Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 16.02.1990, Az.: 15 U 13/89
Entbehrlichkeit der Feststellung einer konkreten Beiwohnung bei einer positiven Vaterschaftsfeststellung nach § 1600 o Abs. 1 BGB; Auswertung serologischer Gutachten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.02.1990
- Aktenzeichen
- 15 U 13/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 14478
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1990:0216.15U13.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Tostedt - AZ: 3 C 464/88
Fundstellen
- DSB 1991, 11 (Kurzinformation)
- NJW 1990, 2942 (Volltext mit red. LS)
Prozessführer
D. H.,
Prozessgegner
T. K. (geboren am 22. Februar 1968),
In dem Rechtsstreit
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 1990
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Kaul,
der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Stobbe-Stech und
des Richters am Oberlandesgericht Treppens
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 9. Mai 1989 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tostedt wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Sicherheitsleistung (Nr. 3 und 4 des Tenors des angefochtenen Urteils) werden aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil nebst den darin enthaltenen Verweisungen und gemäß § 313 Abs. 2 ZPO auf den vorgetragenen Inhalt der im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze, den Beweisbeschluß des Senats vom 28. August 1989, das Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. Dr. ... und Dr. ... vom 21. November 1989 sowie die Beiakten 4 C 155/68 AG Soltau und 4 C 467/87 AG Tostedt Bezug genommen.
Die Berufung des Beklagten, mit der er sich gegen die Feststellung seiner nichtehelichen Vaterschaft wendet, ist nicht begründet. Bereits das vom Amtsgericht eingeholte serologische Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. ... vom 10. April 1989 hatte für die Vaterschaft des Beklagten eine Wahrscheinlichkeit von 99,99 % ergeben; diesem Wert ist die verbale Aussage "Vaterschaft praktisch erwiesen" zugeordnet. Da ein konkreter Anhaltspunkt dafür fehlte, daß die Mutter des Klägers während der für diesen geltenden gesetzlichen Empfängniszeit vom 26. April bis 25. August 1967 außer mit dem als Vater des Klägers ausgeschlossenen ... (rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichs Tostedt vom 26. Mai 1988, 4 C 467/87) mit weiteren Männern geschlechtlich verkehrt hat, hätte bereits dieses Ergebnis der serologischen Begutachtung und dessen biostatistische Auswertung die positive Vaterschaftsfeststellung nach § 1600 o Abs. 1 BGB gerechtfertigt, und zwar nicht nur bei einem "normal vollzogenen" Geschlechtsverkehr, sondern auch bei einer gegenseitigen Berührung der beiden Geschlechtsteile; denn ein "normaler Vollzug" des Geschlechtsverkehrs ist nicht zwingende Voraussetzung für eine Zeugung. Um die beim Beklagten gleichwohl verbliebenen Zweifel, die ihn veranlaßt haben, das Berufungsverfahren aufzunehmen und durchzuführen, auszuräumen, hat der Senat, der Anregung des Beklagten folgend, ein weiteres Abstammungsgutachten über einen zweiten gegenüber den serologischen Merkmalen eigenständigen Erbgang, nämlich die DNA-Banden in den Leukocyten des Blutes, eingeholt. Dieses Gutachten, erstattet durch die dem Senat als erfahren, sachkundig und zuverlässig bekannten Sachverständigen Prof. Dr. Dr. ... und Dr. ... hat das Ergebnis der serologischen Begutachtung, den Vergleich der Blutgruppen und -faktoren, bestätigt. Nach der statistischen Auswertung der DNA-Befunde besteht für die Vaterschaft des Beklagten eine 99,99 % übersteigende Wahrscheinlichkeit. Einwendungen gegen die beiden Abstammungsgutachten hat der Beklagte nicht vorgebracht; solche sind auch nicht ersichtlich.
Selbst wenn der Beklagte nach wie vor seine Vaterschaft anzweifeln sollte - was er nicht ausdrücklich vorgebracht hat, worauf aber sein aufrechterhaltener Sachantrag schließen lassen könnte -, so wäre es bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht zu verantworten, entsprechend seinem Begehren in der Berufungsbegründung die Aufklärung und Beweiserhebung durch erneute Vernehmung der Kindesmutter und Einholung eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens über den Vergleich der morphologischen (gestaltlichen) Erscheinungsformen fortzuführen. Bei einer positiven Vaterschaftsfeststellung nach § 1600 o Abs. 1 BGB ist die Feststellung einer konkreten Beiwohnung entbehrlich. Konkrete Anhaltspunkte für einen Mehrverkehr der Mutter des Klägers während der für diesen geltenden gesetzlichen Empfängniszeit hat der Beklagte auch in der Berufungsbegründung nicht substantiiert vorgebracht. Seine Vermutung über geschlechtliche Beziehungen der Mutter des Klägers zu dem zwischenzeitlich verstorbenen Dieter Geis werden nicht durch tragfähige Tatsachen gestützt. Dem Vorbringen des Klägers, seine Mutter habe keinen näheren persönlichen Kontakt zu ihrem früheren Arbeitskollegen Geis gehabt, ist der Beklagte nicht entgegengetreten.
Ein Vergleich der morphologischen (gestaltlichen) Erscheinungsformen, der der Gegenstand eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens wäre, ist bei einer aufgrund der serologischen Befunde ermittelten Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,99 % gegenüber den Vergleichen der Blutmerkmale und -faktoren sowie der DNA-Banden die unsicherste Methode, zur Klärung der Vaterschaft beizutragen. Einen tragfähigen Ausschluß kann ein anthropologisch-erbbiologisches Gutachten bereits nicht mehr erbringen, wenn eine biostatistische Auswertung der serologischen Befunde eine Wahrscheinlichkeit von 99,0 % für die Vaterschaft ergeben hat (BGH FamRZ 1974, 181). Eine zusätzliche Bestätigung der Vaterschaft durch einen dritten eigenständigen Erbgang ist hier angesichts der Ergebnisse der serologischen und der DNA-Befunde nicht geboten.
Nach allem muß der Berufung des Beklagten der Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung des Amtsgerichts über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Sicherheitsleistung (Nr. 3 und 4 des Tenors) müssen indessen aufgehoben werden, weil sich für sie im Gesetz keine Grundlage findet, § 704 Abs. 2 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.