Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 26.03.2020, Az.: 3 W 27/19

Sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Zustellung einer Streitverkündungsschrift; Sinnvoller Gegenstand einer Interventionswirkung; Einflussnahme auf eine laufende Begutachtung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
26.03.2020
Aktenzeichen
3 W 27/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 19828
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2020:0326.3W27.19.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 13.12.2019 - AZ: 14 (2) O 2179/07

Fundstellen

  • EWiR 2020, 543
  • IBR 2020, 384

Amtlicher Leitsatz

Die Zustellung einer Streitverkündungsschrift kann vom Gericht abgelehnt werden, wenn sie rechtsmissbräuchlich ist. Dies kann dann der Fall sein, wenn durch die Streitverkündung der Zweck verfolgt wird, auf die laufende Begutachtung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Einfluss zu nehmen. Ein wesentliches Indiz hierfür kann sein, dass kein sinnvoller Gegenstand einer Interventionswirkung ersichtlich ist.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2) vom 27.12.2019 gegen den Beschluss des Landgerichts Göttingen vom 13.12.2019 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf die Wertstufe bis 100.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten als Verantwortliche des Unternehmensverbundes der sog. "Göttinger Gruppe" auf Schadensersatz im Zusammenhang mit atypisch stillen Gesellschaftsbeteiligungen in Anspruch. Das vorliegende Verfahren ist Teil einer Verfahrensserie von mehreren tausend Verfahren, die vor der 2. und 14. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen anhängig sind.

Die 14. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen hat mit Beschluss vom 20.09.2012 von Amts wegen angeordnet, ein Sachverständigengutachten einzuholen und mit weiterem Beschluss vom 14.01.2014 Diplom-Kaufmann S. zum Sachverständigen bestellt. Eine inhaltsgleiche Beweisaufnahme wird auch bei den in der 2. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen anhängigen Verfahren durchgeführt. Der Sachverständige S. ist - nach dem Vortrag des Beklagten zu 2) - Kommanditist mit einer Kommanditeinlage von 100 Euro, Angestellter und Prokurist der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F. GmbH & Co. KG (im Folgenden F. KG).

Der Sachverständige hat am 23.02.2016 sein umfangreiches Gutachten vorgelegt. Für die Erstellung des Gutachtens waren nach seinen Angaben insgesamt 7.727 Arbeitsstunden erforderlich, wobei zumindest 31 Mitarbeiter mitgewirkt haben. Auf Antrag der Bezirksrevisorin hat die 14. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen die Vergütung des Sachverständigen auf 1.075.361,48 Euro festgesetzt. Mit Beschluss vom 16.10.2018 hat die Kammer die Einholung eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens angeordnet. Der Sachverständige teilte daraufhin mit Schreiben vom 10.12.2018 mit, die Kosten der weiteren Bearbeitung würden sich voraussichtlich auf 750.000,00 Euro belaufen.

Der Beklagte zu 2) hat den Sachverständigen erfolglos abgelehnt. Er hat hierbei unter anderem geltend gemacht, nicht der Sachverständige selbst, sondern die F. KG habe das Gutachten erstellt.

Mit Streitverkündungsschriften vom 30.10.2019 beabsichtigt der Beklagte zu 2), der F. KG, der F. Beteiligungs-GmbH, der F. Verwaltungs-GmbH sowie den Wirtschaftsprüfern B. und D. den Streit zu verkünden.

Er behauptet, der Sachverständige S. habe keine eigenständige und eigenverantwortliche Begutachtung vorgenommen. Vielmehr seien tatsächlich die F. KG und die F. Beteiligungs-GmbH sowie deren Gesellschafter/-Geschäftsführer die Verfasser des aus seiner Sicht unvollständigen und signifikant fehlerhaften Gutachtens gewesen. Darüber hinaus sei die F. Beteiligungs-GmbH, die zum Zeitpunkt der Auftragserteilung für das Erstgutachten und während der gesamten Dauer der Auftragsdurchführung geschäftsführende Komplementär-GmbH der F. KG gewesen sei, nach seiner Auffassung bewusst aufgelöst und deren Vermögen im Wege eines Verschmelzungsvertrages auf die dahingehend umbenannte F. Verwaltungs-GmbH übertragen worden, um Haftungsfolgen aus der Gutachtenerstattung zu vermeiden. Aufgrund dieser Umstände würden ihm Schäden in Höhe von knapp 2 Millionen Euro drohen, wenn es zu einem Obsiegen des Klägers und zu einer Kostenauferlegung zu seinen Lasten kommen sollte. Dieser drohende Schaden sei zu jeweils 50 % auf die führenden Verfahren der 2. und 14. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen aufzuteilen.

Das Landgericht Göttingen hat die Zustellung der Streitverkündungsschriften mit Beschluss vom 13.12.2019 abgelehnt und dies wie folgt begründet:

Eine Zustellung an die F. Beteiligungs-GmbH scheide schon deshalb aus, weil diese aufgrund ihrer Liquidation und Löschung nicht mehr parteifähig sei. Die Wirtschaftsprüfer B. und D. seien als vom Sachverständigen hinzugezogene Hilfspersonen nicht "Dritte" im Sinne des § 72 Abs. 1, 2 ZPO. Der in § 72 Abs. 2 ZPO normierte Grundsatz müsse auch für im Rahmen der Gutachtenerstattung hinzugezogene Hilfspersonen gelten, da sie - wie der Sachverständige - unparteiisch sein müssten und deshalb gerade nicht "Außenstehende", sondern notwendiger Teil des Verfahrens seien.

Die beabsichtigten Streitverkündungen seien darüber hinaus rechtsmissbräuchlich. Angesichts des offenen Verfahrensausgangs existiere beim Beklagten zu 2) noch gar keine von diesem als Schaden angenommene Kostenauferlegung. Es bedürfe deshalb auch keiner Verjährungshemmung etwaiger Ansprüche. Die Streitverkündungen hätten daher ersichtlich den Zweck, auf das Verfahren einzuwirken und auf den Sachverständigen Einfluss zu nehmen. Dies gelte umso mehr, als die Behauptung des Beklagten zu 2), nicht der gerichtlich bestellte Sachverständige, sondern die Adressaten der Streitverkündungen hätten in Wahrheit das Gutachten erstattet, sich von vornherein einer Interventionswirkung zugunsten des Beklagten nach §§ 74, 68 ZPO entziehen würde, weil diese Behauptung keine eine Endentscheidung tragende Erwägung sein könne.

Die F. KG und deren persönlich haftende Gesellschafterin, die F. Verwaltungs-GmbH, seien Arbeitgeber des Sachverständigen. Aufgrund dieser Nähebeziehung würde sich bei Zulassung der Streitverkündung und dem damit möglichen Beitritt des Arbeitgebers des Sachverständigen unmittelbar die Frage nach dessen persönlicher Unabhängigkeit und Unparteilichkeit stellen. Es müssten deshalb in einem solchen Fall dieselben Grundsätze gelten, wie in Bezug auf die Streitverkündung gegenüber dem Sachverständigen selbst. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 13.12.2019 Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten zu 2) vom 27.12.2019, die dieser wie folgt begründet:

Über die Zulässigkeit der Streitverkündung sei nicht in dem Haupt- oder Vorprozess, sondern erst in einem späteren Regressprozess zu entscheiden. Das Landgericht Göttingen habe deshalb die Zustellung der Streitverkündungsschriften nicht ablehnen dürfen. § 72 Abs. 2 Satz 2 ZPO, wonach das Gericht dem gerichtlich bestellten Sachverständigen eine Streitverkündungsschrift nicht zuzustellen habe, sei nicht analogiefähig.

Die Streitverkündungen seien auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die avisierten Streitverkündeten seien eben nicht gerichtlich bestellte und beauftragte Sachverständige, sondern Dritte. Die landgerichtlichen Ausführungen würden sich aber allein auf einen gerichtlich bestellten und beauftragten Sachverständigen beziehen. Es bestehe insoweit auch keine Schutzbedürftigkeit. Die Streitverkündungsempfänger könnten vorliegend gegen unstatthafte und/oder missbräuchliche Streitverkündungen mit der sofortigen Beschwerde vorgehen. Es bedürfe somit vorliegend nicht der gerichtlichen Intervention und des gerichtlichen Schutzes, weder zugunsten der Streitverkündeten noch zum Schutz des in die Streitverkündung weder direkt noch indirekt einbezogenen Sachverständigen.

Der Streitverkünder sei auch verpflichtet, im Hauptprozess alle ihm möglichen innerprozessualen Rechtsbehelfe und Einwendungen vorzubringen und auszuschöpfen, die geeignet seien, einen Ausschluss seines Anspruchs zu vermeiden. Schon deshalb bestehe ein Bedürfnis für die Streitverkündungen.

Das Landgericht Göttingen habe auch die enumerative gesetzliche Regelung der §§ 72 Abs. 1 und Abs. 2, 73 ZPO umgangen, indem es schlicht die beiden - nicht bestellten - Wirtschaftsprüfer B. und D. den gerichtlich bestellten Sachverständigen gleichgestellt habe. Diese Meinung sei auch deshalb rechtsirrig, weil eine analoge und damit ausufernde Anwendung von § 72 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Falle nicht beteiligter "Dritter" am Hauptprozess mangels Analogiefähigkeit ausscheide. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdebegründung vom 27.12.2019 Bezug genommen.

Das Landgericht Göttingen hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 24.01.2020 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 08.02.2011 - VI ZB 31/09 -, BGHZ 188, 193, 195) und form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 ZPO).

Sie hat jedoch aus den in jeder Hinsicht zutreffenden und überzeugenden Gründen der angegriffenen Entscheidung in der Sache keinen Erfolg.

Die 14. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen hat die Zustellung der Streitverkündungsschriften zu Recht abgelehnt.

1.

In Bezug auf die F. Beteiligungs-GmbH fehlt es bereits an einem tauglichen Zustellungsadressaten. Die Gesellschaft ist unstreitig liquidiert und aus dem Handelsregister gelöscht worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im Beschluss vom 13.12.2019 Bezug genommen werden (S. 4-6 des Beschlusses). Der Beklagte zu 2) ist diesen Ausführungen in seiner Beschwerdebegründung nicht entgegengetreten.

2.

Auch die Einwendungen des Beklagten zu 2) gegen die Ablehnung der Zustellung der Streitverkündungsschriften im Übrigen greifen nicht durch.

Es ist zwar zutreffend, dass grundsätzlich nicht in dem Haupt- oder Vorprozess, sondern erst in einem späteren Regressprozess über die Zulässigkeit der Streitverkündung zu entscheiden ist. Dies gilt aber nach dem § 72 Abs. 2 Satz 2 ZPO zugrunde liegenden Rechtsgedanken gerade nicht, wenn eine Streitverkündung rechtsmissbräuchlich erfolgt und die Gefahr besteht, dass die rechtsmissbräuchlichen Ziele bereits durch die Zustellung der Streitverkündung im Vorprozess erreicht werden können. Ein solcher Fall liegt hier vor.

§ 72 Abs. 2 ZPO verfolgt das Ziel, die Prozesstaktik zu unterbinden, mit dem Mittel einer Streitverkündung das Verhalten eines Sachverständigen zu beeinflussen oder ihn aus dem Verfahren zu drängen (vgl. Entwurfsbegründung des 2. Justizmodernisierungsgesetzes, BT-Drucks. 16/3038, S. 36, 37). Richtet sich eine Streitverkündung nicht unmittelbar gegen den Sachverständigen, dient diese aber gleichwohl dazu, den Sachverständigen unter Druck zu setzen oder seine Tätigkeit in anderer Weise zu beeinflussen, greift der Schutzzweck des § 72 Abs. 2 Satz 1 ZPO in gleicher Weise. Auch in einem solchen Fall ist die Streitverkündung deshalb unzulässig und gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. § 73 Satz 2 ZPO nicht zuzustellen. Dies gilt etwa für die Streitverkündung gegen einen Mitarbeiter des Sachverständigen (vgl. Mansel, in: Wieczorek/Schütze, 4. Aufl., § 72 Rn. 32; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, 40. Aufl. 2019, § 72 Rn. 30).

Im vorliegenden Fall verfolgen die Streitverkündungen des Beklagten zu 2) - wie die 14. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen bereits zutreffend ausgeführt hat - offensichtlich rechtsmissbräuchliche Ziele. Die Streitverkündungen haben ersichtlich den Zweck, auf das Verfahren vor dem Landgericht Göttingen und die dort zurzeit stattfindende ergänzende Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen Einfluss zu nehmen.

Hierfür spricht insbesondere, dass in der vorliegenden Konstellation kein sinnvoller Gegenstand einer Interventionswirkung gemäß § 74 Abs. 3, § 68 ZPO ersichtlich ist. Gemäß § 74 Abs. 3, § 68 ZPO wird der Streitverkündete im Verhältnis zu der Hauptpartei nicht mit der Behauptung gehört, der Rechtsstreit sei unrichtig entschieden worden. Die Bindungswirkung gemäß § 74 Abs. 3, § 68 ZPO bezieht sich dabei nur auf die tragenden Feststellungen des Ersturteils. Was hierzu gehört, beurteilt sich danach, worauf die Entscheidung objektiv nach zutreffender Rechtsauffassung beruht, wobei von dem vom Erstgericht gewählten Begründungsansatz auszugehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24.03.2011 - IX ZR 138/08 -, BeckRS 2011, 07935, beck-online).

Die zentrale Behauptung des Beklagten zu 2), nicht der gerichtlich bestellte Sachverständige, sondern die Adressaten der Streitverkündung hätten in Wahrheit das Gutachten erstattet, ist nach diesen Maßgaben einer Interventionswirkung nicht zugänglich. Dieser Gesichtspunkt kann nicht tragendes Element einer Endentscheidung des Landgerichts Göttingen sein. Eine solche kann mit anderen Worten nicht auf der Feststellung beruhen, das erstellte Gutachten sei tatsächlich nicht vom gerichtlichen Sachverständigen erstellt worden. Käme das Landgericht Göttingen zu diesem Ergebnis, würde dies prozessuale Maßnahmen im Vorfeld eines Endurteils gebieten. Solche würden aber an der Interventionswirkung nicht teilnehmen.

Soweit sich der Beklagte zu 2) auf eine grobe Fehlerhaftigkeit des Gutachtens beruft, dürften Ansprüche gegenüber den avisierten Streitverkündungsempfängern von vornherein nur in Betracht kommen, wenn eine unzulässige Übertragung des Gutachtenauftrags gemäß § 407a Abs. 3 ZPO vorläge. Auch insoweit gelten deshalb die vorstehenden Ausführungen, dass eben dieser Gesichtspunkt einer Interventionswirkung nicht zugänglich ist. Auch unabhängig hiervon ist nicht ersichtlich, unter welchem Gesichtspunkt das gesetzliche Ziel der Interventionswirkung erreicht werden könnte. Die avisierten Streitverkündungsempfänger müssten zur Abwendung des Schadensersatzanspruchs nämlich genau das behaupten, was durch die Streitverkündung verbindlich festgestellt werden soll, namentlich die Richtigkeit des unter ihrer Mitwirkung erstellten Gutachtens. Hierfür bedarf es folglich keiner Interventionswirkung (zu diesen Gesichtspunkten vgl. BT-Drucks. 16/3038, S. 37).

Der weitere (theoretisch) denkbare Einwand, der Rechtsstreit sei trotz der (behaupteten) Unrichtigkeit des zu Grunde gelegten Gutachtens aus einem anderen Grund richtig entschieden worden, wäre auch durch die Interventionswirkung nicht ausgeschlossen. Es würde sich nicht um eine "tragende Feststellung", d.h. eine hinreichende und notwendige, Bedingung der Erstentscheidung handeln (BT-Drucks., a.a.O.).

Auch der Gesichtspunkt der möglichen Hemmung der Verjährung eines Regressanspruchs begründet kein Interesse an der Streitverkündung. Der Regressanspruch ist auf den Ersatz des durch die unrichtige gerichtliche Entscheidung entstandenen Schadens gerichtet, so dass er tatsächlich erst mit der Entscheidung des Erstprozesses entstehen und mit der in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorgesehenen Kenntnisnahme die Verjährungsfrist beginnen kann (auch zu diesen Gesichtspunkten vgl. BT.-Drucks. 16/3038, S. 37). Auch sonstige (behauptete) Ansprüche gegen die avisierten Streitverkündeten, die auf die (behauptete) rechtsgrundlose Zahlung der Gerichtskasse des Landgerichts Göttingen gestützt werden, können dem Beklagten zu 2) frühestens zustehen, wenn er seinerseits als Kostenschuldner in Anspruch genommen worden ist. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass unter diesem Gesichtspunkt von vornherein keine Direktansprüche des Beklagten zu 2) gegen die avisierten Streitverkündeten in Betracht kommen dürften (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.1983 - VI ZR 249/81 -, NJW 1984, 870).

Auch aus dem von dem Beklagten zu 2) unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.10.2019 - III ZR 141/18 - angeführten Gesichtspunkt, ein Streitverkünder sei verpflichtet, im Hauptprozess alle ihm möglichen innerprozessualen Rechtsbehelfe und Einwendungen geltend zu machen, ergibt sich kein rechtliches Interesse an der Streitverkündung. Es ist zwar zutreffend, dass eine mögliche Ersatzpflicht eines gerichtlichen Sachverständigen gemäß §§ 839a Abs. 2, 839 Abs. 3 BGB nicht eintritt, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Die Streitverkündung dient aber nicht dazu, den drohenden Schaden abzuwenden, sondern vielmehr der Durchsetzung des behaupteten Schadensersatzanspruchs. §§ 839a Abs. 2, 839 Abs. 3 BGB sind deshalb in dieser Konstellation von vornherein nicht einschlägig. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Beklagten zu 2) zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Schließlich stellt der Umstand, dass der Beklagte zu 2) mit ähnlichen Begründungsansätzen bereits erfolglos versucht hat, den Sachverständigen als befangen abzulehnen, ein weiteres Indiz dafür dar, dass es ihm nicht um die Interventionswirkung der Streitverkündung geht, sondern um die Behinderung der weiteren Begutachtung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen und seiner Mitarbeiter i.S.d. § 407a ZPO (vgl. zu diesem Aspekt BT-Drucks. 16/3038, S. 36).

Der Schutzzweck des § 72 Abs. 2 ZPO greift im vorliegenden Fall ein, auch wenn sich die avisierten Streitverkündungen nicht unmittelbar gegen den Sachverständigen selbst richten.

Aufgrund der Nähebeziehung des gerichtlich bestellten Sachverständigen zur F. KG bzw. zu deren persönlich haftender Gesellschafterin der F. Verwaltungs-GmbH würde sich bei deren etwaigem Beitritt zum Rechtsstreit unweigerlich die Frage nach dessen persönlicher Unabhängigkeit und Unparteilichkeit stellen. Eben dies soll § 72 Abs. 2 ZPO verhindern. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Göttingen in der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen werden (S. 9, 10 des Beschlusses).

Der etwaige Beitritt der avisierten Streitverkündeten würde zudem die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sämtlicher von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen hinzugezogener Mitarbeiter in Frage stellen. Diese sind Gesellschafter oder Arbeitnehmer der F. KG und stehen als solche ebenfalls in einer Nähebeziehung zu ihr. Es würde deshalb im Fall eines Beitritts der F. KG und/oder ihrer Gesellschafter zum Rechtsstreit die Frage aufkommen, ob die bislang einbezogenen Mitarbeiter weiterhin uneingeschränkt vom gerichtlichen Sachverständigen zur Mitarbeit herangezogen werden können bzw. ob oder ggf. welche Auswirkungen dies auf die Frage der Verwertbarkeit des bereits erstellten Gutachten(teil)s haben kann. Mit eben solchen Fragestellungen soll das Ausgangsverfahren nach dem Rechtsgedanken des § 72 Abs. 2 ZPO nicht mit dem Mittel einer Streitverkündung belastet werden. Hierfür stehen vielmehr andere prozessuale Mittel zur Verfügung. Diese hat der Beklagte zu 2) auch - wenngleich erfolglos - bereits ergriffen.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass auch der Gesetzgeber weitere Fälle, in denen eine Streitverkündung als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, durchaus für möglich gehalten hat und deren Zurückweisung bereits im Hauptverfahren mit der Einführung von § 72 Abs. 2 ZPO nicht hat ausschließen wollen (vgl. BT-Drucks. 16/3038, S. 37 f.

Das Landgericht Göttingen hat die Zustellung der Streitverkündungsschriften des Beklagten zu 2) an die jeweiligen Streitverkündungsempfänger nach alledem zu Recht abgelehnt.

3.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 47 GKG. Der Beklagte zu 2) beziffert die von ihm mit der Streitverkündung geltend gemachten potentiellen Ansprüche mit 1,967 Mio. Euro, die er zu gleichen Teilen auf die beiden "führenden" Verfahren der 2. Zivilkammer (2 O 1802/07) und der 14. Zivilkammer (das vorliegende Verfahren) verteilt. Hieraus ergibt sich ein Betrag von jeweils 983.500,00 Euro. Der Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens betrifft jedoch "nur" die Frage, ob die Streitverkündungsschriften zuzustellen sind.

Der Senat bemisst dieses Interesse gemäß § 3 ZPO mit einem Bruchteil der errechneten Schadensersatzforderung von 10 %, d.h. 98.350,00 Euro.