Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 21.02.1996, Az.: 13 U 255/95

Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung eines Vertrags über die Lieferung von Hard- und Software aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo); Verletzung von Beratungspflichten hinsichtlich der Geeignetheit von Software für spezielle betriebliche Belange (Einsatz in der Fuhrparkbranche); Erstattungsfähigkeit von durch den Vertragsabschluss verursachten Fahrtkosten; Erstattungsfähigkeit von durch den Vertragsabschluss verursachten Mitarbeiterarbeitsstunden zum Zweck der Einarbeitung in die Computeranlage

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.02.1996
Aktenzeichen
13 U 255/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 14814
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1996:0221.13U255.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 27.06.1995 - AZ: 10 O 33/94

Fundstelle

  • CR 1996, 538-539 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle am 6. Februar 1996
durch
...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 1 und die Anschlußberufung der Klägerin wird das am 27.06.1995 verkündete Urteil des Landgerichts Hildesheim - 10 O 33/94 - teilweise abgeändert:

Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin 44.306,16 DM nebst 5% Zinsen auf 44.102,16 DM seit dem 15.08.1993 und 5% Zinsen auf Weitere 243,84 DM seit dem 12.04.1994 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Übergabe von

1 Sinus 80386 DX-40 Rechner/Server 8 MB RAM, 210 MB Festplatte,
2 Sinus 80386 DX-40 Rechner/Workstation Diskless, 4 MB RAM,
1 Sinns 80386 DX-40 Rechner, 4 MB RAM, 40 MB Festplatte, Wangtek-Streamer,
1 Unterbrechungsfreie Stromversorgung NBS 600 incl. Monitorcard f. Novell,
3 Philips Monitor Brilliance, 14", 7 CM 5279, strahlungsarm n. MPR II,
1 Panasonic Quiet-Printing KX-P 2624 24-Nadel-Drucker,
1 HP LaserJet IIIP 4-Seiten-Laser-Drucker,
1 Novell Netware 3.11, 5 User,
1 WordPerfect 5.1 DOS, deutsch,
1 WordPerfect 5.1, Zusatzlizenz
1 am Auftragsverwaltung,
1 am Bestellwesen,
1 am Finanzbuchhaltung,
4 Thinnet-Safety-Line EAD/BNC Anschlußdosen 2-fach, AP, Thinnet-Safety-Line, Doppelkoaxial-Anschlußkabel, 2 m,
2 Thinnet-Safety-Line, Doppelkoaxial-Anschlußkabel 3 m,
10 Koaxialkabel RG 58,
6 Crimpstecker und
2 Endwiderstände.

Es wird festgestellt, daß sich der Beklagte im Annahmeverzug befindet.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten erster Instanz tragen die Parteien wie folgt:

Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 55% und der Beklagte zu 1 zu 45%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen der Beklagte zu I 45% und die Klägerin zu II 55%. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zultragen die Klägerin zu II 10% und der Beklagte zulzu 90% Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 trägt die Klägerin.

Die Kosten zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 10% und der Beklagte zulzu 90%

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

1

Die zulässige Berufung des Beklagten zu 1 (i.f.: "Beklagter"). hat in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg. Die Anschlußberufung der Klägerin ist begründet.

2

I.

1.

Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch auf Ruckabwicklung des durch die Auftragsbestätigung, vom, 16.04.1993 zustande gekommenen Vertrages über die Lieferung von Hard- und Software aus Verschulden bei Vertragsschluß (im folgenden: c.i.c.) zu. Die Beklagte hat ihr obliegende Beratungspflichten über den Vertragsgegenstand verletzt. Ohne diese Pflichtverletzung wäre es .nicht zum Vertragsschluß gekommen.

3

a)

Die Regelungen der Rechtsfigur der c.i.c. sind neben den grundsätzlich vorrangigen Sonderregelungen des Gewährleistungsrechts anwendbar. Es ist einhellig anerkannt, daß ein Schadenersatzanspruch aus c.i.c. dann neben den Gewährleistungsanspruch treten kann, wenn der Veräußerer im Rahmen eingehender Vertragsverhandlungen die Beratung des Erwerbers übernommen oder zu übernehmen hatte und die Beratung sich auf die Beschaffenheit des erworbenen Gegenstandes bezieht (vgl. BGH NJW 84, 2983: OLG Köln CR 94, 212; Palandt, BGB-Kommentar, 55. Aufl., § 276 Rn. 80).

4

b)

Eine Beratungspflichtverletzung des Beklagten liegt vor. Die Klägerin war für den Beklagten erkennbar Laie auf dem Gebiet der EDV, selbst wenn sich der Geschäftsführer der Klägerin vor dem Erwerb der Datenverarbeitungsanlage auf den Markt umgesehen haben sollte. Allein die bloße Orientierung durch informelle Gespräche macht aus einem EDV-Unkundigen keinen. Erwerber, der brauchbare Kenntnisse über die Einsatzmöglichkeiten eines Computers hat oder der in der Lage ist, komplexe Software auf ihre Tauglichkeit für den gewählten Einsatzzweck zu beurteilen. Derartige Kenntnisse sind allenfalls den bei einem Erwerber vorauszusetzen, wenn er bereits in seinem Betrieb mit Datenverarbeitung umgegangen, ist und sich nunmehr ein für ihn geeigneteres System zulegen möchte.

5

Da der Beklagte als kompetenter Anbieter von Hard- und Software über größere Kenntnisse und umfangreichere Erfahrung im EDV-Bereich verfügt als die Klägerin, hatte er sie über die Geeignetheit der Software für ihre speziellen betrieblichen Belange zu beraten. Nur er hatte die notwendigen Kenntnisse, wie bestimmte Arbeitsabläufe im Betrieb der Klägerin sinnvoll in der Datenverarbeitung umzusetzen sind.

6

Zwar ist der Mitarbeiter ... des Beklagten am 18. und 19. Februar 1993 im Betrieb der Klägerin gewesen, um die Betriebsvorgänge zu erfassen. Ersichtlich wären die dort gewonnenen Kenntnisse unzureichend oder sie fanden nicht die notwendige Berücksichtigung bei der Auswahlader Software. Denn sonst hätte der Beklagte der Klägerin kein für ihren Betrieb völlig ungeeignetes Programm anbieten können.

7

c)

Die vom Beklagten vorgeschlagene und gelieferte Software war für den vertraglich vorausgesetzten Einsatzzweck ungeeignet. Zielsetzung der Datenverarbeitung war nach den Vorverhandlungen, auch wenn dies in der Auftragsbestätigung vom 16.04.1993 nicht ausdrücklich aufgeführt wurde, daß die von dem Beklagten gelieferte Software die von ihm ausgewählte AM-Auftrag, Bestellwesen und FiBu, die Datenverarbeitung des Fuhrunternehmens der Klägerin ermöglichen sollte. Dies folgt sowohl aus dem ersten Angebot des Beklagten vom 25.01.1993 als auch aus dem weiteren Angebotsschreiben vorn 25.02.1993, wo es heut ein Angebot über die von Ihnen gewünschte Fuhrparksoftware erhalten Sie schnellstens und wegen der von Ihnen einzusetzenden Software, sowohl für den Fuhrparksektor ... suchen wir noch nach einer wirklich kompletten Lösung.

8

Nach den Feststellungen des Sachverständigen ... seinem Gutachten vom 03.11.1994 nebst der mündlichen Erläuterung in der Sitzung des Landgerichts vom 06.06.1995 ist die gelieferte Software AM in der vorliegenden Form ungeeignet, die Betriebsabläufe der Klägerin sinnvoll umzusetzen. Abgesehen davon, daß die Software keinerlei fachspezifische Termini aus der Fuhrparkbranche aufweist, ist sie nicht in der Lage, die Auftragsbearbeitung ausgehend vom Frachtbrief als dem zentralen Dokument im Betrieb der Klägerin zu gewährleisten. Weiter fehlt es an praktikablen Möglichkeiten, den Fuhrpark bezüglich Fahrtenbuch, Reparatur- und Wartungsarbeiten etc. zu verwalten, um einen wirtschaftlichen Einsatz von Fahrern und Fahrzeugen zu ermöglichen.

9

Selbst wenn es sich bei dem gelieferten Programm um ein offenes handeln mag, wie es grundsätzlich bei einer Anpassung, ggfls. durch Veränderung der Programmstruktur, für den Betrieb der Klägerin brauchbar gemacht werden könnte. Ist nach dem Vortrag der Parteien nicht ersichtlich, daß eine derartige Anpassung vorgenommen werden sollte. Vielmehr ging der Beklagte davon aus, daß die Software in dem gelieferten Zustand hinreichend sei. Dies ist aber gerade nicht der Fall, so das ein Beratungsfehler wegen der Auswahl eines ungeeigneten Software-Pakets vorliegt.

10

d)

Seiner Beratungspflicht ist der Beklagte auch nicht dadurch nachgekommen, daß er im April 1993 durch seinen Mitarbeiter ... die ausgewählten Programme dem Geschäftsführer der Klägerin demonstrierte.

11

...

12

Die Ablieferung war danach mithin frühestens am 4. oder 5. Oktober 1993, weil erst an diesem Tage nach unbestrittenem Vortag der Klägerin der Beklagte vereinbarungsgemäß die Einweisung der Mitarbeiter in das Programm AM-Finanzbuchhaltung vorgenommen hatte. Damit war im Zeitpunkt der Einreichung der Klage am 21. März 1994 die 6-monatige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen.

13

3.

Rechtsfolge des Schadenersatzanspruches aus c.i.c. ist, daß die Klägerin so zu stellen ist, wie sie ohne die Beratungspflichtverletzung des Beklagten stehen würde. Die Klägerin kann deshalb die Rückgängigmachung des Vertrages vom 16.04.1993 verlangen.

14

a)

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 43.311,30 DM zu.

15

Weiter schuldet der Beklagte gemäß § 249 BGB die Montagekosten für die nutzlose Installation der Computeranlage in Höhe von 790,86 DM, sowie die nutzlos aufgewendeten Fahrtkosten. Die durch Vertragsabschluß verursachten Fahrtkosten sind erstattungsfähig. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Forderung auch der Höhe nach begründet. Denn unstreitig ist der Geschäftsführer zu dem Termin im April, von ... aus angereist. Gemäß § 287 ZPO schätzt der Senat die, angemessenen Fahrtkosten auf 0,52 DM pro Kilometer. Zumindest diesen Betrag können Mitarbeiter üblicherweise gegenüber ihrem Arbeitgeber als Fahrtkosten abrechnen. Er wird auch im Steuerrecht als Bemessungsgrundlage herangezogen.

16

b)

Die Arbeitsstunden der Mitarbeiter der, Klägerin zum Zwecke der Einarbeitung in die Computeranlage sind hingegen nicht erstattungsfähig. Die Klägerin hat gemäß § 249 BGB nur einen Anspruch auf Zahlung ihrer Vermögensschäden. Die Arbeitskraft als solche ist nicht als Vermögensgut anzusehen (vgl. MünchnerKommentar-Grunsky, BGB-Kommentar, 3. Aufl., vor § 249 Rn 23,; Soergel-Merten, BGB-Kommentar, 12. Aufl., vor § 249 Rn 110). Einen besonderen Vermögensschaden durch die nutzlose Einarbeitungszeit der Mitarbeiter hat die Klägerin nicht erlitten, denn sie mußte diesen ersichtlich monatlich Gehalt zahlen, gleich welcher Tätigkeit sie nachgingen. Vermögensnachteile wie z.B. durch infolge der Einarbeitung angefallene Überstunden, Schmälerung des Gewinnes, Auftragsverlust etc. hat die Klägerin nicht dargestellt (vgl. Staudinger-Honsell, BGB-Kommentar, 12. Aufl., § 467 Rn 35; MünchnerKommentar-Grunsky, a.a.O., vor § 249 Rn. 26: Landgericht Aachen CR 1993, 769 m. Anmerkung Ruppelt).

17

Entgegen der Auffassung des Beklagten sind von der Klägerin gezogene Nutzungen nicht entsprechend § 347 Satz 2 BGB zu vergüten. Grundsätzlich erfolgt die Berechnung der zu vergütenden Gebrauchsvorteile aus der Nutzung der Computeranlage ausgehend von deren Wert unter Einbeziehung der Gesamtnutzungsdauer, der tatsächlichen Nutzungsdauer und der Grad der Nutzbarkeit (vgl. BGH CR 1992, 147, 149). Angesichts der Untauglichkeit der Software für den Betrieb der Klägerin ist hier der Grad der Nutzbarkeit jedoch mit Null anzusetzen, so daß sich keinerlei Gebrauchsvorteile feststellen lassen.

18

Entsprechend § 348 BGB sind die sich aus der Rückabwicklung des Vertrages ergebenden Verpflichtungen der Parteien Zug um Zug zu erfüllen. Daher hat der Beklagte nicht nur den Kaufpreis und die Installationskosten sondern auch die Fahrtkosten nur Zug um Zug gegen die Rückgabe der gelieferten Computeranlage zu erfüllen.

19

Zinsen kann die Klägerin entsprechend § 347 Satz 3 BGB nur in Höhe von 5% verlangen. Einen darüber hinausgehenden Zinsschaden hat sie nicht belegt.

20

Die Anschlußberufung der Klägerin auf Feststellung des Annahmeverzuges gemäß § 295 BGB ist begründet hin Annahmeverzug des Beklagten ist gemäß § 295 BGB eingetreten. Der Beklagte hat endgültig und ernsthaft eine Rückabwicklung des Vertrages vom 16.04.1993 abgelehnt (vgl. Palandt, § 295 Rn 4).

21

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Festsetzung des Beschwer folgt aus § 546 Abs. 2 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Streitwert und Beschwer: bis 60.000,00 DM.