Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 11.03.2020, Az.: 9 W 5/20

Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts; In einem finanzierten Fahrzeug verbaute unzulässige Abschalteinrichtung; Rückabwicklung des Darlehensvertrages; Streitwert eines Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
11.03.2020
Aktenzeichen
9 W 5/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 22368
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2020:0311.9W5.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - AZ: 10 O 6567/19

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ein Darlehensnehmer, der gegen die den Kauf seines Pkw Audi finanzierende Volkswagen Bank GmbH auf Rückabwicklung des Darlehensvertrages vor dem Landgerichts Braunschweig Klage mit der Begründung erhoben hat, sein Widerruf sei wegen unvollständiger Widerrufsbelehrung wirksam, kann in Bezug auf die in Ingolstadt ansässige Audi AG keine Bestimmung des Landgerichts Braunschweig als zuständig für eine beabsichtigte Erweiterung der Klage gegen den Fahrzeughersteller erwirken, die unter dem Gesichtspunkt vorsätzlich sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) auf eine im finanzierten Fahrzeug verbaute unzulässige Abschalteinrichtung gestützt ist. Für eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO fehlt es insoweit an der dafür erforderlichen Streitgenossenschaft, weil die gegen Bank und Fahrzeughersteller geltend gemachten Ansprüche weder gleichartig sind, noch auf einem im Wesentlichen gleichartigen Lebenssachverhalt beruhen.

  2. 2.

    Wird ein Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung, mit der der Kläger die örtliche Zuständigkeit des Gerichts für eine Erweiterung seiner rechtshängigen Klage auf einen weiteren Beklagten erreichen wollte, abgelehnt, hat eine Kostenentscheidung entsprechend § 91 ZPO zu ergehen und ist der Streitwert des Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens auf 1/10 des Wertes der beabsichtigten subjektiven Klageerweiterung festzusetzen.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Bestimmungsverfahren wird auf die Streitwertstufe bis 3.000,- € festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger beantragt die Bestimmung des Gerichts, das über eine Klage befinden soll, mit der er Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung geltend machen will. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen, wie sie in § 36 Abs.1 Nr. 3 ZPO genannt sind, liegen indes nicht vor. Die Bestimmung eines Gerichtsstands durch das zunächst höhere Gericht kommt nicht in Betracht, wenn eine Streitgenossenschaft nicht vorliegt.

2

Gemäß § 60 ZPO können mehrere Personen gemeinschaftlich verklagt werden, wenn gleichartige und auf einem im wesentlich gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden. Zwar genügt, dass die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (BGH, Bes. v. 6. Juni 2018 - X ARZ 303/18, juris Rn. 12). Eine bloß sachliche Ähnlichkeit des Geschehensablaufs oder Übereinstimmung des wirtschaftlichen Hintergrundes ist jedoch nicht ausreichend (BGH, Beschluss vom 19. November 1991 - X ARZ 10/91, juris Rn. 2). So liegt der Fall hier.

3

Die gegen die Beklagte und die Antragsgegnerin zu 2.) gerichteten Ansprüche sind ihrem Inhalt nach bereits nicht gleichartig. Die Klage gegen die Beklagte ist darauf gerichtet, den Kläger von den Folgen seiner Darlehensentscheidung zu befreien, die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 2.) hingegen von den Folgen seiner Kaufentscheidung. Die Ansprüche werden auch nicht auf einem wesentlich gleichen Lebenssachverhalt gestützt, beruhen also nicht auf im wesentlich gleichartigen tatsächlichen Gründen: Maßgeblicher Anknüpfungspunkt des Klagevorbringens gegen die Beklagte ist die Widerrufserklärung zum Darlehensvertrag, die der Kläger als unvollständig rügt. Die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 2.) stützt der Kläger hingegen auf den verheimlichten Einbau einer nach seiner Ansicht unzulässigen Abschalteinrichtung in dem gekauften Wagen. Auch in rechtlicher Hinsicht sind die Anspruchsgründe nicht gleichartig. Während es in der Klage gegen die Beklagte zu beurteilen gilt, ob die Widerrufserklärung die erforderlichen Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB aufweist, stellt sich bei der beabsichtigten Klage gegen die Antragsgegnerin zu 2.) die Frage, ob dem Kläger sittenwidrig ein Schaden zugefügt worden ist. Dass die Höhe des gegen die Antragsgegnerin zu 2.) geltend gemachten Schadens auch von der Wirksamkeit des Widerrufs des Darlehensvertrages mit der Beklagten bestimmt wird, reicht zur Begründung einer einfachen Streitgenossenschaft im Sinne des § 60 ZPO nicht aus.

4

Über die Kosten des Bestimmungsverfahrens war in entsprechender Anwendung des § 91 ZPO zu entscheiden und dem Antragsgegner auf diese Weise eine Möglichkeit einzuräumen, die durch die Stellung des unbegründeten Antrags entstandenen Kosten erstattet zu erhalten. Zwar gilt das Verfahren nach § 37 ZPO, das mit der Bestimmung des zuständigen Gerichts endet, als Teil des Hauptsacheverfahrens, so dass auch die Kosten des Bestimmungsverfahrens Kosten der Hauptsache sind, die entsprechend der Kostenentscheidung in der Hauptsache zu erstatten sind. Dies gilt jedoch nicht im Falle der Ablehnung oder der Zurücknahme des Bestimmungsantrags. In diesen Fällen kann ein etwaiges gegen die Antragsgegner gerichtetes Klageverfahren nicht als Hauptsache zu dem ohne Bestimmung des zuständigen Gerichts abgeschlossenen Verfahren nach § 37 ZPO angesehen werden (BGH, Bes. v. 7. Januar 2014 - X ARZ 578/13, MDR 2014, 239-240, juris Rn. 19; BGH, Bes. v. 5. Februar 1987 - I ARZ 703/86, NJW-RR 1987, 757-757, juris Rn. 1).

5

Der Wert dieses Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens ist gemäß § 3 ZPO auf 1/10 des Streitwerts der beabsichtigten Klage auf Schadensersatz gegen die Antragsgegnerin zu 2.) in Höhe von 28.946,36 € festgesetzt worden.