Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 07.07.1998, Az.: 5 U 42/98
Testamentarische Auseinandersetzungsanordnung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 07.07.1998
- Aktenzeichen
- 5 U 42/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 29246
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1998:0707.5U42.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2048 BGB
- § 2169 Abs. 1 2. Hs. BGB
- § 2170 Abs. 1 BGB
- § 2038 BGB
- § 743 BGB
- § 748 BGB
Fundstellen
- FamRZ 1999, 532-533 (Volltext mit amtl. LS)
- NJWE-FER 1999, 62-63
- OLGReport Gerichtsort 1998, 360-361
Amtlicher Leitsatz
Nebeneinander von Teilungs- und Vermächtnisanordnung - Nachweis des für ein Verschaffungsvermächtnis erforderlichen qualifizierten Zuwendungswillens - Anteilige Einnahmen-und Ausgabenverteilung
Tatbestand
In dem notariellen Testament vom 15.12.1993 des Notars Dr. ...., ...., setzte der Erblasser seine beiden Töchter zu gleichen Teilen als Vorerben und deren Abkömmlinge spätestens mit Vollendung des 26. Lebensjahres als Nacherben ein und traf unter Ziff. III des Testamentes folgende Anordnung für die Auseinandersetzung:
"Ich treffe für die Auseinandersetzung über meinen nachgelassenen Grundbesitz die folgende Teilungsanordnung, für deren Vollzug meine Töchter insoweit von den gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen befreit sind:
1.
Meine Tochter Dr. D... A... soll die beiden Eigentumswohnungen im Ärztehochhaus in ...., ..., sowie die Meerbude zu Alleineigentum erhalten.2.
Meine Tochter A... R... erhält die Eigentumswohnung in ...., .... und die Eigentumswohnung in ...., ... zu Alleineigentum.Die Auseinandersetzung hat innerhalb von drei Monaten nach dem Erbfall zu erfolgen, und zwar ohne Wertausgleich. Ein etwaiger Mehrwert gilt als Vorausvermächtnis.
Mehr habe ich nicht zu bestimmen."
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe Alleineigentum an allen Eigentumswohnungen im Ärztehaus zu, während der Beklagten Alleineigentum nur an der Eigentumswohnung in Borkum und lediglich 6/8 an der Eigentumswohnung .... zukomme, da die beiden restlichen Achtel nach dem Tode ihrer Mutter bereits ihr und ihrer Schwester zugefallen seien.
Die Beklagte hat gemeint, die Teilungsanordnung sei im Hinblick auf die im Grundbuch ausgewiesenen drei Eigentumswohnungen und der irrtümlichen Annahme ihres Vaters hinsichtlich seiner alleinigen Berechtigung an der Wohnung ... nicht durchführbar.
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte im Wesentlichen ihr Begehren auf Erhalt des Alleineigentums der Wohnung ... und die hälftige Teilung der Einnahmen und Kosten des Nachlasses bis zur rechtskräftigen Auseinandersetzung weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat insgesamt Erfolg.
Die Beklagte hat auf Grund der testamentarischen Auseinandersetzungsanordnung gemäß § 2048 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen über das Verschaffungsvermächtnis gemäß §§ 2169, 2170 BGB das Alleineigentum an der Eigentumswohnung ... zu beanspruchen.
Unstreitig ist, dass ihr die Berechtigung an dieser Wohnung zu 6/8 zusteht, was der Berechtigung des Erblassers an der Wohnung entspricht. Die von der Berufung angestellten rechtlichen Überlegungen im Zusammenhang mit der noch ungeteilten Erbengemeinschaft nach der
Mutter der Parteien stehen dem nicht entgegen.
Zwar gehören einzelne Gegenstände eines noch ungeteilten Gesamthandsvermögens nicht zur Erbschaft, sondern nur der Anteil des Erblassers an dem Gesamthandsvermögen. Entsprechende auf solche Gegenstände bezogene Vermächtnisse sind jedoch wirksam, wenn der Erblasser - was hier zweifellos der Fall ist - die Zuwendung auch angesichts etwaiger entgegenstehender gesamthänderischer Beschränkungen und Befugnisse der Abkömmlinge gewünscht hat (vgl. nur Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 2169 Rn. 6 m.w.N.).
Die Auseinandersetzungsanordnung eines Erblassers im Sinne von § 2048 BGB braucht sich auch nicht auf die Zuweisung einzelner Nachlassgegenstände zu beschränken, sondern kann durchaus nebeneinander reine Teilungsanordnungen und Vermächtnisanordnungen beinhalten, deren Umsetzung in einem Verfahren verlangt werden kann auch und gerade zur Herstellung des aus dem Testament abgeleiteten vom Erblasser gewünschten Enderfolges, einem so Bedachten volles Eigentum am Grundvermögen zu verschaffen (vgl. nur Münch.Komm.-Dütz, BGB, 3. Aufl., § 2048 Rn. 2, 8, 16 und 17; BGH NJW 1964, 2298, 2299 [BGH 29.05.1964 - V ZR 47/62]; BayObLGZ 1960, 254, 259).
So liegen die Dinge hier. Die Beklagte kann aus der vom Erblasser letztwillig verfügten Auseinandersetzung die Zustimmung unter Einschluss der erforderlichen grundbuchrechtlichen Erklärungen zur Zuweisung dieser Wohnung zu Alleineigentum verlangen. Im Hinblick auf die insoweit bestehende Berechtigung der Klägerin in Höhe von 1/8 an der Erbengemeinschaft nach dem Tode ihrer Mutter ist ebenfalls von einem entsprechenden Verschaffungsvermächtnis gemäß §§ 2169 Abs. 1 2. Halbs., 2170 Abs. 1 BGB auszugehen. Die von Rechtsprechung und Lehre für die Wirksamkeit einer Anordnung zur Verschaffung eines nicht zur Erbschaft gehörenden Gegenstandes verlangte besondere Intensität des Zuwendungswillens im Falle eines Irrtums des Erblassers über die eigene Berechtigung an dem Gegenstand - d.h. also der zu verlangende erkennbar gewordene unbedingte Zuwendungswille des Erblassers - (vgl. nur BGH FamRZ 1984, 41 f; Soergel/Wolf a.a.O. Rn. 11 jeweils m.w.N.) ergibt sich mit hinreichender Sicherheit aus der testamentarisch erfolgten unmissverständlichen Zuweisung des Alleineigentums in Verbindung mit dem durch die Briefe des Notars vom 28.09.1995 und 03.08.1994 an die Klägerin ausgewiesenen Überlegungen des Erblassers anlässlich der Testamentserrichtung. Einer weiteren Aufklärung über etwaige Äußerungen des Erblassers gegenüber Dritten bedarf es zur Feststellung dieses qualifizierten Zuwendungswillens nicht.
Der Erblasser ging von seiner Alleinberechtigung aus in der Annahme, er habe die Nachlassfrage nach dem Tode seiner Ehefrau geregelt. Vor diesem Hintergrund hielt er die vorgenommene Verteilung seines Grundvermögens für gerecht und so sollte sie uneingeschränkt durchgeführt werden unabhängig davon, ob eine Gleichheit nach den jeweiligen Verkehrswerten der Eigentumswohnungen erreicht war. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufungserwiderung greifen nicht durch. In dem Testament ist zunächst ausdrücklich der Ausschluss von Ausgleichsleistungen bei etwaigen Wertdifferenzen aufgenommen worden mit der Verfügung, dass ein etwaiger Mehrwert als Vorausvermächtnis gelte. Bei einem Vorausvermächtnis gibt es keine Anrechnung auf den Erbteil mit entsprechenden Ausgleichspflichten. Gestützt wird dies ganz wesentlich weiterhin durch die im Brief des Notars vom 03.08.1994 fest gehaltenen Überlegungen des Erblassers aus den vorangegangenen Ermittlungen der Verkehrswerte der Wohnungen - seien diese nun über seinen Steuerberater direkt oder durch einen von diesem vermittelten Grundstücksschätzer erfolgt, wie die Berufungserwiderung geltend macht. Der Erblasser hat bei seiner danach schließlich vorgenommenen Bewertung Rendite - bzw. Ertragserwartungen mitberücksichtigt und dementsprechend die Verteilung festgelegt. Diese Verteilung hat er nach einer reiflichen Überlegungsphase als seine Töchter gerecht behandelnd angesehen und demzufolge seine Anordnung getroffen. An diesem Erblasserwillen bestehen keine Zweifel. Die Liegenschaften sollten so unter den Geschwistern verteilt werden und zwar auch unter Berücksichtigung des Nachlasses seiner Ehefrau, weil nach seiner Auffassung gerade auch im Hinblick auf zukünftige Nutzungs- und Ertragsmöglichkeiten mit dieser Teilung die gewünschte Gleichbehandlung zu erreichen war. Mit dem Hinweis auf Verkehrswertdifferenzen ist die Maßgeblichkeit dieses Erblasserwillens ebenso wenig in Frage zu stellen wie mit der Betonung, der Erblasser habe seinen Töchtern 1981 je 30.000,00 DM zweckfrei geschenkt. Entscheidend ist der belegte erkennbare Wille des Erblassers, dass unter Einbeziehung des Nachlasses seiner Ehefrau die Verteilung seines Grundvermögens so gewollt war ohne jegliche Ausgleichsverpflichtungen. Der Hinweis der Berufungserwiderung, selbst die Anwälte der Beklagten seien vorprozessual von einer Ausgleichsverpflichtung, hinsichtlich des Miteigentumsanteils (der Beklagten) am Objekt ...." ausgegangen, geht fehl. Im Schreiben vom 03.04.1995 wird lediglich davon ausgegangen, dass die Klägerin, an ihrer bisherigen Auffassung festhält, dass..... noch ein Ausgleich zu erfolgen" habe.
Damit konnte auch die vom Landgericht vorgenommene Verteilung der Einnahmen und Ausgaben des Nachlasses keinen Bestand haben. Unabhängig von der Berechtigung der gegenseitig insoweit erhobenen Vorwürfe, kann von einem arglistigen Verzögern der Auseinandersetzung nicht die Rede sein, wenn sich die Beklagte auf die - wie zuvor festgestellt - wirksame Anordnung der Verteilung der Liegenschaften berufen hat und einer davon abweichenden Aufteilung nicht zustimmen wollte. Es muss daher von einer hälftigen Verteilung ausgegangen werden, wie dies bei einer ungeteilten Erbengemeinschaft mit gleichen Anteilen gemäß §§ 2038, 743, 748 BGB der Fall ist. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass nach dem durch die zuvor genannten Notarbriefe ausgewiesenen Erblasserwillen eine Beteiligung der Klägerin am Inventar der Wohnung ... nicht in Betracht kam, weil sie durch die ,Meerbude" dafür einen Ausgleich zugewiesen bekommen sollte. Dass dies nicht im Testament selbst enthalten ist, ist entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung unerheblich, da für die Ermittlung des allein maßgeblichen Erblasserwillens auch auf außerhalb der Testamentsurkunde liegende Anknüpfungstatsachen zurückgegriffen werden darf.