Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 23.07.2012, Az.: 2 Qs / 920 Js 39070/10 - 51/12

Erstattung der Gebühr gem. Ziff. 4143 VV RVG gegenüber einem Anwalt im Adhäsionsverfahren erster Instanz

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
23.07.2012
Aktenzeichen
2 Qs / 920 Js 39070/10 - 51/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 27409
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2012:0723.2QS.920JS39070.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Osnabrück - 29.05.2012

In der Strafsache
wegen gefährlicher Körperverletzung
hat das Landgericht - 2. Große Strafkammer - Osnabrück durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Carstensen, den Richter am Landgericht Barth und Richterin am Landgericht Lichte am 23.07.2012
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors vom 19.06.2012 wird der Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 29.05.2012 aufgehoben und die Vergütung des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt Michael Möhring, Osnabrück, auf 706, 68 EUR festgesetzt.

  2. 2.

    Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

  3. 3.

    Der Beschwerdewert beträgt 521,22 EUR.

Gründe

1

I.)

Mit Beschluss vom 27.03.2012 bewilligte das Amtsgericht Osnabrück dem Neben- und Adhäsionskläger Prozesskostenhilfe für das Adhäsionsverfahren und ordnete ihm Rechtsanwalt Schmidt, Delmenhorst, zur Wahrnehmung seiner Rechte im Adhäsionsverfahren bei. Dem Verurteilten ordnete das Amtsgericht Osnabrück mit Beschluss vom (richtiger Weise) 03.04.2012 Rechtsanwalt Möhring, Osnabrück, als Pflichtverteidiger bei. Mit Schriftsatz vom 04.04.2012 begehrte Rechtsanwalt Möhring Vergütungsfestsetzung i.H.v. insgesamt 1.227,90 EUR. Er verlangte u.a. auch die Festsetzung der Gebühr für das Verfahren über vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten gem. Ziff.4143 VV RVG i.H.v. 438,-- EUR. Am 27.04.2012 setzte das Amtsgericht Osnabrück die Vergütung des Beschwerdeführers auf 708,68 EUR fest. Hiergegen richtete sich die als Erinnerung zu wertende Eingabe des beigeordneten Rechtsanwalts Möhring vom 02.05.2012. Mit Beschluss vom 29.05.2012 änderte das Amtsgericht den Festsetzungsbeschluss vom 27.04.2012 dahingehend ab, dass dem Beschwerdeführer auch die Gebühr gem. Ziff. 4143 VV RVG zu vergüten ist. Hiergegen richtet sich die Beschwerde das Bezirksrevisors vom 19.06.2012.

2

II.)

Die gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors ist in der Sache begründet.

3

Der Beschwerdeführer hat durch seine Tätigkeit im Adhäsionsverfahren erster Instanz keinen Gebührenanspruch gegen die Landeskasse. Zur Begründung wird auf die Stellungnahmen des Bezirksrevisors vom 14.05.2012 und vom 19.06.2012 verwiesen, denen sich die Kammer anschließt. Erforderlich ist eine ausdrückliche Beiordnung des Rechtsanwalts auch für das Adhäsionsverfahren. Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 48 Abs. 4 S. 1 RVG. Ein Anspruch auf Erstattung der Gebühr gem. Ziff. 4143 VV RVG ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Verurteilten gem. § 140 Abs. 2 StPO ein Pflichtverteidiger bestellt worden ist. Eine derartige Rechtsauffassung steht im Widerspruch zu § 404 Abs. 5 StPO. Danach ist einem Angeklagten (Angeschuldigten), der bereits einen Verteidiger hat, ein Rechtsanwalt zur Abwehr des Adhäsionsanspruchs nur unter den Voraussetzungen der §§ 114 ff. ZPO beizuordnen. Dass das Amtsgericht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und die Erfolgsaussichten seiner Verteidigung gegen den geltend gemachten Adhäsionsanspruch geprüft hat, ist der Akte nicht zu entnehmen. Das wäre aber schon wegen der unterschiedlichen Zielsetzung der §§ 140 ff. StPO einerseits und der §§ 404 Abs. 5 StPO, 114 ff. ZPO andererseits geboten gewesen. Während die §§ 140 ff. StPO dem im öffentlichen Interesse liegenden Zweck dienen, eine ordnungsgemäße Verteidigung und einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, liegt die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren im individuellen Interesse des Verletzten (OLG Stuttgart, Beschluss vom 22.04.2012, Az. 1 Ws 178/10, Rdrn. 14 ff., OLG Oldenburg,Beschluss vom 06.04.2009, Az. 1 Ws 38/09, Rdnrn. 10 ff., jeweils zitiert nach [...]). Es ist deshalb notwendig, vor einer Beiordnung im Adhäsionsverfahren die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung und die persönlichen wie wirtschaftlichen Voraussetzungen der jeweiligen Partei zu prüfen.

4

Die Vergütung des Beschwerdeführers ist deshalb wie folgt festzusetzen:

1Grundgebühr gem. Ziff. 4100 VVRVG132,00 EUR
2Verfahrensgebühr für das Ermittlungsverfahren gem. Ziff. 4104 VV RVG112,00 EUR
3Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug gem. Ziff. 4106 VV RVG112,00 EUR
4Terminsgebühr gem. Ziff. 4108 VV RVG184,00 EUR
6Post-/ Telekommunikationspauschale gem. Ziff. 7000 VV RVG20,00 EUR
7Dokumentenpauschale gem. Ziff. 7008 VV RVG33,85 EUR
8Mehrwertsteuer112,83 EUR
9Gesamt:706,68 EUR
5

III.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG.

Carstensen - Vorsitzender Richter am Landgericht
Barth - Richter am Landgericht
Lichte - Richterin am Landgericht