Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 11.01.2023, Az.: 3 A 86/20

Anschluss- und Benutzungszwang; Dichtheitsprüfung; Kosten; unrichtige Sachbehandlung; Widerspruchsverfahren; Dichtheitsprüfung Grundstücksentwässerungsanlage; Widerspruchsverfahren

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
11.01.2023
Aktenzeichen
3 A 86/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 10121
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2023:0111.3A86.20.00

Fundstelle

  • ZfW 2023, 118-122

Amtlicher Leitsatz

Bei der Anordnung von Dichtheitsprüfungen (hier: der Duldung einer Dichtheitsprüfung) einer Grundstücksentwässerungsanlage, die ihre Rechtsgrundlage im kommunalrechtlichen Anschluss- und Benutzungszwang hat, findet in Niedersachsen kein Vorverfahren statt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung der Beklagten, mit der ihm aufgegeben wird, eine Dichtheitsüberprüfung der Grundstücksentwässerungsanlage zu dulden.

Er ist Eigentümer des Grundstücks E. 12 im Ortsteil F. der Beklagten. Das Grundstück ist in offener Bauweise, anderthalbgeschossig und vollunterkellert bebaut. Die Entwässerungsgenehmigung wurde am 12.06.1964 (ergänzt am 19.08.1965) erteilt.

Im Jahr 2007 traten im E. massive Schäden des öffentlichen Schmutz- und Niederschlagswasserkanals zutage. Der öffentliche Schmutzwasserkanal war stark undicht und es trat Fremdwasser ein. Deshalb initiierte die damalige Stadtentwässerung (heute: Göttinger Entsorgungsbetriebe - GEB) im Jahr 2008 kurzfristig das Kanalsanierungsprojekt E. 1-10 und erweiterte es am 30.05.2008 auf E. 1-12, da der öffentliche Kanal vor dem Grundstück Nr. 12 auch im Projektgebiet lag. Die öffentlichen Baumaßnahmen wurden im Jahr 2009 abgeschlossen. Die von der Beklagten angestrebte Sanierung der privaten Grundstücke ist aus verschiedenen Gründen bis heute nicht abgeschlossen. Bereits auf dem Untersuchungsplan vom 23.09.2008 war die zu untersuchende Schmutzwassergrundleitung auf dem Grundstück des Klägers eingezeichnet. Der Voreigentümer des Grundstücks, der Großvater des hiesigen Klägers, wurde von der Stadtentwässerung zu einer Informationsveranstaltung zu dem Kanalsanierungsprojekt eingeladen (Schreiben vom 09.06.2008). Am 17.07.2008 wurde die Schmutzwassergrundleitung auf dem Grundstück des Klägers mittels Kamerabefahrung untersucht. Dabei stellte die Beklagte zahlreiche Mängel, insbesondere Wurzeleinwüchse, verfestigte Ablagerungen und einzelne Risse, fest. Am 04.11.2008 ging das Grundstückseigentum auf den Kläger über. Ihm teilte das seitens der Beklagten beauftragte Ingenieurbüro G. als Ergebnis des Ortstermins unter dem 21.11.2008 mit, dass ein neuer Schmutzwasserrevisionsschacht gesetzt werden solle; alternativ könne der vorhandene Revisionsschacht saniert werden. Vom Schacht gegen die Fließrichtung solle eine neue Leitung eingeschoben werden.

Durch Bescheid vom 27.10.2016 gaben die GEB für die Beklagte dem Vater des Klägers als Nießbrauchberechtigtem unter anderem auf, die Schmutzwassergrundleitung von der Grundstücksgrenze bis zu den Fallleitungen unter dem Gebäude dicht gegen Wasser und das Eindringen von Wurzeln zu sanieren und die Dichtheit der Schmutzwassergrundleitung und des Schmutzwasserschachtes nachzuweisen. Diesen Bescheid hob das erkennende Gericht durch rechtskräftiges Urteil vom 05.11.2018 - 3 A 248/17 - auf. Entscheidend war, dass der Nießbrauchsberechtigte der falsche Adressat einer Sanierungsanordnung war und die Beklagte den Grad der Undichtigkeit nicht in dem für den Erlass einer Sanierungsanordnung erforderlichen Umfang aufgeklärt hatte.

Mit Bescheid vom 23.09.2019 gaben die GEB dem Kläger nach Anhörung auf, eine Dichtheitsüberprüfung an der Schmutzwassergrundleitung auf seinem Grundstück zu dulden, welche im Auftrag und auf Kosten der GEB durchgeführt werde (Ziffer 1). Außerdem wurde dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 € angedroht, falls er der Duldungsverpflichtung nicht nachkomme (Ziffer 2). Die Kosten des Verfahrens seien vom Kläger zu tragen (Ziffer 3). Zur Begründung führten die GEB im Wesentlichen aus, die Dichtheitsprüfung solle im Rahmen des genau umgrenzten Kanalsanierungsprojekts E. (Nr. 1-12) erfolgen. Sie sei erforderlich, weil Dichtheitsmängel einer privaten Schmutzwasserleitung bei hohem Grundwasserstand zur Belastung der Abwasserreinigungsanlage durch Fremdwasser führen könnten. Nach dem Urteil vom 05.11.2018 hätten die GEB als Einrichtungsbetreiber den Verdacht auf eine Undichtigkeit von Amts wegen zu ermitteln. Die Prüfung solle anhand der DIN 1986, Teil 30, mittels einer Wasserdichtheitsprüfung (Prüfverfahren DR2) durchgeführt werden, wobei die Grundleitungen bis zu einer Höhe von 0,5m über dem Rohrscheitel, notfalls bis zur Unterkante der tiefsten Reinigungsöffnung, mit Wasser aufgefüllt werden. Dieser Prüfung müsse jede Rohrleitung standhalten können. Den hiergegen nach entsprechender Rechtsbehelfsbelehrung eingelegten Widerspruch wiesen die GEB mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2020, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 02.03.2020, zurück und konkretisierten den Zeitpunkt der Dichtheitsprüfung auf den 23.03.2020, 08.00 Uhr. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens habe der Kläger zu tragen. Hierüber ergehe ein gesonderter Bescheid.

Am 02.04.2020 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die Beklagte in ihrer Funktion als Abwasserbeseitigungsbehörde sei nicht berechtigt, eine Dichtheitsprüfung mit dem Schutz des Grundwassers zu begründen. Die Voraussetzungen der von den GEB herangezogenen Rechtsgrundlage lägen nicht vor: Das angebliche Kanalsanierungsprojekt sei in seiner Ausdehnung und in seinem Fortbestand zweifelhaft. Die Beklagte müsse aus Gründen der Transparenz öffentlich bekannt machen, welche umgrenzten Kanalsanierungsprojekte es gebe. Daran fehle es hier. Notwendig sei die Dichtheitsprüfung ebenfalls nicht, dies ergebe sich aus den konkreten örtlichen Gegebenheiten. Da die Grundstücksentwässerungsanlage des Klägers oberhalb des Grundwasserstands und auf einem Hanggrundstück verlaufe, könne keine nennenswerte Menge von Oberflächen-, Schichten-, oder Grundwasser eindringen und die Kläranlage belasten. Ein Anfangsverdacht für die Beeinträchtigung der Kläranlage sei aber Voraussetzung der Ermächtigungsgrundlage. Auch aus den Aufnahmen der Kamerabefahrung ergebe sich nicht, dass Grund- oder Schichtenwasser in die Grundleitung des Klägers eingedrungen sei oder eindringe. Das beabsichtigte Prüfverfahren ziele auf eine absolute Dichtheit ab und setze die Rohre einer unverhältnismäßig hohen, realitätsfernen Belastung aus. Möglicherweise vorhandene Kleinschäden könnten durch den hohen Druck weiter aufbrechen. Es müsse genügen, bei einem Durchflusstest die eingeleitete mit der ausfließenden Wassermenge zu vergleichen. Die Zwangsgeldandrohung sei wegen der aufschiebenden Wirkung der Klage rechtswidrig (geworden). Die Verwaltungskosten würden zu Unrecht erhoben, weil der Kläger für den Ausgangsbescheid keine Veranlassung gegeben habe und die Durchführung des Widerspruchsverfahrens durch die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung der Beklagten veranlasst worden sei.

Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des Bescheids vom 23.09.2019 hat die Beklagte durch Schriftsatz vom 04.06.2020 aufgehoben. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt nunmehr noch,

Ziffern 1 und 3 des Bescheids der Beklagten vom 23.09.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.02.2020 aufzuheben,

hilfsweise, den Widerspruchsbescheid vom 26.02.2020 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid im aufrecht erhaltenen Umfang und tritt den Ausführungen des Klägers im Einzelnen entgegen. Ihre Regelungskompetenz ergebe sich aus §§ 10 und 13 NKomVG; diese Ermächtigung enthalte grundsätzlich auch die Aufgaben der Abwasserbeseitigung gemäß § 96 Abs. 1 NWG, so dass diese zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden gehörten und deren Satzungsbefugnis unterfielen. Die zu treffenden Bestimmungen hätten das Ziel zu verfolgen, die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der öffentlichen Abwasserbeseitigung zu gewährleisten und der Pflicht zur Behandlung und schadlosen Ableitung des Abwassers nachzukommen. Dazu gehöre, die Reinigungsleistung der Kläranlage vor Verdünnung durch Fremdwasser und hydraulischer Überlastung zu schützen. Das klägerische Grundstück liege in einem Gebiet mit Fremdwassereintritt. Dieser sei nicht nur 2007/2008 im öffentlichen Kanal festgestellt worden, sondern es habe beispielsweise auf dem benachbarten Grundstück E. 14 Probleme durch drückendes Schichtenwasser gegeben. Die Duldungsverfügung ergehe im Rahmen eines Kanalsanierungsprojekts, da die Bearbeitung der privaten Grundstücke noch nicht abgeschlossen sei. Durch die Kamerauntersuchung im Jahr 2008 lägen Hinweise auf Schäden größeren Umfangs bei dem privaten Anschlusskanal des klägerischen Grundstücks vor. Die beabsichtigte Dichtheitsprüfung solle als Tatsachengrundlage für die weitere rechtliche Bewertung dienen. Dichtheitsprüfungen seien nach den einschlägigen DIN-Vorschriften durchzuführen, dabei ziele das Prüfverfahren DR2 nicht auf eine absolute Kanaldichtheit ab. Der Kläger habe durch sein Verhalten die Ursache für das aktuelle Verwaltungsverfahren gesetzt und sei daher kostenpflichtig. Das Widerspruchsverfahren sei statthaft gewesen und der Kläger daher auch insoweit kostenpflichtig.

Das Gericht hatte die Klage durch Gerichtsbescheid vom 04.05.2022 abgewiesen. Mit Schriftsatz vom 07.06.2022 hat der Kläger rechtzeitig einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Dies betrifft die aufgehobene Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des Bescheids vom 23.09.2019.

Die Klage hat nur mit einem Teil des Hilfsantrags Erfolg.

I. Mit dem Hauptantrag ist die Klage zulässig, insbesondere fristgemäß (§ 74 Abs. 1 VwGO) erhoben worden. Sowohl die Monatsfrist als auch die wegen der falschen Rechtsbehelfsbelehrung (dazu unter II.1.) richtigerweise geltende Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO sind eingehalten. Der Hauptantrag ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23.09.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 26.02.2020 ist, soweit er noch im Streit steht, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Duldungsverfügung ist rechtmäßig.

1. Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung der Kammer der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. Urteil der Kammer vom 05.11.2018 - 3 A 248/17 -, Abdruck S. 5 = juris Rn. 20 m.w.N.), da die Duldungsverfügung wie die Anordnung einer Dichtheitsprüfung ein Dauerverwaltungsakt ist.

2. Rechtsgrundlage der auferlegten Duldung der Dichtheitsprüfung sind §§ 20, 14 Abs. 1 und 2 der Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung (Abwassersatzung, vom 26.06.2013 in der Fassung der 3. Änderung vom 16.12.2022, im Folgenden: AWS, wobei die 2. und 3. Änderung keine Auswirkungen auf §§ 20 und 14 haben). Der Anschluss- und Benutzungszwang der öffentlichen Abwasseranlagen ist in § 4 AWS vorgeschrieben. Nach § 20 AWS können die Göttinger Entsorgungsbetriebe zur Erfüllung der nach der Satzung bestehenden Verpflichtungen Anordnungen für den Einzelfall erlassen. § 14 AWS lautet:

"(1) Die Göttinger Entsorgungsbetriebe legen im öffentlichen Bereich genau umgrenzte Kanalsanierungsprojekte fest. Im Rahmen dieser Projekte werden die angeschlossenen Grundstücke flächendeckend untersucht, die Eigentümer darüber unterrichtet und gegebenenfalls zur Sanierung aufgefordert.

(2) Die Grundstückseigentümer haben im Rahmen von Kanalsanierungsprojekten die notwendigen Untersuchungen der Grundstücksentwässerungsanlagen (TV-Untersuchungen, Dichtheitsprüfungen, etc.) zu dulden.

(3) Diese Untersuchungen können auch für Grundstücke außerhalb von Kanalsanierungsprojekten erbracht werden, wenn die jeweiligen Eigentümer sich zur Sanierung ihrer Entwässerungsanlage nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik (§ 60 Wasserhaushaltsgesetz) verpflichten."

Die in der Satzung vorgesehene Verpflichtung zur Duldung der Untersuchungen beruht ihrerseits auf einer kommunalrechtlichen - nicht wasserrechtlichen - Ermächtigungsgrundlage (§§ 10, 13 Satz 1 Nrn. 1a und 2a NKomVG). § 10 NKomVG begründet die allgemeine Befugnis der Gemeinde, ihre eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze durch Satzung zu regeln. Die Aufgaben der Abwasserbeseitigung gehören gemäß § 96 Abs. 1 NWG zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden. In diesem Bereich können sie die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen durch den Erlass von Satzungen regeln und nach § 13 Satz 1 Nrn. 1a und 2a NKomVG für die Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an die Abwasserbeseitigung anordnen sowie deren Benutzung vorschreiben (Anschluss- und Benutzungszwang). Auf dieser Rechtsgrundlage sind nur kommunale Satzungsregelungen zulässig, die das Ziel verfolgen, zu vermeiden, dass der Betrieb des öffentlichen Abwasserbeseitigungssystems durch das Eindringen von Fremdwasser erschwert oder beeinträchtigt wird, und sicherzustellen, dass der bestehende Benutzungszwang und die Überlassungspflicht nach § 96 Abs. 9 NWG eingehalten werden. Kommunale Satzungsregelungen, insbesondere auch die Anordnung einer Dichtheitsprüfung, mit dem Ziel, das Grundwasser vor Beeinträchtigungen zu bewahren, sind wegen des hinsichtlich des Grundwasserschutzes abschließenden Charakters des Wasserrechts nicht zulässig (Nds. OVG, Urteil vom 10.01.2012 - 9 KN 162/10 -, juris Rn. 71-73).

Die Duldung der Dichtheitsprüfung der hier vorgesehenen Art ist von der kommunalrechtlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt, weil sie einen unmittelbaren Bezug zur Benutzung des öffentlichen Abwasserbeseitigungssystems hat. Benutzung in diesem Sinn ist das Einleiten von Abwasser in die öffentliche Kanalisation mittels einer privaten Grundstücksentwässerungsanlage. Maßnahmen bezüglich der Erhaltung der privaten Anschlussleitung betreffen den Benutzungsvorgang ebenso wie das Aufstellen von Anforderungen an das zum öffentlichen Kanal gelangende Abwasser. In diesem Zusammenhang ist auch die Dichtheit der privaten Anschlussleitung ein wichtiges Kriterium. Mängel bei der Dichtheit können vor allem dadurch zu Beeinträchtigungen des kommunalen Abwasserbeseitigungssystems führen, dass Fremdwasser bei hohem Grundwasserstand in die öffentliche Kanalisation und die Abwasserbehandlungsanlage gelangt. Der Träger des Abwasserbeseitigungssystems muss im Interesse der erforderlichen effektiven Abwasserbeseitigung in der Lage sein, diesen - aus dem Verantwortungsbereich des Grundstückseigentümers herrührenden - Missstand zu beseitigen und muss aus diesem Grund auch eine Dichtheitsprüfung anordnen dürfen, die an technische Anforderungen zur Überprüfung des ordnungsgemäßen Zustands der Grundstücksentwässerungsanlage anknüpft. Diese Grundsätze gelten nicht nur für Dichtheitsprüfungen, die bei einer privaten Grundstücksentwässerungsanlage - anlassbezogen - wegen eines begründeten Verdachts auf einen erhöhten Fremdwasseranfall durchgeführt werden. Auch bei periodisch und vorsorglich erfolgenden, also ohne konkreten Anlass vorgenommenen Überprüfungen der Dichtheit von privaten Entwässerungsanlagen, selbst wenn sie nicht im Grundwasser liegen und letztlich dicht sind, besteht eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung (Nds. OVG, Urteil vom 10.01.2012 - 9 KN 162/10 -, juris Rn. 74 f.). Auf diese Rechtsprechung hat sich die Beklagte im angefochtenen Bescheid, der die Duldung einer Dichtheitsprüfung auferlegt, beanstandungsfrei bezogen.

3. Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 14 Abs. 1 und 2 AWS sind erfüllt.

a) Die zu duldende Dichtheitsprüfung bewegt sich im Rahmen eines Kanalsanierungsprojekts. Dies gilt sowohl in örtlicher als auch in zeitlicher Hinsicht.

Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die GEB im Jahr 2008 im öffentlichen Bereich des E. s ein genau umgrenztes Kanalsanierungsprojekt festgelegt haben und dass das Grundstück des Klägers zu den angeschlossenen Grundstücken gehört. Dies ergibt sich eindeutig aus den von der Beklagten vorgelegten Plänen (Beiakte 003), wobei die im Projektplan enthaltene gelbe Markierung (auch) den zum Projektgebiet gehörenden öffentlichen Bereich eindeutig abgrenzt. Die Zweifel des Klägers an der genauen Umgrenzung teilt das Gericht nicht. Es ist unerheblich, ob es aus technischer Sicht sinnvoll gewesen wäre, das Projektgebiet bis zum Schacht im Einmündungsbereich H. -E. vor dem Grundstück E. Nr. 14 auszudehnen. Entscheidend ist allein, dass die GEB im Rahmen ihrer Planungsentscheidung das Projektgebiet im öffentlichen Bereich des E. s genau begrenzt haben. Selbst eine willkürliche Ausübung des "Planungsermessens" ist hier nicht ersichtlich. Die Vertreterin der GEB hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Abgrenzung des Projektgebiets von verschiedenen Faktoren abhängt. Ob die spätere Projektausführungen von den Planungen abwich und sich doch auf den Bereich bis zum Schacht vor dem Grundstück E. Nr. 14 erstreckte, ist ebenfalls unerheblich.

Für die "Festlegung" von Kanalsanierungsprojekten konstitutiv ist weder deren Aufnahme in den Wirtschaftsplan der GEB noch eine öffentliche Bekanntmachung. Die Abweichende Auffassung des Klägers findet weder in der Satzung noch in höherrangigem Recht eine Stütze. Im Hinblick auf die Publizität lässt sich § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 entnehmen, dass die Eigentümer der Anliegergrundstücke über ein Kanalsanierungsprojekt und auf ihren Grundstücken anstehende sowie durchgeführte Untersuchungen unterrichtet werden müssen. Dies ist im Jahr 2008 gegenüber dem Großvater des Klägers als Rechtsvorgänger im Eigentum erfolgt.

Die Duldungsverfügung bewegt sich im zeitlichen Rahmen des Kanalsanierungsprojekts, obwohl die Sanierungsmaßnahmen im öffentlichen Bereich seit mehr als 10 Jahren abgeschlossen sind. § 14 Abs. 1 Satz 2 AWS stellt den Zusammenhang zwischen dem Projekt im öffentlichen Bereich und Untersuchungen auf den angeschlossenen Grundstücken her. Um eine derartige Untersuchung geht es vorliegend noch, weil die Frage der Sanierungsbedürftigkeit der Entwässerungsanlage auf dem Grundstück des Klägers seit ca. 15 Jahren zwischen den Beteiligten streitig und nicht abschließend geklärt ist - an den Verzögerungen tragen der Kläger, sein Großvater (Rechtsvorgänger im Eigentum) und sein Vater (Nießbrauchsberechtigter und vom Kläger benannter Ansprechpartner) eine Mitverantwortung. Das Verwaltungsverfahren betreffend die mögliche Sanierung des Grundstücks E. 12 wurde im Jahr 2008 eingeleitet und ist bisher nicht abgeschlossen. Dass auf einigen anderen angeschlossenen Grundstücken bisher ebenfalls keine Sanierung erfolgt ist, zeigt ebenfalls, dass die mit dem Projekt verbundenen Maßnahmen noch nicht vollständig abgeschlossen sind.

b) Bei der zu duldenden Dichtheitsprüfung handelt es sich um eine "notwendige Untersuchung" i.S.v. § 14 Abs. 2 AWS.

Notwendig im Sinne der Vorschrift sind alle Untersuchungen, die zur Klärung der Frage des Sanierungsbedarfs der privaten Grundstücksentwässerungsanlage und damit dem endgültigen Abschluss des festgelegten Kanalsanierungsprojekts beitragen können.

Die Kamerauntersuchung aus dem Jahr 2008 hat zur Überzeugung des Gerichts Anhaltspunkte für Undichtigkeiten der Grundstücksentwässerungsanlage ergeben. Die Dichtheitsprüfung dient der Sachverhaltsklärung, ob und ggf. in welchem Ausmaß die Grundstücksentwässerungsanlage tatsächlich undicht ist. Sie vermag damit auch zur Klärung beizutragen, ob und inwieweit ihre Undichtigkeit - wenn sie auf anderen Grundstücken gleichermaßen vorhanden wäre - das kommunale Abwasserbeseitigungssystem zu beeinträchtigen vermag und ob die Voraussetzungen für den Erlass einer Sanierungsanordnung vorliegen (vgl. Urteil der Kammer vom 05.11.2018 - 3 A 248/17 -, Abdruck S. 8 = juris Rn. 28). Von vornhinein ausgeschlossen ist dies wegen der vor nunmehr 15 Jahren festgestellten Mängel, die sich seither nicht verbessert haben, nicht.

Soweit der Kläger meint, es müsse ein "Anfangsverdacht" für eine Beeinträchtigung der öffentlichen Kläranlage bestehen, damit die Untersuchung der Grundstücksentwässerungsanlage notwendig i.S.v. § 14 Abs. 2 AWS sei, folgt das Gericht dem nicht. Die Auffassung des Klägers würde bedeuten, dass Anhaltspunkte für einen nicht nur unerheblichen Fremdwassereintritt in die Grundstücksentwässerungsanlage des Klägers bestehen müssten. Wenn solche Anhaltspunkte bestehen würden, könnte die Beklagte die Dichtheitsprüfung jedoch vom Kläger selbst und auf dessen Kosten nach § 12 Abs. 1 AWS ("bei begründetem Verdacht) fordern. Der Maßstab für die Dichtheitsprüfung auf Kosten der GEB im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 AWS muss niedriger sein. Abgesehen davon können sich Beeinträchtigungen der Kläranlage nicht nur bei hohem Grundwasserstand ergeben. Diese Konstellation ist in der o.g. Entscheidung des Nds. Oberverwaltungsgerichts nur beispielhaft genannt. Fremdwassereintritt kann auch durch Schichtenwasser erfolgen. In den Hanglagen im Gebiet der Beklagten sind Probleme mit Schichtenwasser grundsätzlich bekannt.

Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag brauchte das Gericht nicht nachzugehen. Der Kläger hat beantragt, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben "über die Tatsache, dass die Auswertung der von der Beklagten vorgelegten DVD mit der Kanaluntersuchung der Abwassergrundleitungen des Grundstücks E. 12 aus dem Jahr 2008 nicht ergibt, dass Grundwasser bzw. Schichtenwasser in die Grundleitungen eindringt". Wenn der Beweisantrag wörtlich verstanden wird - dahingehend, dass sich aus den Aufnahmen aus dem Jahr 2008 nicht ergibt, dass heutzutage Grundwasser bzw. Schichtenwasser in die Grundstücksentwässerungsanlage eindringt -, ist ihm nicht nachzukommen, weil diese Tatsache als wahr unterstellt werden kann. Wenn als zu beweisende Tatsache gemeint ist, dass sich aus den Aufnahmen aus dem Jahr 2008 nicht ergibt, dass damals Grundwasser bzw. Schichtenwasser in die Grundstücksentwässerungsanlage eingedrungen ist, ist der Beweisantrag unerheblich, weil entscheidungserheblich nur die Frage ist, ob heutzutage Anhaltspunkte für Undichtigkeiten bestehen. Ob tatsächlich Undichtigkeiten bestehen, soll gerade durch den angefochtenen Verwaltungsakt geklärt werden. Die Frage, ob sich Anhaltspunkte bzw. ein Anfangsverdacht für Undichtigkeiten aus dem Video ergeben, ist eine Rechtsfrage, die das Gericht zu beurteilen hat und bejaht.

4. Im Übrigen nimmt das Gericht Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid der Beklagten vom 23.09.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 26.02.2020 (bis S. 3 Mitte) und verweist auf sie (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Dies gilt insbesondere für die Kostengrundentscheidung im Bescheid der Beklagten vom 23.09.2019. Der Kläger und sein Vater versuchen offenkundig seit mehr als 10 Jahren, eine Sanierung der Schmutzwassergrundstücksleitung zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Die Beklagte ging deshalb zu Recht davon aus, dass infolge des bisherigen Verhaltens des Klägers eine Duldungsverfügung erforderlich sein würde. Hinsichtlich der Fragen der Eignung des Untersuchungsverfahrens und des vom Kläger vorgeschlagenen Alternativtests sowie der Bestimmtheit der AWS nimmt das Gericht Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im (gegenstandlos gewordenen) Gerichtsbescheid vom 04.05.2022 (S. 4 Mitte bis S. 5 erster Absatz) und verweist auf sie.

II. Mit dem Hilfsantrag ist die Klage nur insoweit zulässig, als sie sich gegen die im Widerspruchsbescheid vom 26.02.2020 getroffene Kostengrundentscheidung richtet. Denn nur insoweit enthält der Widerspruchsbescheid eine zusätzliche oder selbstständige Beschwer (vgl. § 79 Abs. 2 Satz 1 VwGO; BVerwG, Urteil vom 12.08.2014 - 1 C 2.14 -, BVerwGE 150, 190 = juris Rn. 14) gegenüber dem Ausgangsbescheid und ist zulässiger Klagegegenstand. Die Zurückweisung des Widerspruchs bestätigt lediglich den Ausgangsbescheid. Die Erhebung der Klage hat den Eintritt der Bestandskraft auch der Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid verhindert.

Die zulässige Anfechtungsklage gegen die Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 26.02.2020 ist begründet, weil diese rechtswidrig ist. Nach § 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO bestimmt der Widerspruchsbescheid, wer die Kosten trägt.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich die Kostengrundentscheidung zu Lasten des Klägers nicht auf §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 1 und § 4 NKAG i.V.m. der Verwaltungskostensatzung der Beklagten (zuletzt vom 16.11.2012, Amtsblatt vom 28.11.2012) stützen, da eine unrichtige Sachbehandlung vorliegt. Kosten, die dadurch entstanden sind, dass die Behörde die Sache unrichtig behandelt hat, sind zu erlassen (§ 11 Abs. 1 NVwKostG; ebenso § 3 Abs. 7 der Verwaltungskostensatzung). Dies gilt auch für Verwaltungsgebühren wie die des Widerspruchsverfahrens (Verweis in § 4 Abs. 4 NKAG). Unrichtig ist eine Sachbehandlung, die sich auf eine rechtswidrige oder unzweckmäßige Anwendung bestehender Rechtssätze stützt (Loeser/Barthel, NVwKostG, Stand: Februar 2016, § 11 Rn. 3.1).

Der Widerspruch wurde zwar wegen seiner fehlenden Statthaftigkeit im Ergebnis zurecht zurückgewiesen. Jedoch sind die Kosten des Widerspruchsverfahrens durch eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung der mit der Widerspruchsbehörde identischen Ausgangsbehörde im Ausgangsbescheid entstanden.

a) Der Widerspruch gegen die auferlegte Duldung der Dichtheitsprüfung einer Grundstücksentwässerungsanlage war und ist unstatthaft.

Nach § 80 Abs. 1 NJG findet vor Erhebung der Anfechtungsklage abweichend von § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich keine Nachprüfung in einem Vorverfahren statt. Anderes gilt nach der hier einzig in Betracht kommenden Ausnahme nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchstabe f) NJG für Verwaltungsakte, die nach den Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes und des Niedersächsischen Wassergesetzes sowie der auf diesen Rechtsvorschriften beruhenden Verordnungen und Satzungen erlassen werden.

Die AWS der Beklagten insgesamt ist ausweislich ihrer einleitenden Worte (vgl. Amtsblatt der Beklagten vom 28.12.2022, S. 392) auf Grundlage von §§ 10 und 13 NKomVG, § 56 WHG, §§ 96 und 96a NWG und §§ 5 und 8 NKAG erlassen worden. Die im vorliegenden Fall verfügte Duldung der Dichtheitsprüfung einer Grundstücksentwässerungsanlage hat ihre Rechtsgrundlage im Anschluss- und Benutzungszwang, also im Kommunalrecht, und nicht im Wasserrecht (s.o. unter I.2). Das Kommunalrecht ist im Ausnahmekatalog des § 80 Abs. 2 NJG nicht genannt. Die generelle Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in gebundenen Entscheidungen des eigenen Wirkungskreises der Kommunen war vom Gesetzgeber beabsichtigt (vgl. Urteil der Kammer vom 05.11.2018 - 3 A 248/17 -, Abdruck S. 9 = juris Rn. 30).

b) Die Beklagte hat die Einleitung des Widerspruchsverfahrens durch ihre falsche Rechtsbehelfsbelehrung im Ausgangsbescheid vom 23.09.2019 kausal veranlasst. Da die Kammer die Frage der Statthaftigkeit des Vorverfahrens bisher offengelassen hatte und die Beklagte das Vorverfahren als statthaft einstufte, entsprach es der (anwaltlichen) Vorsicht, diesen Rechtsbehelf einzulegen.

c) Die aufgrund unrichtiger Sachbehandlung entstandenen Kosten sind von Amts wegen zu erlassen (Loeser/Barthel, a.a.O., § 11 Rn. 3.2). Sind sie zu erlassen, dürfen sie gar nicht erst festgesetzt werden.

2. Die Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers lässt sich nicht auf § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 80 Abs. 1 Satz 3 Hs. 1 VwVfG stützen, weil § 80 VwVfG nur notwendige Aufwendungen entweder des Widerspruchsführers oder der Ausgangsbehörde im Widerspruchsverfahren betrifft und nicht die behördliche Widerspruchsgebühr oder Auslagen der Widerspruchsbehörde (Baer, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: August 2022, VwVfG, § 80 Rn. 22, 100; Porsch, wie vor, VwGO, § 73 Rn. 59).

3. Ob sich das unter 1. gefundene Ergebnis auch durch eine analoge Anwendung von § 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG erzielen ließe (vgl. dazu ablehnend: VG Bremen, Gerichtsbescheid vom 04.01.2021 - 4 K 2472/19 -, juris Rn. 27 betreffend landesrechtliche Parallelvorschrift; Wysk, in: Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 80 Rn. 30a) oder Regelungslücken des § 80 Abs. 1 VwVfG, die nicht durch Landesrecht geschlossen werden, durch Amtshaftungsansprüche ausgeglichen werden können (dazu: Wysk, a.a.O., § 80 Rn. 31, 57; Kallerhoff/Keller, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2022, § 80 Rn. 41, 73), bleibt dahingestellt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO und berücksichtigt das Maß des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens. Die Beklagte unterliegt hinsichtlich der rechtswidrigen Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid und hat sich hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung freiwillig in die Position des unterlegenen Beteiligten begeben. Dieser Anteil ist neben der Duldungsverfügung nicht völlig zu vernachlässigen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO in Verbindung mit 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Worthmann