Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 03.03.2020, Az.: 7 U 363/18

Erwerb eines vermeintlich vom Dieselskandal betroffenen Kfz mit einem Motor der Baureihe EA 288; Zulässigkeit eines Thermofensters; Fehlende Rückrufbetroffenheit eines Fahrzeugs

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
03.03.2020
Aktenzeichen
7 U 363/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 69355
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 13.07.2018 - AZ: 11 O 2996/17 (490)

In dem Rechtsstreit
des Herrn R. S., ......,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigter:
K. Rechtsanwaltsgesellschaft, .....,
gegen
die V. AG, vertreten durch den Vorstand, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden, ......,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
W., K., Z. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, .....,
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig am 3. März 2020 durch die Vizepräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. X, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Y und die Richterin am Oberlandesgericht Z einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 13. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 13. Juli 2018 sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Berufungsstreitwert: Gebührenstufe bis 13.000.- €.

Gründe

1. Die Berufung des Klägers ist offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Insoweit wird zur Begründung auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 04.11.2019 Bezug genommen. Die Stellungnahme des Klägers vom 11.12.2019 gibt zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass.

a) Soweit die Klägervertreterin eingangs der Stellungnahme eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör "hinsichtlich des angeblich mangelnden hinreichend konkreten Vortrages des Klägers sowie auch der ... Darlegungslast" rügt, richtet sich dies ersichtlich nicht gegen die Feststellungen in Ziff. I.1 des Hinweisbeschlusses. Insofern bleibt es dabei, dass der Kläger nicht konkret vorträgt, zu welchem Punkt das Landgericht eine Schriftsatzfrist hätte einräumen müssen, warum den Klägervertretern das Protokoll der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht zugestellt worden sein soll und inwiefern die Vermeidung dieser vermeintlichen Fehler zu einem dem Kläger günstigeren Urteil geführt hätten.

b) Der Klägerschriftsatz vom 11.12.2019 verhält sich ebenfalls nicht konkret zu Ziff. I.2.a) des Hinweisbeschlusses, wonach der Pkw des Klägers unstreitig mit einem Dieselmotor des Typs EA288 ausgestattet ist und deshalb nicht zu den rund 11.000.000 Fahrzeugen mit einem Motor des Typs EA189 gehört, welche infolge der darin verbauten Steuerungssoftware vom Bundesgerichtshof als kaufrechtlich mangelhaft angesehen worden sind (BGH 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 -).

c) Soweit sich die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gegen die Ausführungen unter I.2.b) des Senatsbeschlusses richtet und der Kläger darüber hinaus beanstandet, dass die Hinweise "offensichtlich auf groben Fehlvorstellungen des Sachverhaltes" seitens des Senats beruhten, greift dies nicht durch. Der Kläger hat auch mit seinem Schriftsatz vom 11.12.2019 nicht substantiiert darlegen können, dass sein Pkw "vom 'Dieselskandal' betroffen, weil mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet" sei. Dabei ist seine Behauptung, das Fahrzeug sei "wie bereits dargestellt" sogar mit zwei unterschiedlichen, unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen, weder im Klägervortrag erster Instanz noch in der Berufungsbegründung enthalten gewesen; es handelt sich vielmehr um in seiner Stellungnahme vom 11.12.2019 erstmals vorgebrachte neue Tatsachen. Von einem Verstoß gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in Bezug auf sein bisheriges Vorbringen kann deshalb insoweit keine Rede sein. Die Klägervertreterin bezeichnet auch selbst die anschließenden Behauptungen, das Fahrzeug verfüge über ein Thermofenster sowie eine Prüfstandserkennung, ausdrücklich in der Überschrift zu Abschnitt I. der Stellungnahme als Vortrag "zu neuesten Erkenntnissen" aus Presseveröffentlichungen vom September bzw. Dezember 2019 (Schriftsatz vom 11.12.2019 S. 2 Bl. 177 d.A.).

aa) Soweit der Kläger das sog. "Thermofenster" beanstandet, geht er auch selbst davon aus, dass die Beschränkung der vollen Wirksamkeit der Abgasreinigung auf einen Korridor von Außentemperaturen (hier nach seinem eigenen Vorbringen wohl 17° bis 30° C, nicht nur 20° bis 30° C) zum Schutz des Motors vor Beschädigungen gem. Art. 5 Abs. 2 S. 2 lit. a) VO (EG) 715/2007 zulässig sein kann. Diese Ausnahme hat das Kraftfahrtbundesamt bei allen Motoren der Baureihe EA189 gelten lassen; denn es hat die Anordnung des verpflichtenden Rückrufes der Fahrzeuge nicht auf die Funktion dieses "Thermofensters" gestützt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das vom Kläger beanstandete "Thermofenster" beim Motor Typ EA288 anders funktioniert als bei denjenigen des Typs EA189. Dem entspricht, dass das Kraftfahrtbundesamt, wie der Senat bereits im Hinweisbeschluss ausgeführt hat, seit dem Bekanntwerden des sog. "V.-Abgasskandals" im September 2015 keinen Anlass gesehen hat, einen Rückruf von Fahrzeugen des Typs V. G. 2.0 TDI mit dem streitgegenständlichen Motor EA288 anzuordnen. Der Senat vermag deshalb nicht der von der Klägervertreterin dazu zitierte Entscheidung des Landgerichts Stuttgart vom 08.01.2019 - nicht 27.11.2018, wie mitgeteilt; 7 O 265/18, zit. n. Juris - beizutreten, welches im Übrigen einen 3,0-l-Sechszylinder-Dieselmotor betraf. Das Landgericht Stuttgart begründet seine Entscheidung im Wesentlichen mit dem pauschalen Argument, die Motoren anderer Hersteller käme ohne das "Thermofenster" aus, räumt aber gleichzeitig ein, dass die Untersuchungskommission des Bundesverkehrsministeriums gerade in Bezug darauf schon im April 2016 festgestellt hat, dass "alle Hersteller" solche Abschalteinrichtungen nutzen. Das Landgericht Stuttgart erkennt auch dies, zieht aber daraus nur die angesichts der genannten Praxis des Kraftfahrtbundesamtes nicht nachvollziehbare Schlussfolgerung, dass dann eben auch andere Hersteller eine nach Auffassung des Landgerichts unzulässige Abschalteinrichtung nutzten (LG Stuttgart 08.01.2019 - 7 O 265/18, in Juris Rz. 41-43, 54-69 und 70-72 -).

bb) Auch das neue Klägervorbringen, aus Berichten der Fernseh-Nachrichtensendung "Tagesschau" vom 12.09. und 04.12.2019 ergebe sich, dass auch Motoren der Baureihe EA288 eine Software-Funktion zur Erkennung von Prüfstandssituationen aufwiesen, gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Schon der erste der beiden Presseberichte berichtet unter der Überschrift "Weitere Abschalteinrichtungen bei V.?" (mit Fragezeichen versehen) über einen Verdacht aus einer Passage in internen Unterlagen der Beklagten, wozu der Vertreter der Deutschen Umwelthilfe Axel Friedrich erläutert, dass die vermutete Prüfstandserkennung die Einspritzung von synthetischem Harnstoff ("AdBlue") verändere. Dies betrifft aber nur Fahrzeuge mit zusätzlichen SCR-Katalysatoren. Davon ist jedoch der streitgegenständliche Pkw des Klägers nicht betroffen. Denn die Beklagte ist seinen allgemeinen Behauptungen zu Manipulationen der Software-Steuerung an mit SCR-Katalysatoren ausgestatteten Motoren in der Berufungsbegründung (S. 9-14, Bl. 94-99 d.A.) in der Berufungserwiderung mit dem unwidersprochenen Einwand entgegengetreten, das Fahrzeug des Klägers habe gar kein SCR-System und demzufolge auch nicht die behauptete Abschalteinrichtung (S. 14f, Bl. 146R/147 d.A.).

d) Die Rechtsausführungen auf S. 11 bis 24 der Stellungnahme vermögen nichts daran zu ändern, dass der Kläger als Anspruchsteller hinsichtlich aller angeführten Anspruchsgrundlagen darzulegen hätte, dass sein Pkw (überhaupt) eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007 enthält. Daran fehlt es, wie vorstehend ausgeführt. Dass die Beklagte insofern keine sekundäre Darlegungslast trifft, hat der Senat bereits im Hinweisbeschluss ausgeführt (Ziff. I.2.b] cc]).

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. §§ 522 Abs. 2 Nr. 2, 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, und zwar auch nicht deshalb, weil sie Fragen beträfe, die höchstrichterlich nicht geklärt wären, wie der Kläger meint (Stellungnahme v. 11.12.2019 S. 2 Bl. 177 d.A.). Nicht höchstrichterlich geklärt sind zahlreiche Rechtsfragen in Fällen, in denen Fahrzeughersteller unzulässige Abschalteinrichtungen i.S.d Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 in die Motorsteuerungs-Software eingebaut hatten. An einer entsprechenden Tatsachengrundlage fehlt es hier gerade; insofern handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Es ist auch nicht ersichtlich, warum sie deshalb von grundsätzlicher Bedeutung für alle anderen Fahrzeugkäufer außer den Käufern eines Pkw der Marke V. sein soll, wie der Kläger weiter vorbringen lässt; im vorliegenden Falle geht es gerade um einen Pkw dieser Marke.

Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Urteilsentscheidung des Berufungsgerichts nicht (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Gründe dafür, dass eine mündliche Verhandlung geboten sein könnte, sind nicht erkennbar (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO). Gegenteilige Instanzentscheidungen anderer Oberlandesgerichte sind nicht ersichtlich, insbesondere nicht in den angeführten Verfahren vor den Oberlandesgerichten Stuttgart (3 U 101/18) und München.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO. Der Berufungsstreitwert war gem. § 63 Abs. 2 GKG festzusetzen.