Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 28.02.2008, Az.: 6 A 1180/06

Bewilligung höherer Zahlungsansprüche i.R.e. einheitlichen Betriebsprämienregelung für einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Rinderhaltung; Auslegung von § 15 Abs. 4 S. 4 Betriebsprämiendurchführungsverordnung (BetrPrämDurchfV)

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
28.02.2008
Aktenzeichen
6 A 1180/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 14669
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2008:0228.6A1180.06.0A

Verfahrensgegenstand

Zahlungsansprüche

Redaktioneller Leitsatz

Von § 15 Abs. 4 S. 4 BetrPrämDurchfV werden auch solche Investitionsfälle erfasst, in denen am 31.12.2004 aus besonderen Umständen ein zusätzlicher Viehbestand in Höhe von mindestens fünfzig Prozent der zusätzlichen Produktionskapazität nicht vorhanden ist, eine kontinuierliche Bestandsaufstockung in Bezug auf die beabsichtigte Kapazitätserweiterung aber eindeutig festzustellen ist und der erforderliche Aufstockungsgrad zeitnah vor dem Stichtag bereits erreicht worden ist.

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2008
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner,
den Richter am Verwaltungsgericht Fahs,
den Richter Dr. Luth sowie
die ehrenamtlichen Richter C. und D.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Bewilligung höherer Zahlungsansprüche im Rahmen der einheitlichen Betriebsprämienregelung.

2

Der Kläger bewirtschaftet als Einzelunternehmer einen landwirtschaftlichen Betrieb in E. mit Rinderhaltung.

3

Am 4. Mai 2005 stellte der Kläger bei der Kreisstelle der Landwirtschaftskammer Hannover in F. den Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie den Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2005.

4

Unter Ziffer 4.6 beantragte er betriebsindividuelle Beträge aus der nationalen Reserve (besondere Lage) gemäß Artikel 21 VO (EG) Nr. 795/2004 wegen Investitionen in Produktionskapazitäten oder Flächen, die bis zum 15. Mai 2004 begonnen wurden, und fügte einen entsprechenden Antrag - Vordruck J - bei. In diesem Antrag erklärte er, mit der Gesamtinvestition in Höhe von insgesamt 42.327,76 EUR im August/September 2000 begonnen und diese im April 2002 abgeschlossen zu haben. Den Umfang der bis zum 15. Mai 2004 abgeschlossenen Liefer-, Kauf- und Leistungsverträge gab er nicht an. Als Art der Investition gab der Kläger Kauf/Bau von Gebäuden, bauliche Anlagen durch Fremdleistung in Höhe von 27.528,76 EUR und Maschinen, Geräte, technische Einrichtungen durch Fremdleistung in Höhe von 14.799,00 EUR an. Der Umfang der bis zum 17. Mai 2005 tatsächlich getätigten Investitionen betrage 42.327,76 EUR. Die Investition habe unmittelbar dazu geführt, dass sich die Anzahl der Stallplätze von 20 - vor der Investition - auf 76 Stallplätze - nach der Investition - erhöht habe. Die Mast-/Haltedauer habe vor und nach der Investition jeweils 18 Monate betragen. Den Bestand zum 31. Dezember 2004 gab er mit 44 Tieren an. Zudem erklärte er, dass die Aufstockung des Viehbestandes aus eigener Nachzucht erfolgt und zum 31. Dezember 2004 zu mindestens 50 Prozent realisiert gewesen sei. Diesem Antrag lagen u.a. Rechnungen über Bauleistungen und Lagepläne (Boxenlaufstall) bei. Der Kläger fügte seinem Antrag eine undatierte "Erläuterung zum Antrag 2005 Härtefallregelung Vordruck J (Investition)". Darin beschreibt die Landberatung Land Hadeln e.V. die Art und den Umfang der Investitionen wie folgt:

"Der Landwirt G. investierte im Jahr 2000 in den Neubau eines Bullen- und Jungviehstalles, den er schon mit der Baugenehmigung v. 23.04.1996 in Zusammenhang mit dem Bau eines neuen Boxenlaufstalles genehmigen ließ (Negativbescheinigung für Nutzung als Bullenmaststall). Vor dieser Investition standen im Berichtsjahr 20 Bullenmastplätze in den Altställen zur Verfügung, die im Zieljahr nach der Investition um 56 Mastplätze erweitert wurden. Der Stall war als Anbau an den Boxenlaufstall konzipiert, wobei 7 Gruppenbuchten für die Bullenmast genutzt werden, entsprechend den 56 veranschlagten Fressplätzen. Dieser Anbau wurde ohne Agrarinvestitionsförderung durchgeführt. Mit Fertigstellung im April 2001 standen dem Betrieb nun 76 Bullenmastplätze zur Verfügung. Bei einer durchschnittlichen Haltungsdauer von 18 Monaten und Bestandsergänzung aus eigener Nachzucht konnte frühestens 2002 mit dem Verkauf der Mastbullen begonnen werden. Die im Buchabschluss des Zieljahres 2001/02 aufgeführten 31 verkauften Mastbullen erklären sich aus der Bestandsergänzung durch eigene Nachzucht, die das Erreichen der vollen Stallbelegung naturgemäß verzögert.

Es wird daher beantragt, die betriebsindividuellen Prämienansprüche aus der Sonderprämie für Bullen auf die verfügbaren 76 Mastplätze zu erweitern."

5

Mit Schreiben vom 29. Juni 2005 zeigte der Kläger dem Landkreis H. an, dass er den mit Baugenehmigung vom 23. April 1996 errichteten Boxenlaufstall mit Güllekeller als Bullenmaststall nutze. Zugleich bat er den Landkreis H. um Bestätigung, dass diese - ohne bauliche Veränderungen - vollzogene Umnutzung des Stalles baugenehmigungsfrei sei. Der Kläger legte als "Jungvieh auf Spaltenboden" gekennzeichnete Antragsunterlagen bei.

6

Der Landkreis H. - Bauaufsichtsamt - bestätigte dem Kläger mit Bescheid vom 5. August 2005, dass die mit seinem Schreiben vom 29. Juni 2005 angezeigte betriebliche Umstellung auf die Mast von Bullen genehmigungsfrei sei (so genannte Negativbescheinigung).

7

Im Rahmen der Verwaltungskontrolle zum Vordruck J stellte ein Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Hannover am 23. November 2005 fest, dass - im Fall Nachzucht - "der Bestand aus eigener Nachzucht dieser Tierart am 31.12.2004 ( Stichtagsregelung ) unter 50% der gesamten geplanten Nachzucht" gelegen habe. Diese Feststellung enthielt den Hinweis:

"Bei der Ermittlung der 50% Grenze dürfen nur die Tiere berücksichtigt werden, die seit Beginn der Investition im eigenen Betrieb geboren worden sind."

8

Zudem führte der Prüfer dazu mit handschriftlichem Vermerk aus:

"Bei 76 Stallplätzen hätten mindestens 38 männliche Rinder der eigenen Nachzucht zum 31.12.2004 vorhanden sein müssen. Vorgefunden lt. HIT wurden aber nur 28 männliche Rinder."

9

Mit Informationsschreiben vom 15. Dezember 2005 wies die Landwirtschaftskammer Hannover den Kläger in Anlage 3 darauf hin, dass sein Antrag auf Zuteilung zusätzlicher betriebsindividueller Beträge aus der nationalen Reserve nicht habe berücksichtigt werden können. Die Landwirtschaftskammer wies dem Kläger in Anlage 1 - Übersicht zum betriebsindividuellen Betrag - einen durchschnittlichen betriebsindividuellen Betrag über die Referenzjahre von insgesamt 14.248,62 Euro aus. Einen die Sonderprämien für männliche Rinder erhöhenden betriebsindividuellen Betrag aus der nationalen Reserve gewährte sie dem Kläger nicht. Zur Begründung der Ablehnung des Antrags auf Zuteilung zusätzlicher betriebsindividueller Beträge aus der nationalen Reserve führte sie aus:

"In Ihrem Fall war der Bestand an männlichen Rindern aus der eigenen Nachzucht am 31.12.2004 nicht zu mindestens 50% der beantragten Stallplätze realisiert. Bei insgesamt 76 Stallplätzen hätten mindestens 38 männliche Rinder der eigenen Nachzucht zum 31.12.2004 vorhanden sein müssen, laut HI-Tierauswertung waren es aber nur 28 männliche Rinder aus Ihrem Bestand. Der Antrag ist daher abzulehnen."

10

Mit Bescheid vom 7. April 2006 setzte die Beklagte, die mit Wirkung vom 1. Januar 2006 an die Stelle der Landwirtschaftskammer Hannover getreten ist, die Zahlungsansprüche des Klägers fest. In Anlage 2 des Bescheides - Übersicht zum betriebsindividuellen Betrag - wies sie dem Kläger einen durchschnittlichen betriebsindividuellen Betrag über die Referenzjahre von insgesamt 14.248,62 Euro aus. Einen die Sonderprämien für männliche Rinder erhöhenden betriebsindividuellen Betrag aus der nationalen Reserve gewährte sie dem Kläger nicht. Zur Begründung der Ablehnung des Antrags auf Zuteilung zusätzlicher betriebsindividueller Beträge aus der nationalen Reserve wiederholte sie die Ausführungen in dem Informationsschreiben vom 15. Dezember 2005.

11

Daraufhin hat der Kläger am 8. Mai 2006 die vorliegende Klage erhoben.

12

Zur Begründung trägt er vor:

13

Der Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 4 BetrPrämDurchfV könne nicht entnommen werden, dass er genau am 31. Dezember 2004 über einen Bestand an männlichen Rindern aus eigener Nachzucht in Höhe von 50% der beantragten Stellplätze hätte verfügen müssen. Im Übrigen könne er einen besonderen Härtefall geltend machen. Er habe Verluste (auch) an männlichen Rindern aus eigener Nachzucht wegen eines Tierseuchenbefalls erlitten. Ausweislich der beigefügten Bescheinigung des Landkreises H. vom 29. September 2006 über BHV1-Einbrüche sei sein Bestand bis zum 10. Dezember 2001 "frei" gewesen. Ab dem 11. Dezember 2001 bis zum 03. Juli 2002 seien bei fünf Einzelkontrollen bei 6, 46, 8, 75 und 23 Rindern positive Untersuchungsergebnisse zu verzeichnen gewesen. In der Zeit vom 16. September 2002 bis 21. Januar 2003 sei ein kontrollierter Impfbestand bestätigt worden. In diesem Zeitraum seien bei fünf Einzelkontrollen 1, 20, 2, 4 und 22 Rinder mit positivem Untersuchungsergebnis festgestellt worden. In der Zeit vom 25. August 2003 bis 09. Juni 2004 sei wiederum ein kontrollierter Impfbestand bestätigt worden. Ab dem 10. Juni 2004 sei erneut eine Impfsanierung erfolgt. Bis zum 25. Oktober 2004 seien bei vier Einzelkontrollen 2, 4, 15 und 28 Rinder mit positivem Ergebnis festgestellt worden. Er habe der Tierkörperverwertung I. in J. in den Jahren 2003 und 2004 folgende Tiere zugeführt:

  • am 13. Juni 2003 einen Bullen mit der Ohrmarke A.,

  • am 22. August 2003 zwei Kälber, keine Ohrmarken,

  • am 4. Dezember 2003 ein Kalb, männlich mit der Ohrmarke B.,

  • am 2. Januar 2004 ein Kalb, männlich, keine Ohrmarke,

  • am 13. Januar 2004 ein Kalb, männlich, keine Ohrmarke,

  • am 14. Februar 2004 zwei Kälber, Ohrmarken C. und D.,

  • am 23. Februar 2004 zwei Kälber, Ohrmarken E. und F.,

  • am 10. April 2004 ein Kalb, männlich, keine Ohrmarke,

  • am 24. August 2004 ein Kalb, keine Ohrmarke,

  • am 26. August 2004 eine Kuh, Ohrmarke G.,

  • am 01. September 2004 ein Kalb, männlich, Ohrmarke H.,

  • am 27. Oktober 2004 ein Kalb, keine Ohrmarke verzeichnet,

  • am 10. November 2004 ein Kalb mit der Ohrmarke I. und

  • am 28. Dezember 2004 ein Kalb mit der Ohrmarke J..

14

Die aufgeführten Tiere, die er der Tierverwertung habe zuführen müssen, hätten den Bestand an Tieren aus eigener Nachzucht dezimiert. Dieser Umstand sei als ein Fall der "höheren Gewalt" einzustufen. Zudem habe er 25 Jungbullen zur Schlachtung veräußert, um die in dem Jahr 2004 (noch) gewährte Direktzahlung für die Schlachtung von Rindern zu erhalten. Aus alledem ergebe sich, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, die von der Beklagten geforderte 50%-Grenze zu erreichen. Im Übrigen habe er die Absicht, die durch die Investition geschaffenen Möglichkeiten für Produktionssteigerungen in der Bullenmast auch tatsächlich nutzen zu wollen, durch den Kauf von 9 Bullen (Lieferdatum: 27. Oktober 2004) nachgewiesen.

15

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2006 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger einen zusätzlichen betriebsindividuellen Betrag aus der nationalen Reserve in Höhe von 2.474,01 Euro zu gewähren.

16

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

17

Zur Begründung trägt sie vor:

18

Gemäß § 15 Abs. 4 der BetrPrämDurchfV müsse für den Fall, dass im Rahmen der Gesamtinvestition die Erweiterung des Viehbestandes aus eigener Nachzucht vorgesehen ist, der zusätzliche Viehbestand bis zum 31. Dezember 2004 zu mindestens 50% im Betrieb vorhanden sein. Dazu regele die besondere Dienstanweisung für die Berechnung von betriebsindividuellen Beträgen, die Überlassung von betriebsindividuellen Beträgen, die Zuweisung von betriebsindividuellen Beträgen aus der nationalen Reserve sowie die Berechnung und Zuweisung von Zahlungsansprüchen nach der VO (EG) Nr. 1782/2003, der VO (EG) Nr. 795/2007 und der BetrPrämDurchfV, dass es sich dabei um eine Stichtagsregelung handele, die Einhaltung dieses Mindestbestandes nur zu einem früheren Zeitpunkt sei nicht ausreichend. Ein Fall der in Artikel 40 VO (EG) Nr. 1782/2003 aufgeführten Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände liege hier nicht vor. Da es sich bei der Rinderkrankheit BHV 1 (ursprünglich IBR) um keine anzeigepflichtige/meldepflichtige Tierseuche handele, und die Verendung der Tiere nicht eindeutig auf die Krankheit zurückzuführen sei, könne ein Fall von höherer Gewalt/besonderer Umstände nicht anerkannt werden. Im Übrigen habe eine Auswertung der HIT-Datenbank ergeben, dass sich vor der Investition bereits 31 männliche Tiere auf dem Betrieb des Klägers befunden haben. Folglich müssten bereits vor der Baumaßnahme entsprechende Stallkapazitäten vorhanden gewesen sein. Nach der Investition habe der Betrieb im Januar 2003 einen Höchststand von 64 Tieren erreicht. Diese Anzahl sei in den Folgejahren nicht mehr erreicht worden. Durchschnittlich seien im Jahr 2004 48, im Jahr 2005 54, im Jahr 2006 63 und im Jahr 2007 52 männliche Tiere gehalten worden. Aktuell befänden sich 55 Bullen auf dem Betrieb des Klägers. Damit sei eine kontinuierliche Bestandsaufstockung in Bezug auf die beabsichtigte Kapazitätserweiterung nicht eindeutig erkennbar. Bei einem Investitionsziel von 76 Stallplätzen und unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen Stallplätze von 31 hätten sich für die Anerkennung der besonderen Lage mindestens 53,5 im eigenen Bestand geborene männliche Rinder auf dem Betrieb des Klägers befinden müssen. Käme man jedoch zu dem Ergebnis, dass die in den Abs. 2 bis 4a des § 15 BetrPrämDurchfV genannten Anforderungen erfüllt wären, seien gemäß Abs. 5a S. 1 Nr. 1 die Investitionen nur in dem Umfange zu berücksichtigen, in dem für die in der zusätzlichen Produktionskapazität im Jahr nach der Fertigstellung gehaltenen Tiere Sonderprämien bewilligt wurden. Im Jahr 2002 seien dem Kläger für 26,8 Einheiten die Sonderprämie bewilligt worden. Dies sei auch bei der Berechnung der betriebsindividuellen Beträge im Bescheid vom 7. April 2006 berücksichtigt worden. Auf dieser Grundlage komme eine Zuweisung aus der nationalen Reserve lediglich im Umfang der Steigerung vom bewilligten Durchschnittswert (Bezugszeitraum 2000 - 2002) zur Regelung nach Abs. 5a in Betracht.

19

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die Klage hat keinen Erfolg.

21

Der Bescheid der Beklagten vom 7. April 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

22

Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Zahlungsansprüche des Klägers um einen zusätzlichen betriebsindividuellen Betrag aus der nationalen Reserve zu erhöhen.

23

Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen zusätzlichen betriebsindividuellen Betrag aus der nationalen Reserve wegen Investitionen in die Rindermast.

24

Als Rechtsgrundlage für die von dem Kläger begehrte Festsetzung eines zusätzlichen betriebsindividuellen Betrages aus der nationalen Reserve kommen Artikel 42 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 - mit späteren Änderungen - i.V.m. Art. 21 VO (EG) Nr. 795/2004 - mit späteren Änderungen - und § 15 der Verordnung zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie vom 26. Oktober 2006, zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 4. April 2007 (Betriebsprämiendurchführungsverordnung - BetrPrämDurchfV -), in Betracht.

25

Die von dem Kläger geltend gemachten Aufwendungen in die Rindermast erfüllen nicht die Voraussetzungen, die § 15 Abs. 4 Satz 4 BetrPrämDurchfV in dem Fall, dass - wie hier - im Rahmen der Gesamtinvestition die Erweiterung des Viehbestandes aus eigener Nachzucht vorgesehen ist, auf nationaler Ebene an die Gewährung eines erhöhten betriebsindividuellen Betrages wegen Investitionen stellt. Nach dieser Vorschrift muss der zusätzliche Viehbestand aus eigener Nachzucht bis zum 31. Dezember 2004 in Höhe von mindestens 50 vom Hundert im Betrieb vorhanden sein.

26

Laut HI-Tier Datenbank hat der Kläger bei Beginn der Investition - August/September 2000 - zwischen 20 und 27 männliche Rinder in seinem Bestand gehalten (in dem Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 5. Mai 2000 27 bis 31 männliche Rinder). Im Vordruck - J - hat der Kläger angegeben, dass die Investitionen in die Rindermast unmittelbar dazu führen, dass sich die Stallkapazitäten von 20 Plätzen - vor der Investition - auf 76 Plätze - nach der Investition - erhöhen. Die zusätzliche Stallkapazität bzw. der zusätzliche Viehbestand beträgt daher wenigstens 45 und höchstens 56 Plätze bzw. Tiere. Demnach hätte der zusätzliche Viehbestand aus eigener Nachzucht bis zum 31. Dezember 2004 in Höhe von 50 Prozent im Betrieb des Klägers vorhanden sein müssen, d.h. insgesamt 48 bzw. 52 bzw. 53,5 (54) Tiere (20 männliche Rinder addiert mit 28 männlichen Rindern bzw. 27 männliche Rinder addiert mit 24,5 männlichen Rindern bzw. 31 männliche Rinder addiert mit 22,5 männlichen Rindern). Laut HI-Tier-Datenbank (Alters- und Geschlechtsstatistik von 31. Dezember 2004 bis 31. Dezember 2004) hat der Betrieb des Klägers am 31. Dezember 2004 jedoch über einen Bestand von lediglich 44 männlichen Rindern (davon 28 männliche Rinder aus eigener Nachzucht) verfügt.

27

Versteht man § 15 Abs. 4 S. 4 BetrPrämDurchfV in dem Sinne, dass lediglich mindestens einmal im Zeitraum von der Fertigstellung der Investitionsmaßnahme bis zum 31. Dezember 2004 die Zahl von 50% des Aufstockungsbestandes zusätzlich zu der Zahl der vor der Investition vorhandenen Tiere im Betrieb vorhanden sein muss (so VG Augsburg, Urteil vom 25. September 2007 - Au 3 K 06.1100 - ), so wären diese Vorgaben hier eingehalten. Der Kläger hielt bereits im Zeitraum vom 15. September 2002 bis zum 11. November 2003 - Höchststand am 27. bis 30. Januar 2003: 64 männliche Rinder - und im Zeitraum vom 10. Januar 2004 bis zum 23. September 2004 - Höchststand am 14. Februar 2004: 57 männliche Rinder - einen Bestand von 48 männlichen Rindern und mehr.

28

Der Wortlaut des § 15 Abs. 4 S. 4 BetrPrämDurchfV ist nicht eindeutig. Er fordert, dass die Erweiterung des Tierbestandes "bis zum" 31. Dezember 2004 vorhanden sein muss. Eine Erweiterung gerade "am" 31. Dezember wird nicht verlangt. Allerdings trifft § 15 Abs. 5a Satz 1 Nr. 2 BetrPrämDurchfV für männliche Rinder und Kälbermast die Sonderregelung, dass Produktionskapazitäten, die in der Zeit vom 1. Januar bis zum Ablauf des 15. Mai 2004 fertig gestellt worden sind, nur berücksichtigt werden, wenn die zusätzlichen Produktionskapazitäten bis zum Ablauf des 31. Dezember 2004 mindestens einmal in Höhe von 50 v.H. für die Produktion von männlichen Rindern oder Kälbern genutzt worden sind. Diese Vorschrift regelt eindeutig den Fall einer Frist, innerhalb derer die Aufstockung des Tierbestandes nur einmal erreicht werden muss. In § 15 Abs. 4 Satz 4 BetrPrämDurchfV hat der Verordnungsgeber eine entsprechende Formulierung nicht gewählt. Dieser unterschiedliche Wortlaut innerhalb ein und derselben Vorschrift spricht für ein bewusstes Vorgehen des Verordnungsgebers und dafür, dass § 15 Abs. 4 Satz 4 BetrPrämDurchfV gerade nicht, wie dies im Fall des § 15 Abs. 5a Nr. 2 BetrPrämDurchfV geregelt ist, ein einmaliges Erreichen des Höchstbestandes innerhalb einer bestimmten Frist ausreichen lässt.

29

Diese Auslegung wird gestützt durch die Begründung des Verordnungsgebers zu § 15 Abs. 4 Satz 2 (jetzt: Satz 4) BetrPrämDurchfV (vgl. Bundesrat, Drucks. 728/04 vom 5. November 2004, Satz 4). In dieser Verordnungsbegründung wird ausdrücklich von einer Stichtagsregelung gesprochen. Dort heißt es, im Falle der Erweiterung des Viehbestandes aus eigener Nachzucht könne die Ernsthaftigkeit der Investition dadurch nachgewiesen werden, dass die Erweiterung des Viehbestandes zum Stichtag 31. Dezember 2004 mindestens in der in Satz 2 (jetzt: Satz 4) festgelegten Höhe im Betrieb vorhanden ist. Auch hier wird darauf abgestellt, dass die Erweiterung zu dem Stichtag im Betrieb vorhanden ist und nicht, dass sie nur mindestens einmal in dieser Höhe vorhanden gewesen sein muss.

30

Allerdings birgt der Blick auf eine strenge Stichtagsregelung die Gefahr zufälliger und unbilliger Ergebnisse. Der Tierbestand in einem landwirtschaftlichen Betrieb ist ständigen Schwankungen unterworfen, die sich zum Teil aus der Verwertung oder Veräußerung von Tieren ergeben, zum anderen aber auch auf Umständen beruhen können, die der Betriebsinhaber nicht oder nur unwesentlich selbst beeinflussen kann, wie z.B. die Erkrankung von Tieren. Schon von daher ergibt sich aus der Regelung eines festen Stichtags eine "Momentaufnahme", die leicht Gefahr läuft, einen verzerrten Eindruck wiederzugeben und dem Vertrauen nicht gerecht zu werden, das ein Landwirt gebildet hat, der im Hinblick auf den Fortbestand der früheren, produktionsorientierten Förderung Investitionen getätigt hat (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 25. September 2007 - Au 3 K 6.1100 -).

31

Andererseits bietet die Sichtweise, es reiche aus, wenn nach Fertigstellung der Investitionen bis zum 31. Dezember 2004 einmal der geforderte zusätzliche Tierbestand nachgewiesen wird und nachträgliche Änderungen unberücksichtigt bleiben, die Gefahr, dass Landwirte in den Genuss der Förderung kommen, die ein schutzwürdiges Vertrauen gerade nicht gebildet haben. Dies trifft insbesondere auf Betriebsinhaber zu, die - mangels einer vorgegebenen Mindestinvestitionssumme - in ihrem Betrieb lediglich geringfügige, wenig kostenintensive Umbaumaßnahmen durchgeführt haben und die Produktion von Tieren in dem geförderten Sektor nur kurzfristig aufgenommen haben. Beispielsweise könnte dies dazu führen, dass eine mit geringem Kostenaufwand durchgeführte Maßnahme und die im Anschluss nur für eine kürzere Zeit durchgeführte Erweiterung des Viehbestandes aus eigener Nachzucht zu mindestens 50 v.H. als Investition Berücksichtigung fände. Derartige Ergebnisse sind vor dem Hintergrund, dass § 15 Abs. 4 Satz 4 BetrPrämDurchfV entsprechend der Verordnungsbegründung dazu dienen soll, die Ernsthaftigkeit der Investition nachzuweisen, fragwürdig. Die Ernsthaftigkeit einer Investition wird mit einer nur kurzfristigen, zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt vor dem 31. Dezember 2004 erfolgten Bestandsaufstockung nicht belegt.

32

Die Kammer geht davon aus, dass der Verordnungsgeber bei Schaffung der Regelung eine mit Fertigstellung der Investition beginnende kontinuierliche Bestandsaufstockung aus eigener Nachzucht bis zum Erreichen der vollen Kapazität der zusätzlichen Stallplätze vor Augen hatte. Diese Aufstockung sollte bis zum 31. Dezember 2004 mindestens 50% erreicht haben. Durch den Nachweis einer tatsächlichen Aufstockung des Viehbestandes sollte die Ernsthaftigkeit der Investition nachgewiesen werden. Bei einem solchen Verständnis der Vorschrift sind Fälle denkbar, in denen der erforderliche zusätzliche Tierbestand zwar gerade am 31. Dezember 2004 nicht erreicht wird, aber die Ernsthaftigkeit der Investition durch eine beständige und fortlaufende Bestandsaufstockung nach Fertigstellung eindeutig erkennbar ist. Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass in erweiternder Auslegung der Vorschrift des § 15 Abs. 4 S. 4 BetrPrämDurchfV auch solche Investitionsfälle zu erfassen sind, in denen am 31. Dezember 2004 aus besonderen Umständen ein zusätzlicher Viehbestand in Höhe von mindestens 50 v.H. der zusätzlichen Produktionskapazität nicht vorhanden ist, eine kontinuierliche Bestandsaufstockung in Bezug auf die beabsichtigte Kapazitätserweiterung aber eindeutig festzustellen ist und der erforderliche Aufstockungsgrad zeitnah vor dem Stichtag bereits erreicht worden ist (vgl. Urteil der Kammer vom 30. Januar 2008 - 6 A 1106/06 -).

33

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Eine nachhaltige, kontinuierliche Aufstockung des Bestands an männlichen Rindern auf die beabsichtigte Kapazitätserweiterung von 76 männlichen Rindern kann im Betrieb des Klägers, insbesondere in den Jahren 2003 und 2004, nicht festgestellt werden. Der Bestand des Klägers an männlichen Rindern hat sich ausweislich der HI-Tier Datenbank seit dem 30 Januar 2003 (60 männliche Rinder) bis Anfang Mai 2003 zunächst stetig verringert (auf 51 männliche Rinder). Im übrigen Jahr 2003 blieb der Bestand an männlichen Rindern relativ konstant. Er schwankte zwischen 47 und 58 Tieren. Anfang des Jahres 2004 - am 14. Februar 2004 - erreichte der Höchstbestand an männlichen Rindern einmalig 57 Tiere. Im November und Dezember 2004 lag der Tierbestand des Klägers bei 47 Tieren und weniger. Der Kläger hat den erforderlichen Aufstockungsgrad von insgesamt 48 bzw. 52 bzw. 53,5 (54) Tieren daher auch nicht zeitnah vor dem 31. Dezember 2004 erreicht.

34

Der Kläger kann sich auf einen erstmalig mit Schriftsatz vom 18. Februar 2008 geltend gemachten Härtefall nicht berufen, weil die Vorschrift des § 15 Abs. 4 BetrPrämDurchfV - im Gegensatz zu der Regelung gemäß § 15 Abs. 5a Satz 2 BetrPrämDurchfV - eine Ausnahme vom Erfordernis nach § 15 Abs. 4 Satz 4 BetrPrämDurchfV für den Fall der höheren Gewalt, sonstiger außergewöhnlicher Umstände oder unbilliger Härte nicht vorsieht.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

36

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

37

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

38

Beschluss

39

Der Streitwert wird auf

40

1.855,51 Euro

41

(75 Prozent der hier streitigen Zahlungsansprüche in Höhe von 2.474,01 Euro, vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16. November 2006 - 10 OA 198/06 -)

42

festgesetzt.

Gärtner
Fahs
Dr. Luth