Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 08.07.1998, Az.: 2 U 120/98

Wirksamkeit der Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB); Pflicht des Unternehmers zur detaillierten Offenlegung seiner Kalkulation; Analoge Geltung der Möglichkeit des Gegenbeweises für Abwicklungsklauseln; Erforderlichkeit eines ausdrücklichen Vorbehalts eines Rechts zum Gegenbeweis für die Wirksamkeit einer Abwicklungsklausel

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
08.07.1998
Aktenzeichen
2 U 120/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 28933
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:0708.2U120.98.0A

Fundstellen

  • IBR 1999, 106 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • OLGReport Gerichtsort 1998, 350-351

Amtlicher Leitsatz

Formularmäßige Vereinbarung einer Bearbeitungsgebühr im Bauvertrag unwirksam nach AGBG. Darlegungspflicht des Unternehmers beim Anspruch aus § 649 Satz 2 BGB oder § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B trotz Pauschalisierung.

Gründe

1

1.

Nach dem Formularvertrag vom 20. September 1996, auf den die Regeln des AGBG anwendbar sind, "erhebt die Auftragnehmerin" für die Gesamtbearbeitung des Auftrags "eine einmalige Gebühr von 2 % der Gesamtsumme" nebst Mehrwertsteuer. Diese Gebühr ,wird auf den Festpreis nicht angerechnet" und "ist unverzüglich nach Eingang der Auftragsbestätigung fällig und zahlbar".

2

a)

Mit dieser Formulierung hat die Klägerin klargestellt, dass die "Bearbeitungsgebühr" ein gesondert ausgewiesener Bestandteil der Gesamtvergütung ist, der unabhängig vom weiteren Schicksal des Vertragsverhältnisses bei ihr bleiben soll und auch bei einer Rückabwicklung nicht zurückgezahlt wird. Es handelt sich somit um eine Vergütung im Sinn von § 10 Nr. 7 AGBG. Nach dieser Vorschrift ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, nach der der Verwender im Fall des Rücktritts oder der Kündigung eine unangemessen hohe Vergütung oder einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann. Aber auch § 11 Nr. 5b AGBG ist auf diese Klausel entsprechend anwendbar. Danach ist die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz in AGB unwirksam, wenn dem anderen Vertragsteil der Nachweis abgeschnitten wird, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale. Diese vom Gesetz für Schadenspauschalen geforderte Möglichkeit des Gegenbeweises muss wegen der vergleichbaren Interessenlage analog auch für Abwicklungsklauseln bestehen, die die Höhe der Vergütung bei vorzeitiger Vertragsbeendigung regeln (BGH NJW 1997, 259;  260 [BGH 10.10.1996 - VII ZR 250/94]; BGH NJW 1985, 632). Zwar ist für die Wirksamkeit einer entsprechenden Klausel nicht ein ausdrücklicher Vorbehalt des Rechts zum Gegenbeweis erforderlich (BGH NJW 1983, 1491, 1492) [BGH 10.03.1983 - VII ZR 301/82], es darf sich aber aus dem Gesamtinhalt nicht konkludent ergeben, dass er ausgeschlossen sein soll (BGH NJW 1997, 259, 260) [BGH 10.10.1996 - VII ZR 250/94]. b) So liegt der Fall aber hier: Der Absatz im Formularvertrag, der u.a. die Verpflichtung zur Zahlung der "Bearbeitungsgebühr" betrifft, enthält keine Regelung über einen möglichen Gegenbeweis. Der nächste AbSatz 1autet wie folgt:

"Sofern das Geschäft aus irgendeinem Umstand, den die Auftragnehmerin nicht zu vertreten hat, nicht zur Abwicklung gelangt, sind die Auftraggeber verpflichtet, an die Auftragnehmerin zusätzlich zu den erwähnten Bearbeitungsgebühren eine Entschädigung von 6 % der Auftragssumme zu zahlen, wobei der Auftraggeber berechtigt ist, einen geringeren Betrag nachzuweisen."

3

Mit dieser Formulierung erweckt die Klägerin bei dem verständigen Vertragspartner unmissverständlich den Eindruck, dass der Gegenbeweis für einen im konkreten Fall durch die vorzeitige Auflösung des Vertragsverhältnisses entstandenen geringeren "Verlust" ausschließlich bei der 6 %igen Entschädigung, nicht aber bei der Bearbeitungsgebühr möglich ist. Damit verstößt die Klausel gegen § 11 Nr. 5b AGBG und ist unwirksam. Das hat zur Folge, dass eine vertragliche Grundlage für die Forderung der Klägerin auf Zahlung einer Bearbeitungsgebühr nicht besteht.

4

2.

Die Beklagten brauchen auch die Entschädigung in Höhe von 6 % der Auftragssumme nicht zu zahlen. Der unstreitige Sachverhalt und die Darlegungen der Klägerin rechtfertigen einen solchen Anspruch nicht.

5

Macht der Unternehmer eine Forderung aus § 649 Satz 2 BGB geltend, und um eine solche handelt es sich der Sache nach hier, muss er von Anfang an u.a. nachvollziehbar und konkret vortragen und beziffern, was er sich an ersparten Aufwendungen anrechnen lassen will; auch muss er sich dazu äußern, ob er seine Arbeitskraft anderweitig einsetzen konnte. Zu beidem ist nur er und nicht der Bauherr sachgerecht in der Lage. Dabei ist sein Anspruch unmittelbar um die ersparten Aufwendungen und/oder den anderweitigen Erwerb verkürzt (BGH NJW 1997, 259, 260 [BGH 10.10.1996 - VII ZR 250/94]; BGH NJW 1996, 1282 [BGH 21.12.1995 - VII ZR 198/94]; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 8. Auflage, Rn. 1294; Werner/Siegburg, BauR 1997, 181 ff.; Löwe, ZfBR 1998, 121 ff.). Erst wenn der Unternehmer seine Forderung in dieser Weise aufgeschlüsselt hat, ist es Aufgabe des Bauherrn, gegebenenfalls darzulegen und zu beweisen, dass höhere Ersparnisse oder mehr anderweitiger Erwerb vorliegen. Nach der neueren strengen Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließt, reicht es z.B. nicht mehr aus, dass die ersparten Aufwendungen lediglich mit einem bestimmten Prozentsatz angenommen werden. Vielmehr werden detaillierte Angaben zur erbrachten Leistung, zur Ermittlung des Honorars der noch nicht erbrachten Leistungen sowie zu den ersparten Aufwendungen und zum anderweitigen Einsatz der Arbeitskraft verlangt (BGH WM 1998, 139; BGH NJW 1996, 1282 [BGH 21.12.1995 - VII ZR 198/94]).

6

Diese Verpflichtung entfällt nicht etwa dadurch, dass der Unternehmer durch Verwendung eines Formularvertrags den Anspruch insgesamt pauschaliert. Auch dann muss er seine Kalkulation detailliert offen legen (OLG Rostock NJW-RR 1998, 310, 311 [OLG Rostock 21.08.1997 - 7 U 365/96]; Werner/Siegburg, a.a.O., Seite 189 f.; Löwe, a.a.O., Seite 127 f.). Spätestens im Prozess muss er also alle nötigen Angaben nachholen. Daran fehlt es hier. Die Klägerin hat nur vorgetragen, wie sich die reinen Baukosten des "Sondermodells III mit Turm" für die Beklagten in Höhe von 304.480,00 DM zusammensetzen sollen und dass sich bezogen auf den Festpreis von 368.400,00 DM ein Rohgewinn von ca. 21 % ergebe. Nach den strengen Maßstäben der BGH-Rechtsprechung ist dies indes nicht ausreichend, weil jegliche Angaben zu den ersparten Aufwendungen und einem möglichen anderweitigen Einsatz der Arbeitskraft fehlen. Die Beklagte darf sich nicht mit der schlichten Behauptung begnügen, auf jeden Fall seien die ersparten Aufwendungen nicht so hoch, dass die geltend gemachten 6 % unterschritten würden. Dadurch werden die Beklagten nicht in den Stand gesetzt, höhere Ersparnisse und/oder mehr anderweitigen Erwerb darzulegen und zu beweisen. Der Senat vermag daher die Grundlagen für einen - pauschalierten - Vergütungsanspruch nach § 649 Satz 2 BGB oder § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B nicht festzustellen.