Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 22.06.2022, Az.: 2 A 251/19

Bauvorschrift, örtliche; Bestimmtheit; Dacheindeckung; Dachfarbe; Konzept; RAL-Farbe; Zitiergebot; Zwischentöne

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
22.06.2022
Aktenzeichen
2 A 251/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59621
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine auf § 56 NBauO 2003 gestützte örtliche Bauvorschrift genügt dem landesverfassungsrechtlichen Zitiergebot, wenn die Rechtsgrundlage mit dem konkreten Paragraphen bezeichnet ist. Die Angabe von Absatz, Satz und Nummer ist nicht erforderlich (wie Urteil der Kammer vom 22.11.2018 - 2 A 129/16 -). Eine örtliche Bauvorschrift, die die zulässigen Farben von Dacheindeckungen durch Verweis auf einzelne Farbtöne nach dem RAL-Farbregister konkretisiert und deren Zwischentöne zulässt, ist hinreichend bestimmt.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Bauaufsichtsverfügung des Beklagten, mit der ihm aufgegeben wird, die Dacheindeckung seines Hauses farblich anzupassen.

Er ist Eigentümer des Grundstücks {F.} 27 in B-Stadt (Flur xx, Flurstück {G.}), das mit einem Wohnhaus nebst Garage bebaut ist. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 17 und Örtliche Bauvorschrift der Beigeladenen, „Erweiterung im Osterbachsfelde“, in der Fassung der 1. Änderung. Das 3,41 ha große Plangebiet betrifft den südwestlichen Ortsrand von B-Stadt. Es besteht im Wesentlichen aus dem von den Straßen {F.}, {H.} Straße, {I.} Straße (L 523) und {J.} Straße gebildeten Karree mit Ausnahme der ersten Grundstücksreihe entlang der {H.} Straße und einer 1998 für einen Verbrauchermarkt beplanten Fläche an der {F.}.

Mit der am 29.06.1998 als Satzung beschlossenen Ursprungsfassung des Bebauungsplans schuf der Rat der Beigeladenen auf bisherigem Ackerland Wohnbauflächen. Das Grundstück des Klägers liegt in einem allgemeinen Wohngebiet. Die Planung sollte durch Grünelemente den durch Neubauten beeinträchtigten Ortsrand neu bilden. Außerdem sollte sich „die neue Bebauung der gewachsenen Ortsstruktur in Form und Farben anpassen, um ein harmonisches Ortsbild zu erhalten“ (Planbegründung Seite 3).

In seiner ursprünglichen Fassung enthielt der Bebauungsplan für seinen gesamten Geltungsbereich eine örtliche Bauvorschrift zu Dachfarben „gemäß § 56 und § 98 der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO)“. Dort hieß es:

„§ 2 Dacheindeckung

Als Dacheindeckung sind nur rote Dachpfannen/Ziegel im Farbton nach der Farbtonkarte RAL Nr. 2001 bis 2002, Nr. 3000 über 3002 bis 3003 zulässig.“

Weitere Gestaltungsvorgaben enthielt die örtliche Bauvorschrift nicht.

Mit der am 22.09.2003 vom Rat der Beigeladenen beschlossenen 1. Änderung des Bebauungsplans wurden die Dachfarben um Brauntöne erweitert und glasierte Ziegel zugelassen, um den Wünschen von Bauwilligen nachzukommen. Weitere Änderungen gab es nicht. § 2 der örtlichen Bauvorschrift wurde wie folgt gefasst:

„§ 2 Dacheindeckung

Als Dacheindeckung sind rote bis braune Dachpfannen/Ziegel mit und ohne Glasur im Farbton nach der Farbtonkarte RAL

RAL Nr. 2001 (Rotorange)

RAL Nr. 2002 (Blutorange)

RAL Nr. 3000 (Feuerrot)

RAL Nr. 3002 (Karminrot)

RAL Nr. 3003 (Rubinrot)

RAL Nr. 8004 (Kupferbraun)

RAL Nr. 8003 (Lehmbraun)

RAL Nr. 8012 (Rotbraun)

und deren Zwischentöne zulässig.“

Rügeschreiben erfolgten nicht.

In seiner Sitzung vom 22.09.2003 beschloss der Rat der Beigeladenen gleichlautende örtliche Bauvorschriften für die Geltungsbereiche der Bebauungspläne „Über dem Dorfe“, Über dem Dorfe II“, „Über dem Dorfe III“ am nordwestlichen Ortsrand, die ebenfalls vor allem Wohnnutzungen zulassen. Für den Geltungsbereich des Bebauungsplans „Am Teufelsgraben“, Wohngebiet am südöstlichen Ortsrand, beschloss er die ersatzlose Aufhebung der erst im Jahr 2000 beschlossenen örtlichen Bauvorschrift, die Dachformen, Dachneigung und eine rote Dacheindeckung vorschrieb. Zu der Freistellung der Dachgestaltung im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Am Teufelsgraben“ bewogen den Rat der Beigeladenen die Wünsche der Bauwilligen und eine geringe Wirkung dieses Baugebiets auf das Orts- und Landschaftsbild bedingt durch die Topographie und insbesondere die Trennung von der historischen Ortslage durch ein Waldstück (Begründung zum Bebauungsplan Nr. 16 und Örtliche Bauvorschrift „Am Teufelsgraben“, 1. Änderung, S. 2). Für die Geltungsbereiche der Bebauungspläne „Hoher Weg“, Dorfgebiet am westlichen Ortsrand, „Vor dem Thore“, Wohngebiet am westlichen Ortsrand, „Am Hessenberg“, „Hessenberg II“ sowie „Hessenberg III“, Wohngebiete am östlichen Ortsrand, existieren keine Vorgaben für Dachfarben. Für ein Seniorenwohnheim im Ortskern war in der Ratssitzung vom 18.08.2003 eine rote Dacheindeckung vorgegeben worden. Große Teile des Ortskerns sind unbeplant.

Der Kläger hatte in den Baubeschreibungen, die seinen Mitteilungen über den Neubau des genehmigungsfreien Wohnhauses vom 28.08.2015 und 31.10.2015 beigefügt waren, angeben lassen, dass sein Dach mit roten Ziegeln eingedeckt werden solle. Im November 2015 erfuhr der Beklagte durch Anzeige eines Nachbarn, der sein Hausdach selbst dunkelbraun eingedeckt hatte, dass der Kläger sein Dach stattdessen mit anthrazitfarbenen oder schwarzen Ziegeln eindecken ließ.

Die Beigeladene lehnte mehrfach eine Änderung von § 2 der örtlichen Bauvorschrift in dem Bebauungsplan Nr. 17 „Erweiterung im Osterbachsfelde“ ab; ebenso die Erteilung einer Ausnahme für den Kläger (Verwaltungsausschuss, Beschlüsse vom 10.12.2015 und 17.03.2016; Ratsbeschluss vom 21.08.2017). Mit Ausnahme des Grundstücks des Klägers halten alle anderen Dacheindeckungen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 17 die Farbvorgaben ein.

Nach Anhörung forderte der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 20.02.2018 auf, die Dacheindeckung seines Wohngebäudes an die Festsetzung des geltenden Bebauungsplans Nr. 17 „Erweiterung im Osterbachsfelde“, 1. Änderung, der Beigeladenen anzupassen (Ziffer 1). Für den Fall, dass der Kläger dem nicht bis spätestens acht Wochen nach Bestandskraft des Bescheids nachkomme, drohe er ihm die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 5.000,- Euro an (Ziffer 2). Zur Begründung führte der Beklagte aus, ein schwarzes Dach stelle einen krassen Gegensatz zu den anderen Dächern dar und berühre die Grundzüge der gemeindlichen Planung. Die örtliche Bauvorschrift sei rechtmäßig. Die Farbe der Dacheindeckung sei formell - der Kläger sei von der eigenen Baubeschreibung abgewichen - und materiell illegal. Wegen der materiellen Illegalität müsse die Bauaufsicht einschreiten. Die gewählte Maßnahme sei verhältnismäßig und überlasse es dem Kläger, auf welche Weise er die Dachfarbe verändere. Der finanzielle Aufwand sei ihm zumutbar.

Den dagegen vom Kläger durch seinen Bevollmächtigten fristgerecht eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 10.07.2019, zugestellt am 17.07.2019, zurück. Dass sich außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. 17 „Erweiterung im Osterbachsfelde“ Gebäude mit dunklen Dächern befänden, sei irrelevant.

Dagegen hat der Kläger am 15.08.2019 Klage erhoben. Er trägt vor, die örtliche Bauvorschrift über die Dacheindeckung sei rechtswidrig, weil ihr ein nachvollziehbares und geeignetes Konzept fehle. In unmittelbarer Umgebung finde sich eine Vielzahl von dunklen (möglicherweise schwarzen) Dächern, beispielsweise das dem Haus des Klägers auf der Nordseite der {F.} gegenüberliegende Haus ({K.} 20), sechs Häuser westlich der {H.} Straße, die an das Plangebiet angrenzten, sowie diverse Häuser östlich der {H.} Straße. Daher sei die Annahme der Beigeladenen, die historische ortstypische Dachfarbe sei ein rotes Ziegeldach, unzutreffend und die örtliche Bauvorschrift verfehle ihr Ziel. Darüber hinaus sei zweifelhaft, ob der Bescheid ausreichend bestimmt sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 20.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf seine Bescheide und verteidigt die örtliche Bauvorschrift.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag und äußert sich nicht zur Sache.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Beigeladenen Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Anfechtungsklage hat keinen Erfolg. Die Bauaufsichtsverfügung des Beklagten vom 20.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2019 ist rechtmäßig.

Nach § 79 Abs. 1 Satz 1 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen Maßnahmen anordnen, die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind, wenn bauliche Anlagen dem öffentlichen Baurecht widersprechen.

I. Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 79 Abs. 1 Satz 1 NBauO liegen vor. Die Dacheindeckung des Hauses des Klägers widerspricht dem öffentlichen Baurecht, weil die Dachfarbe nicht den Bestimmungen der wirksamen örtlichen Bauvorschrift entspricht (1.) und der Beklagte davon keine Abweichung erteilen musste (2.). Die Bauaufsichtsverfügung ist hinreichend bestimmt und an den richtigen Adressaten gerichtet (3.).

1. § 2 der örtlichen Bauvorschrift in der allein maßgeblichen Fassung der 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 17 „Erweiterung im Osterbachsfelde“ ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

a) Rechtsgrundlage der als Festsetzung in die 1. Änderung des Bebauungsplans aufgenommenen örtlichen Bauvorschrift zur Dacheindeckung sind § 56 und § 98 NBauO 2003 (in der seit dem 31.12.2002 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Baurechts vom 11.12.2002, Nds. GVBl. 2002, 796; Bekanntmachung der Neufassung: Nds. GVBl. 2003, 89; im Folgenden: a.F.; § 56 ist inhaltlich unverändert gegenüber der seit dem 01.07.1995 geltenden Fassung des siebenten Gesetzes zur Änderung der NBauO vom 15.06.1995, Nds. GVBl. 1995, S. 158; Bekanntmachung der Neufassung: Nds. GVBl. 1995, S. 199).

§ 56 Abs. 1 Nr. 1 NBauO a.F. lautete im Wesentlichen wie die heutige Regelung in § 84 Abs. 3 Nr. 1 NBauO:

„Um bestimmte städtebauliche, baugestalterische oder ökologische Absichten zu verwirklichen oder um die Eigenart oder den Eindruck von Baudenkmalen zu erhalten oder hervorzuheben, können die Gemeinden, auch über die Anforderungen der §§ 14, 49 und 53 hinausgehend, durch örtliche Bauvorschrift für bestimmte Teile des Gemeindegebietes

1. besondere Anforderungen an die Gestaltung von Gebäuden stellen, namentlich für die Gebäude- und Geschosshöhe, die Auswahl der Baustoffe und der Farben der von außen sichtbaren Bauteile sowie für die Neigung der Dächer einen Rahmen setzen“.

§ 98 NBauO a.F. entspricht der heutigen Regelung in § 84 Abs. 6 NBauO und ließ die Aufnahme örtlicher Bauvorschriften als Festsetzungen in Bebauungspläne zu.

Die örtliche Bauvorschrift zu den Dachfarben in den Farbtönen rot und braun ist mit der 1. Änderung des Bebauungsplans wirksam geworden und es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie aufgrund abweichender tatsächlicher Verhältnisse funktionslos geworden ist. Im Gegenteil halten vielmehr alle Dacheindeckungen bis auf die des Klägers die Farbvorgaben ein, die für den Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 17 „Erweiterung im Osterbachsfelde“ und der örtlichen Bauvorschrift bestehen.

b) Die örtliche Bauvorschrift beachtet das Zitiergebot des Art. 43 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung (NV). Es ist nicht zu beanstanden, dass sie allgemein auf „§ 56 und § 98 der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO)“ Bezug nimmt, statt die jeweils einschlägige Nummer in § 56 Abs. 1 NBauO a.F. zu benennen. Hierzu verweist die Kammer auf ihr rechtskräftiges Urteil vom 22.11.2018 (- 2 A 129/16 -, juris Rn. 44 ff.), in dem sie ausgeführt hat:

„Nach Art. 43 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung (NV) ist in Rechtsverordnungen die Rechtsgrundlage anzugeben. Entsprechendes gilt für örtliche Bauvorschriften über die Gestaltung baulicher Anlagen nach §§ 56, 97 und 98 NBauO a.F. Denn bei ihnen handelt es sich um Rechtsverordnungen, die in Satzungsform im übertragenen Wirkungskreis erlassen werden (Nds. OVG, Urteil vom 12.04.2000 - 1 K 5694/98 -, juris, Rn. 13; Urteil vom 21.08.1992 - 6 L 119/90 -, juris, Rn. 25 ff.; BeckOK BauordnungsR Nds/Blume, 9. Ed. 15.7.2018, NBauO § 84 Rn. 9; a.A. - die Anwendbarkeit des landesverfassungsrechtlichen Zitiergebots für Gestaltungsregelungen in örtlichen Bauvorschriften verneinend: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.10.2008 - 1 A 10362/08 -, juris, Rn. 27 ff.).

Die Verpflichtung, in der Rechtsverordnung deren Rechtsgrundlage anzugeben, bedeutet, dass nicht nur das Gesetzeswerk, in dem sich die Ermächtigungsgrundlage findet, sondern die ermächtigende gesetzliche Einzelvorschrift in der Verordnung genannt wird. Der Verordnungsgeber wird durch die Pflicht zur Angabe der Ermächtigungsgrundlage angehalten, sich der Reichweite seiner Rechtsetzungsbefugnis zu vergewissern; Normadressaten und Gerichten wird ermöglicht, zu prüfen, ob der Verordnungsgeber bei Erlass der Norm von einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage Gebrauch machen wollte und ob die getroffene Regelung sich im Rahmen der Ermächtigung gehalten hat (BVerfG, Beschluss vom 01.04.2014 - 2 BvF 1/12 -, BVerfGE 136, 69 = juris, Rn. 99 m.w.N.; BVerfG, Urteil vom 06.07.1999 - 2 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1 = juris, Rn. 153 - 156).

Ob die Norm, die die Ermächtigungsgrundlage enthält, außer mit dem konkreten Paragraphen auch mit Absatz, Satz und Nummer zu bezeichnen ist, lässt sich dem Wortlaut von Art. 43 Abs. 2 Satz 1 NV nicht entnehmen. Zu dieser Frage werden verschiedene Auffassungen vertreten. Mehrere Stimmen in der Literatur halten stets eine möglichst genaue Zitierung für erforderlich, mithin die Angabe nach Absatz, Satz und Nummer für zwingend (BeckOK Grundgesetz/Uhle, 38. Ed. 15.8.2018, GG Art. 80 Rn. 32; Sachs/Mann, 8. Aufl. 2018, GG Art. 80 Rn. 31 m.w.N.). Nach Auffassung der Kammer ist die Frage ausgehend von den Zwecken des Zitiergebotes zu beantworten. Die Kammer folgt deshalb der Auffassung, die fordert, dass kein Zweifel bestehen darf, welche Ermächtigungsgrundlage gemeint ist. Enthält also beispielsweise eine aus mehreren Absätzen oder Sätzen bestehende Norm nur eine Ermächtigungsgrundlage, kann die pauschale Angabe der Norm genügen. Das ist anders, wenn eine Norm mehrere Ermächtigungsgrundlagen enthält (so: Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: April 2018, Art. 80 Rn. 125; Schwarz, DÖV 2002, 852 (853); s.a. Pieroth, in: Jarass/ders., GG, 14. Aufl. 2016, Art. 80 Rn. 22: „im Zweifelsfall“; Steinbach, in: Epping u.a., Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, Art. 43 Rn. 20: „gegebenenfalls“).

§ 56 NBauO a.F. enthält nicht verschiedene Rechtsgrundlagen, die programmgemäß in eigenen Verordnungen/Satzungen geregelt werden sollen, sondern eine einheitliche Rechtsgrundlage zum Erlass örtlicher Bauvorschriften, für die verschiedene mögliche Inhalte aufgezählt werden.“

Daran hält die Kammer fest. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die Anforderungen des Zitiergebots für örtliche Bauvorschriften, die auf § 56 NBauO a.F. oder § 84 Abs. 3 NBauO gestützt sind, bisher offengelassen (Nds. OVG, Urteil vom 18.06.2019 - 1 KN 64/15 -, juris Rn. 101; vom 08.09.2021 - 1 KN 115/19 -, juris Rn. 67; s.a. Wiechert/Lenz, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 84 Rn. 108).

c) § 2 der örtlichen Bauvorschrift ist hinreichend bestimmt. Der Rat der Beigeladenen hat die zulässigen Farben der Dacheindeckungen zunächst durch Verweis auf einzelne Farbtöne nach dem RAL-Farbregister hinreichend bestimmt umschrieben (s.a. Nds. OVG, Urteil vom 18.09.2014 - 1 KN 123/12 -, juris Rn. 52 f.).

Dass er im letzten Satzteil von § 2 der örtlichen Bauvorschrift auch „Zwischentöne“ zugelassen hat, lässt die Regelung nicht unbestimmt werden. Örtliche Bauvorschriften müssen - wie jede andere rechtliche Regelung - ausreichend bestimmt sein. Das schließt die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht aus. Erforderlich ist allein, dass sich ihr Inhalt unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und des erkennbaren Willens des Normgebers erschließen lässt (Nds. OVG, Beschluss vom 30.08.2012, 1 LA 231/10 Beschlussabdruck S. 5, V.n.b.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.04.2002 - 8 S 177/02 -, juris Rn. 42; jeweils m.w.N.). § 2 der örtlichen Bauvorschrift ist dahingehend auslegbar, dass alle (orange)roten und braunen Dachfarben zulässig sind, deren Farbspektrum zwischen denen der explizit genannten RAL-Farbtöne liegt. Jeder RAL-Farbton ist nach dem Mischungsverhältnis der - vom jeweiligen Farbmodell (RGB, CMYK) abhängigen - Primärfarben definiert. Zwischentöne sind daher solche, deren Mischungsverhältnis der Primärfarben sich innerhalb der Variationsbreite bewegt, die die explizit genannten RAL-Farbtöne vorgeben. Maßgeblich ist nach dem erkennbaren Willen des Gemeinderats der Beigeladenen ein Farbverlauf. Nicht ausschlaggebend ist demgegenüber die Nummerierung der RAL-Farbtöne, die nicht mit dem Farbverlauf übereinstimmt. Dies folgt bereits daraus, dass es ansonsten der Nennung beispielsweise der Farben Nr. 3002 (Karminrot) und 8004 (Kupferbraun) nicht bedurft hätte. Diese Farben hätten bei der Anknüpfung an die Nummerierung als Zwischentöne angesehen werden müssen. Ein Abstellen auf die Nummerierung wollte der Rat ersichtlich nicht.

Mit der Zulassung von „Zwischentönen“ hat der Gemeinderat der Beigeladenen ausweislich seines Beschlusses über die vorgebrachten Einwendungen vom 22.09.2003 zum Ausdruck bringen wollen, dass die RAL-Farben nicht genau eingehalten werden müssen, weil dies der Ziegelindustrie nicht möglich sei. Eine - nach dem Urteil des Nds. OVG vom 18.09.2014 (a.a.O.) unzulässige - Identität mit den Farben des RAL-Farbregisters wurde nicht verlangt.

d) Die Vorgaben zur Dachfarbe in § 2 der örtlichen Bauvorschrift begegnen keinen inhaltlichen Bedenken. Sie sind von der Ermächtigung gedeckt und verletzen daher nicht die auf Art. 14 Abs. 1 GG beruhende Baufreiheit des Klägers.

aa) Die örtliche Bauvorschrift bezieht sich auf einen bestimmten Teil des Gemeindegebiets, weil sie räumlich auf das Plangebiet beschränkt ist.

bb) § 56 Abs. 1 Nr. 1 NBauO a.F. gibt den Gemeinden die Befugnis zu einer „positiven Baupflege“. Ein legitimes Ziel der positiven Baupflege ist es, die vorhandenen Strukturen eines einheitlichen Ortsbilds mit städtebaulichem Wert zu erhalten. Davon ausgehend ist es erforderlich, dass ein Konzept oder eine Idee eigens für die Ausgestaltung eines konkreten, überschaubaren Ortsteils bzw. eines Straßenzugs vorhanden ist und sich die örtliche Bauvorschrift daraus folgerichtig ableitet. Die städtebauliche Gestaltungsabsicht muss an die Besonderheiten des zu schützenden Gebiets anknüpfen und eine Entsprechung in seiner charakteristischen Prägung finden. Je detaillierter die gestalterischen Vorgaben in der örtlichen Bauvorschrift ausfallen, umso höhere Anforderungen sind an die Überzeugungskraft und den örtlichen Bezug des zugrundeliegenden Konzepts zu stellen. Beschränkt sich die planende Gemeinde umgekehrt auf wenige grundlegende Vorgaben, sinken die Anforderungen an das gemeindliche Konzept entsprechend. Dabei muss sich das Konzept nicht zwangsläufig aus der örtlichen Bauvorschrift selbst ergeben. Vielmehr ist die Inbezugnahme einer von der Gemeinde anderweitig beschlossenen Gestaltungsplanung zulässig und ausreichend, wenn sich dieser die Gestaltungsidee der Gemeinde für das in Rede stehende Gebiet hinreichend zuverlässig entnehmen lässt (Nds. OVG, Urteil vom 18.09.2014 - 1 KN 123/12 -, juris Rn. 56 m.w.N.).

Nicht ausreichend ist es, dass die Gemeinde gewisse Bauformen oder Materialien für unschön und daher unerwünscht hält. Auch das Ziel, eine einheitliche Bebauung zu erreichen, lässt in der Regel noch keine baugestalterische Absicht erkennen, die eine Einschränkung der Baufreiheit rechtfertigt, weil gerade Einheitlichkeit die Gefahr öder Gleichförmigkeit heraufbeschwört (Nds. OVG, Urteil vom 13.03.2002 - 1 KN 1310/01 -, Rn. 21; VG Hannover, Urteil vom 08.10.2019 - 12 A 78/18 -, Rn. 42; jeweils juris).

Für die in § 2 der örtlichen Bauvorschrift vorgeschriebene Farbgestaltung der Dächer mit roten und braunen Tönen besteht ein städtebaulich begründetes Konzept.

Der Rat der Beigeladenen ging im Jahr 2003 davon aus, dass das rote Ziegeldach die historische ortstypische Dachfarbe sei (vgl. Begründung des Ursprungsplans S. 16) und dass inzwischen auch die braune Dachfarbe ortstypisch geworden sei (Begründung der 1. Änderung, S. 2). Daran ist nichts zu erinnern. Nach den mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung angesehenen im Internet verfügbaren Luftbildern von B-Stadt (im Geoportal des Beklagten, https://www.landkreisgoettingen.de/landkreis/karten-geoportal sowie der Wikipedia-Seite der Beigeladenen, https://www.wikiwand.com/de/bilshausen bzw. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cd/2021-07-31_Luftaufnahme_B-Stadt.jpg) steht fest, dass im Kernort der Beigeladenen, nach Osten hin begrenzt durch das Gewässer Oehrsche Beeke bzw. einen Laubgehölzstreifen, die weit überwiegenden Dachfarben Rot- und Brauntöne sind. Dächer in anderen Farben, insbesondere schwarz und anthrazit, sind vereinzelt vorhanden, nehmen jedoch kein solches Ausmaß ein, dass sie zwingend zur Annahme eines farblichen Flickenteppichs der Dachlandschaft führen und das an den Charakter des Ortes anknüpfende Konzept der Beigeladenen in Frage zu stellen vermögen.

In dem mittleren südlichen Teil des Orts (Bebauung östlich des hiesigen Plangebiets „Erweiterung im Osterbachsfelde“ und südlich der {F.}) finden sich zwar einige Häuser mit dunklen Dächern; die weit überwiegende Anzahl ist jedoch mittelbraun.

Der mittlere westliche Ortsrand (insbesondere Bebauung entlang der Straßen: {K.}, {L.}, südlicher Teil der {M.}, {N.}; etwa Bereich der Bebauungspläne 05 „Vor dem Thore“ und 06 „Hoher Weg“) ist mit einer merklichen Anzahl von Häusern bestanden, die keine rote oder braune, sondern eine schwarze und anthrazitfarbene Bedachung aufweisen. Diese Bebauung ist vor Aufstellung des hier streitigen Bebauungsplans entstanden und schließt nahtlos in westlicher Richtung an den Kernort an. Flächenmäßig ist sie für den Ort zwar nicht zu vernachlässigen, aber andererseits wegen des deutlich begrenzten Ausmaßes der dunklen Dächer nicht dominierend. Dass der Rat der Beigeladenen sich mit der Existenz dieser dunklen Dachflächen bei seiner Beschlussfassung über die hier streitige örtliche Bauvorschrift nicht auseinandergesetzt hat, ist zwar auffällig, lässt sein Konzept jedoch nicht zwingend als unschlüssig erscheinen. Die am mittleren westlichen Ortsrand vorhandenen zahlreichen dunklen Dächer wurden im Jahr 2003 offenbar als eine (bestehende) Fehlentwicklung angesehen, für deren Korrektur mangels Baulücken kein Anlass gesehen wurde, die sich aber andererseits am südwestlichen (Bebauungsplan „Erweiterung im Osterbachsfelde“) und nordwestlichen (Bebauungspläne „Über dem Dorfe“, Über dem Dorfe II“, „Über dem Dorfe III“) Ortsrand nicht fortsetzen sollte.

Das Plangebiet „Erweiterung im Osterbachsfelde“ schließt nicht nur an diesen Bereich der zahlreichen dunklen Dachflächen an, sondern grenzt im Osten an den Bereich mit überwiegend mittelbraunen Dachflächen an, der nach Norden und Nordosten wiederum nahtlos in den Ortskern mit seiner dominanten roten Dachfarbe übergeht.

Die Bebauung östlich des Kernorts auf dem nördlichen Teil des Osterbergs (Baugebiete Hessenberg) und auf dem südlichen Teil des Osterbergs (Baugebiet „Am Teufelsgraben“) bleiben aufgrund der landschaftlichen Gegebenheiten außer Betracht. Sie sind durch den Anstieg des Geländes und einen bewaldeten Bereich erkennbar vom Kernort abgesetzt und prägen dessen Ortsbild daher kaum.

Mit der Vorgabe roter oder brauner Dächer im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Erweiterung im Osterbachsfelde“ hat der Gemeinderat der Beigeladenen an die traditionelle und die gewachsene Farbgebung im Kernort angeknüpft. Er beabsichtigte ein harmonisches Ortsbild zwischen der neuen Bebauung und der gewachsenen Ortsstruktur in Form und Farben herzustellen (vgl. Begründung des Ursprungsplans S. 2). Im Ziel einer gewissen Einheitlichkeit, die an historisch gewachsene Vorbilder anknüpft, liegt nach Auffassung der Kammer eine baugestalterische Absicht. Die Idee, die Dacheindeckungen in einem Baugebiet an die vorhandenen Dacheindeckungen des Orts anzupassen, stellt geradezu ein klassisches Anliegen gestalterischer Festsetzungen dar (OVG NRW, Urteil vom 09.02.2000 - 7 A 2386/98 -, Rn. 45 und Beschluss vom 24.07.2000 - 7a D 179/98.NE -, Rn. 32; VG Hannover, Urteil vom 08.10.2019 - 12 A 78/18 -, Rn. 43; jeweils juris).

Das ursprüngliche Gestaltungskonzept war im Jahr 1998 auch von der Erwägung getragen, dass rote Dächer sich in das Landschaftsbild zu jeder Jahreszeit einfügen und krasse Gegensätze vermeiden würden. 1998 bestand nicht die Absicht, die Dachflächen nicht im Landschaftsbild erkennbar zu machen, indem sie eine Farbe des Hintergrunds erhielten (vgl. Begründung des Ursprungsplans S. 16). Dieser Gedanke wurde vom Rat bei der 1. Änderung im Jahr 2003 nicht aufgegriffen und - mit der Zulassung der Farbe braun als Farbe des Hintergrunds - offenbar nicht fortgeführt. Dieser Umstand nimmt dem Konzept allerdings nicht seine Plausibilität, da es weiterhin an die charakteristische Prägung des Kernorts anknüpft.

cc) Der Erlass örtlicher Bauvorschriften steht im Ermessen des Plangebers. Dieses Ermessen ähnelt dem Planungsermessen nach § 1 Abs. 7 BauGB: Die Gemeinde hat das öffentliche Interesse an der Verwirklichung ihres ortsgestalterischen Konzepts und die entgegenstehenden öffentlichen und privaten Interessen abzuwägen. Gestaltungsvorschriften dürfen grundsätzlich nur einen Rahmen setzen; sie müssen also dem Bauherrn und dem Entwurfsverfasser einen nennenswerten Spielraum für eigene, individuelle Gestaltung überlassen. Örtliche Bauvorschriften regeln Inhalt und Schranken des privaten Eigentums. Hierbei müssen die Interessen der Allgemeinheit an der Gestaltung sowie die privaten Interessen der Einzelnen in ein so ausgewogenes Verhältnis gebracht werden, dass die Einbußen des Privaten durch konkurrierende gestalterische Absichten der Gemeinde (noch) zureichend aufgewogen werden (Nds. OVG, Urteil vom 12.07.2011 - 1 KN 197/09 -, juris, Rn. 71 m.w.N.; Wiechert/Lenz, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 84 Rn. 49 ff. m.w.N.; Blume, in: BeckOK BauordnungsR Nds, Stand: 01.03.2022, NBauO, § 84 Rn. 51 ff.).

Dem wird die Entscheidung des Gemeinderats der Beigeladenen, für die Dachdeckung nur bestimmte rote und braune Farbtöne zuzulassen, gerecht. Sie knüpft an die ortstypischen Dachfarben an mit dem Ziel, diese fortzuführen und ein städtebaulich homogenes Erscheinungsbild zu schaffen. Andererseits wird die Baufreiheit der Eigentümer durch die Vorgabe eines bestimmten und zudem nicht als eng anzusehenden Farbspektrums zur Dachgestaltung nur in geringem Maße berührt. Über die Farbvorgaben hinaus wurden keine weiteren Einschränkungen der individuellen Gestaltungsfreiheit beschlossen. Daher ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Rat der gestalterischen Zielsetzung der strittigen Festsetzung den Vorrang gegeben hat. Fehler im Abwägungsergebnis liegen nicht vor.

e) Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 NBauO a.F. gelten für die Folgen von Verfahrensmängeln §§ 214 f. BauGB. Etwaige Verfahrensfehler wären danach von vornherein unbeachtlich oder sind jedenfalls nicht rechtzeitig gerügt worden, nachdem in der Bekanntmachung vom 06.11.2003 ordnungsgemäß auf die damaligen Regelungen der Fehlerfolgen hingewiesen wurde. Mängel im Abwägungsergebnis, die von der Verweisung in § 97 Abs. 1 Satz 2 NBauO a.F. sowie den Unbeachtlichkeitsregelungen nicht erfasst waren und sind, liegen - wie vorstehend ausgeführt - nicht vor.

2. Der Beklagte musste keine Abweichung von den Farbvorgaben in § 2 der örtlichen Bauvorschrift zulassen. Abweichungen von Ge- und Verboten in örtlichen Bauvorschriften kann die Bauaufsichtsbehörde nach Maßgabe des § 66 NBauO zulassen. § 31 BauGB - diese Vorschrift prüft der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden - ist insoweit nicht anwendbar (Wiechert/Lenz, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 84 Rn. 10, 128; Blume, in: BeckOK BauordnungsR Nds, Stand: 01.03.2022, NBauO, § 84 Rn. 90). Abgesehen davon, dass der Kläger keinen Antrag auf Zulassung einer Abweichung gestellt hat, liegt eine Ermessensreduzierung im Rahmen des § 66 NBauO mit der Folge, dass jede andere Entscheidung als die Zulassung der vom Kläger gewählten Dachfarbe ermessensfehlerhaft wäre, liegt nicht vor.

3. Die Anordnung des Beklagten, der Kläger müsse die Dacheindeckung seines Wohngebäudes an die Festsetzung des geltenden Bebauungsplans Nr. 17 „Erweiterung im Osterbachsfelde“, 1. Änderung, der Beigeladenen anpassen, ist hinreichend bestimmt. Hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts (§ 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG) bedeutet, dass der Inhalt der getroffenen Regelung für die Beteiligten so eindeutig erkennbar sein muss, dass sie ihr Verhalten danach ausrichten können und dass eine Vollstreckung möglich ist. Dabei ist nicht nur der Entscheidungssatz heranzuziehen, sondern insbesondere auch die Begründung des Bescheids (allg. Auffassung, vgl. Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 37 Rn. 5 f.). Die Begründung der angefochtenen Bescheide nennt sowohl den Inhalt der örtlichen Bauvorschrift als auch mögliche Mittel (Umdecken, Umspritzen), durch die der Kläger die geforderte Anpassung herstellen kann.

Der Kläger ist als Eigentümer richtiger Adressat der Maßnahme (vgl. §§ 79 Abs. 1 Satz 3, 56 Satz 1 NBauO).

II. Die Anordnung der Anpassung der Dacheindeckung ist ermessensfehlerfrei.

Nach ständiger Rechtsprechung hat die Bauaufsichtsbehörde gegen baurechtswidrige Zustände regelmäßig einzuschreiten. Ein „Für und Wider“ braucht nur dann abgewogen zu werden, wenn der Fall so geartet ist, dass ganz bestimmte konkrete Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme vorliegen (Nds. OVG, Beschluss vom 11.05.2015 - 1 ME 31/15 -, Rn. 15 f.; vom 12.06.2014 - 1 LA 219/13 -, Rn. 18; BVerwG, Urteil vom 11.04.2002 - 4 C 4.01 -, BVerwGE 116, 169, Rn. 25; jeweils juris). Derartige Anhaltspunkte lagen dem Beklagten nicht vor.

Die angefochtenen Bescheide verkennen nicht den anzuwendenden Maßstab. Im Widerspruchsbescheid heißt es zwar: „Hinsichtlich des Entschließungsermessens, ob im vorliegenden Fall einzuschreiten war, lag eine Ermessensreduzierung auf Null vor, da die materielle Illegalität der baulichen Anlage vorliegt und dieses angesichts einer klaren Rechtslage und zur Vermeidung von Berufungsfällen geboten war“. Damit hat der Beklagte jedoch zum Ausdruck gebracht, dass seiner Auffassung nach keine Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme vorlagen und er sich im vorliegenden Fall zum Einschreiten verpflichtet sah. Dieses Ergebnis trifft zu.

Die Anordnung der Anpassung der Dacheindeckung an die Festsetzung des Bebauungsplans Nr. 17 „Erweiterung im Osterbachsfelde“, 1. Änderung, der Beigeladenen ist verhältnismäßig. Der Beklagte hat in seinen Bescheiden in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass die Maßnahme zur Herstellung eines baurechtmäßigen Zustands geeignet und erforderlich sei. Sie überlasse dem Kläger die Entscheidung über das „Wie“ der Anpassung (Umdecken, Umspritzen oder andere technische Möglichkeiten). Weiterhin hat der Beklagte ermessensfehlerfrei entschieden, dass die Anordnung der Anpassung der Dacheindeckung auch nicht zu einem Nachteil für den Kläger führe, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis stehe. Auch diese Erwägung ist nicht zu beanstanden, denn die Kosten, die dem Kläger mit vorzunehmenden Änderung entstehen werden, sind kein im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bzw. der Ermessensausübung zu berücksichtigender Gesichtspunkt. Wer ein Gebäude ohne die oder abweichend von der erforderliche(n) Baugenehmigung errichtet hat, muss die damit verbundenen Risiken selbst tragen (Bayerischer VGH, Urteil vom 28.06.2010 - 1 B 09.1911 -, Rn. 81; VG Hannover, Urteil vom 08.10.2019 - 12 A 78/18 -, Rn 63 und vom 01.10.2013 - 4 A 6569/12 -, Rn. 37; jeweils juris). Gleiches gilt hier mit Blick auf das Verhalten des Klägers. Ob die Bestellung der dunklen Dachziegel ein Versehen war, wie es in der Beschlussvorlage für den Bauausschuss der Beigeladenen vom 10.12.2015 hieß, oder nicht, spielt keine Rolle. Zumindest der Entwurfsverfasser des Klägers musste die örtliche Bauvorschrift kennen und hatte in der Baubeschreibung selbst eine rote Dacheindeckung angekündigt. Dies muss sich der Kläger zurechnen lassen. Später hat der Kläger eigenverantwortlich entschieden, die Dacheindeckung abzuschließen, nachdem er bereits auf den Verstoß gegen die örtliche Bauvorschrift hingewiesen worden war. Auf schutzwürdiges Vertrauen kann er sich nicht berufen.

III. Schließlich erweist sich auch die Zwangsgeldandrohung als rechtmäßig. Sie stützt sich auf §§ 64, 65, 67, 70 Nds. SOG (heute NPOG), wonach unter anderem ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann. Das Zwangsgeld ist eines der zulässigen Zwangsmittel und als solches schriftlich mit Fristsetzung zur Erfüllung der Verpflichtung anzudrohen. Diese Voraussetzungen der gesetzlichen Grundlagen sind sämtlich erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenden auf § 162 Abs. 3 VwGO. Sie sind nicht erstattungsfähig, weil die Beigelade keinen Antrag gestellt und damit kein Kostenrisiko übernommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Kammer lässt auf der Grundlage des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 124 a Abs. 1 VwGO die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dann zu, wenn sie in rechtlicher Hinsicht eine Grundsatzfrage (Nds. OVG, Beschluss vom 22.01.2008, - 5 LA 19/07 -, juris) aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss (Nds. OVG, Beschluss vom 24.03.2003, - 12 LA 19/03 -, juris, Rn. 12; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 124 Rn. 10). Es muss zu erwarten sein, dass die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts dazu führen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterbildung des Rechts zu fördern (Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juli 2021, § 124 VwGO Rn. 30). Diese Voraussetzung liegt vor, da es grundsätzlicher Klärung bedarf, ob das Zitiergebot des Art. 43 Abs. 2 Satz 1 NV verlangt, die Ermächtigungsgrundlage nicht nur mit dem Paragraphen, sondern auch mit Absatz, Satz und Nummer zu bezeichnen (wie Urteil der Kammer vom 22.11.2018 - 2 A 129/16 -, juris Rn. 79 f.).