Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 16.11.1998, Az.: 7 U 59/98
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 16.11.1998
- Aktenzeichen
- 7 U 59/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 34092
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1998:1116.7U59.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 1999, 65-66
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgerichts . der Richterin am Oberlandesgericht . . und des Richters am Oberlandesgericht . aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. November 1998
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts . vom 7. April 1998 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht . das auch über die Kosten dieser Berufung zu entscheiden hat, zurückverwiesen.
Dar Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer beider Parteien und der Streitwert der Berufung betragen 17.861,93 DM.
Gründe
Die Berufung des Klägers führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache gem. § 538 Abs. 1 Nr. 3 zweite Alternative ZPO. Die Klage ist nämlich dem Grunde nach gerechtfertigt, während die Frage der Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruches noch nicht zur Entscheidung reif ist.
Eine vertragliche Anspruchsgrundlage ist allerdings nicht gegeben.
Ein Mietvertrag hat nach herrschender Auffassung, der der Senat folgt, keine Schutzwirkung zugunsten eines anderen Mieters in demselben Haus (vgl. BGH NW 1969, 41; MüKo BGB/Gottwald, 3. Aufl. 1994, § 328 Rdnr. 129; Staudinger/Emmerich, BGB, 13. Aufl. 1995, §§ 334, 336 Rdnr. 264, j. m.w.N.).
Der Kläger hat aber einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aufgrund unerlaubter Handlung, und zwar gem. § 823 Abs. 1 BGB.
Die Beklagte traf eine allgemeine Rechtspflicht, eine sogenannte Verkehrssicherungspflicht, hinsichtlich der Gefahrenquelle, die der in der von ihr gemieteten Wohnung installierte Nachtstromspeicherofen darstellte. Diese Verkehrssicherungspflicht traf sie gegenüber Dritten, für die die naheliegende Möglichkeit gegeben war, daß ihre Rechtsgüter von den Gefahren, die vom Nachtstromspeicherofen ausgingen, betroffen werden könnten (vgl. BGH VersR 1975, 812) und damit auch gegenüber anderen Mietern in demselben Haus. So wie ein Mieter den Mitmietern in demselben Hause aus unerlaubter Handlung haftet, wenn er die Wasserrohre in den Mieträumen nicht gegen Frost schützt (vgl. BGH NJW 1969, 41 [BGH 09.10.1968 - VIII ZR 173/66]) oder in schuldhafter Weise Sicherungsvorkehrungen gegen einen Wasseraustritt unterläßt (vgl. BGH NJW-RR 1986, 438 [BGH 03.12.1985 - VI ZR 185/84]) oder in schuldhafter Weise nicht für die Sicherheit einer in seine Mieträume eingebrachten Maschine sorgt (OLG Hamm, MDR 1996, 696 [OLG Hamm 14.11.1995 - 27 U 112/95]), so muß die Beklagte auch dafür haften, daß sie nicht für die Sicherheit des Nachtstromspeicherofens sorgte, Zwar ist grundsätzlich derjenige verkehrssicherungspflichtig im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB, der die Gefahrenquelle für Dritte geschaffen hat, also in der Regel bei einem Haus mit allen seien Einrichtungen der Hauseigentümer. Wenn sieh aber in Mieträumen durch bestimmte tatsächliche Umstände eine Gefahr erhöht und sofortiges Eingreifen erforderlich macht, so kann der Hauseigentümer nur eingreifen, wenn er von diesen Umständen Kenntnis erhält, Erste Kenntnis von solchen Umständen hat typischerweise der Mieter als Besitzer und Nutzer der Räume und Verfügungsberechtigter im Rahmen des Mietvertrages. Deshalb ist die Anzeige von solchen Mangeln gegenüber dem in erster Linie Verkehrssicherungspflichtigen und auch das Treffen von Vorkehrungen, die keinen Aufschub dulden, ein Bestandteil der Verkehrssicherungspflicht, die den Mieter trifft, möglicherweise, was hier nicht zu entscheiden ist, auch denjenigen, der lediglich Räume nutzt. Insoweit ist von einer Verkehrssicherungspflicht des Mieters selbst auszugehen. Diese Verkehrssicherungspflicht ergibt sich nicht unmittelbar aus § 545 BGB. Diese Bestimmung stellt aber eine mietvertragliche Parallel zur -; partiellen -; Verkehrssicherungspflicht des Mieters dar und bestätigt die Notwendigkeit, dem Mieter auch im deliktischen Rahmen Pflichten aufzuerlegen, deren Erfüllung notwendig ist, damit typische Gefahren für Dritte, die von der gemieteten Sache ausgehen, beseitigt oder jedenfalls gering gehalten werden.
Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt war die Beklagte auch dem Kläger als einem anderen Mieter in demselben Haus gegenüber verpflichtet, am Vorabend des 11. Oktober 1993, des Tages, an dem morgens aufgrund eines Defekts des elektrischen Ofens in der Wohnung der Beklagten ein Brand ausbrach, den Ofen vom Stromnetz zu trennen. Dabei kann offenbleiben, wie sie dies hätte tun müssen. Möglicherweise war nur ein Stecker aus der Steckdose zu ziehen. Möglicherweise konnte die Beklagte die dem Ofen vorgeschaltete Sicherung herausschrauben oder durch Knopfdruck ausschalten. Falls sie diese Möglichkeiten nicht hatte, konnte und mußte sie sich unverzüglich an den Hauseigentümer wenden, auch noch spät abends, wenn er zu anderer Zeit nicht zu erreichen war oder an andere Personen wie die Ehefrau des Hauseigentümers oder den im Nachbarhaus eine Elektrowerkstatt betreibenden Bruder des Hauseigentümers, um die Abtrennung des elektrischen Ofens vom Stromnetz zu erreichen.
Anhaltspunkte dafür, daß eine solche Maßnahme nötig war, waren genügend vorhanden. Unstreitig war der elektrische Ofen seit längerer Zeit nicht mehr regulierbar und wurde sogar bei einer Null-Stellung der Regulierungsvorrichtung äußerst heiß. Die Tatsache, daß dies zuvor noch nicht zu einem Brand oder sonstigen Schäden geführt hatte, entschuldigt die Beklagte nicht. Zum einen war die Erscheinung so ungewöhnlich und im Hinblick auf die übermäßige Hitzeentwicklung auch gefährlich, daß die Beklagte nicht annehmen durfte, der Betrieb des Ofens werde auch in Zukunft und auf die Dauer nicht zu Schäden führen. Zum anderen war ihr gerade am Tage vor dem Brand die besonders hohe Temperatur des Ofens aufgefallen, auch hatte sie einen Geruch wie von schwelendem oder glimmendem Holz oder ähnlichem Material festgestellt, mit der besonders großen Hitze des Ofens in Verbindung gebracht und hierüber mit ihrem Sohn . gesprochen.
Dies alles steht fest aufgrund des unbestrittenen Vortrags des Klägers und seiner Bezugnahme auf die Aussage der Beklagten im Rechtsstreit des Klägers und seiner inzwischen von ihm geschiedenen Ehefrau gegen den Hauseigentümer (AG Northeim: 3 C 409/94) und auf die Aussage der Beklagten und ihres Sohnes Stephan im Ermittlungsverfahren gegen den Hauseigentümer (StA Göttingen: 12 Js 2914/94 a).
Inwieweit die Beklagte, wie sie behauptet, die ungewöhnliche Hitzeentwicklung des Elektroofens zuvor dem Hauseigentümer und seiner Ehefrau angezeigt hatte, dahingestellt bleibt, weil die Beklagte unabhängig von einer solchen Anzeige und ihre Erfolg in der konkreten Situation verpflichtet war, den Netzstecker zu ziehen, oder wenn es diese Möglichkeit nicht gab, die Sicherung auszuschalten oder in anderer Weise dafür zu sorgen, daß der Elektroofen vom Netz getrennt wurde.
Die Beklagte verletzte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt und handelte jedenfalls leicht fahrlässig, indem sie angesichts der übermäßigen Hitzeentwicklung des Ofens und des wahrgenommenen Geruchs nichts unternahm.
Diese Unterlassung war auch adäquat ursächlich für den Brandausbruch in der Frühe des 17. Oktober 1993 und für die Wasserschäden, die der Kläger beim Löschen des Brandes erlitten hat. Der Brand und der Löschwasserschaden in seinem Gefolge wären in ihrer konkreten Form zu dem konkreten Zeitpunkt nicht aufgetreten, wenn der elektrische Ofen am Vorabend vom Netz getrennt worden wäre. Auch die Adäquanz der Ursächlichkeit ist zu bejahen. Zwar kann dem im Ermittlungsverfahren erstatteten, in den gegenwärtigen Prozeß eingeführten und inhaltlich unstreitigen Gutachten des Sachverständigen . vom 21.10.1993 nicht mit Sicherheit entnommen werden, daß die Hitzeentwicklung des Ofens die unmittelbare Ursache des Brandes war oder daß die Hitzeentwicklung und der Brand auf ein und derselben Ursache beruhten, denn der Sachverständige hat lediglich festgestellt, daß das Feuer durch einen alterungsbedingten Isolationsdefekt im Schaltbereich entständen ist, der zunächst dort vorhandenen Staub zum Glimmen brachte. Auf welche Weise der Isolationsdefekt den Staub zum Glimmen brachte, hat der Sachverständige nicht genau beschrieben. Abgesehen davon, daß es wahrscheinlich ist, daß die von der Beklagten festgestellte übermäßige Hitzeentwicklung den Staub zum Glimmen brachte und schon am Vortage aufgrund des Anfangsstadiums einer Oxydation von Staub zu dem von der Beklagten wahrgenommenen besonderen Geruch gerührt hatte, stellt es keinen nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umstand dar (vgl. BGH NJW 1995, 127), wenn der Betrieb eines alten Elektrogeräts, das unkontrollierbar ganz außergewöhnlich heiß wird und einen Geruch nach glimmenden oder schwelenden Stoffen erzeugt, zu einem Brand führt.
Da die Entscheidung über die Kosten der Berufung vom Obsiegen und Unterliegen der Parteien abhängt, kann sie erst durch das Landgericht getroffen werden.
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Die Beschwer der Parteien ist gem. § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt worden.