Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 01.02.1990, Az.: 10 UF 210/89
Streit um die Bemessung nachehelichen Unterhalts; Zeitliche Begrenzung eines Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt nach den Grundsätzen für die zeitliche Begrenzung des eheangemessenen Unterhalts; Vorsorgeunterhalt als unselbständiger Teil eines einheitlichen Unterhaltsanspruches
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 01.02.1990
- Aktenzeichen
- 10 UF 210/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 21029
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1990:0201.10UF210.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 24.07.1989 - AZ: 625 F 1973/88
Rechtsgrundlagen
- § 1573 Abs. 2 BGB
- § 1573 Abs. 5 BGB
Verfahrensgegenstand
Ehescheidung pp.
In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -
des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K. sowie
die Richter am Oberlandesgericht W. und B.
für Recht erkannt:
Tenor:
- I.
Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 24.7.1989 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Hannover zu Ziffer 3. des Tenors geändert und insoweit wie folgt neu gefaßt:
Der Antragsteller wird verurteilt, ab Rechtskraft der Ehescheidung an die Antragsgegnerin einen monatlichen Elementarunterhalt in Höhe von 396 DM und einen monatlichen Altersvorsorgeunterhalt von 92 DM zu zahlen.
Der Unterhaltsanspruch ist zeitlich befristet bis zum 23.11.1993.
Der weitergehende Antrag auf Zahlung von Ehegattenunterhalt wird zurückgewiesen.
- II.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.
- III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
I.
Die Parteien, die sich im Januar 1979 kennengelernt haben, haben am 18.12.1981 miteinander die Ehe geschlossen, aus der keine Kinder hervorgegangen sind. Seit Anfang Mai 1985 leben sie voneinander getrennt, wobei zwischen ihnen nur Streit darüber besteht, ob diese Trennung endgültig gewesen ist. Durch Urteil vom 24.7.1989 hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich geregelt und den Antragsteller verurteilt, ab Rechtskraft der Ehescheidung an die Antragsgegnerin einen monatlichen Elementarunterhalt von 388,16 DM und einen Vorsorgeunterhalt von 99,94 DM zu zahlen. Gegen den Ausspruch zum Unterhalt wendet sich der Antragsteller mit seiner Berufung, mit der er eine Herabsetzung des monatlich zu zahlenden Unterhalts sowie eine zeitliche Begrenzung und Herabsetzung gemäß § 1573 Abs. 5 BGB begehrt.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch im Ergebnis nur insoweit Erfolg, als der sich aus § 1573 Abs. 2 BGB ergebende Differenzunterhaltsanspruch der Antragsgegnerin auf einen Zeitraum von 4 Jahren nach Rechtskraft der Ehescheidung zu begrenzen ist (§ 1573 Abs. 5 BGB). Im einzelnen gilt folgendes:
1.
Der Antragsgegnerin steht gegen den Antragsteller ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB zu, und zwar in Höhe von 3/7 der Differenz der beiderseitig anrechenbaren Einkommen. Diesen Anspruch kann die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung, die am 24.11.1989 eingetreten ist, verlangen.
Aus der Verdienstbescheinigung für Dezember 1989, in der die Jahresbeträge ausgewiesen sind, ergibt sich auf Seiten des Antragstellers nach Abzug der Lohnsteuer ein Jahresnettoeinkommen von 38.941,54 DM, mithin (gerundet) ein monatliches Nettoeinkommen von 3.245 DM. Nach Abzug der Krankenkassenkosten, die der Senat auch schon für 1989 angesichts der geringfügigen Änderung durchgehend mit 131 DM in Abzug gebracht hat, verbleibt ein anrechenbares Nettoeinkommen des Antragstellers von 3.114 DM. Davon abzuziehen sind 5 % für berufsbedingte Aufwendungen, d.h. gerundet 156 DM, so daß ein anrechenbares Einkommen von 2.958 DM verbleibt. Zieht man davon das unstreitige Nettoeinkommen der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung von 5 % berufsbedingter Aufwendungen, d.h. einen Betrag von 1.941 DM ab, so übersteigt das Einkommen des Antragstellers das der Antragsgegnerin um 1.017 DM. Davon kann die Antragsgegnerin grundsätzlich 3/7, d.h. 436 DM verlangen.
Sie macht jedoch neben dem Elementarunterhalt auch Vorsorgeunterhalt geltend. Dieser errechnet sich wie folgt: (436 DM + 13 % gemäß Bremer Tabelle = 436 DM + (gerundet) 57 DM = 493 DM × 18,7 % = (gerundet) 92 DM). Dieser Betrag ist zunächst von dem Unterhaltsbetrag von 1.017 DM abzuziehen, so daß die Antragsgegnerin 3/7 von (1.017 DM - 92 DM =) 925 DM, mithin 396 DM als Elementarunterhalt und 92 DM als Altersvorsorgeunterhalt verlangen kann.
Diese Beträge weichen teilweise von den ausgeurteilten Beträgen ab, stimmen jedoch im Gesamtbetrag überein. Da es sich bei dem Vorsorgeunterhalt um einen unselbständigen Teil eines einheitlichen Unterhaltsanspruches handelt, ist der Senat nicht an eine bestimmte Verteilung gebunden. Zu berücksichtigen ist allein, daß auf die Berufung des Antragstellers der insgesamt zu zahlende Unterhalt nicht zu seinen Lasten verändert werden darf. Deshalb ist der Senat grundsätzlich nicht gehindert auszusprechen, daß der Antragsteller verurteilt wird, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Ehescheidung einen Elementarunterhalt von 396 DM und einen monatlichen Vorsorgeunterhalt von 92 DM zu zahlen.
2.
Die Antragsgegnerin kann den Aufstockungsunterhalt jedoch nur bis zum 23.11.1993 verlangen.
Gemäß § 1573 Abs. 5 BGB kann ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt zeitlich begrenzt werden, soweit insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung der Haushaltsführung und der Erwerbstätigkeit ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Trotz der Ausgestaltung als Kann-Vorschrift ist nach Auffassung des Senats grundsätzlich eine zeitliche Begrenzung des Unterhalts auszusprechen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen (Johannsen/Henrich/Voelskow, EheR, § 1573 Rdnr. 34; Hahne FamRZ 1985, 1113, 1114). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind gegeben.
Bei der Prüfung des § 1573 Abs. 5 BGB können die Grundsätze herangezogen werden, die der BGH für die zeitliche Begrenzung des eheangemessenen Unterhalts nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB entwickelt hat (BGH FamRZ 1986, 886; FamRZ 1989, 483, 486), weil die Kriterien in beiden Vorschriften einander entsprechen (vgl. auch OLG Hamm FamRZ 1987, 707). Dabei sind vom Gesetzgeber ausdrücklich bei der vorzunehmenden umfassenden Billigkeitsabwägung unter Einbeziehung der Umstände des Einzelfalles die Dauer der Ehe sowie die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit besonders hervorgehoben und daher zu berücksichtigen.
Angesichts der Kinderlosigkeit der Ehe der Parteien scheidet eine zeitliche Begrenzung deshalb jedenfalls nicht aus. Auch die Ehedauer, sich vom Zeitpunkt der Heirat bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages bestimmt (BGH FamRZ 1986, a.a.O.; Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 4. Aufl. Rdnr. 937), schließt eine zeitliche Begrenzung nicht aus. Die Parteien haben am 18.12.1981 miteinander die Ehe geschlossen, der Ehescheidungsantrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin am 22.7.1988 zugestellt worden. Die Ehe der Parteien hat mithin ca. 6 Jahre und 7 Monate gedauert. Es handelt sich somit um einen Mittelwert zwischen einer kurzen Ehedauer und einer langen Ehedauer, die ab etwa 10 Jahren gegeben ist und bei der eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruches in der Regel jedenfalls nicht mehr in Betracht kommt (OLG Hamm a.a.O.; OLG Düsseldorf FamRZ 1988, 838, 839).
Angesichts der Kinderlosigkeit der Ehe und des im Unterhaltsrecht herrschenden Grundsatzes der Eigenverantwortlichkeit der (früheren) Ehegatten nach der Scheidung ist es nach Auffassung des Senats unbillig, daß der Antragsteller auf Dauer verpflichtet wird, den in der Ehe erreichten Lebensstandard der Antragsgegnerin durch Unterhaltszahlungen sicherzustellen. Dies gilt umso mehr, als von der Antragstellerin mit Substanz jedenfalls keine ehebedingten Nachteile, insbesondere keine beruflichen Nachteile, dargetan sind.
Durch die zeitliche Begrenzung des Aufstockungsunterhaltes soll dem Unterhaltsberechtigten ermöglicht werden, sich wirtschaftlich und psychologisch auf den Wegfall des Unterhalts einzustellen. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wie lange die Übergangszeit zu bemessen ist, fehlt. Insbesondere hat der Gesetzgeber auch ausdrücklich den Gedanken verworfen, die zeitliche Begrenzung an den zurückgelegten Ehejahren zu orientieren. Im Hinblick auf die Dauer der Ehe und den Umstand, daß die Antragsgegnerin keine ehebedingten Nachteile erlitten hat und daß die Parteien bereits - wie sie übereinstimmend bei ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht erklärt haben - seit Mai 1985 getrennt leben, erachtet es der Senat für angemessen, den Zeitraum, für den der Antragsteller Unterhalt an die Antragsgegnerin zu zahlen hat, bis zum 23.11.1993 zu begrenzen.
III.
§ 97 Abs. 2 ZPO findet keine Anwendung, da das Amtsgericht die Frage der zeitlichen Begrenzung des Unterhalts von Amts wegen hätte prüfen müssen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 8, 713 ZPO.