Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.02.1990, Az.: 3 U 98/89

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
07.02.1990
Aktenzeichen
3 U 98/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1990, 21976
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1990:0207.3U98.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 23.02.1989 - AZ: 5 O 448/88

In dem Rechtsstreit

wegen Zahlung von Vertragsstrafe

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 1990 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ., den Richter am Oberlandesgericht . und den Richter am Landgericht . für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Februar 1989 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird unter Abweisung der Klageerweiterung zurückgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte wegen deren Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6. 400 DM abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Den Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche, schriftliche selbstschuldnerische Bürgschaft einer westdeutschen Großbank, Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu erbringen.

    Wert der Beschwer: 50. 000 DM.

Tatbestand:

1

Die Beklagte betrieb bis zum 31. Dezember 1986 ein Steuerberatungsbüro in . Durch Kaufvertrag vom 20. Oktober 1986 veräußerte sie ihre Praxis an die Klägerin, wegen der Einzelheiten wird auf den bei der Akte befindlichen Vertrag nebst Anlagen (Fotokopie Bl. 12-;21 d.A.) Bezug genommen.

2

Unter § 7 des Vertrages vereinbarten die Parteien folgende Konkurrenzschutzklausel:

3

"§ 7

4

Konkurrenzschutz

  1. a

    Es ist der Verkäuferin untersagt, für die bisher von ihr betreuten Mandanten oder neue Mandanten der Käuferin in Zukunft mittelbar oder unmittelbar tätig zu werden, es sei denn, diese Tätigkeit würde im Namen und für Rechnung der Käuferin ausgeübt.

  2. b

    .

  3. c

    .

5

Bei einem Verstoß gegen dieses Wettbewerbsverbot kann die Käuferin neben Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen eine Vertragsstrafe in Höhe von DM 10.000,-; für jede Zuwiderhandlung bzw. jeden angefangenen Monat Tätigkeit in einer Konkurrenzpraxis oder. Beteiligung an einer solchen verlangen. Darüber hinaus bleibt die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen unberührt."

6

Die Übertragung erfolgte zum 1. Januar 1987. Ab diesem Datum war die Beklagte als freie Mitarbeiterin (vgl. Vereinbarung vom 20. Oktober 1986, Fotokopie Bl. 43 bis 45 d.A.) bei der Klägerin beschäftigt. Wegen Differenzen zwischen den Parteien wurde das Mitarbeiterverhältnis zum 31.5.1988 aufgekündigt. Im Juni 1988 kündigten die Mandanten . und . und Anfang August 1988 der Mandant . ihr Beratungsverhältnis bei der Klägerin. Sie wurden seither von der Beklagten beraten.

7

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe die vorgenannten Mandanten -; wie auch andere -; negativ beeinflußt, sie (die Klägerin) schlecht gemacht und für sich abgeworben. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe in mindestens vier Fällen (., zweimal .) gegen die vertragliche Konkurrenzschutzklausel (§ 7 des Vertrages vom 20.10.1986) verstoßen und damit eine Vertragsstrafe in Höhe von jeweils 10. 000 DM verwirkt. Im übrigen sei ihr durch den Verlust der Mandanten auch ein Schaden entstanden, der die Höhe der Vertragsstrafe noch übersteige (wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf S. 3/4 der Klageschrift nebst Anlagen, Bl. 3/4 und 8/9 d.A. Bezug genommen).

8

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 40. 000 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit Zustellung der Klage zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt,

  1. 1

    die Klage abzuweisen,

  2. 2

    hilfsweise,

    die Vertragsstrafe auf ein angemessenes Maß herabzusetzen.

10

Sie hat bestritten, die Mandanten abgeworben zu haben. Diese hätten vielmehr von sich aus gekündigt und sie gebeten, ihre Betreuung wieder zu übernehmen.

11

Sie hat die Ansicht vertreten, die vertragliche Konkurrenzschutzklausel sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig, zumindest müsse das Konkurrenzverbot auf 1 Jahr begrenzt werden. Erst nach diesem Zeitpunkt seien aber die Mandanten von ihr betreut worden. Im übrigen sei die Vertragsstrafe unangemessen hoch.

12

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Konkurrenzschutzklausel sei nichtig, da eine zeitliche Begrenzung des Wettbewerbsverbots nicht festgesetzt sei. Zwar sei dadurch kein umfassendes Berufsverbot für die Beklagte festgelegt worden, weil nur auf die Mandanten der Klägerin abgestellt werde. Dennoch gehe dieses Wettbewerbsverbot zu weit, weil nicht nur ein Abwerben, sondern ein generelles Tätigwerden für Mandanten der Klägerin für alle Zeit untersagt sei. Dadurch werde einschneidend in das Recht der Mandanten eingegriffen, sich einen steuerlichen Berater ihrer Wahl aussuchen zu können.

13

Die Klägerin hat gegen das ihr am 6. März 1989 zugestellte Urteil am 6. April 1989 Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am 6. Juni 1989 begründet, gleichzeitig hat sie die Klage um 10. 000 DM erweitert, mit der Begründung, daß die Beklagte die Mandate, die in der Anlage zum Vertrag vom 20. Oktober 1986 unter der Bezeichnung ". Fuhrunternehmen" aufgeführt sind, wieder selbst betreue, wodurch eine weitere Vertragsstrafe in Höhe von 10. 000 DM verwirkt sei. Im übrigen sei ihr (der Klägerin) dadurch ein Schaden -; gerechnet auf zwei Jahre -; in Höhe von 14.237,63 DM entstanden, auf den sie die Klageerhöhung hilfsweise stütze (wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf S. 2-;4 der Berufungsbegründung, Bl. 96-;98 d.A., Bezug genommen).

14

Die Klägerin wiederholt das Vorbringen erster Instanz. Sie ist der Ansicht, das Wettbewerbsverbot in § 7 des Praxisübernahmevertrages verstoße nicht gegen die guten Sitten. Ein solcher Verstoß liege nur dann vor, wenn die Wettbewerbsklausel praktisch wie ein Berufsverbot wirke. Zwar sei hier keine zeitliche Begrenzung vereinbart, jedoch beziehe sich die Klausel nicht auf die gesamte berufliche Tätigkeit der Beklagten als Steuerbevollmächtigte, sondern untersage ihr lediglich, für die Mandanten tätig zu werden, die sie bisher betreut und sodann mit dem Praxisübergabevertrag an die Klägerin "verkauft" habe oder die von der Klägerin betreut werden. Durch das Wettbewerbsverbot in § 7 des Vertrages werde nur eine Nebenpflicht aus dem "Verkauf" des Mandantenstammes konkretisiert, die ohnehin bestehe. Die Beklagte sei nach Sinn und Zweck des Vertrages gehindert, das, was sie der Klägerin für teures Geld verkauft habe, nach dem Verkauf weiter selbst zu nutzen. Im übrigen stelle das Landgericht zu Unrecht auf das Recht der Mandanten ab, sich einen Steuerberater ihrer Wahl suchen zu können.

15

Selbst wenn man das in § 7 des Praxisübernahmevertrages vereinbarte Wettbewerbsverbot als sittenwidrig einstufen wollte, dann folge daraus noch nicht eine völlige Nichtigkeit nach § 138 BGB. Vielmehr sei die Klausel dann in ein zeitlich begrenztes Wettbewerbsverbot umzudeuten und in eingeschränkter Form aufrecht zu erhalten. Hilfsweise stützt die Klägerin ihren Anspruch auf Schadensersatz, weil die Beklagte durch ihr Verhalten ihre Pflichten aus dem Verkaufsvertrag verletzt habe, indem sie sich nicht vertragstreu verhalten und den mit dem Vertrage bezweckten Erfolg beeinträchtigt habe. Der dadurch entstandene Schaden sei mindestens so hoch, wie die geltend gemachten Vertragsstrafen.

16

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 50. 000 DM nebst 4 % Zinsen zu zahlen, und zwar auf 40. 000 DM seit dem 4.11.1988 und auf 10. 000 DM seit Zustellung der Klageerweiterung,

17

hilfsweise,

18

für den Fall, daß Sicherheit zu leisten ist, als Sicherheitsleistung der Klägerin auch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank zuzulassen.

19

Die Beklagte beantragt,

  1. 1

    die Berufung zurückzuweisen,

  2. 2

    der Beklagten nachzulassen, jedewede Sicherheitsleistung durch unbedingte, unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft einer als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen deutschen Bank oder Sparkasse erbringen zu können.

20

Sie widerspricht der Klageerweiterung und wiederholt ihr Vorbringen erster Instanz. Zur Sittenwidrigkeit der Wettbewerbsklausel weist sie darauf hin, daß ihr dadurch nicht nur untersagt wird, die in der Anlage zum Praxisübergabevertrag vom 20.10.1986 aufgelisteten Mandanten zu betreuen, sondern auch jegliche weiteren Mandanten der Klägerin, und zwar auch solche, zu denen sie selbst keinerlei Kontakt hatte.

21

Die Beklagte bestreitet, Mandanten abgeworben oder negative Äußerungen über die Klägerin gegenüber Mandanten gemacht zu haben, insbesondere nicht zu einer Zeit, als sie noch für die Klägerin tätig war. Sie behauptet, alle "zurückgekehrten" Mandanten hätten sie von sich aus gebeten, wieder für sie tätig zu werden. Schließlich bestreitet die Beklagte die Schadenshöhe.

22

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vor dem Senat gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die in erster Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Urteil erster Instanz Bezug genommen.

Gründe

23

Die zulässige Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.

24

Die Klageerweiterung hinsichtlich Vertragsstrafe bzw. Schadensersatzansprüchen aus dem Mandat "." ist zwar als sachdienlich zuzulassen (§ 263 ZPO), da sie den Rechtsstreit nicht verzögert und einer neuen Prozeßführung vorbeugt, hat jedoch ebenfalls keinen Erfolg.

25

I.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vertragsstrafe, da die Konkurrenzschutzklausel in § 7a des Praxisübergabevertrages vom 20. Oktober 1986 (Bl. 12 d.A.) wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist.

26

Zwar bestehen keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel aus dem vom Landgericht herangezogenen Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Recht der Mandanten, sich den Steuerberater ihrer Wahl frei aussuchen zu können. Im Rahmen der Vertragsfreiheit ist kein Steuerberater verpflichtet, Mandanten zu betreuen, wenn er dieses nicht will (vgl. § 663 BGB).

27

Es ist ihm deshalb auch freigestellt, sich gegenüber Dritten zu verpflichten, mit bestimmten Mandanten keine Geschäftsbeziehung einzugehen.

28

Aus den Besonderheiten der freien Berufe und dem öffentlichen Interesse an der Freiheit der Berufsausübung dieser Berufsgruppen folgt aber, daß es sich mit dem Berufszweck nur in begrenztem Umfange verträgt, örtliche, zeitliche oder gegenständliche Beschränkungen der Berufsausübung zuzulassen (vgl. BGH NJW 1968, 1717 [BGH 09.05.1968 - II ZR 158/66] für den Beruf des Wirtschaftsprüfers, BGH NJW 1986, 2944 [BGH 28.04.1986 - II ZR 254/85] f für den Beruf des Rechtsanwalts). Der Grundsatz der freien Berufausübung kann durch Vereinbarung unter Mitbewerbern nur eingeengt werden, soweit besondere Umstände vorliegen, die ein anerkennenswertes Bedürfnis begründen, den Vertragspartner vor illoyaler Verwertung des Erfolges seiner Arbeit zu schützen (BGH NJW 1986, 2944, 2945 [BGH 28.04.1986 - II ZR 254/85]). Diese Grundsätze gelten auch für den Beruf des Steuerberaters, der ebenfalls dadurch gekennzeichnet ist, daß seine Angehörigen einen freien Beruf (§ 32 Abs. 2 StBerG) unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft und verschwiegen unter Verzicht auf berufswidrige Werbung ausüben (§ 57 StBerG). Auch mit dem Beruf des Steuerberaters verträgt es sich nur in begrenztem Umfange, örtliche, zeitliche oder gegenständliche Beschränkungen in der Berufsausübung zuzulassen. Konkurrenzschutzklauseln bei Übernahme einer Steuerberaterpraxis sind deshalb zwar grundsätzlich zulässig, jedoch nur soweit ein schützenswertes Bedürfnis des Praxisübernehmers daran besteht, daß der übergebende Mandanten abzieht.

29

Deshalb sind nicht nur solche Klauseln unwirksam, die praktisch auf ein unbeschränktes Berufsverbot hinauslaufen, sondern auch solche, die zwar in gewissem Umfang noch eine Tätigkeit des Steuerberaters zulassen, jedoch in seine freiberufliche Tätigkeit in nicht mehr vertretbarem Maße eingreifen.

30

Im vorliegenden Fall bezieht sich zwar die zwischen den Parteien vereinbarte Wettbewerbsklausel nicht auf die gesamte berufliche Tätigkeit der Beklagten, sondern ist auf die bis zur Praxisübergabe von ihr betreuten Mandanten sowie neue Mandanten der Übernehmerin beschränkt. Durch die Ausweitung auf solche Mandanten, die bisher nicht von der Beklagten betreut wurden, jedoch künftig von der Klägerin geworben werden, erfährt das Wettbewerbsverbot aber eine bedenkliche Ausweitung, die nicht mehr tolerierbar ist im Hinblick auf die zeitliche Unbeschränktheit.

31

Anerkennenswert ist ein schutzwürdiges Interesse des Praxisübernehmers daran, daß der Übergeber nicht unmittelbar nach der Geschäftsübertragung unter Ausnutzung seiner bisherigen Mandantenbeziehungen sofort mit dem Übernehmer in Wettbewerb tritt. Die Gefahr, daß dann die Mandanten sich nicht erst an den Praxisübernehmer gewöhnen, sondern sich weiterhin von dem Übergeber betreuen lassen, wäre -; jedenfalls in einem zeitnahen Zusammenhang mit der Praxisübertragung -; relativ groß. Insoweit ist nach ständiger Rechtsprechung ein Wettbewerbsverbot bezogen auf die bisherigen Mandanten des Praxisübergebers für die Dauer von 2 Jahren nicht zu beanstanden.

32

Lediglich aus der Veräußerung der Praxis heraus läßt sich aber kein schutzwürdiges Interesse der Klägerin daran erkennen, daß es gemäß § 7 a des Praxisübergabevertrages der Beklagten auch verboten wurde, neue Mandanten der Klägerin künftig zu betreuen. Diese Erweiterung der Klausel ist nur insoweit verständlich, als die Parteien gleichzeitig mit dem Praxisübergabevertrag eine Vereinbarung über die künftige Beschäftigung der Beklagten als freie Mitarbeiterin bei der Klägerin trafen -; vgl. Vertrag über freiberufliche Tätigkeit vom 20.101.1986 i.V.m. dem Nachtrag vom 2. Januar 1987 (Fotokopie Bl. 43-;46 d.A.).

33

Würde sich unter diesem Gesichtspunkt noch die Ausdehnung des Konkurrenzschutzes auf künftige Mandanten der Klägerin rechtfertigen, weil die Beklagte im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Klägerin mit diesen in Kontakt kam und ein Vertrauensverhältnis zu diesen aufbauen konnte, so besteht jedoch kein schutzwürdiges Interesse daran, ein zeitlich unbegrenztes Wettbewerbsverbot zu vereinbaren. Zwar finden auf freiberufliche Mitarbeiter die Vorschriften des §§ 74 Abs. 2, 74 a Abs. 1 HGB keine Anwendung, jedoch kann in die Betrachtung der Zulässigkeit der vorliegenden Konkurrenzschutzklausel die Wertung, die der Gesetzgeber in diesen Vorschriften getroffen hat, mit einbezogen werden. Damit erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Beklagte tatsächlich als freie Mitarbeiterin beschäftigt war oder vielmehr, nach dem Inhalt des Vertrages in Wirklichkeit einen Angestelltenstatus hatte. Jedenfalls läßt sich aus der grundsätzlichen Wertung, die der Gesetzgeber in den vorgenannten Vorschriften getroffen hat, entnehmen, daß Wettbewerbsverbote, die ihren Ursprung nicht in dem Verkauf einer Praxis haben sondern in der Mitarbeitereigenschaft des potentiellen Konkurrenten, einer zeitlichen Beschränkung unterliegen müssen und für die Zeit der zeitlichen Beschränkung eine Karenzentschädigung vorzusehen ist. Beides ist hier nicht der Fall.

34

Die Ausdehnung des Wettbewerbsverbots auf künftige Mandanten der Klägerin ist damit weder unter dem Gesichtspunkt des Praxisverkaufs (insoweit fehlt jeglicher Anknüpfungspunkt) noch unter dem Gesichtspunkt der künftigen Mitarbeitertätigkeit der Beklagten gerechtfertigt.

35

Das der Beklagten auferlegte Wettbewerbsverbot ist damit nicht nur insoweit unzulässig ausgeweitet worden, als die zeitliche Begrenzung fehlt, sondern auch insoweit, als es auf Mandanten der Klägerin ohne zeitliche Begrenzung und Karenzentschädigung ausgedehnt worden ist.

36

Darüber hinaus fehlt eine örtliche Begrenzung. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß für einen unbegrenzten Gebietsschutz Kein anerkennenswertes Bedürfnis besteht. Es ist nicht erkennbar, inwieweit ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin daran bestehen soll, daß die Beklagte nach Übergabe ihrer Praxis einer Tätigkeit als Steuerbevollmächtigter etwa in Süddeutschland nicht nachgehen können sollte, und dann frühere Mandanten betreut, die zufällig auch nach Süddeutschland verzogen sind.

37

Ein Wettbewerbsverbot kann nur für einen örtlich und zeitlich begrenzten Raum anerkannt werden, in dem die bei Praxisübergabe bestehenden geschäftlichen Kontakte des Praxisübergebers in beeinträchtigender Form in die geschäftlichen Belange des Übernehmers einwirken können. Erfahrungsgemäß verflüchtigen sich diese Einwirkungsmöglichkeiten aber sowohl mit räumlicher Entfernung vom Praxisstandort wie auch mit zeitlichem Abstand von der Praxisübergabe an. Das vorliegende Wettbewerbsverbot gemäß § 7 a des Praxisübergabevertrages geht somit in mehrfacher Weise über das zulässige Maß einer Beeinträchtigung der freiberuflichen Tätigkeit eines Steuerbevollmächtigten hinaus; es verstößt damit gegen § 138 Abs. 1 BGB und ist nichtig.

38

Es kommt auch keine Beschränkung des Wettbewerbsverbotes auf ein gesetzliches Maß im Wege der Umdeutung oder Anpassung in Betracht(geltungserhaltende Reduktion). Eine solche hat zumindest dann auszuscheiden, wenn das Wettbewerbsverbot nicht allein wegen der unangemessenen Laufzeit gegen die guten Sitten verstößt, sondern noch andere Gründe hinzukommen (vgl. BGH NJW 1979, 1605 (1606) [BGH 13.03.1979 - KZR 23/77]). Es fehlt hier auch an hinreichend erkennbaren Anknüpfungspunkten, wo etwa die örtliche Begrenzung nach dem vermutlichen Parteiwillen zu ziehen gewesen wäre. Im übrigen würde durch eine entsprechende Anpassung . die Sanktionswirkung des § 138 BGB unterlaufen, wenn die Parteien bei Vereinbarung sittenwidriger Beschränkungen keinerlei Risiko eingingen, sondern "schlimmstenfalls" damit rechnen müßten, daß die Klausel auf das rechtlich zulässige Maß gestutzt wird.

39

II.

Der Klägerin steht auch kein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung vertraglicher Pflichten durch die Beklagte zu.

40

Dadurch, daß die Beklagte sich nach ihrem Ausscheiden aus dem Betrieb der Klägerin wieder selbständig gemacht hat und Mandanten betreut, die zum Kundenstamm gehören, der Gegenstand des Praxisübergabevertrages vom 20. Oktober 1986 war, begeht sie noch keine Pflichtverletzung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Mandanten aus freien Stücken zu ihr kommen und die Beklagte um die Übergabe des Mandates bitten. Lediglich wenn die Beklagte aktiv darauf hingewirkt hätte, daß die Mandanten der Klägerin das Auftragsverhältnis kündigen und zu ihr zurückkommen, würde eine Vereitelung des Vertragszweckes durch eine Tätigkeit der Beklagten vorliegen können. In diesem Falle ergäbe sich darüber hinaus möglicherweise ein Anspruch aus § 1 UWG. Beide Schadensersatzansprüche würden ein aktives Handeln der Klägerin im Sinne einer Abwerbung voraussetzen.

41

1. Eine solche Abwerbung durch die Beklagte hat die Klägerin zwar behauptet, die Beklagte ist dem jedoch energisch entgegengetreten. Der Senat hat keine Veranlassung, dem Beweisantritt der Klägerin durch Vernehmung ihrer Mitarbeiter ., und . nachzugehen. Zum einen sind die von der Klägerin behaupteten angeblichen Erklärungen der Beklagten (ihre eigene frühere Organisation sei besser gewesen als die der Klägerin, bei der Klägerin laufe es nicht, die Mandanten würden dort schlecht betreut) für sich allein noch nicht geeignet, eine Abwerbung durch die Beklagte zu belegen. Bei diesen Äußerungen -; wenn sie denn so tatsächlich gefallen sein sollten -; würde es sich zunächst um bloße Unmutsäußerungen der Beklagten über ihre Arbeitgeberin handeln. Eine Abwerbesituation würde sich erst dann ergeben, wenn damit die Aufforderung oder zumindest der Hinweis verbunden wäre, daß die Beklagte wieder selbständig tätig werde und bereit sei, die Mandanten wieder zu übernehmen. Es fehlen aber jegliche Angaben der Klägerin dazu, wann die Beklagte diese Äußerungen gemacht haben soll, so daß nicht einmal festgestellt werden kann, ob diese Äußerungen in einem zeitnahen Zusammenhang mit der Kündigung der Beklagten bzw. der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gestanden haben. Darüber hinaus fehlt es auch sonst an einem substantiierten Beweisantritt, weil die Klägerin nicht mitgeteilt hat, welcher der benannten Zeugen jeweils wann bei welchem angeblichen Gespräch der Beklagten mit welchem der Mandanten zugegen gewesen sein soll. Mangels näherer Konkretisierung liefe eine Vernehmung der Zeugen auf eine unzulässige Sachverhaltsermittlung hinaus.

42

2. Hinsichtlich der Klageerweiterung in bezug auf das Mandat . fehlt jegliche Behauptung einer aktiven Tätigkeit der Beklagten im Hinblick auf eine Abwerbung dieses Mandanten.

43

Da es somit an einer hinreichenden Darlegung der Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches fehlt, kann die Berufung auch unter diesem Gesichtspunkt keinen Erfolg haben.

44

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.