Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 16.02.1996, Az.: 4 U 134/94

Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der Kaufsache; Zulässigkeit des Übergangs vom Wandlungsanspruch zum Schadensersatzanspruch in der Berufungsinstanz; Erlöschen des Wahlrechts des Käufers mit der Rechtskraft eines Urteiles ; Qualifizierung eines ein Neuwagenkaufs gegen Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens als einheitlicher Kaufvertrag mit Ersetzungsbefugnis ; Annahme des Gebrauchtwagens durch den Verkäufer als Annahme einer Leistung an Erfüllungs Statt; Beschränkung der Rückabwicklung auf die Rückgängigmachung der mit der Hingabe des Altwagens eingetretenen Rechtsfolge; Arglistige Täuschung über die tatsächliche Laufleistung des in Zahlung gegebenen Fahrzeugs

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
16.02.1996
Aktenzeichen
4 U 134/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 16568
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1996:0216.4U134.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 08.04.1994 - AZ: 4 O 405/93

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Das Wahlrecht des Käufers erlischt erst mit der Rechtskraft eines Urteiles, das auf einen der drei Gewährleistungsansprüche gerichtet ist oder mit Vollzug von Wandlung oder Minderung durch Einverständnis des Verkäufers, entsprechend durch Einverständnis des Verkäufers mit dem Schadensersatzanspruch.

  2. 2.

    Ein Neuwagenkauf gegen Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens ist als einheitlicher Kaufvertrag mit Ersetzungsbefugnis zu qualifizieren. Hiernach besitzt der Käufer das Recht, einen Teil des Kaufpreises des Neuwagens durch Hingabe des Gebrauchtwagens zu tilgen. Die vom Käufer zu erbringende Gegenleistung für den Neuwagen bleibt in voller Höhe eine Geldschuld, und die Übereignung des Altwagens wird, da sie der Kfz-Händler normalerweise nicht verlangen kann, nicht im Sinne einer vereinbarten Gegenleistung von vornherein geschuldet.

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 1996
durch
die Richter Dr. ... Dr. ... und Dr. ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. April 1994 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - teilweise wie folgt geändert:

Das am 17. Dezember 1993 verkündete Versäumnisurteil des Landgerichts wird aufrechterhalten, soweit hierdurch die Beklagte zu 2 zur Zahlung von 18.782,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 7. Oktober 1993 Zug um Zug gegen Rückgabe des Kraftfahrzeuges Citroen, Typ XM TD Technic, mit dem amtlichen Kennzeichen ..., verurteilt worden ist.

Im übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Anschlußberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Parteien wie folgt: Von den außergerichtlichen Kosten trägt die Klägerin 54,2 % ihrer eigenen, die des Beklagten zu 1 voll und die der Beklagten zu 2 zu 8,38 %. Die Beklagte zu 2 trägt 91,62 % ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten und 45,8 % der der Klägerin. Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 54,2 % und die Beklagte zu 2 zu 45,8 %.

Die Kosten ihrer Säumnis trägt die Beklagte zu 2 selbst.

Die Kosten der Berufungsinstanz tragen die Parteien wie folgt: Von den außergerichtlichen Kosten trägt die Klägerin 70,23 % ihrer eigenen, die des Beklagten zu 1 voll und die der Beklagten zu 2 zu 40,46 %. Die Beklagte zu 2 trägt 59,54 % ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten und 29,77 % der der Klägerin. Die gerichtlichen Kosten tragen die Klägerin zu 70,23 % und die Beklagte zu 2 zu 29,77 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt für beide Parteien 60.000 DM nicht.

Entscheidungsgründe

1

Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

2

Die Anschlußberufung der Klägerin ist unbegründet.

3

A.

Ansprüche gegen den Beklagten zu 1, ..., stehen der Klägerin nicht zu.

4

Der Beklagte zu 1 ist nicht Vertragspartner der Klägerin geworden. Bereits die schriftliche Bestellung vom 26. Mai 1992 hatte der Beklagte zu 1 lediglich mit ... unterschrieben, als Vertragspartnerin ist "... angegeben. Auch die Beweisaufnahme hat ergeben, daß der Beklagte zu 1 lediglich als Vertreter für die Beklagte zu 2 auf getreten ist. Nach der Aussage des Verkäufers der Klägerin, dem Zeugen ... sollte Käufer des Neufahrzeuges die Firma ... sein. Der Zeuge ... ist von einem Firmengeschäft ausgegangen, zumal die Klägerin über das von der Beklagten zu 2 in Zahlung gegebene Altfahrzeug eine Rechnung mit ausgewiesener Mehrwertsteuer erhalten hat.

5

B.

Die Klägerin kann gemäß § 463 Satz 2 BGB von der Beklagten zu 2 Zahlung eines Betrages in Höhe von 18.782,50 DM verlangen Zug um Zug gegen Rückgabe des von der Beklagten zu 2 in Zahlung gegebenen Altfahrzeugs.

6

I.

Die Klägerin konnte auch in der Berufungsinstanz vom Wandlungsanspruch nach § 462 BGB zum Schadensersatzanspruch aus § 463 BGBübergehen, da das Wahlrecht des Käufers erst mit der Rechtskraft eines Urteiles erlischt, das auf einen der drei Gewährleistungsansprüche gerichtet ist oder mit Vollzug von Wandlung oder Minderung durch Einverständnis des Verkäufers (§ 465 BGB), entsprechend durch Einverständnis des Verkäufers mit dem Schadensersatzanspruch (Palandt-Putzo, BGB, 54. Aufl., § 463 Rdnr. 4).

7

II.

Nach ständiger Rechtsprechung (BGHZ 46, 338; NJW 1984, 429) ist ein Neuwagenkauf gegen Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens als einheitlicher Kaufvertrag mit Ersetzungsbefugnis zu qualifizieren. Hiernach besitzt der Käufer das Recht, einen Teil des Kaufpreises des Neuwagens durch Hingabe des Gebrauchtwagens zu tilgen. Die vom Käufer zu erbringende Gegenleistung für den Neuwagen bleibt in voller Höhe eine Geldschuld, und die Übereignung des Altwagens wird, da sie der Kfz-Händler normalerweise nicht verlangen kann, nicht im Sinne einer vereinbarten Gegenleistung von vornherein geschuldet. Der Erwerber hat aber die Möglichkeit, zur Erfüllung eines Teiles der Geldschuld seinen gebrauchten Wagen in Zahlung zu geben. Macht der Käufer von seiner Ersetzungsbefugnis Gebrauch und übernimmt der Händler den Gebrauchtwagen, so liegt darin die Annahme einer Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB). Dem Händler stehen gemäß § 365 BGB in Ansehung des Gebrauchtwagens die Rechte eines Käufers zu. Erklärt er die Wandlung, so erfaßt dieses Gewährleistungsrecht das Gebrauchtwagengeschäft. Die Rückabwicklung beschränkt sich auf die Rückgängigmachung der mit der Hingabe des Altwagens eingetretenen Rechtsfolge. Da die Kaufpreisforderung nach der Inzahlungnahme in Höhe des Anrechnungsbetrages nach § 364 Abs. 1 BGB erloschen ist, hat der Händler einen Anspruch auf Wiederbegründung dieser erloschenen Teilkaufpreisforderung. Im Rechtsstreit kann der Händler nach der Herstellungstheorie unmittelbar auf Erfüllung des neu zu begründenden Anspruchs klagen. Der Käufer muß im Fall der Wandlung des Altwagengeschäfts dann den vollen Neuwagenpreis zahlen.

8

III.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 463 Satz 2 BGB ist dem Grunde nach gerechtfertigt, weil die Beklagte zu 2, vertreten durch den Beklagten zu 1, die Klägerin arglistig über die tatsächliche Laufleistung des in Zahlung gegebenen Fahrzeugs getäuscht hat.

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Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Beklagte zu 1 im August 1991 einen Tachometer mit weit geringerer Laufleistung in das Gebrauchtfahrzeug hat einbauen lassen und in der schriftlichen Bestellung Angaben zum Kilometerstand gemacht hat, die mit der tatsächlichen Laufleistung nicht übereinstimmten. Die Kenntnis des Beklagten zu 1 von der falschen Laufleistung des Gebrauchtfahrzeuges muß sich die Beklagte zu 2 gemäß § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.

10

Der Beklagte zu 1 hat den Verkäufer der Klägerin, den Zeugen Schieck, auch nicht über die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeuges aufgeklärt. Die Beklagte zu 2 hat auch nicht bewiesen, daß der Zeuge Schieck auf andere Weise Kenntnis erlangt hat, daß die Kilometerangabe in der schriftlichen Bestellung nicht mit der tatsächlichen Laufleistung des Gebrauchtfahrzeuges übereinstimmte. Zwar hat der Zeuge ..., dem die Diskrepanz zwischen dem Tachometerstand und der tatsächlichen Laufleistung bekannt war, in seiner Vernehmung vor dem Senat bekundet, er habe den Abschluß des Neuwagengeschäftes wegen der Manipulation des Tachometers abgelehnt und den Zeugen ..., der später das Neuwagengeschäft mit dem Beklagten zu 1 getätigt hat, noch an demselben Tag, an dem er das Neuwagengeschäft habe platzen lassen, auf die Manipulation des Tachometerstandes hingewiesen. Demgegenüber hat der Zeuge ... seine Kenntnis von der Manipulation des Tachometerstandes bestritten und bekundet, er habe erst später gerüchteweise von der Manipulation Kenntnis erlangt. Angesichts dieses Beweisergebnisses hat der Senat nicht die Überzeugung gewonnen, daß der Zeuge ..., dessen Kenntnis sich die Klägerin zurechnen müßte, tatsächlich von der Manipulation des Kilometerstandes gewußt hat. In seiner Vernehmung war sich der Zeuge ... nicht sicher, wann er den Zeugen ... auf die Manipulation hingewiesen hat. Nachdem der Zeuge ... zunächst ausgesagt hatte, er habe den Zeugen ... vor dem Vertragsabschluß mit den Beklagten auf die Manipulation hingewiesen, hat er im Verlauf seiner weiteren Vernehmung auf Befragen erklärt, er könne sich nicht mehr genau an den Zeitpunkt des Gespräches mit dem Zeugen ... erinnern, da ihm der Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages nicht mehr bekannt gewesen sei. Auf Nachfrage hat der Zeuge ... später wieder bekundet, er habe den Zeugen ... am selben Tag auf die Manipulation aufmerksam gemacht, als er selbst den Neuwagenverkauf wegen der Manipulation habe platzen lassen.

11

Aufgrund dieses Beweisergebnisses ist davon auszugehen, daß die Beklagte zu 2 ihre Behauptung, die Klägerin habe von der Manipulation des Tachometerstandes gewußt, nicht bewiesen hat, obwohl ihr insoweit die Beweislast oblag.

12

IV.

Gemäß § 477 Abs. 1 BGB ist der Anspruch der Klägerin auf (großen) Schadensersatz nicht verjährt, da die Beklagte zu 2 die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeuges arglistig verschwiegen hat.

13

V.

1.

Im Rahmen des großen Schadensersatzes kann die Klägerin von der Beklagten zu 2 Rückzahlung des Kaufpreises verlangen, den die Parteien mit 20.500 DM vereinbart hatten.

14

Von diesem Betrag ist auch nach Ansicht der Klägerin ein Betrag von 1.717,50 DM als Nutzungsentschädigung abzuziehen, da das Fahrzeug nach Übergabe an die Klägerin noch insgesamt 11.450 km zurückgelegt hat (11.450 km × 0,15 DM = 1.717,50 DM).

15

2.

Weitergehende Ansprüche stehen der Klägerin nicht zu.

16

a)

Kosten in Höhe von 7.919,51 DM für die Beseitigung eines Motor- und Unfallschadens gemäß ihrer Rechnung vom 29. September 1992 kann die Klägerin nicht verlangen. Diese Forderung der Klägerin ist unschlüssig. Die Beklagte zu 2 hat in der Berufungsinstanz vortragen lassen, die von ihr am 4. März 1992 der Klägerin in Auftrag gegebene und von dieser mit Rechnung vom 27. März 1992 über 5.055,94 DM (Bl. 35, 36 d.A.) abgerechnete Reparatur des Motors sei mangelhaft gewesen, so daß der Beklagte zu 1 das Fahrzeug zur Klägerin zurückgebracht habe, wo es dann verblieben sei. Bei den mit Rechnung vom 29. September 1992 abgerechneten Arbeiten habe es sich um Mängelbeseitigungsarbeiten gehandelt. Die Klägerin ist diesem Vortrag nicht entgegengetreten. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, inwieweit es sich bei den Kosten von 7.919,51 DM nicht um Mängelbeseitigungsarbeiten gehandelt hat.

17

b)

Kosten in Höhe von 791,66 DM für die Reparatur der Bremsen (Rechnung vom 18. März 1993) und in Höhe von 2.020,22 DM für die Reparatur des Federzylinders hinten rechts und der Schwingarme hinten links und rechts (Rechnung vom 7. April 1993) kann die Klägerin nicht verlangen. Diese Reparaturarbeiten durfte die Klägerin nicht mehr als erforderlich ansehen, nachdem die zwischenzeitlich von der Manipulation des Tachostandes Kenntnis erlangt und das Fahrzeugs bereits am 22. Februar 1993 an die Käuferin ... Weiterverkauft hatte. Aus der Aussage des Zeugen ... ergibt sich, daß dieser bereits vor dem Verkauf des Fahrzeuges an die Käuferin Kosinski zumindest gerüchtweise erfahren hatte, daß das Fahrzeug eine höhere Laufleistung hatte, als in der schriftlichen Bestellung von dem Beklagten zu 1 angegeben worden war.

18

c)

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz eines ihr entgangenen Gewinns in Höhe von 2.030,43 DM. Die arglistige Täuschung der Beklagten zu 2 ist für diesen Schaden der Klägerin nicht mehr kausal. Wie sich aus dem Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der Käuferin ... vom 22. Februar 1993 (Bl. 123 d.A.) ergibt, hat die Klägerin gegenüber dieser Käuferin lediglich einen Tachometerstand von 110.504 km angegeben, während der Beklagte zu 1 in der schriftlichen Bestellung des Neuwagens immerhin schon einen Tachometerstand von 116.000 km angegeben hatte und die Klägerin durch den für sie handelnden Herrn ... bei Vertragsschluß mit Frau ... Kenntnis von einer tatsächlichen Laufleistung des Wagens von über 180.000 km hatte. Ein Gewinn aus dem Verkauf des Fahrzeuges an die Käuferin ... ist der Klägerin aufgrund ihrer eigenen arglistigen Täuschung der Käuferin ... entgangen. Die arglistige Täuschung des Beklagten zu 1 war hierfür nicht mehr ursächlich.

19

VI.

Zinsen kann die Klägerin gemäß §§ 284 f, 288 BGB nur in Höhe von 4 % verlangen, da sie einen weitergehenden Zinsschaden nicht nachgewiesen hat.

20

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 100, § 344, § 708 Nr. 10, §§ 711, 713, § 546 Abs. 2 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert der Beschwer übersteigt für beide Parteien 60.000 DM nicht.