnte dem Vorbringen der Kläger, insbesondere ihren Darlegungen im Schriftsatz vom 20.11.2000 (Bl. 217 GA), nicht entnommen werden und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass sie alles ihnen zumutbare unternommen haben, die Therapeutin zu einer entsprechenden Attestierung noch binnen der ihnen gesetzten Frist zu bewegen bzw. die ggf. auch insoweit bestehenden Hinderungsgründe über ihre Prozessbevollmächtigten noch rechtzeitig geltend zu machen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b Abs. 1 AsylVfG. Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.