Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.10.1985, Az.: 14 A 124/83
Grundstück; Grundbesitz; Eigentumsfläche; Jagdbezirk; Eigenjagdbezirk; Ähnliche Fläche
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.10.1985
- Aktenzeichen
- 14 A 124/83
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1985, 12635
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1985:1008.14A124.83.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 10.05.1983 - AZ: 4 VG A 31/83
- nachfolgend
- BVerwG - 08.03.1990 - AZ: BVerwG 3 C 34.87
Tenor:
Die Berufung des Beklagten und der Beigeladenen zu 2) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 4. Kammer - vom 10. Mai 1983 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte und die Beigeladene zu 2) je zur Hälfte. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger ist Eigentümer des Hofes .../Kreis .... Zu dem Betrieb gehören 107.76.35 ha Land und forstwirtschaftlich genutzter Grundbesitz, davon 78.56.51 ha in der Gemarkung ... und 29.19.84 ha in der Gemarkung .... Die Flächen bestehen aus einem nordwestlichen und einem südöstlichen Teil von jeweils unter 75 ha Größe, die in der Längsrichtung nur durch das 16 m breite und ca. 300 m lange Flurstück ... der Flur 5 Gemarkung ... (früher auch als ... bezeichnet) in der Größe von 1.10.37 ha verbunden werden. Die Mitte dieser Fläche wird von einem 4 m breiten, kürzlich angepflanzten Windschutzstreifen eingenommen, der eingefriedet ist. Zu beiden Seiten befinden sich Grasstreifen, in denen teilweise Fahrspuren eingedrückt sind.
Bereits Anfang der 60er Jahre war es zu einem Verwaltungsrechtsstreit zwischen dem Rechtsvorgänger des Klägers und dem Rechtsvorgänger des Beklagten gekommen, in dem es darum ging, ob diese schmale Fläche die Verbindung zwischen den beiden Eigentumsteilen herstellen konnte oder nicht. Das Verwaltungsgericht Braunschweig - 2. Kammer Lüneburg - hat dies nach Einnahme des Augenscheins in dem rechtskräftigen Urteil vom 1. Juni 1962 - II A 50/62 - verneint, weil die Schafstrift als sog. ähnliche Fläche im Sinne von § 5 Abs. 2 BJG einzustufen sei. Nach Erlaß dieses Urteils haben sich bei den Eigentumsflächen des Klägers durch Verkauf und Tausch Veränderungen eingestellt, indem ca. 19 ha abgegeben und ca. 6 ha hinzugekommen sind. Das in diesem Zusammenhang erworbene Flurstück 85 Flur 3 Gemarkung ... in der Größe von 0,0545 ha grenzt im Süden spitzwinklig an das Flurstück ... und verbreitert dies auf einer Länge von ca. 80 m von 16 auf 25 bzw. 50 m.
Im Sommer 1978 wandte sich der Kläger an den Beklagten und begehrte die Feststellung, daß seine nunmehrigen Eigentumsflächen ein Eigenjagdbezirk bildeten. Der Jagdbeirat kam zu dem Ergebnis, daß das etwa 300 m lange und ca. 16 m breite Flurstück eine Verbindung zwischen den Eigentumsflächen herstelle, hielt allerdings noch eine Grenzbegradigung für erforderlich. Die Beigeladene zu 1) wandte sich gegen die Anerkennung als Eigenjagdbezirk. Der Beklagte lehnte dann auch auf einen Hinweis der Bezirksregierung Lüneburg hin die vom Kläger begehrte Feststellung durch Bescheid vom 30. März 1981/15. Juli 1981 ab, weil das Flurstück ... wegen geringer Breite die Verbindung zwischen den Ländereien zu einem Eigenjagdbezirk nicht herstellen könne. Auf den Widerspruch des Klägers teilte die Bezirksregierung Lüneburg mit Schreiben vom 7. Mai 1982 mit, daß sie den Standpunkt des Beklagten teile.
Der Kläger hat am 14. Februar 1983 Feststellungsklage erhoben und vorgetragen: Maßgebend für die Entstehung von Eigenjagdbezirken sei allein § 7 Abs. 1 BJG, der den Zusammenhang der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen fordere. Dieser Zusammenhang sei eindeutig auch durch das Flurstück ... hergestellt. Eine öffentliche Wegefläche sei dieses Grundstück nie gewesen, sondern im Liegenschaftsbuch der Katasterverwaltung sogar als Heidefläche ausgewiesen. Früher sei es als Schafstrift verwendet worden, dann als Wendeplatz beim Pflügen der Nachbargrundstücke. Jetzt sei dort ein Windschutzstreifen angepflanzt.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß die dem Kläger gehörenden Eigentumsflächen, eingetragen im Grundbuch von ... Band 7 Bl. 189 und Band 8 Bl. 217 zur Größe von 107.76.35 ha einen Eigenjagdbezirk bilden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und hat entgegnet: Anwendung finde hier die 3. Alternative des § 5 Abs. 2 BJG. Der streitige schmale Streifen könne eine Verbindung zwischen den Teilen der Eigentumsflächen nicht herstellen, da er nicht geeignet sei, die Teilflächen zu einem einheitlichen Lebensraum für das Wild zu verbinden.
Die Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 10. Mai 1983 stattgegeben. Dort heißt es: Das umstrittene Flurstück sei keine "ähnliche Fläche" im Sinne von § 5 Abs. 2 BJG. Diese müsse nämlich wie Wege usw. einer allgemeinen Nutzung unterliegen. Das treffe nicht zu. Die Jagdausübung und die Hege seien dort auch möglich. Insbesondere spreche es nicht gegen einen Jagdbetrieb, wenn Wild beim Einsatz einer Schußwaffe auf der Fläche nicht zur Strecke gebracht werden könne, da sich solche Vorfälle am Rande eines jeden Jagdbezirks ereignen könnten. Auch größenmäßig unterschreite die Fläche diejenigen Maße, die die Ausführungsbestimmungen zum Niedersächsischen Jagdgesetz benenne.
Gegen dieses am 21. Juli 1983 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten vom 13. August 1983 und die Berufung der Beigeladenen zu 2) vom 15. August 1983.
Der Beklagte begründet seine Berufung wie folgt: Die Klage sei unzulässig, weil dasselbe Begehren bereits rechtskräftig durch Urteil vom 1. Juni 1962 abgewiesen worden sei. Danach werde die Verbindung beider Teilflächen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht hergestellt. Darüber hinaus erfülle das im Südteil am weitesten nach Südosten belegene Flurstück ... der Flur 5 Gemarkung ... nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung als Teil eines Eigenjagdbezirks, weil es auf einer Länge von über 400 m schmaler als 200 m sei.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene zu 2) beantragt ebenfalls,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Er erwidert: Das Urteil aus dem Jahre 1962 stehe einer neuen Klage nicht entgegen, da der Streitgegenstand nicht identisch sei. Sein Grundbesitz habe erhebliche Änderungen erfahren. Insbesondere durch Abgänge in den Randlagen hätten diese Veränderungen insgesamt zu einer Verbesserung des Zuschnitts des Grundeigentums geführt.
Die Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag.
Es ist Beweis erhoben durch Einnahme des Augenscheins. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 8. Oktober 1985 verwiesen. Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf ihre Schriftsätze Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung Lüneburg haben dem Senat zur Unterrichtung vorgelegen.
II.
Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 2. bleiben erfolglos.
Der Senat ist mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, daß die dem Kläger gehörigen, zusammenhängenden land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen einen Eigenjagdbezirk im Sinne von § 7 BJG bilden.
Dieser Entscheidung steht zunächst nicht die Rechtskraft des zwischen den Rechtsvorgängern beider Beteiligten ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer Lüneburg - vom 1. Juni 1962 entgegen (§ 121 VwGO). Obwohl das alte Verfahren nach dem gestellten Antrag als Anfechtungsklage anzusehen ist, während der Kläger im vorliegenden Verfahren den Weg der Feststellungsklage beschritten hat, geht es in beiden Verfahren zwar äußerlich um denselben Streitgegenstand, nämlich das Bestehen des Eigenjagdbezirks des Klägers bzw. seines Rechtsvorgängers und in beiden Fällen spielt dabei die Beurteilung des Flurstücks ... die ausschlaggebende Rolle, aber im Bestand der Grundflächen, die einen Eigenjagdbezirk bilden sollen, sind zwischenzeitlich durch Kauf und Tausch nicht unerhebliche Veränderungen eingetreten, die auch die äußeren Grenzen gerade im Bereich des genannten Flurstücks berühren, so daß sich die Sachlage geändert hat und damit die Bindungswirkung des früheren Urteil entfällt.
Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 43 VwGO iVm §§ 5, 7 BJG. Nach § 7 Abs. 1 BJG bilden zusammenhängende Grundflächen mit einer land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbaren Fläche von 75 ha einen Eigenjagdbezirk, wenn sie im Eigentum ein und derselben Person oder Personengemeinschaft stehen. Dieser Zusammenhang ist hier ansich unstreitig vorhanden, aber die Bestimmung des § 7 Abs. 1 BJG wird durch § 5 Abs. 2 BJG modifiziert. Von den dort genannten Möglichkeiten kommt hier allein die dritte Alternative in Betracht. Danach stellen unter anderem Wege und Triften sowie ähnliche Flächen den Zusammenhang zur Bildung eines Jagdbezirks zwischen getrennt liegenden Flächen nicht her, wenn sie nach Umfang und Gestalt für sich allein eine ordnungsgemäße Jagdausübung nicht gestatten. Das Flurstück ..., das die beiden größeren Eigentumskomplexe des Klägers in der Längsrichtung verbindet, ist weder eine Trift noch ein Weg. Seine frühere Bedeutung als Trift für die Schafe hat es verloren, nachdem die Schafherde vor etwa 20 Jahren abgeschafft wurde. Auch als Weg kann das Flurstück - mit Ausnahme von dem Punkt, an dem der Weg von ... kreuzt - nicht angesehen werden, selbst wenn es in Teilbereichen gelegentlich überfahren und von den Nachbarn beim Bearbeiten der angrenzenden Felder benutzt werden sollte.
Das Flurstück ... ist ferner keine ähnliche Fläche im Sinne des Gesetzes. Mit dem Begriff der "ähnlichen Fläche" hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 28. Januar 1980 (jagdrechtliche Entscheidungen ab 1980 II Nr. 34) befaßt und unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung zunächst gefordert, daß eine ähnliche Fläche in ihrer äußeren Gestalt Wasserläufen, Wegen, Triften usw. ähneln muß. Darüberhinaus darf sie in ihrer äußeren Beschaffenheit, ihrer boden- und geländemäßigen Gestaltung keinen erheblich größeren hegerischen und jagdlichen Wert besitzen als Wege, Triften usw. Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so kann das Verbindungsstück nach Auffassung des Senats nicht als "ähnliche Fläche" angesehen werden. Bei seiner Länge von ca. 300 m und einer Breite von im wesentlichen 18 m, die sich im südlichen Bereich langsam auf ca. 50 m erweitert, ist es zwar verhältnismäßig schmal, gleichwohl muß sein hegerischer Wert mit Rücksicht auf die Bepflanzung mit dem Windschutzstreifen höher eingeschätzt werden. Denn diese Bepflanzung wird nach ihrem Heranwachsen eine erhebliche ökologische Bedeutung haben und dem Wild hinreichend Deckung und Nahrung bieten. Auch gegen die Möglichkeiten zur Ausübung der aktiven Jagd lassen sich durchgreifende Bedenken nicht erheben, wenn mit der nötigen Vorsicht vorgegangen und auf die Rechte der Nachbarn Rücksicht genommen wird.
Daher ist das Flurstück ... entgegen der Auffassung des Beklagten geeignet, die Verbindung mit den beiden größeren Eigentumskomplexen des Klägers herzustellen, mit der Folge, daß sein Grundeigentum die Voraussetzungen für die Entstehung eines Eigenjagdbezirks erfüllt. Der Kläger wird jedoch darauf zu achten haben, daß das Grundstück nicht durch Hineinpflügen der Nachbarn so verengt wird, daß der nach dem Eindruck der Ortsbesichtigung vorhandene hegerische und jagdliche Wert der Fläche eingeschränkt wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 10 ZPO. Der Senat sieht keinen Anlaß, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären. Die Beigeladene zu 2. ist ohnehin mit ihrer eigenen Berufung nicht durchgedrungen. Die Beigeladene zu 1. hat den unterlegenen Beklagten mit ihrem Vortrag unterstützt.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Kröger
Figge
Schmidt