Finanzgericht Niedersachsen
v. 28.08.1995, Az.: IX 650/89

Schaden durch Brandstiftung als außergewöhnliche Belastung; Zum steuerrechtlichen Begriff der außergewöhlichen Belastung; Außergewöhliche Belastungen als existentiell notwendige Aufwendungen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
28.08.1995
Aktenzeichen
IX 650/89
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 1995, 19985
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1995:0828.IX650.89.0A

Fundstelle

  • EFG 1996, 180 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 1987

Amtlicher Leitsatz

Brandschaden als ag. Belastung

Der IX. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
unter Mitwirkung
...
am 28. August 1995
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob und inwieweit ein durch Brandstiftung entstandener Schaden als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG anzuerkennen ist.

2

Die Kläger sind verheiratet und werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger bezieht als ... und die Klägerin als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.

3

Mit ihrem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1987 vom 23. August 1988 beantragten die Kläger einen ihnen durch Brandstiftung entstandenen Schaden von 6.000,00 DM als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Der Geräte- und Holzschuppen auf ihrem dem Wohngrundstück gegenüberliegenden Grundstück in ... sei durch Brandstiftung am 24. März 1987 vollständig zerstört worden. Die Brandstiftung sei der Staatsanwaltschaft mit einem voraussichtlichen Schaden von 6.000,00 DM angezeigt worden und würde dort unter dem Aktenzeichen ... bearbeitet. Von diesem Schaden entfielen 2.600,00 DM auf den wiederherzustellenden Schuppen, 3.200,00 DM auf ein seinerzeit im Schuppen untergestelltes Yamaha-Motorrad und 200,00 DM auf fünf Raummeter verbranntes Brennholz. Wegen der möglichen Kosten für den Wiederaufbau des Schuppens verwiesen die Kläger auf einen Kostenvoranschlag des Bauingenieurs und Zimmermeisters ... vom 17. Juni 1989 und wegen des Motorrad-Schadens auf ein Gutachten des Ingenieur- und Sachverständigenbüros für Kraftfahrzeugtechnik vom 20. Juni 1989. Die Kläger beantragten, den Betrag von 6.000,00 DM als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

4

Der Einspruch wurde durch Bescheid vom 11. Juli 1989 als unbegründet zurückgewiesen. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. Abschn. 186 Abs. 1 Nr. 1 EStR müsse der Steuerpflichtige belastet sein, d.h., es müßten ihm tatsächlich Aufwendungen entstanden sein. Vorgänge, die auf der reinen Vermögensebene lägen, könnten im Rahmen des § 33 EStG grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (Abschn. 186 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 EStR). Da die Kläger nur einen durch das Verbrennen des Schuppens, Motorrades und des Brennholzes entstandenen Vermögensschaden geltend gemacht und keine tatsächlich entstandenen Aufwendungen nachgewiesen hätten, läge keine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG vor.

5

Hiergegen richtet sich die zu entscheidende Klage.

6

Obwohl doch einige Wiederherstellungsaufwendungen (wie z.B.) am Motorrad entstanden seien, seien diese im Verhältnis zur zumutbaren Eigenbelastung aber so geringfügig, daß mit der Klage allein der durch die Brandstiftung eingetretene Vermögensschaden geltend gemacht und belegt werde.

7

Nach dem Gutachten vom 17. Juni 1989 beliefen sich die Wiederherstellungskosten für den Geräteschuppen auf 6.690,24 DM und betrage der am Motorrad entstandene Schaden nach dem Gutachten vom 20. Juni 1989 (Wiederbeschaffungswert von 2.900,00 DM ./. Restwert von 100,00 DM =) 2.800,00 DM. Hinzu kämen noch Aufräumarbeiten in geschätzter Höhe von 800,00 DM. Dieser aber gleichwohl nur in Höhe von 6.000,00 DM geltend gemachte Vermögensschaden sei als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen. In dem Urteil des Finanzgerichtes des Saarlandes vom 25. November 1987 1 K 128/86, EFG 1988, 126, würde - entgegen der h.M. - davon ausgegangen, daß Schäden durch Verwirklichung allgemeiner Straftaten-Risiken grundsätzlich wie Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen seien. Es sei schon deshalb widersinnig, in als außergewöhnliche Belastung anzuerkennende tatsächlich aufgewendete Schadensbeseitigungsbeträge und in nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähige Vermögensschäden zu unterscheiden, weil regelmäßig die Schadensbeseitigungs-Aufwendungen betragsmäßig dem Vermögensschaden entsprächen.

8

Außerdem könne nicht unberücksichtigt bleiben, daß durch § 33 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 EStG ein Zusammenhang zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten und Sonderausgaben hergestellt und im Bereich der Betriebsausgaben bereits der durch Zerstörung, Diebstahl, Unterschlagung oder Unfall eingetretene Schaden als Betriebsausgabe anerkannt würde. Neben dem "Aufwendungs-Argument" sei aber auch die "Gegenwerttheorie" nicht geeignet, die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung zu versagen. Danach sei der von den Klägern geltend gemachte und von keiner Versicherung ersetzte Vermögensschaden als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

9

Die Kläger beantragen,

einen ihnen im Jahre 1987 durch Brandstiftung entstandenen Schaden von 6.000,00 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Der geltend gemachte Schaden gehöre zur Vermögenssphäre und sei deshalb nach Rechtsprechung und herrschender Meinung im Schrifttum nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG berücksichtigungsfähig.

12

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf die Steuerakten (St.Nr.: ...) und die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist nicht begründet, weil der durch den Brand eingetretene Vermögensschaden keine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG ist.

14

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG).

15

Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht (§ 33 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG).

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Soweit die durch die Lebensführung veranlaßten gewöhnlichen (normalen) oder typischen finanziellen Belastungen vorhersehbar und als solche und ihrer Höhe nach annähernd bezifferbar sind, werden diese bereits vom Grundfreibetrag (§ 32 a Abs. 1 Nr. 1 EStG), von dem sogenannten Kinderlastenausgleich und durch Sonderausgaben (§ 10 EStG) abgegolten. Zusätzlich kommen deshalb als außergewöhnliche Belastungen i.S. der Auffangrechtnorm § 33 EStG zur Vermeidung unbilliger Härten nur noch solche zwangsläufigen finanziellen Belastungen in Betracht, die (wie z.B. Krankheitskosten) durch außergewöhnliche (unvorhersehbare) Umstände im Bereich der privaten Lebensführung veranlaßt sind und die das Existenzminimum des § 32 a Abs. 1 Nr. 1 EStG (wie z.B. beim außergewöhnlichen Schaden am selbstbewohnten Haus, vgl. Schmidt-Drenseck, EStG - Kommentar, 13. Aufl., 4. f, zu § 33, und Urteil des BFH vom 6. Mai 1994 III R 27/92, BStBl II 1995, 104) über, den Normalfall hinaus erhöhen. So verstanden bedarf es dann zur Bestimmung außergewöhnlicher Belastungen i.S. des § 33 EStG regelmäßig gar keines Eingehens auf die sehr umstrittene "Gegenwerttheorie" (vgl. Urteil des BFH vom 27. September 1956 IV 613/55 U, BFHE 64, 40, BStBl III 1957, 16 - Brand - (Blitz-)Schaden am Haus - oder die "Aufwendungs" (vgl. Beschluß des BFH vom 16. November 1993 I B 115/93, BFH/NV 1994, 551 - m.w.N.) - Argumentation (ebenso: Schmidt-Drenseck, EStG - Kommentar, 13. Aufl., 1. und 4. f, zu § 33 EStG).

17

Bei Anwendung dieser Grundsätze und der danach vorzunehmenden sozialen Wertung, liegen der hier zu beurteilende Brand-Vermögensschaden und die damit verbundenen Aufwendungen außerhalb der existentiell notwendigen Lebensführung und scheiden schon deshalb von einer Berücksichtigung nach § 33 EStG aus (ebenso: Schmidt-Drenseck, a.a.O., 4. f, zu § 33 EStG, und Urteil des BFH vom 15. November 1991 III R 1/91, BFH/NV 1992, 302 - Sachschaden am Pkw der Eltern durch Unfall auf dem Schulweg -, Urteil des BFH vom 17. Oktober 1973 VI R 84/70, BFHE 111, 63, BStBl II 1974, 104 - Unfallschaden am Pkw auf Privatfahrt -, Urteil des BFH vom 17. Oktober 1973 VI R 143/71, BFHE 111, 65, BStBl II 1974, 105 - Unfallschaden am geliehenen Pkw auf Privatfahrt -, Urteil des BFH vom 10. April 1970 VI R 250/68, BFHE 99, 359, BStBl II 1970, 680 - Unfallschaden am Pkw auf Mittagsheimfahrt von der Arbeit - und Urteil des BFH vom 23. Februar 1968 VI R 97/67, BFHE 92, 199 - strafrechtliche Einziehung des privaten Pkw -). Bei sozialer Wertung waren weder der Geräteschuppen noch das Motorrad oder das Brennholz für die Kläger existentiell lebensnotwendig. Dieser Auffassung waren offensichtlich auch die Kläger, die keine Risikoabsicherung durch Abschluß von Versicherungen meinten treffen zu müssen.