Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 15.06.2012, Az.: 13 A 2520/10

Beamter; Beihilfe; Hilfsmittel; Höchstbetrag; Hörgerät; notwendig

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
15.06.2012
Aktenzeichen
13 A 2520/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44496
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ist ein Hilfsmittel - Hörgerät - notwendig und angemessen, so sind die Hinweise des Bundesministeriums des Inneren - BMI -, Anlage 2 Nr. 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 Bhv, namentlich der dort bestimmte Höchstbetrag nicht geeignet, die Beihilfefähigkeit zu beschränken.

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin unter Berücksichtigung der bereits gewährten Beihilfe von 820,00 Euro und des Bemessungssatzes von 80 Prozent, zu den Aufwendungen für das Hörgerät ihrer Tochter G.  von insgesamt 2570,50 Euro, eine weitere Beihilfe in Höhe von 1220,00 Euro zu gewähren.

Die Beihilfebescheide vom H. und I. und der Widerspruchsbescheid vom J. werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Gewährung einer weiteren Beihilfe zu den Aufwendungen für ein ärztlich verordnetes Hörgerät ihrer minderjährigen Tochter.

Die Klägerin ist Lehrerin im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit im Dienst des Landes Niedersachsen. Sie ist selbst beihilfeberechtigt mit einem Bemessungssatz von 50 Prozent und ihre am 19.04.1996 geborene minderjährige Tochter ist beihilfeberechtigt mit einem Bemessungssatz von 80 Prozent.

Unter dem 21. Dezember 2009 beantragte die Klägerin, unter Vorlage der ärztlichen Verordnung vom 30.10.2009 und der Rechnung des Hörgeräteakustikers vom 17.12.2009, die Gewährung einer Beihilfe zu den Aufwendungen von 2570,50 Euro für ein, ihrer Tochter G.  ärztlich verordnetes Hörgerät.

Mit Bescheiden vom H. und I. gewährte die Beklagte der Klägerin unter Zugrundelegung eines Bemessungssatzes von 80 Prozent eine Beihilfe in Höhe von 820,00 Euro. Die Gewährung einer weitergehenden Beihilfe lehnte sie mit der Begründung ab, die Aufwendungen für Hörgeräte (einschließlich der Nebenkosten) seien nur bis zu einem Höchstbetrag von 1025,00 Euro je Ohr beihilfefähig (Hinweis Nr. 4 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BHV).

Dagegen erhob die Klägerin unter dem 25.01.2010 Widerspruch und vertrat, unter Vorlage einer Stellungnahme der K. vom 08.02.2010 und einer Stellungnahme der Hörgeräteakustikmeisterin L. vom 25.01.2010 die Ansicht, ihr stehe unter Berücksichtigung des Bemessungssatzes von 80 Prozent, eine weitergehende Beihilfe zu den Aufwendungen für das Hörgerät zu. Ihre Tochter leide an einer einseitigen Schwerhörigkeit auf dem rechten Ohr, und das ausgewählte Hörgerät sei notwendig, um Hörvermögen zu verbessern. Im Rahmen der Anpassung und Auswahl des Hörgerätes seien insgesamt sieben Hörgeräte ausprobiert worden. Die Versorgung mit einem preiswerteren Hörgerät sei danach nicht in Betracht gekommen, weil nur das ausgewählte Hörgerät gepasst habe und eine ausreichende Verbesserung des Hörvermögens auf dem rechten Ohr ermögliche.

Mit Widerspruchsbescheid vom J. wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Beihilfe sei ihrem Wesen nach eine Hilfeleistung des Dienstherrn, die neben der zumutbaren Eigenbelastung des Beamten ergänzend und in angemessenem Umfang einzugreifen habe, um die wirtschaftliche Lage des Beamten, in einem durch die Fürsorgepflicht gebotenen Maß, durch Zuschüsse zu erleichtern. Die Beihilfe diene dazu, die aus den laufenden Bezügen zu bestreitende Eigenversorgung zu ergänzen. Daneben müsse der Beamte gewisse Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der pauschalierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergäben und keine unzumutbare Belastung darstellten. Die geltend gemachten Aufwendungen für Hörgeräte seien zwar nach den Beihilfevorschriften (Nr. 1 der Anlage III zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BHV) dem Grunde nach beihilfefähig. Nach den Hinweisen des Bundesministeriums des Innern (zukünftig abgekürzt: BMI) zu den Beihilfevorschriften, namentlich der Nr. 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 sei die Beihilfe (einschließlich der Nebenkosten) aber auf den Höchstsatz von 1.025,00 Euro je Ohr begrenzt. Dementsprechend sei eine beihilferechtliche Berücksichtigung nur bis zu dem vorgegebenen Höchstsatz möglich.

Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 30.04.2010 zugestellt.

Die Klägerin hat am Montag, den 31.05.2010 Klage erhoben.

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie die Ausführungen im Verwaltungsverfahren. Ausgehend von den Anschaffungskosten von 2.570,50 Euro, der bereits gewährten Beihilfe von 820,00 Euro könne sie eine weitergehende Beihilfe in Höhe von 1.220,00 Euro beanspruchen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Klageschrift und die weitergehenden Schriftsätze vom 09.07.2010 und vom 07.09.2011 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin unter Berücksichtigung der bereits gewährten Beihilfe von 820,00 Euro und des Bemessungssatzes von 80 Prozent, zu den Aufwendungen für das Hörgerät ihrer Tochter M. von insgesamt 2570,50 Euro, eine weitere Beihilfe in Höhe von 1220,00 Euro zu gewähren und die Beihilfebescheide vom H. und I. und den Widerspruchsbescheid vom J. aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft die Beklagte ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten Bezug genommen. Diese waren, ebenso wie die von der Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung vorgelegten weiteren Unterlagen, Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe

In der Sache entscheidet die Berichterstatterin als Einzelrichterin, nachdem ihr die Kammer die Sache zur Entscheidung übertragen hat (§ 6 VwGO).

Die Klage ist zulässig und in der Sache begründet.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf die Gewährung einer weiteren Beihilfe zu den Aufwendungen für das Hörgerät ihrer Tochter in Höhe von 1.220 Euro zu.

Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die die Beihilfe verlangt wird (vgl. st. Rspr. BVerwG, Urteile vom 28. Juni 1965 - BVerwG 8 C 80.64 - BVerwGE 21, 264 (265 ff.),  24. März 1982 - BVerwG 6 C 95.79 - BVerwGE 65, 184 (187); vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 2 C 35.04 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 17 (Rn. 11)).

Danach bestimmt sich die Beihilfefähigkeit der hier streitigen Aufwendungen nach § 87 c Abs. 1 NBG (a.F.) in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung vom 17. Dezember 2004 (Nds. GVBl. S. 664) i. V. m. §§ 3 Abs. 1, Nr. 2, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften (BhV) in der Fassung der 27. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 17. Dezember 2003 (GMBl. 2004 S. 227) - 27. ÄndVwV - und der 28. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 30. Januar 2004 (GMBl. S. 379) - 28. ÄndVwV - sowie der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV. Diese sind auch für Aufwendungen von beihilfeberechtigten Landesbeamten, die bis zum Inkrafttreten der Niedersächsischen Beihilfevorschriften vom 07.11.2011 am 01.01.2012 entstanden sind, anwendbar (vgl. Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.01.2012 - 5 LA 82/11-, Nds.Rpfl. 2012, S. 149 f.).

Nach § 87 c Abs. 1 NBG (a.F.) erhalten Beamte und Versorgungsempfänger des Landes, nach den für die Beamten des Bundes geltenden Vorschriften (Beihilfevorschriften) Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen. Nach §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 BhV sind auch Aufwendungen für die im Familienzuschlag nach dem Bundesbesoldungsgesetz berücksichtigungsfähigen Kinder des Beihilfeberechtigten, beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind, und wenn die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV bestimmt, dass aus Anlass einer Krankheit u.a. Aufwendungen für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel beihilfefähig sind. Voraussetzung und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3., und das BMI kann für einzelne Hilfsmittel Höchstbeträge und Eigenbehalte festlegen.

Die Beihilfevorschriften konkretisieren die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die zu den durch Artikel 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich gewährleisten hergebrachten Grundsätzen des Beamtenrechts gehört. Die Fürsorgepflicht verpflichtet den Dienstherrn dafür Sorge zu tragen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfälle nicht gefährdet wird (vgl. Urteil vom 3. Juli 2003 - BVerwG 2 C 36.02 - zitiert nach Juris.). Dabei steht es ihm frei, entweder die Dienstbezüge des Beamten so zu bemessen, dass er  in der Lage ist, die ihm und seiner Familie entstehenden Kosten medizinischer Heilbehandlungen durch eigene Vorsorge abzudecken, oder dem Beamten freie Heilfürsorge oder Zuschüsse zu gewähren oder aber verschiedene Möglichkeiten miteinander zu kombinieren. Entscheidet sich der Dienstherr für eine kombinierte Lösung d.h. bemisst er die Dienstbezüge entsprechend und gewährt er dem Beamten ergänzend finanzielle Beihilfen im Krankheits-, Pflege-, Geburtsfall, so muss er sicher stellen, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenbeteiligung nicht absichern kann (vgl. BVerfGE 106, 225 [BVerfG 07.11.2002 - 2 BvR 1053/98] (232)).

Die für die Ausgestaltung der Beihilfe erlassenen Vorschriften dienen damit der Konkretisierung der Fürsorgepflicht. Art, Ausmaß und Begrenzung der Hilfe, die der Dienstherr dem Beamten in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht gewährt, müssen sich aus dem Gesamtzusammenhang der Beihilfenvorschriften als "Programm" ergeben. Soweit zur Ausgestaltung der Beihilfe Verwaltungsvorschriften oder Erlasse/Hinweise ergehen, dürfen diese zwar die Ausübung eines etwa vorhandenen Ermessens- oder Beurteilungsspielraums lenken, sie müssen sich aber ihrerseits im Rahmen des die Fürsorgepflicht konkretisierenden normativen Programms halten (vgl. auch BVerwG,  Urteile vom 12. Juni 1985 - BVerwG 6 C 24.84 - BVerwGE 71, 342 (347 ff.) und vom 29. Juni 1995 - BVerwG 2 C 15.94 - Buchholz 271, Nr. 15, S. 6).

Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung beihilferechtlicher Entscheidungen erstreckt sich im Wesentlichen darauf, ob der Verwaltungsakt mit den Beihilfevorschriften im Einklang steht und ob sich die Beihilfevorschriften und die dazu ergangenen Erlasse/Hinweise, in ihrer Auswirkung auf den konkreten Einzelfall, in den Grenzen des dem Dienstherrn eingeräumten Konkretisierungsermessen halten, insbesondere ob eine Beschränkung oder ein Ausschluss der Beihilfe mit der Fürsorgepflicht und dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.08.1969 - 2 C 130.67 - BVerwGE 32, 352 (354); BVerwG, Urt. v. 18.12.1974 - BVerwG 6 C 46.72 -). Die Verwaltungsgerichte sind berechtigt eine in der Form einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift getroffene Beihilferegelung daraufhin zu überprüfen, ob der Dienstherr das bei der Schaffung der Regelung zugrunde gelegte Programm einhält, soweit dies dazu dient, die Fürsorgepflicht zu konkretisieren (vgl. BVerwG, Urt. vom 12.06.1985 - BVerwG 6 C 24.84 -, ZBR 1985, 344).

Ausgehend von diesen rechtlichen Erwägungen ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf die Gewährung der begehrten Beihilfe aus einer programmkonformen Auslegung der Beihilfevorschriften.

Die Tochter der Klägerin, gehört zu den gemäß 3 Abs. 1 Nr. 2 BhV berücksichtigungsfähigen Angehörigen, und nach der Anlage 3, Nr. 1 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV zählen Hörgeräte grundsätzlich zu den beihilfefähigen Hilfsmitteln.

Die Aufwendungen für das Hörgerät waren auch notwendig. Dies steht zur Überzeugung der Einzelrichterin auf Grund der ärztlichen Verordnung sowie der Stellungnahme der K. vom 08.02.2010 und den nachvollziehbaren Erläuterungen der Klägerin zur Schwerhörigkeit ihrer Tochter fest.

In der Stellungnahme der K. vom 08.02.2010 wird nachvollziehbar ausgeführt, dass die Tochter der Klägerin an einer einseitigen (rechts) Hörbehinderung mit komplexer Peripherie leidet. Während die Hörleistung des linken Ohres normal sei, betrage sie rechts pantonal 50 dB, bei 3 Kilohertz (kHz) 10 dB und bei 4 kHz zeige sich wieder ein Steilabfall bis 45 dB. Im Sprachaudiogramm liege das Hörvermögen ohne Hörgerät bei 25 % Einsilbenverstehen (ES); mit Hörgerät bei 65 dB, 40 % Einsilbenverstehen. Zudem sei die Tochter extrem geräuschempfindlich und leide unter Gleichgewichtsstörungen. Im Rahmen der Hörgeräteanpassung, bei der sieben Geräte in unterschiedlichen Preiskategorien ausprobiert worden seien, habe sich das ausgewählte Hörgerät als das allein passende und geeignete Hörgerät erwiesen. Das zunächst ausprobierte knochenverankerte System BAHA habe keinen Erfolg gezeigt. Ebenso sei mit einer CROS-Versorgung kein Erfolg erzielt worden. Das beste Sprachverstehen und die einzige Akzeptanz sei mit dem Hörgerät Phonak Audeo Yes  IX, sowohl mit verschlossenem linkem Ohr als auch im Störgeräusch von 60 dB erreicht worden. Das Gerät sei zweckmäßig und ausreichend.

In Ergänzung dazu, hat die Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung anschaulich  geschildert, dass bei ihrer Tochter aufgrund des intakten linken Ohrs und der starken Schwankungen des Hörvermögens des rechten Ohrs eine außergewöhnliche, von den Normfällen abweichende Schwerhörigkeit vorliege. Bei einer Lautstärke von 3000 Hz (3 kHz) höre ihre Tochter plötzlich einzelne Töne. Liege die Frequenz darunter oder darüber, sacke das Hörvermögen steil ab. Mit dem ihr verbleibenden Hörvermögen setze sich ihre Tochter quasi aus Einzelsilben den Text zusammen und versuche aus dem Kontext zu verstehen. Die Art und die Ausprägung der Schwerhörigkeit hätten die Auswahl eines geeigneten Hörgerätes besonders erschwert. Das nun ausgewählte Hörgerät habe den Vorteil, dass es eine weitgehend genaue Einstellung der Frequenz und damit zurzeit bestmögliche Anpassung erlaube. Mit Hilfe des Hörgeräts komme ihre Tochter zwar nicht auf ein Hörvermögen von 100 Prozent, jedenfalls aber auf eines von ca. 70 bis 80 Prozent.

Die Aufwendungen für das Hörgerät sind auch der Höhe nach angemessen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Und es ist weder ersichtlich und von der Beklagten auch im Weiteren dargetan, dass für die Klägerin die Möglichkeit bestand, das ausgewählte Hörgerät anderweitig kostengünstiger zu erwerben.

Dem Einwand der Beklagten, der BMI habe die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Hörgeräte (einschließlich der Nebenkosten) durch die Hinweise zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 auf den Höchstsatz von 1.025 Euro je Ohr beschränkt, folgt das Gericht nicht.

Eine Beschränkung der Beihilfe auf den in den Hinweisen vorgesehene Höchstsatz stünde im vorliegenden Einzelfall im Widerspruch zu dem normativen Programm der Beihilfe. Zudem sind die Hinweise für das Gericht nicht bindend.

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommen die Hinweise des BMI zu § 6 Abs. 1 BhV als Ermächtigungsgrundlage für die Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf die dort bestimmten Höchstbeträge nicht in Betracht (vgl. BVerwG Urteil vom 28.05.2009 - 2 C 28.08 -, Juris Langtext, Rn. 13; Urteil vom 18.02.2009 - 2 C 23.08 - Juris Langtext, Rn 13 ff.; Urteil vom 28.05.2008 - 2 C 9/07 -, Juris).  Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht, z.B. in seiner Entscheidung vom 28.05.2009 - 2 C 28.08 - (a.a.O. Rn 13 ff) ausgeführt:

"Zwar stehen die Beihilfevorschriften und derartige Hinweise hinsichtlich ihrer Normqualität auf derselben Stufe, sind nämlich bloße Verwaltungsvorschriften und stammen vom selben Verfasser. Gleichwohl sind die außerhalb der eigentlichen Beihilfevorschriften ergangenen Hinweise nicht wie Rechtsnormen auszulegen, wie der Senat seit langem anerkannt hat (vgl. z.B. Urteile vom 27. November 2003 - BVerwG 2 C 38.02 - BVerwGE 119, 265 <266 f.> und vom 28. Mai 2008 - BVerwG 2 C 9.07 - Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 15). Sie können deswegen den Inhalt der Beihilfevorschriften weder einschränken noch ändern (vgl. Urteil vom 28. Juni 1965 - BVerwG 8 C 80.64 - BVerwGE 21, 264 [BVerwG 28.06.1965 - BVerwG VIII C 80.64] <267 f.>; st.Rspr). Hinweise und sonstige Erlasse zu den Beihilfevorschriften müssen sich entsprechend ihrem tatsächlichen Charakter als untergesetzliche Vorschriften im Rahmen des normativen Programms halten und können nur norminterpretierend die Beihilfevorschriften konkretisieren und Zweifelsfälle im Sinne einer einfachen und gleichartigen Handhabung klären oder die Ausübung etwa vorhandener Ermessens- oder Beurteilungsspielräume lenken; sie können aber nicht selbstständig neue Leistungsausschlüsse oder Leistungseinschränkungen schaffen (vgl. Urteil vom 28. Mai 2008 - BVerwG 2 C 9.07 - a.a.O. m.w.N.). Sie sind nur Interpretationshilfen für die nachgeordneten Stellen und besitzen keine Verbindlichkeit für die Gerichte."

In Fällen der vorliegenden Art, in denen sich ein Hörgerät zu einem Preis von 2.570,50 Euro als das einzige zweckmäßige und ausreichende Hörgerät erweist und damit beihilferechtlich notwendig und angemessen ist, sind die in dem Hinweis Nr. 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV bestimmten Höchstbeträge für die Hörgeräte unter Beachtung des dargelegten normativen Programms der Beihilfe nicht geeignet, die Beihilfefähigkeit zu beschränken (vgl. ebenso Urteil der 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover vom 17.09.2009 - 2 A 3770/08 - zur Beihilfefähigkeit eines Hörgeräts).

Der Klägerin steht damit, unter Berücksichtigung des Bemessungssatzes der Beihilfe von 80 % und der bereits gewährten Beihilfe von 820 Euro, ein Anspruch auf die Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 1236,40 Euro ((2.570,50 x 80 %) - 820 = 1.236,40) zu. Da das Gericht an das Klagebegehren gebunden ist (§ 88 VwGO) und die Klägerin ihr Begehren ausdrücklich auf die Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe 1.220 Euro beschränkt hat, ist der Urteilsspruch dementsprechend auf den begehrten Betrag zu beschränken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2  ZPO.