Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 30.01.2023, Az.: 1 B 284/22

drittschützend; Feuerstättenbescheid; unverzüglich; Zweitbescheid; Zweitbescheid nach Schornsteinfegerhandwerksgesetz

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
30.01.2023
Aktenzeichen
1 B 284/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 10544
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2023:0130.1B284.22.00

[Grunde]

Der sinngemäß gestellte Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihrer am 30.12.2022 erhobenen Klage (1 A 296/22) gegen die Anordnung der Durchführung von Schornsteinfegerarbeiten aus dem Feuerstättenbescheid vom 17.12.2019 (Ziff. I des Bescheids vom 29.11.2022) und die Androhung der Ersatzvornahme im Fall der Zuwiderhandlung (Ziff. II des Bescheids vom 29.11.2022) anzuordnen,

hat keinen Erfolg. Bei der Auslegung des Antrags nach §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO geht die Kammer zugunsten der Antragstellerin davon aus, dass sich der Antrag nicht auf die unter Ziff. IV festgesetzten Gebühren und Auslagen bezieht. Es handelt sich hierbei um Kosten i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, bei denen vor Erhebung eines Antrages nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde erforderlich wäre, vgl. § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO.

Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gerichtete Antrag ist zulässig. Insbesondere ist er hinsichtlich Ziff. I des Bescheids vom 29.11.2022 statthaft, da die gegen den Zweitbescheid fristgerecht erhobene Klage aufgrund der Regelung in § 25 Abs. 4 Schornsteinfeger-Handwerksgesetz (SchfHwG) i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung zukommt. In Bezug auf die Zwangsmittelandrohung in Ziff. II des Bescheids ist ebenfalls ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da es sich insoweit um eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung handelt, deren aufschiebende Wirkung nach § 64 Abs. 4 Satz 1 NPOG entfällt.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Das private Interesse der Antragstellerin, von der Vollstreckung aus dem streitgegenständlichen Bescheid verschont zu bleiben, muss hier hinter dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung der Pflichten des Eigentümers zur regelmäßigen fachkundigen Überprüfung von Feuerstätten zurücktreten. Denn der Zweitbescheid vom 29.11.2022 erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für den Erlass des Zweitbescheids ist § 25 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SchfHwG. Danach melden die Bezirksschornsteinfeger der zuständigen Behörde unverzüglich, wenn die Durchführung der im Feuerstättenbescheid festgesetzten Arbeiten nicht fristgerecht nachgewiesen ist. Die zuständige Behörde setzt sodann die durchzuführenden Schornsteinfegerarbeiten fest und droht für den Fall der Nichtvornahme die Ersatzvornahme an.

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Zweitbescheides liegen nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vor.

Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen nicht. Insbesondere ist die Antragstellerin mit Schreiben vom 15.11.2022 angehört worden. Der Bescheid wurde ihr auch zugestellt, § 25 Abs. 3 Hs. 2 SchfHwG.

Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass des Zweitbescheids liegen ebenfalls vor. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks A-Straße, A-Stadt, auf das sich der streitgegenständliche Bescheid bezieht. Als Eigentümerin ist sie gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG verpflichtet, fristgerecht die Reinigung und Überprüfung von kehr- und prüfungspflichtigen Anlagen sowie die vorgeschriebenen Schornsteinfegerarbeiten zu veranlassen.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Zweitbescheids sind schon dann erfüllt, wenn die Durchführung der in dem Feuerstättenbescheid festgesetzten Arbeiten weder durch Zugang des Formblattes noch auf andere Weise nachgewiesen ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 06.12.2021 - 8 PA 109/21 -, juris Rn. 9 m.w.N.). Das ist hier der Fall. Ausweislich des Feuerstättenbescheids des Bezirksschornsteinfegers E. vom 17.12.2019 mussten in der Liegenschaft der Antragstellerin im Zeitraum vom 01.09 bis 31.10.2020 und sodann jährlich (also bis zur erneuten Feuerstättenschau und dem Erlass eines neuen Feuerstättenbescheids) der Schornstein für den Öl-Heizkessel und der Öl-Heizkessel selbst überprüft sowie zwischen dem 01.09. und dem 31.10.2020 am Öl-Heizkessel eine Messung vorgenommen werden. Die jährlich vorzunehmenden Überprüfungen sind jedoch jedenfalls für das Jahr 2022 nicht fristgerecht im angeordneten Zeitraum vom 01.09. bis 31.10.2022 erledigt worden. Die Antragstellerin hat bis zum Erlass des Bescheids die Durchführung der Arbeiten nicht gegenüber dem Bezirksschornsteinfeger E. nachgewiesen. Darauf, dass dem Antragsgegner bekannt war, dass die Antragstellerin im Jahr 2021 Arbeiten durch einen anderen Schornsteinfeger hat durchführen lassen, kommt es ebenso wenig an wie darauf, dass (erst) bei Antragserhebung ihr Vertreter zwei Bescheinigungen vorgelegt hat, die die Durchführung von Arbeiten durch den Schornsteinfeger F. aus G. am 25.01.2021 und am 17.01.2022 nachweisen. Diese Überprüfungen beziehen sich schon nach ihrem Datum auf die Pflichten aus dem Feuerstättenbescheid vom 17.12.2019 für die Zeiträume 01.09. bis 31.10.2020 und 01.09. bis 31.10.2021. Für den Zeitraum 01.09. bis 31.10.2022 fehlt es aber gerade an einem Nachweis über die Durchführungen der erforderlichen Überprüfungen. Dies hat der Bezirksschornsteinfeger dem Antragsteller per Email vom 15.11.2022 und damit nach Auffassung der Kammer auch unverzüglich - also ohne schuldhaftes Zögern - mitgeteilt (a.A. Schira, Schornsteinfegerhandwerksgesetz, 3. Aufl. 2018: eine Woche). Ob sich der Adressat des Zweitbescheids auf die Verspätung der Meldung des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers an die zuständige Behörde berufen kann oder ob es sich bei der Pflicht zur unverzüglichen Meldung aus § 25 Abs. 1 SchfHwG um eine nicht drittschützende Formvorschrift handelt, kann hier damit offenbleiben.

Die von der Antragstellerin vorgebrachten Gründe vermögen ebenfalls keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 29.11.2022 zu begründen.

Soweit sich die Antragstellerin im Anhörungsverfahren selbst bei dem Antragsgegner gemeldet hat, äußerte sie sich in ihrer unter dem 19.11.2022 abgegebenen Stellungnahme nicht zur Sache, sondern beschränkte sich im von ihr auch gerichtsbekannten Jargon der sog. Reichsbürgerszene auf allgemeine Vorwürfen gegenüber dem Antragsgegner. Sie legte mit einem weiteren Schreiben außerdem eine ärztliche Bescheinigung vom 24.11.2022 über ihre Arbeitsunfähigkeit vom 24.11. bis 13.12.2022 vor. Aus welchen Gründen sie sich im für die Durchführung der Überprüfungen vorgeschriebenen Zeitraum vom 01.09. bis 31.10.2022 außerstande sah, einen Termin mit dem Bezirksschornsteinfeger zu vereinbaren, wurde von ihr nicht erklärt. Auch ist ohne weitere Erklärung nicht einsichtig, aus welchem Grund eine Arbeitsunfähigkeit sie von der Vereinbarung eines Termins hätte abhalten sollen.

Soweit sie sich gegen die Gebührenfestsetzung aufgrund des NVwKostG und der AllGO mit dem Argument wendet, die Regelungen seien nichtig, spielt dieser Vortrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine Rolle und ist im Übrigen auch abwegig.

Auch die in Ziff. II des streitgegenständlichen Zweitbescheids erfolgte Androhung der Ersatzvornahme gegenüber der Antragstellerin begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 25 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG, wonach für den Fall der Nichtvornahme der in einem Zweitbescheid gegenüber dem Eigentümer festgesetzten Schornsteinfegerarbeiten die Ersatzvornahme auf Kosten des Pflichtigen anzudrohen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Der Streitwert in der Hauptsache ist mit dem sog. Auffangstreitwert von 5.000 EUR anzusetzen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 28.11.2022 - 8 LA 114/22 -, n.v.). Die Kammer folgt nicht der Auffassung, nach der auch in gerichtlichen Verfahren über einen Zweitbescheid von § 14 b SchfHwG auszugehen ist (so aber Bay. VGH, Beschl. v. 05.09.2018 - 22 ZB 18.1784 -, juris Rn. 6; VG Magdeburg, Beschl. v. 11.04.2018 - 3 B 319/17 -, juris Rn. 33; VG Würzburg, Beschl. v. 04.03.2020 - W 8 S 20.247 -, juris Rn. 45). Mangels offensichtlicher Regelungslücke ist diese Norm nicht analog anwendbar. Im Übrigen hat der Zweitbescheid wegen der Möglichkeiten der damit verbundenen Verwaltungsvollstreckung größeres Gewicht für den Rechtsschutzsuchenden als der zugrunde liegende Feuerstättenbescheid. Der in der Hauptsache anzusetzende Streitwert ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren (Nr. 1.5. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, abrufbar unter www.bverwg.de/Rechtsprechung).