Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 17.02.2020, Az.: 3 W 42/20
Tätigwerden einer Landespolizei im Wege der Amtshilfe für die Bundespolizei; Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 17.02.2020
- Aktenzeichen
- 3 W 42/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 14826
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2020:0217.3W42.20.00
Rechtsgrundlage
- § 64 BPolG
Fundstelle
- NVwZ-RR 2020, 450
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Wird die niedersächsische Landespolizei im Wege der Amtshilfe für die Bundespolizei tätig, ist für den von der Maßnahme Betroffenen (hier: Freiheitsentziehung) zur nachträglichen Überprüfung deren Rechtsmäßigkeit gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
- 2.
Hat das Amtsgericht in irriger Annahme seiner Zuständigkeit nachträglich über die Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme entschieden, ist für die Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 GVG das Landgericht zuständig. Die Sonderzuständigkeit des Oberlandesgerichts nach § 19 Abs. 4 Satz 3 NPOG ist auch dann nicht einschlägig, wenn allein das Land Beschwerde einlegt.
- 3.
Lässt sich bei einer mehrstufigen polizeilichen Maßnahme, die von der Bundes- und Landespolizei gemeinsam durchgeführt wurde, nicht feststellen, inwieweit ein Fall der Amtshilfe der einen für die andere Polizeibehörde vorgelegen hat, bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit für die Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der Maßnahme danach, wem sie aus Sicht eines objektiven Dritten in der Rolle des Betroffenen vorrangig zuzuordnen ist. Kriterien dafür können insbesondere der Einsatzort und eine zeitliche Nähe zu einer vorangegangenen eindeutig zuzuordnenden Maßnahme sein.
Tenor:
Das Oberlandesgericht Braunschweig erklärt sich für sachlich unzuständig und verweist die Beschwerdesache an das sachlich zuständige Landgericht Göttingen.
Gründe
I.
Nach der durch das Amtsgericht Einbeck erfolgten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung des Antragstellers durch Beamte der Antragsgegner am 1.4.2017 auf dem Bahnhof in Kreiensen in der Zeit zwischen dem Abschluss strafprozessualer Maßnahmen bis zur Verbringung des Antragstellers in einen Regionalzug nach Hannover wendet sich der Antragsgegner zu 2) mit seiner Beschwerde gegen die Feststellung, dass die Freiheitsentziehung durch seine Beamte eingeleitet und durchgeführt worden sei, hilfsweise gegen die gesamtschuldnerische Kostentragung.
1.) Am 1.4.2017 kam es in einem Regionalzug von Göttingen nach Hannover zu einer Körperverletzung zum Nachteil eines mutmaßlichen Teilnehmers einer Demonstration, die zuvor in Göttingen stattgefunden hatte. Da im Zug anwesende Polizeibeamte der Antragsgegnerin zu 1) annahmen, dass der Täter der Körperverletzung Teil einer größeren Gruppe von Fahrgästen war, die mutmaßlich zuvor an einer Gegendemonstration teilgenommen hatten, ordneten die Beamten die Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Behandlung dieser Gruppe an, zu der auch der Antragsteller gehörte. Auf dem Bahnhof in Kreiensen wurde hierzu von Polizeibeamten beider Antragsgegner eine sogenannte "Bearbeitungsstraße" eingerichtet, bei der die betroffenen Personen eingekesselt waren. Auch nach Ende der Identitätsfeststellung um 19.17 Uhr blieben die betroffenen Personen von Polizeibeamten umringt auf dem Gelände des Bahnhofes Kreiensen bis zur Abfahrt des Zuges in Richtung Hannover um 20.38 Uhr. Toilettengänge und Gänge zu einem Snackautomaten absolvierten die Personen jeweils in Begleitung von Polizeibeamten.
2.) Unter dem 10.4.2017 hat der Antragsteller in dem zunächst nur gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichteten Verfahren beantragt festzustellen, dass die durch Beamte der Antragsgegnerin [zu 1] eingeleitete und durchgeführte Freiheitsentziehung des Antragstellers am 1.4.2017 auf dem Bahnhof Kreiensen in der Zeit vom Abschluss der strafprozessualen Maßnahmen bis zu der Verbringung des Antragsstellers in einen Regionalzug in Richtung Hannover dem Grunde nach sowie in der durchgeführten Art und Weise während des Vollzugs rechtswidrig gewesen sei. Nachdem im Termin vom 20.10.2017 auch eine Mitwirkung von Beamten des Antragsgegners zu 2) an der polizeilichen Maßnahme erwähnt worden war, ist die Hinzuziehung des Antragsgegners zu 2) erörtert worden. Der Antragsteller hat sie nicht für erforderlich erachtet, da die Bundespolizei unabhängig davon, wer konkret Maßnahmen durchführe, für alle polizeilichen Maßnahmen auf Bahnhöfen verantwortlich sei. Mit Beschluss vom 2.11.2017 ist der Antragsgegner zu 2) als weiterer Beteiligter hinzugezogen worden. Der Antragsteller hat ihn im Schriftsatz vom 15.3.2018 als Beigeladenen bezeichnet.
Im Schriftsatz vom 22.2.2018 hat der Antragsgegner zu 2) ausgeführt, dass die Polizeidirektion Göttingen von der Bundespolizei um Amtshilfe ersucht worden sei, während die Antragsgegnerin zu 1) im Schriftsatz vom 29.3.2018 vorgetragen hat, dass kein Amtshilfeersuchen an die Polizeidirektion Göttingen ergangen sei.
Mit Beschluss vom 13. Februar 2019 hat das Amtsgericht Einbeck festgestellt, dass die durch Beamte beider Antragsgegner eingeleitete und durchgeführte Freiheitsentziehung des Antragstellers am 1. April 2017 auf dem Bahnhof Kreiensen in der Zeit vom Abschluss der strafprozessualen Maßnahmen bis zur Verbringung des Antragstellers in einen Regionalzug in Richtung Hannover dem Grunde nach sowie in der durchgeführten Art und Weise während des Vollzugs rechtswidrig gewesen sei. Den Antragsgegnern sind die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch auferlegt worden. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass es für die nach Abschluss der Identitätsfeststellung erfolgte (weitere) Freiheitsentziehung keine Ermächtigungsgrundlage gebe, insbesondere lägen die Voraussetzungen der §§ 23, 39 BPolG und §§ 13, 18 NSOG offensichtlich nicht vor. Dem Gericht sei der Eindruck entstanden, dass den Antragsgegnern spätestens nach der durchgeführten Zeugenvernehmung bewusst gewesen sei, dass die Einkesselung nach der Identitätsfeststellung rechtswidrig gewesen sei, jedoch seien sie der Ansicht, dass der jeweils andere Antragsgegner die Verantwortung für die durchgeführte Maßnahme zu tragen habe. Es dränge sich für das Gericht zwar ein kommunikatives Missverständnis der Antragsgegner auf, doch ändere dies nichts am Fehlen einer Ermächtigungsgrundlage. Da der jeweilige Antrag die Reichweite der gerichtlichen Prüfung bestimme und begrenze, sei es dem Gericht verwehrt, darüberhinausgehende Feststellungen zu treffen.
Im Beschluss ist der Antrag des Antragstellers in der Weise wiedergegeben worden, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung "durch Beamte der Antragsgegner" begehrt wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 13.2.2019 (Bl. 260 bis 262 d. A.) Bezug genommen.
3.) Gegen diesen am 19.2.2019 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner zu 2) mit Schriftsatz vom 19.3.2019 - eingegangen per Telefax am selben Tag - Beschwerde eingelegt und diese wie folgt begründet:
Der Feststellungsantrag des Betroffenen richte sich gegen den falschen Antragsgegner, soweit er den Antragsgegner zu 2) betreffe. Bei der Maßnahme habe es sich um eine bundespolizeiliche Maßnahme im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 64 Abs. 3 Satz 3 BPolG gehandelt. Die Verantwortung für bundespolizeiliche Maßnahmen liege ausschließlich bei der Antragsgegnerin zu 1); diese habe den Einsatz geleitet und die Einsatzkräfte des Antragsgegners zu 2) lediglich im Rahmen der Vollzugshilfe dazu angewiesen, bundespolizeiliche Maßnahmen durchzuführen. Erst gegen 20:38 Uhr habe die Bundespolizei die Einsatzkräfte des Antragsgegners zu 2) aus dem Einsatz entlassen, als der Regionalzug in Kreiensen in Richtung Hannover abgefahren sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 19.3.2019 (Bl. 280 bis 284 d. A.) Bezug genommen.
Der Antragsgegner zu 2) beantragt,
1. den Beschluss aufzuheben, insoweit festgestellt wird, dass Beamte des Antragsgegners zu 2) die Freiheitsentziehung des Antragstellers am 1.4.2017 auf dem Bahnhof in Kreiensen eingeleitet und durchgeführt hätten,
2. hilfsweise
den Beschluss insoweit aufzuheben, als dass den Antragsgegnern die Kosten als Gesamtschuldner auferlegt werden, und zu beschließen, die Kosten der Antragsgegnerin zu 1) zu ¾ und dem Antragsgegner zu 2) zu ¼ aufzuerlegen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsteller verteidigt den angegriffenen Beschluss. Außerdem vertritt er die Auffassung, dass die Beschwerde bereits unzulässig sein dürfte, da die Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht angefochten werde.
4.) Das Amtsgericht Einbeck hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache zunächst dem Landgericht Göttingen zur Entscheidung vorgelegt. Hierbei hat es ausgeführt, dass mit der Beschwerde die Feststellung der rechtswidrigen Freiheitsentziehung nicht angegriffen werde. Eine Feststellung darüber, in welchem Umfang die beiden Antragsgegner für die Freiheitsentziehung verantwortlich gewesen seien, habe das Gericht nicht getroffen und auch nicht treffen müssen. Daraus folge auch, dass bei der Kostenentscheidung keine Aufteilung nach Verantwortungsbereichen vorzunehmen sei.
Das Landgericht Göttingen hat mit Verfügung der Vorsitzenden der 1. Zivilkammer vom 28.11.2019 die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. In einem vorangestellten Vermerk ist ausgeführt worden, dass nach § 19 Abs. 4 Satz 3 NPOG das Oberlandesgericht Beschwerdegericht i. S. d. §§ 58 bis 69 FamFG sei. Daher sei das Beschwerdeverfahren an das Oberlandesgericht Braunschweig zuständigkeitshalber abzugeben.
II.
Eine sachliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts ist in der vorliegenden Beschwerdesache nicht gegeben. Sachlich zuständig ist vielmehr das Landgericht Göttingen, an das die Sache gemäß § 3 Abs. 1 FamFG zu verweisen ist.
1.)Die vom Landgericht zitierte Vorschrift des § 19 Abs. 4 Satz 3 NPOG (bzw. der hier noch anzuwendende, gleichlautende § 19 Abs. 4 Satz 3 NSOG), nach der Beschwerdegericht das Oberlandesgericht ist, bezieht sich auf Maßnahmen der niedersächsischen Verwaltungsbehörden und der niedersächsischen Polizei. Wird hingegen die Bundespolizei tätig, ist das Bundespolizeigesetz anwendbar. Die richterliche Entscheidung über Freiheitsentziehungen ist dort in § 40 geregelt. Eine dem niedersächsischen Polizeirecht vergleichbare Vorschrift über die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts fehlt dort allerdings, so dass es insoweit bei der allgemeinen Vorschrift des § 72 Abs. 1 Satz 2 GVG verbleibt, wonach die Landgerichte Beschwerdegerichte in Freiheitsentziehungssachen sind.
Auch wenn die Frage des Rechtsweges wegen der Vorschrift des § 17a Abs. 5 GVG im Beschwerdeverfahren nicht mehr zu prüfen ist, soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass für die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Ingewahrsamnahme, soweit sie die präventive Tätigkeit der Polizei betrifft, der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten lediglich bei einer Maßnahme durch die (niedersächsische) Landespolizei eröffnet ist, vgl. § 19 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 NPOG. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine sogenannte "abdrängende Sonderzuweisung" nach § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Das Bundespolizeigesetz enthält jedoch keine dem § 19 Abs. 2 NPOG entsprechende Vorschrift, so dass es bei der allgemeinen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für eine solche nachträgliche Rechtswidrigkeitsfeststellungsklage nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO bleibt (vgl. OLG München, Beschluss vom 9. August 2007 - 34 Wx 31/07 -, NVwZ-RR 2008, 247 [OLG München 09.08.2007 - 34 Wx 031/07]; vgl. auch VGH Mannheim, Beschluss vom 10. Januar 2012 - 1 S 2963/11 -, NVwZ-RR 2012, 346 [VGH Baden-Württemberg 10.01.2012 - 1 S 2963/11] zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer durch die Bundespolizei erfolgten Ingewahrsamnahme; vgl. ferner Schenke, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2018, § 40 BPolG Rn. 9).
Ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet oder hat, wie hier, das angerufene Amtsgericht in der Annahme seiner Zuständigkeit entschieden, ist die Zuständigkeit des Beschwerdegerichtes nach dem Antrag des Antragstellers, über den entschieden worden ist, zu beurteilen. Richtete dieser sich gegen eine Maßnahme der Bundespolizei, ist das Landgericht als Beschwerdegericht zuständig; richtete er sich gegen eine Maßnahme der Landespolizei, ist das Oberlandesgericht das richtige Beschwerdegericht.
2.) a) Wirken bei einer Maßnahme Bundes- und Landespolizei zusammen, so ist zunächst § 64 BPolG zu beachten.
Nach § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BPolG können Polizeivollzugsbeamte eines Landes auf Anforderung oder mit Zustimmung der zuständigen Bundespolizeibehörde Amtshandlungen zur Wahrnehmung von Aufgaben der Bundespolizei vornehmen. Ob die durch Landespolizeibeamte durchgeführte Maßnahme in einem solchen Fall eine der Bundes- oder der Landespolizei ist, ist allerdings umstritten. Nach einer Ansicht handelt es sich um eine Maßnahme der Landespolizei; dies soll sich aus § 64 Abs. 2 BPolG und im Umkehrschluss aus § 64 Abs. 3 BPolG ergeben (so, allerdings mit starker Kritik daran: Walter, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 6. Auflage 2019, § 64, Rn 10 m.w.N.; ders., NVwZ 2018, S. 1685 [1687]).
Nach einer zweiten Ansicht üben die in § 64 BPolG genannten Vollzugsbeamten eine Kompetenz der (an sich zuständigen) Bundespolizei in deren Namen aus, so dass die getroffenen Maßnahmen der Bundepolizei zugerechnet werden (Buchberger, in: Lisken/Denninger, PolR-HdB, 6. Auflage 2018, Abschnitt L, Rn. 110; Wehr, BPolG, 2. Auflage 2015, § 64, Rn. 1; Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Auflage 2012, § 64, Rn 3 f.; so wohl auch Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2018, § 64 BPolG, Rn. 4 f.). Der Senat hält die letztgenannte Auffassung für vorzugswürdig.
§ 64 Abs. 2 BPolG mag zwar auf den ersten Blick so zu verstehen sein, dass sich die Ermächtigungsgrundlage für Landespolizeibeamte, die im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei einschreiten, aus dem Landespolizeirecht ergibt. Dafür könnte auch die Geschichte der Norm sprechen: Schon § 63 Abs. 4 BGSG in der Fassung vom 18. August 1972 (BGBl. I, S. 1834 [1845]) enthielt die Regelung, nach der die Landespolizei nach Landesrecht tätig wird. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 11. Mai 1994 zum Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz (BR-Drucks. 418/94) lautete dagegen:
Werden Polizeivollzugsbeamte eines Landes nach Absatz 1 tätig, haben sie dieselben Befugnisse wie der Bundesgrenzschutz. Ihre Maßnahmen gelten als Maßnahmen des Bundesgrenzschutzes. Sie unterliegen insoweit den Weisungen der zuständigen Bundesgrenzschutzbehörde.
Diese ausdrückliche Zuordnung der Maßnahme ist in der beschlossenen Fassung dann wieder gestrichen worden; sie gilt gemäß § 64 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 BPolG nur für Vollzugsbeamte anderer Bundesbehörden. § 64 Abs. 2 BGSG in der Fassung des Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetzes vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2978 [2997]) lautet wie der heutige § 64 Abs. 2 BPolG. Dies ist damit begründet worden, dass die Landespolizeibeamten ihre Befugnisse nach eigenem Recht ausüben und nicht den Weisungen des Bundesgrenzschutzes unterliegen sollen (BR-Drs. 418/94, S. 12). Daraus ergibt sich aber nicht zwingend der Rückschluss, dass das Tätigwerden nicht der Bundespolizei zugerechnet wird.
§ 64 Abs. 2 BPolG erscheint systemwidrig: Landespolizeibeamte schritten danach im fremden Zuständigkeitsbereich nach eigenem Recht ein (Walter, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 6. Auflage 2019, § 64, Rn 10; ders., NVwZ 2018, S. 1685 [1687]). Dies wiederspräche auch dem Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes aus dem Jahre 1972 (MEPolG), an den sich die heutige Fassung des Bundespolizeigesetzes stark anlehnt (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 11. Mai 1994 zum Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetzes, BR-Drucks. 418/94, S. 34, 84; Wehr, BPolG, 2. Auflage 2015, Einl., Rn. 5): Nach § 52 MEPolG sollte das Befugnisrecht jeweils des Landes angewendet werden, für das eingeschritten wird (Walter, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 6. Auflage 2019, § 64, Rn 10; ders., NVwZ 2018, S. 1685 [1687]).
§ 64 Abs. 2 BPolG kann allerdings auch so verstanden werden, dass die Beamten der Landespolizei sich nur innerhalb des Rahmens bewegen dürfen, der ihnen auch nach dem Landespolizeirecht zusteht. Mit anderen Worten: Auch wenn Landespolizeibeamte gemäß § 64 Abs. 1 BPolG aufgrund einer bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage handeln, dürfen sie nichts tun, was sie nicht auch nach dem Landespolizeirecht tun dürften. Das Landespolizeirecht gibt demnach den äußeren Rahmen vor, die Ermächtigungsgrundlage ist aber die des Bundes, dem die Amtshandlung folglich auch zuzurechnen ist. Das oben genannte Ziel des Unterlassens der Änderung wäre damit ebenfalls erreicht; die Landespolizeibeamten bewegten sich im gewohnten Rahmen. Für ein solches Verständnis sprechen auch die folgenden Erwägungen: Die Landespolizeibeamten werden im Falle des § 64 Abs. 1 BPolG im Wege der Amtshilfe tätig, zu der sie nach Art. 35 Abs. 1 GG verpflichtet sind (Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2018, § 64 BPolG, Rn. 5). Amtshilfe umfasst aber nur eine auf Ersuchen einer anderen Behörde geleistete "ergänzende Hilfe" (vgl. § 4 Abs. 1 VwVfG). Daraus ergibt sich, dass Amtshilfe notwendig auf bestimmte Teilakte eines Verwaltungsverfahrens begrenzt ist und nicht mit einer vollständigen Übernahme von Verwaltungsaufgaben einhergehen darf. Sie besteht demnach in dem lediglich ergänzenden Beistand, um einer anderen Behörde die Durchführung ihrer öffentlichen Aufgaben zu ermöglichen oder zu erleichtern (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Juli 2011 - 2 BvR 742/10 -, NVwZ 2011, S. 1254 [1255] m.w.N.). Die Amtshilfe findet dort ihre Grenze, wo die Hilfeleistung nach dem für die ersuchte Behörde anzuwendenden Recht nicht zulässig ist (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG).
Für eine Zurechnung der Amtshandlung eines Landespolizeibeamten als Maßnahme der Bundespolizei spricht vor allem der Wortlaut des § 64 Abs. 1 Satz 1 BPolG. Die Norm richtet sich nämlich an einzelne Beamte ("Polizeivollzugsbeamte eines Landes") und nicht an die Landespolizei als solche. Rechnete man die Maßnahme insgesamt der Landespolizei zu, könnte sie schon mangels Zuständigkeit der Landespolizei als rechtswidrig anzusehen sein (so Wehr, BPolG, 2. Auflage 2015, § 64 Rn. 2).
Auch die weitere Gesetzessystematik spricht dafür, dass die genannten Amtshandlungen der Bundespolizei zugerechnet werden (so Wehr, BPolG, 2. Auflage 2015, § 64 Rn. 2; vgl. auch Walter, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 6. Auflage 2019, § 64, Rn 10; ders., NVwZ 2018, S. 1685 [1687]): § 55 Abs. 1 BPolG stellt klar, dass die Bundesrepublik Deutschland auch für solche Schäden ausgleichspflichtig ist, die durch Amtshandlungen eines Landespolizeibeamten gemäß § 64 Abs. 1 BPolG entstanden sind.
Ist nach alledem also eine von der Landespolizei im Wege der Amtshilfe für die Bundespolizei durchgeführte Maßnahme als solche der Bundespolizei zu betrachten, ist der Rechtsweg eröffnet, der auch hinsichtlich der von der Bundespolizei selbst getroffenen Maßnahmen besteht.
b) Im vorliegenden Fall ergibt sich die Besonderheit, dass zunächst die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme der Bundespolizei begehrt worden ist, das Amtsgericht von sich aus das Land als weiteren Antragsgegner hinzugezogen und sodann die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung durch Beamte beider Antragsgegner festgestellt hat, also ein nicht näher bestimmtes gemeinschaftliches Tätigwerden angenommen hat. Dabei hat es ausdrücklich offen gelassen, wer für die Fortdauer der Freiheitsentziehung nach Beendigung der Identitätsfeststellung verantwortlich war. Die Frage, ob in diesem Stadium der polizeilichen Maßnahmen ein Fall der Amtshilfe vorgelegen hat, ist nach den amtsgerichtlichen Feststellungen offen.
Für solche Konstellationen gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung, jedoch kann die Zuständigkeitsbestimmung nach Auffassung des Senates nur einheitlich erfolgen. Es kann daher nicht darauf abgestellt werden, ob Bundes- oder Landespolizisten gehandelt haben. Gegen eine solche Betrachtung spricht, dass sich auf diese Weise eine gespaltene Zuständigkeit ergeben würde. Nähme man bei einer Entscheidung in der Sache durch das allein angegangene Amtsgericht unterschiedliche Beschwerdewege an, so müssten bei einer Zurückweisung des Antrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit zwei Beschwerdegerichte über denselben Sachverhalt entscheiden. Gleiches ergäbe sich auch dann, wenn Beamte von Bund und Land tätig geworden sind, der Antrag allein beim Amtsgericht gestellt worden ist und eine die Rechtswidrigkeit feststellende Entscheidung des Amtsgerichts von beiden Antragsgegnern angefochten würde.
Zur Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit ist es daher in einer Konstellation wie der vorliegenden geboten, die polizeiliche Maßnahme einheitlich zu betrachten und darauf abzustellen, als wessen Maßnahme sich die Freiheitsentziehung aus Sicht eines objektiven Dritten in der Rolle des Betroffenen vorrangig darstellt. Kriterien dafür können insbesondere der Einsatzort und eine zeitliche Nähe zu einer vorangegangenen Maßnahme sein.
c) Hier ist die Freiheitsentziehung auf dem Gelände eines Bahnhofes erfolgt, und zwar nach den Feststellungen des Amtsgerichts unmittelbar im Anschluss an eine von der Bundespolizei initiierte und durchgeführte Identitätsfeststellung. Die Mitwirkung an dieser Identitätsfeststellung durch die von der Bundespolizei hinzugezogene Landespolizei ist als Amtshilfe zu qualifizieren. Sie war bereits mit einer Freiheitsentziehung einhergegangen, so dass es sich aus Sicht eines objektiven Dritten letztlich um eine durchgängige Freiheitsziehung handelte. Daher war die Freiheitsentziehung auch nach Beendigung der Identitätsfeststellung aus objektivierter Sicht des Betroffenen mangels gegenteiliger Anhaltspunkte vorrangig als Maßnahme der Bundespolizei anzusehen. Die Mitwirkung der Beamten der Landespolizei stellt sich aus dieser Sicht als Fortsetzung einer Amtshilfehandlung für die Bundespolizei dar. Diese objektive Betrachtung wird im vorliegenden Fall auch von der subjektiven Sicht des Antragstellers bestätigt, der seinen Antrag nur gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichtet und auf eine Hinzuziehung des Landes als weiteren Beteiligten gar keinen Wert gelegt hat.
Ist nach alledem jedenfalls für die Zuständigkeitsfrage von einer Maßnahme der Bundespolizei auszugehen, ist das Landgericht gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 GVG Beschwerdegericht.
3.) Eine danach erforderliche Verweisung an das Landgericht Göttingen gemäß § 3 Abs. 1 FamFG ist dem Senat auch noch möglich, da sich das Landgericht nicht förmlich für unzuständig erklärt hat. Die Akten sind lediglich durch Verfügung der Vorsitzenden abgegeben worden.
4.) Abschließend ist noch auf die bereits im Rahmen der obigen Sachverhaltsdarstellung berücksichtigte Besonderheit hinzuweisen, dass ein Antrag auf Feststellung betreffend die Beamten des Antragsgegners zu 2) gar nicht vorgelegen hat. Der Antrag betraf nur die Bundespolizei (vgl. Bl. 1 u. 2 d. A.). Auch nach Hinzuziehung des Antragsgegners zu 2) als weiteren Beteiligten hat der Antragsteller seinen Antrag nicht geändert, sondern vielmehr den Antragsgegner zu 2) im Schriftsatz vom 15.3.2018 nur als Beigeladenen bezeichnet (Bl. 172 d. A.). Im Termin vom 31.1.2019 sind keine Anträge gestellt worden (vgl. Protokoll Bl. 242 bis 246 d. A.), so dass die Wiedergabe des Antrages im Beschluss insoweit unzutreffend sein dürfte.