Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 27.04.2010, Az.: 2 Ws 102/10

Anforderungen an den Inhalt eines Klageerzwingungsantrags

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
27.04.2010
Aktenzeichen
2 Ws 102/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 17376
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2010:0427.2WS102.10.0A

Fundstellen

  • ZAP 2011, 188-189
  • ZAP EN-Nr. 126/2011

Amtlicher Leitsatz

1. Nach dem Zweck des Klageerzwingungsverfahrens und den sich aus dem Wortlaut von § 172 Abs. 3 S. 1 StPO ergebenden Anforderungen muss der Klageerzwingungsantrag inhaltlich so gestaltet sein, dass er das Oberlandesgericht in die Lage versetzt, allein auf seiner Grundlage ohne zusätzliches Studium der Akten zu beurteilen, ob bei unterstellter Beweisbarkeit der vorgetragenen Tatsachen ein genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht. Dazu bedarf es einer in sich geschlossenen und aus sich heraus verständlichen Darstellung des Sachverhaltes, aus dem sich der hinreichende Tatverdacht gegen den Beschuldigten ergeben soll.

2. Das Erfordernis einer solchen geschlossenen, aus sich heraus verständlichen Sachdarstellung hat ihren Grund einerseits in dem zugunsten des Beschuldigten zu berücksichtigenden Beschleunigungsgebot. Andererseits dient es auch dem Schutz der Oberlandesgerichte vor unsachgemäßen und unsubstantiierten Anträgen.

3. Diese Anforderungen sind nicht gewahrt, wenn in einem Klageerzwingungsantrag auf Schriftstücke und Aktenbestandteile Bezug genommen wird und erst die Kenntnisnahme von diesen dazu führen würde, den notwendigen Antragsinhalt zu vervollständigen. Denn in diesem Fall würden die Oberlandesgerichte gezwungen, sich aus der Antragsschrift und den in Bezug genommenen Schriftstücken die Partien herauszusuchen, aus denen sich der für die Beurteilung des hinreichenden Tatverdachts relevante Sachverhalt ergibt.

4. Dementsprechend ist ein Klageerzwingungsantrag auch dann unzulässig, wenn die inhaltlich in Bezug genommenen Schriftstücke oder Aktenbestandteile dem Antrag nicht als Anlagen beigefügt sondern - auf welchem technischem Wege auch immer - in die Antragsschrift "integriert" werden. Auch insoweit wären die Oberlandesgerichte gezwungen, einen für ihre Entscheidung bedeutsamen Sachverhalt erst selbst zusammenzustellen.

Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen (§ 172 Abs. 3 Satz 1 StPO).

Gründe

1

I. Die Antragsteller haben mit Anwaltsschriftsatz vom 2. Juli 2009 gegenüber der Staatsanwaltschaft Hannover Strafanzeige gegen den jetzigen Staatsanwalt i.R. G. wegen des Verdachts der Rechtsbeugung und der Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft, begangen zu ihren Lasten zwischen dem 15. September 2004 und seinem Eintritt in den Ruhestand, erstattet. Die gemäß § 145 Abs. 1 GVG mit der Wahrnehmung der Amtsverrichtung beauftragte Staatsanwaltschaft Lüneburg hat keinen Anfangsverdacht im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO angenommen und ist daher mit Bescheid vom 8. Dezember 2009 dem Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage nicht gefolgt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat die Generalstaatsanwaltschaft Celle mit Bescheid vom 10. Februar 2010 zurückgewiesen und darauf verwiesen, dass der ausführlich begründete Bescheid der Staatsanwaltschaft Lüneburg der Sach- und Rechtslage entspreche.

2

Gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 4. März 2010, den der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller noch mit Schreiben vom 8. März 2010 korrigiert hat.

3

II. Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig, weil er nicht den von § 172 Abs. 3 S. 1 StPO gestellten Zulässigkeitsanforderungen entspricht.

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1. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung auch dann statthaft ist, wenn die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nicht durch eine den hinreichenden Tatverdacht verneinende Einstellungsverfügung gemäß § 170 Abs. 2 StPO abgeschlossen hat, sondern - wie hier - bereits einen so genannten Anfangsverdacht im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO verneint hat. Die im Kern übereinstimmende Rechtsprechung der Oberlandesgerichte lässt einen Klageerzwingungsantrag als "Ermittlungserzwingungsantrag" dann unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 172 StPO zu, wenn die Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht bereits aus Rechtsgründen verneint und daher überhaupt keine Ermittlungen durchgeführt hat (OLG Braunschweig wistra 1993, 31 ff.; OLG Hamm StV 2002, 128; OLG Karlsruhe Justiz 2003, 270, 271 f.; OLG Koblenz NStZ 1995, 50; OLG Köln NStZ 2003, 682; OLG München NStZ 2008, 403, 404; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2001, 308; siehe auch OLG Brandenburg VRS 114 (2008), 373; OLG Rostock v. 12.3.2004 - I Ws 120/03 (juris) sowie HK-StPO/Zöller§ 172 Rn. 27; Löwe/Rosenberg/Graalmann-Scheerer § 172 Rn. 16). Auch der Senat hat sich bereits in diese Richtung geäußert (OLG Celle v. 26.4.2002 - 2 Ws 94/02, juris Abs. 7). Vereinzelt ist in der Rechtsprechung sogar erwogen worden, einen Ermittlungserzwingungsantrag unter weiteren Voraussetzungen auch dann zuzulassen, wenn die Staatsanwaltschaft "völlig unzulänglich ermittelt hat", "grobe, den Kernbereich der zu ermittelnden Tatbestände betreffende Ermittlungsfehler begangen" oder "abwegige Schlussfolgerungen aus den ermittelten Tatsachen gezogen hat" (etwa OLG Rostock v. 12.3.2004 - I Ws 120/03, juris Abs. 37-54, nicht tragend). Für den vorliegenden Antrag, der sich wegen der von der Staatsanwaltschaft gewählten Entscheidungsart als Ermittlungserzwingungsantrag erweisen könnte, kommt es auf die Ausdehnung der §§ 172 ff. StPO auf eine solche Entscheidungsart der Staatsanwaltschaft nicht an. Denn ein Ermittlungserzwingungsantrag muss jedenfalls den inhaltlichen Anforderungen des § 172 Abs. 3 S. 1 StPO entsprechen. Das ist jedoch nicht der Fall.

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2. a) Nach dem Wortlaut von § 172 Abs. 3 S. 1 StPO muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung "die Tatsachen, welche die Erhebung deröffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben". Aus diesen gesetzlichen Anforderungen und dem Zweck des Antrags auf gerichtliche Entscheidung, die Einhaltung des Legalitätsprinzips durch die Staatsanwaltschaft einer gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen, leitet die übereinstimmende Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ab, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung das Gericht in die Lage versetzen müsse, allein aufgrund des Antrags ohne zusätzliches Studium der Verfahrensakten zu beurteilen, ob bei unterstellter Beweisbarkeit der vorgetragenen Tatsachen ein genügender Anlass zur Erhebung der öffentlicher Klage, also ein hinreichender Tatverdacht besteht. Regelmäßig wird formuliert, die Antragsschrift allein müsse dem mit dem Antrag befassten Gericht eine "Schlüssigkeitsprüfung" erlauben (etwa OLG Celle NStZ 1988, 568; OLG Celle NStZ 1997, 406 [OLG Celle 16.04.1997 - 3 Ws 95/97]; OLG Dresden NStZ-RR 1998, 338; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1998, 365; OLG Hamm NStZ-RR 2001, 300; OLG Nürnberg NStZ-RR 2002, 112, 113; weit. zahlr. Nachweise bei Wohlers, in: Systematischer Kommentar zur StPO, § 172 Rn. 72). Um diesen Anforderungen zu genügen, bedarf es einer in sich geschlossenen und aus sich heraus verständlichen Sachdarstellung, die dem Gericht ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten die Überprüfung der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsentscheidung ermöglicht (Nachw. wie vorstehend; ergänzend Brandenburgisches Oberlandesgericht vom 7.3.2008 - 1 Ws 15/08; OLG Hamm VRS 107 [2004], 197, 198). Jedenfalls die vorgenannten Anforderungen stehen mit dem Verfassungsrecht in Einklang, weil sie Zulässigkeitsanforderungen formulieren, die sich aus dem Sinn und Zweck der durch §§ 172 ff. StPO eröffneten gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit ergeben (vgl. BVerfG NJW 2000, 1027 [BVerfG 28.11.1999 - 2 BvR 1339/98]; BerlVerfGH NJW 2004, 2718; bzgl. der Notwendigkeit einer aus sich heraus verständlichen Sachdarstellung, die dem OLG eine Schlüssigkeitsprüfung ermöglicht ebenso SächsVerfGH NJW 2004, 2729, 2730), ohne zugleich den Zugang zum Gericht in einer mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbaren Weise unzumutbar zu erschweren. Wie bereits angesprochen besteht die Funktion des mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung eingeräumten Rechtsbehelfs in der Überprüfung der Einhaltung des Legalitätsprinzips durch die Staatsanwaltschaft im konkreten Fall.

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Allerdings darf der Zweck des Klageerzwingungsverfahrens nicht darauf verkürzt werden, den Oberlandesgerichten eine bloße Aufsichtüber die Richtigkeit der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsbescheide zuüberantworten (vgl. Beschluss des 1. Strafsenats des OLG Celle vom 16.8.1988 - 1 Ws 210/88, OLGSt StPO § 172 Nr. 25 mit zustimmender Anmerkung Rieß ebenda.). Vielmehr kommt es für die gerichtliche Kontrolle im Klageerzwingungsverfahren darauf an, ob zu dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts nach dessen Sicht ein genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht (OLG Celle aaO.). Ungeachtet dieser Bestimmung der Funktion des Klageerzwingungsverfahrens, die in der bisherigen Rechtsprechung nicht immer klar formuliert worden ist, kommt den angerufenen Oberlandesgerichten nicht die Aufgabe zu, das bisherige Ermittlungsverfahren vollständig darauf hin zu überprüfen, ob außerhalb des in der Antragsschrift von dem Antragsteller Vorgebrachten Anhaltspunkte für einen hinreichenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten bestehen. Zum einen folgt aus § 172 Abs. 3 S. 1 StPO selbst die Obliegenheit des von dem Antragsteller mandatierten Rechtsanwaltes (vgl. § 172 Abs. 3 S. 2 StPO), die für die Begründung des hinreichenden Tatverdachts maßgeblichen Tatsachen einschließlich der entsprechenden Beweismittel vorzutragen. Zum anderen lässt die in § 173 Abs. 3 StPO getroffene Regelung erkennen, dass die Oberlandesgerichte nicht an Stelle der Staatsanwaltschaft das vollständige Ermittlungsverfahren betreiben sollen, sondern die Gerichte sich auf einzelne ergänzende Beweiserhebungen beschränken müssen, soweit dies nach ihrer Bewertung zur Beurteilung des hinreichenden Tatverdachts im fraglichen Zeitpunkt erforderlich sein sollte.

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b) Welche konkreten Anforderungen an den Inhalt eines Klageerzwingungsantrags sich aus den vorstehend dargelegten gesetzlichen Vorgaben des § 173 Abs. 3 S. 1 StPO ergeben, wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nicht vollständig einheitlich beurteilt. Wie aus den Darlegungen unter II.2.a) ersichtlich, bedarf es jedenfalls einer in sich geschlossenen und aus sich heraus verständlichen Sachdarstellung, die dem Gericht ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten die Überprüfung der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsentscheidung ermöglicht. Dieses Erfordernis des Antrags im Klageerzwingungsverfahren ist mit dem Verfassungsrecht vereinbar und stellt sich nicht als eine Voraussetzung dar, die den Zugang zum Gericht in einer Art. 19 Abs. 4 GG (oder inhaltsgleiche Bestimmungen des Landesverfassungsrechts) verletzenden, unzumutbaren und durch Sachgründe nicht zu rechtfertigende Weise erschweren würde (siehe BVerfG NJW 2000, 1027 [BVerfG 28.11.1999 - 2 BvR 1339/98]; BerlVerfGH NJW 2004, 2728, 2729; SächsVerfGH NJW 2004, 2729, 2730). Die notwendige geschlossene Sachdarstellung im Antrag hat ihren Grund nämlich gerade auch in dem zu Gunsten des Beschuldigten zu berücksichtigenden Beschleunigungsgebot (BVerfG NJW 1993, 382 [BVerfG 16.04.1992 - 2 BvR 877/89]; BVerfG NJW 2000, 1027 [BVerfG 28.11.1999 - 2 BvR 1339/98]; BerlVerfGH NJW 2004, 2728, 2729 [VerfGH Berlin 30.04.2004 - VerfGH 128/03]). Zugleich dient das Erfordernis der aus sich heraus verständlichen Sachverhaltsdarstellung dem Schutz der Oberlandesgerichte vor einer Überlastung durch unsachgemäße und unsubstantiierte Anträge (BVerfG NJW 2004, 1585, 1586 [BVerfG 08.10.2003 - 2 BvR 1465/01]; BVerfG NStZ 2007, 272, 273 Rn. 10) und verfolgt damit justizökonomische Zwecke. Beide vorgenannten Aspekte rechtfertigen es auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht, dass der Antrag im Klageerzwingungsverfahren das Oberlandesgericht in die Lage versetzen muss, einen genügenden Anlass zur Klageerhebung ohne einen Rückgriff auf die Ermittlungsakten zu beurteilen (Nachw. wie zuvor).

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Angesichts der verfassungsrechtlich zulässigen Anforderung des aus sich heraus verständlichen und in sich geschlossenen Sachverhaltes, aus dem sich der genügende Anlass zur Klageerhebung ergeben soll, können Bezugnahmen im Antrag auf Schriftstücke außerhalb des Antrags oder auf den Akteninhalt nicht berücksichtigt werden, wenn erst die Angaben in den in Bezug genommenen Schriftstücken dazu führen würden, den notwendigen Antragsinhalt zu vervollständigen (Brandb.OLG v. 7.3.2008 - 1 Ws 15/08 (juris); OLG Bamberg v. 7.10.2008 - 3 Ws 60/08, OLGSt StPO § 172 Nr. 47; OLG Celle NStZ 1997, 406 [OLG Celle 16.04.1997 - 3 Ws 95/97]; OLG Celle NJW 2008, 2202 f.; OLG Hamm NStZ-RR 2001, 300; OLG Hamm v. 14.7.2009 - 3 Ws 209/09 (juris); KG NStE Nr. 28 zu § 172 StPO; Saarl.OLG wistra 1995, 36; OLG Stuttgart Justiz 2006, 372; siehe auch BerlVerfGH 2004, 2729, 2730; Graalmann-Scheerer, in: Löwe/Rosenberg, StPO, § 172 Rn. 155 und 156). Solche Bezugnahmen, auch wenn sie als Anlagen beigefügte Schriftstücke oder Aktenbestandteile betreffen, sind dementsprechend lediglich dann für die Zulässigkeit des Antrages unschädlich, wenn sie lediglich der Erläuterung des bereits aus sich heraus uneingeschränkt verständlichen und geschlossenen Antragsvorbringens dienen (OLG Celle NStZ 1997, 406 [OLG Celle 16.04.1997 - 3 Ws 95/97]). Wie bereits angesprochen genügt dagegen eine Bezugnahme dann den Zulässigkeitsanforderungen des § 172 Abs. 3 S. 1 StPO nicht, falls erst die Kenntnisnahme vom Inhalt des in Bezug Genommenen zu einer nachvollziehbaren und geschlossenen Sachverhaltsdarstellung führen würde. Denn es ist im Hinblick auf den Zweck des Klageerzwingungsverfahrens und auch den Schutz der Oberlandesgerichte vor unsachgemäßen Anträgen auf gerichtliche Entscheidung nicht die Aufgabe der befassten Strafsenate, sich aus den Akten oder auch nur den der eigentlichen Antragsschrift beigefügten Anlagen die Partien herauszusuchen, aus denen sich der für die Beurteilung des hinreichender Tatverdachts oder im Sonderfall des "Ermittlungserzwingungsantrags" des Anfangsverdachts bedeutsame Sachverhalt einschließlich der zu seiner Feststellung erforderlichen Beweismittel ergibt (BerlVerfGH NJW 2004, 2728, 2729 [VerfGH Berlin 30.04.2004 - VerfGH 128/03]; OLG Celle NStZ 1997, 406 [OLG Celle 16.04.1997 - 3 Ws 95/97] m.w.N.).

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Vor dem Hintergrund des Zwecks des Klageerzwingungsverfahrens, den aus dem Beschleunigungsgebot resultierenden Anforderungen sowie auch und erst recht angesichts der mit den notwendigen Antragsinhalt verfolgten justizökonomischen Zwecken müssen die für die begrenzte Zulässigkeit von Bezugnahmen auf Anlagen des Klageerzwingungsantrages anerkannten, verfassungsrechtlich unbedenklichen Grundsätze auch für den Fall gelten, dass umfängliche Schriftstücke oder Teile des Akteninhalts nicht als Anlagen dem Antrag beigefügt, sondern durch Fotokopie oder auf anderen technischem Wege in die Antragsschrift selbst eingefügt werden (Brand.OLG v. 7.3.2008 - 1 Ws 15/08 [juris]; OLG Celle NStZ 1997, 406 [OLG Celle 16.04.1997 - 3 Ws 95/97]; OLG Koblenz OLGSt StPO § 172 Nr. 15; Graalmann-Scheerer, in: Löwe/Rosenberg, StPO § 172 Rn. 156 aE.; ebenso BerlVerfGH NJW 2004, 2728, 2729). Die Übertragbarkeit der für den zulässigen Umfang auf Anlagen des Antrags maßgeblichen Grundsätze auf in den Antrag "integrierte" Schriftstücke und Aktenbestandteile ist jedenfalls dann gegeben, wenn auch die technische Einbeziehung von Schriftstücken oder Aktenbestandteilen lediglich dazu führt, dass sich das Oberlandesgericht aus dem dann formal einheitlichen Antrag im Klageerzwingungsverfahren die Partien heraussuchen muss, aus denen sich der zur Beurteilung des genügenden Anlasses zur Klageerhebung maßgebliche Sachverhalt ergibt (Nachw. wie zuvor). Auf der Grundlage dieser Grundsätze hat der Berliner Verfassungsgerichtshof einen Beschluss des Kammergerichts im Klageerzwingungsverfahren für mit Art. 15 Abs. 4 BerlVerf., der mit Art. 19 Abs. 4 GG inhaltsidentisch ist, vereinbar gehalten, in dem ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig verworfen worden war, der zu mehr als der Hälfte aus eingescannten Schriftstücken bestand, auf deren vollständigen Wortlaut es nicht ankam (BerlVerfGH NJW 2004, 2728, 2729 [VerfGH Berlin 30.04.2004 - VerfGH 128/03]). Ebenso hat das Brandenburgische Oberlandesgericht - sachlich mit dem Kammergericht übereinstimmend - einen aus 74 Seiten bestehenden Antrag als unzulässig verworfen, der weitgehend aus eingescannten Aktenbestandteilen zusammengesetzt war, die der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers lediglich durch kurze Überleitungen verbunden hatte (Brand.OLG v. 7.3.2008 - 1 Ws 15/08 [juris]).

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c) An diesen einfachgesetzlich und verfassungsrechtlich zutreffenden Maßstäben gemessen erweist sich der von dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller eingebrachte Antrag als nicht den Anforderungen des § 173 Abs. 3 S. 1 StPO genügend. Es handelt sich entgegen den gesetzlichen Anforderungen nicht um eine aus sich heraus verständliche und in sich geschlossene Darstellung, die dem Senat eine Beurteilung eines hinreichenden Tatverdachts ermöglichte, ohne sich zuvor aus dem Gesamtkonglomerat der Antragsschrift den Sachverhalt eigenständig zusammenzustellen, der die Grundlage für die Prüfung des Tatverdachts gegen den Beschuldigten bilden könnte. Die insgesamt 118 Seiten umfassende Antragsschrift enthält 102 Seiten, bei denen es sich um Abdrucke bzw. um eingescannte oder sonst technisch eingefügte Ausfertigungen von Aktenbestandteilen handelt. Diese insgesamt 102 Seiten mit Ablichtungen bzw. sonstigen Abdrucken sind nicht durchgängig mittels Überleitungen seitens des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller miteinander verbunden, so dass schon angesichts dessen an einer in sich geschlossenen Darstellung gezweifelt werden könnte. Den gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen wird aber jedenfalls dadurch nicht mehr entsprochen, dass die Antragsschrift auch solche Partien enthält, die für die im Klagerzwingungsverfahren für den Senat zu bewertende Frage nach dem Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts nicht von Bedeutung sein können. So verhält es sich etwa mit dem als S. 42-54 der Antragsschrift eingefügten früheren Antrag des Verfahrensbevollmächtigten, damals allein im Namen des jetzigen Antragstellers W., vom 18. Mai 2009, mit dem gegenüber dem Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht Celle die Übertragung der Ermittlungen gegen den Beschuldigten auf eine andere im Oberlandesgerichtsbezirk liegende Staatsanwaltschaft als die in Hannover begehrt wurde. Ebenso wenig kann es auf das als Seiten 55 und 56 des Antrags als Ablichtung eingefügte Antwortschreiben der Generalstaatsanwaltschaft Celle auf dieses Anliegen ankommen. Beide exemplarisch angeführte Partien stehen in keinem Zusammenhang mit dem Sachverhalt, aus dem sich der behauptete Tatvorwurf der Rechtsbeugung und der Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft gegen den Beschuldigten ergeben könnte. Damit wird deutlich, dass die vorliegende Antragsschrift den Senat zwingen würde, sich eigenständig die Partien des Antrages zu erschließen, die für die Beurteilung des Tatverdachts von Bedeutung sind. Gerade das ist aber aus den bereits dargelegten Gründen nicht Aufgabe der Oberlandesgerichte im Klageerzwingungsverfahren.

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Das Abfassen eines den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Antrages innerhalb der zur Verfügung stehenden Monatsfrist ist für einen Rechtsanwalt, der mit der nach § 172 Abs. 3 S. 2 StPO geforderten Unterzeichnung die Verantwortung für den Antrag übernimmt, auch keine unzumutbare Belastung (vgl. Berl.VerfGH NJW 2004, 2728, 2729 [VerfGH Berlin 30.04.2004 - VerfGH 128/03]). Das gilt erst recht, wenn der Verfahrensbevollmächtigte - wie hier aus dem Antrag ersichtlich - in den gesamten Verfahrenskomplex intensiv eingearbeitet ist.

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III. Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).