Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 08.12.2021, Az.: 6 A 393/17

Ärztekammer; Beitrag; Haushaltsplan; Rücklagen; Rücklagenbildung; Ärztekammerbeitrag 2016

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
08.12.2021
Aktenzeichen
6 A 393/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 62935
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2021:1208.6A393.17.00

Amtlicher Leitsatz

Die von dem Bundesverwaltungsgericht und dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht betreffend die Rücklagen der IHK aufgestellten Maßstäbe sind auf die Rücklagen der ÄKN anwendbar. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Haushaltsplanes ist im Ausgangspunkt das Datum des Beschlusses über seine Aufstellung.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2017 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte mit Bescheid vom 18. Januar 2017 seinen Ärztekammerbeitrag für das Jahr 2016 auf 413,10 Euro festsetzte.

Der Kläger ist niedergelassener Allgemeinmediziner in J.. Er war vom 1. Mai 1991 bis zum 29. Februar 2000 Mitglied der beklagten Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN - im Folgenden: Beklagte). Seit dem 1. Januar 2016 ist er erneut Mitglied der Beklagten.

Aus den von der Beklagten im Verfahren beigebrachten Unterlagen ergibt sich die folgende finanzielle Situation:

Der Finanzbericht der Beklagten für das Jahr 2014 wies Rücklagen in Höhe von insgesamt 21.942.683,62 Euro aus. Davon betrug die "Betriebsmittelrücklage ÄKN" 14.542.683,62 Euro, die Rücklagen "Sachanlagen/Gebäude" 5.400.000 Euro und die Rücklage für Großreparaturen 2.000.000 Euro. Die Verwaltungskostenumlage an die Bundesärztekammer (BÄK) betrug 1.234.942,48 Euro. Als Einnahmen wurden unter anderem Entnahmen aus Rücklagen in Höhe von 246.285,87 Euro ausgewiesen.

Der Haushaltsplan der Beklagten für das Jahr 2015 sah eine Einnahme aus der Entnahme aus Rücklagen in Höhe von 5.516.000 Euro vor. Zuweisungen und Zuführungen zu den Rückstellungen waren - wie 2014 - nicht vorgesehen.

Im Sommer 2015 stellte die Beklagte im Zuge von Sanierungsarbeiten an dem Gebäude ihrer Hauptverwaltung zahlreiche Baumängel fest. Diese hielt die Beklagte in einem Vermerk vom 2. September 2015 fest.

Am 28. November 2015 beschloss die Kammerversammlung der Beklagten den Haushaltsplan für das Jahr 2016. Dieser erwartete Ärztekammerbeiträge in Höhe von 15.000.000 Euro unter Berücksichtigung einer Beitragsermäßigung von 15 % und einer Beitragsbefreiung für Ärzte im Ruhestand. Es war unter anderem eine Verwaltungskostenumlage an die BÄK in Höhe von 1.370.000 Euro ausgewiesen. Zudem wurde 1.000.000 Euro zu den Rückstellungen zugeführt. Überdies war eine Einnahme aus der Entnahme aus Rücklagen in Höhe von 5.189.500 Euro vorgesehen. Hierzu wurde vermerkt: "Unter Berücksichtigung des neu angedachten Umbaus der Dachterrasse im 8. OG oder Umbau im 2. oder 5. OG zu einem Sitzungszimmer".

Außerdem beschloss die Kammerversammlung, die Rücklage zur Finanzierung von Sachanlagevermögen teilweise, nämlich in Höhe von 2.100.000 Euro der insgesamt 5.400.000 Euro, zum 31. Dezember 2015 in eine Instandhaltungsrücklage umzuwandeln. Zur Begründung hieß es, dass auf die langfristige Erhaltung der Liegenschaft künftig noch flexibler und sachgerechter reagiert werden könne.

Ebenfalls am 28. November 2015 beschloss die Kammerversammlung eine Änderung von § 2 Absatz 4 der Haushalts- und Kassenordnung (HKO). Bislang waren so viel Mittel in der allgemeinen Rücklage anzusammeln, dass der regelmäßige Bedarf an Betriebsmitteln für sechs Monate gedeckt wurde. Dies solle in Zukunft flexibler möglich sein. Daher wurde beschlossen, dass die Betriebsmittelrücklage zukünftig den regelmäßigen Bedarf von 3-6 Monaten abdecken solle. Zur Begründung hieß es, dass die bisherige Regelung nicht mehr erforderlich sein, weil die Liquidität durch die kontinuierlichen Einzüge im Rahmen der SEPA-Lastschriftmandate gewährleistet sei.

Aufgrund des Rücklagevolumens und der weiterhin soliden Haushaltslage beschloss die Kammerversammlung am 28. November 2015 überdies für das Beitragsjahr 2016 einen Beitragsnachlass in Höhe von 15 %. Die Beitragsordnung (BO) wurde in § 9 Absatz 1 BO entsprechend geändert. Eine Änderung der Entschädigungsordnung wurde nicht beschlossen, dafür aber eine Änderung der Reisekostenordnung. Als Grund für die Änderung zum 1. Januar 2016 wurde der Gleichlauf zur Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen genannt. Diese habe die Entschädigung und das Sitzungsgeld zum 1. Januar 2015 um 10 % erhöht. Es sei sachgerecht, dass die Aufwandsentschädigung in den Schwesterkörperschaften gleich hoch sei.

In der Folgezeit stellte die Beklagte weitere Baumängel an dem Gebäude ihrer Hauptverwaltung fest, die in einem Bericht vom 11. März 2016 zusammengefasst wurden. In diesem wurde erstmals der Abriss und Neubau bezogen auf den Vortragssaal vorgeschlagen. Daraufhin gab die Beklagte Gutachten in Auftrag, die das genaue Ausmaß der Mängel feststellen sollten. Im Sommer 2016 wurde zudem eine Machbarkeitsstudie erstellt, die alle Optionen aufzeigen und bewerten sollte. Der Zwischenstand der Machbarkeitsstudie wurde der Kammerversammlung am 15. September 2016 vorgestellt.

Die Kammerversammlung der Beklagten beschloss in ihrer Sitzung am 15. September 2016 unter anderem eine Neustrukturierung und Umgliederung von Rücklagen. Aus der allgemeinen Betriebsmittelrücklage in Höhe von 11.345.818,03 Euro wurden 5.000.000 Euro in die neu angelegte "Bauerneuerungsrücklage" übertragen. Die "Instandhaltungsrücklage" in Höhe von 2.100.000 Euro und die "Rücklage für Großreparaturen" in Höhe von 2.000.000 Euro wurden ebenfalls in die Bauerneuerungsrücklage übertragen. Letztere wies nach der Umgliederung einen Betrag von 9.100.000 Euro aus. Die weiteren zweckgebundenen Rücklagen in Höhe von 3.913.095,75 Euro, wozu auch die Rücklage zur Finanzierung von Sachanlagen/Gebäude zählte, blieben unverändert. In der Summe betrugen die Rücklagen insgesamt 19.358.913,78 Euro.

Im April 2017 wurde die Machbarkeitsstudie abgeschlossen.

Der Kläger, seit dem 1. Januar 2016 wieder Mitglied der Beklagten, nahm am 19. Mai 2016 eine Selbsteinstufung vor und übermittelte dem Beklagten seinen Einkommenssteuerbescheid 2014, aus dem sich Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 86.813 Euro ergaben.

Am 27. Juni 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihn aufgrund seiner Selbsteinstufung für das Beitragsjahr 2016 in die Beitragsgruppe 85 zu einem Beitrag von 413,10 Euro einstufe. Dagegen erhob der Kläger am 13. Juli 2016 Anfechtungsklage zu dem Az.: K. bei dem erkennenden Gericht. Die Beklagte vertrat in jenem Verfahren die Auffassung, dass die Mitteilung kein Verwaltungsakt sei. Jenes Verfahren endete dadurch, dass der Kläger die Anfechtungsklage zurücknahm.

Am 6. Juli 2016 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm einen rechtsmittelfähigen Bescheid über seine Beitragsveranlagung für das Jahr 2016 zu erteilen. Mit Schreiben vom 20. Juli 2016 erinnerte der Kläger die Beklagte an diesen Antrag. Am 12. September 2016 verzichtete der Kläger auf eine Anhörung im Rahmen der Beitragsfestsetzung. Weil die Beklagte über seinen Antrag nicht entschied, erhob der Kläger am 11. November 2016 Untätigkeitsklage zu dem Az.: L. bei dem erkennenden Gericht. Mit Gerichtsbescheid vom 9. Januar 2017 verpflichtete das erkennende Gericht die Beklagte, dem Kläger einen Bescheid über die Beitragsveranlagung 2016 zu erteilen. Der Gerichtsbescheid ist rechtskräftig.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 18. Januar 2017 setzte die Beklagte den Ärztekammerbeitrag des Klägers für das Beitragsjahr 2016 auf 413,10 Euro fest.

Zur Begründung führte sie aus: Die Höhe des Beitrages ergebe sich aus den Einkünften des Klägers in 2014, wie sie dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 zu entnehmen sind. Hierbei sei die für das Jahr 2016 beschlossene Beitragsermäßigung von 15 % zu berücksichtigen. Die Einwände des Klägers, wie er sie gegenüber der Beklagten und in den vergangenen Gerichtsverfahren vorgetragen hatte, rechtfertigten eine abweichende Entscheidung nicht. Insbesondere liege keine unzulässige Rücklagenbildung vor. Maßstab für die Festsetzung der Betriebsmittelrücklage sei ihre Haushalts- und Kassenordnung. Diese sehe in § 2 Absatz 4 HKO die Bildung einer allgemeinen Rücklage vor. In der Höhe habe die Rücklage den regelmäßigen Bedarf an Betriebsmitteln für 3 bis 6 Monate zu decken. Die Rechtmäßigkeit der Rücklage richte sich nicht nach dem Stand am 31. Dezember 2014, sondern "nach den für das Haushaltsjahr 2016 geltenden Zahlen". Es sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte im September 2016 eine Neustrukturierung und Umgliederung der Rücklagen vorgenommen habe. Dies habe dazu geführt, dass die allgemeine Betriebsmittelrücklage nur noch etwa 6.000.000 Euro betragen habe bei einem unveränderten Haushaltsvolumen von etwa 20.000.000 Euro seien dies lediglich 30,73 %. Dies decke den regelmäßigen Bedarf an Betriebsmitteln für etwa vier Monate. Dies liege im unteren Bereich der von der Haushalts- und Kassenordnung vorgegebenen Spannbreite. Auch in Bezug auf die Rücklage "Sachanlagen/Gebäude" und die "Rücklage für Großreparaturen" habe eine Umgliederung stattgefunden. Insbesondere sei wegen des Neubaus eines Ärztehauses eine Bauerneuerungsrücklage gebildet worden, die für das Haushaltsjahr 2016 mit 9.100.000 Euro dotiert gewesen sei. Schon jetzt stehe fest, dass dieser Betrag weder für eine Kernsanierung noch für einen Abriss und Neubau eines Bürogebäudes ausreiche. Der seinerzeit angedachte Umbau der Dachterrasse oder Umbau eines OG zu einem Sitzungssaal, für den 1.000.000 Euro eingeplant worden sei, habe aufgegeben werden müssen. Daher sei dieser Umstand nicht mehr relevant und könne bei der Festsetzung des Beitrages nunmehr unberücksichtigt bleiben. Die noch fortbestehende Rücklage "Sachanlagen/Gebäude" in Höhe von 3.000.000 Euro diene dazu, den Teil der Gesamtrücklagen abzubilden, der durch langfristiges Vermögen auf der Aktivseite gebunden werde.

Die an die Bundesärztekammer abgeführte Verwaltungskostenumlage sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe im Jahr 2016 Umlagen an die BÄK für die Geschäftsjahre 2015/2016 und 2016/2017 abgeführt. Daher seien nur diese Geschäftsjahre relevant. Die Jahresrechnung 2010/2011 der BÄK sei daher für das Beitragsjahr 2016 irrelevant. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Kläger durch die Abführung der Umlage an die BÄK nicht beschwert sei. Denn hätte die BÄK in dem Geschäftsjahr nicht die vom Kläger vorgetragenen Erträge erzielt, hätten die Landesärztekammern höhere Umlagen zahlen müssen. Die Landeärztekammern hätten dann höhere Beiträge erheben müssen. Die Erträge resultierten zudem daraus, dass die BÄK zu 50 % an der Deutschen Ärzteverlag GmbH beteiligt sei und sich daraus Gewinnausschüttungen ergeben hätten.

Der Kläger hat am 1. Februar 2017 Klage gegen den Bescheid erhoben.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass bei der Überprüfung des Beitragsbescheides von Amts wegen inzident auch den Haushaltsplan der Beklagten zu überprüfen sei. Denn die Beklagte dürfe nach § 8 Absatz 2 des Kammergesetzes für Heilberufe (HKG) nur dann Mitgliedsbeiträge erheben, soweit sonstige Einnahmen nicht zur Verfügung stünden.

Dies sei anhand des Jahresabschlusses zu überprüfen, der der Beschlussfassung über die Beitragsveranlagung vorausgehe. Dies sei hier der Jahresabschluss vom 31. Dezember 2014 für das Beitragsjahr 2016. Maßgeblich sei der Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan für das Jahr 2016 und die in diesem Zeitpunkt bekannten Finanzdaten. Den Haushalt des Jahres 2016 habe die Kammerversammlung am 28. November 2015 beschlossen. Entscheidungsgrundlage hierfür sei der Jahresabschluss für 2014, die Haushaltsplanung für 2015 und der Entwurf für 2016 gewesen. Eine Hochrechnung hinsichtlich möglicher Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Werten für 2015 habe der Kammerversammlung nach seiner Kenntnis nicht vorgelegen. Wegen der erforderlichen ex ante Betrachtung könnten also nur die Bilanzdaten zum 31. Dezember 2014 unter Berücksichtigung der Plandaten für 2015 herangezogen werden.

Bei der Bildung von Rücklagen müsse die Beklagte Anforderungen einhalten, was hier nicht der Fall gewesen sei. So sei die pauschale Festlegung von Rücklagen ohne konkrete jährliche Risikoabschätzung unzulässig. Dies habe das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 9. Dezember 2015 (Az.: 10 C 6.15) entschieden. Die bloße Aufstellung eines Haushaltsplanes und die Bezugnahme auf pauschale Satzungsvorgaben seien zur Abschätzung des Rücklagenbedarfs nicht ausreichend. Außerdem sei das Gebot der Schätzgenauigkeit zu beachten. Hiergegen habe die Beklagte verstoßen.

Nach dem Finanzbericht habe die Beklagte am 31. Dezember 2014 über eine Betriebsmittelrücklage in Höhe von 14.542.683,62 Euro verfügt. Bezogen auf die für 2016 geplanten Aufwendungen in Höhe von 20.684.500 Euro seien das 70,31 %. Dies erweise sich als rechtswidrige Vermögensbildung. Dass ein Beitragseinbruch in einer solchen Höhe zu befürchten sei, sei abwegig. Er, der Kläger, bestreite mit Nichtwissen, dass die Beklagte dabei dem Gebot der Schätzgenauigkeit gefolgt sei.

Soweit die Beklagte auf den Bestand der Betriebsmittelrücklage zum 1. Januar 2016 in Höhe von 11.345.818,03 Euro abstelle, gehe sie fehl. Dieses Wissen um den festgestellten Jahresabschluss für 2015 habe der Kammerversammlung am 28. November 2015 noch nicht vorgelegen. Hinweise auf eine geplante Absenkung der Betriebsmittelrücklage seien weder den der Kammerversammlung vorgelegten Unterlagen noch der Haushaltsplanung 2016 zu entnehmen. Daher sei die Beklagte mit einer geplanten Betriebsmittelrücklage von 14.542.683,62 Euro in das Wirtschaftsjahr 2016 gegangen. Dies sei mit Blick auf das Bankguthaben der Beklagten 31. Dezember 2014 nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte habe selber festgestellt, dass sie keine Liquiditätsprobleme habe.

Soweit die Beklagte auf einen Passivtausch im Hinblick auf angebliche Baubedarfe verweise, so sei dies für das Beitragsjahr 2016 unerheblich. Denn eine Rücklagenbildung habe sich an einer sachgerechten ex ante-Betrachtung zu orientieren. Eine solche liege hier ersichtlich nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, dass der Beschluss zur Umschichtung der 5.000.000 Euro aus der allgemeinen Betriebsmittelrücklage in die Bauerneuerungsrücklage vor beziehungsweise mit der Beschlussfassung über den Haushalt 2016 getroffen worden sei. Selbst wenn die Umschichtung beachtlich wäre, wäre die verbleibende allgemeine Betriebsmittelrücklage für 2016 mit 6.345.818,03 Euro (= 30,73 % der geplanten Aufwendungen) immer noch unzulässig und überhöht. Denn es fehle jeder Nachweis eines entsprechenden tatsächlichen Bedarfs in dieser Höhe. Im Bescheid vom 18. Januar 2017 hieße es lediglich, dass dies "etwa" dem Finanzbedarf für die ersten vier Monate eines Jahres entspreche. Der Bilanz 2015 sei allerdings zu entnehmen, dass die Beklagte alleine über Bankguthaben in Höhe von knapp 20.000.000 Euro verfüge. Zudem fehle der Nachweis, dass die Kammerversammlung eine auf Tatsachen begründende Abschätzung des Bedarfs vorgenommen habe. In diesem Zusammenhang verweise er auf eine Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. September 2018 (Az.: 8 LB 129/17), wonach die bloße Vermutung der Angemessenheit keine Rechtfertigung für die Dotierung sein könne.

Soweit die Beklagte vortrage, die Entnahme aus der Betriebsmittelrücklage in Höhe von 1.068.059,94 Euro sei zur Deckung der Gewinn- und Verlustrechnung für 2015 erforderlich gewesen, überzeuge dies nicht. In der Kammerversammlung am 28. November 2015 habe der Haushaltsplan 2015 vorgelegen. Erkenntnisse dazu, dass das Jahr 2015 entgegen den Planungen voraussichtlich mit einem Defizit abschließe, hätten der Kammerversammlung zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen. Nur dann sei ein Nachtragsplan zu berücksichtigen gewesen.

Zur Höhe der Betriebsmittelrücklage verweist der Kläger auf die ebenfalls in der Sitzung der Kammerversammlung am 28. November 2015 beschlossenen Änderung des § 2 Absatz 4 HKO. Aus der Begründung schließe er, dass der Beklagten bekannt gewesen sei, dass sie eine Betriebsmittelrücklage überhaupt nicht mehr benötige. Gleichwohl habe sie nur eine Aufweichung der pauschalen Vorgaben beschlossen. In der Haushaltsplanung 2016 finde sich dies nicht wieder. Vielmehr werde an der überzogenen Rücklage festgehalten.

Auch die Rücklage "Sachanlagen/Gebäude" in Höhe von 5.400.00 Euro und die "Rücklage für Großreparaturen" in Höhe von 2.000.000 Euro seien rechtswidrige Vermögensbildung. Es sei nicht ersichtlich, dass diese Rücklagen notwendig und angemessen seien und die Beklagte dem Gebot der Schätzgenauigkeit gefolgt sei. Bedarfsabschätzungen fänden sich in den Unterlagen nicht. Zusammen ergäben sich Rücklagen von 21.942.683,62 Euro, wohingegen der Aufwand nur 20.684.500 Euro betrage.

Die Rücklage "Sachanlagen/Gebäude" habe die Funktion einer Nettoposition. Eine solche könne nur bei einer erheblichen Veränderung des Wertes des unbeweglichen Sachvermögens verändert werden. Die Umbuchung in eine andere Rücklage stelle deshalb einen Verstoß gegen staatliches Haushaltsrecht dar. Der Kläger verweist insoweit erneut auf das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. September 2018 (Az.: 8 LB 129/17).

Die Willkür im Umgang mit diesen Rücklagen ergebe sich auch aus der Finanzplanung für 2016. So plane die Beklagte Entnahmen aus den Rücklagen in Höhe von 5.189.500 Euro für den neu angedachten Umbau der Dachterrasse im 8. OG oder Umbau im 2. oder 5. OG zu einem Sitzungszimmer. Diese Haushaltsplanung erweise sich aus mehreren Gründen als fehlerhaft.

Zwar weise die Haushaltsplanung auf der Einnahmenseite 5.189.500 Euro aus der Auflösung der Rücklagen aus, eine entsprechende Ausgabenposition finde sich allerdings nicht. Es dränge sich der Verdacht einer zweckwidrigen Verwendung der Rücklagen auf. Zweifel an der Einhaltung des Gebotes der Schätzgenauigkeit würde auch die vage Formulierung "(...) neu angedachten...oder..." begründen. Eine ausreichende Konkretisierung der Projekte zum Zeitpunkt der Rücklagenbildung sei fraglich.

Er bezweifle, dass der mögliche Umbau einer Dachterrasse oder eines Sitzungszimmers tatsächlich über 5.000.000 Euro koste. Die Beklagte habe bereits 2015 für die gleichen Zwecke 5.515.000 Euro und 2014 bereits 246.285,87 Euro bereitgestellt. Im Haushaltsplan 2016 beabsichtige die Beklagte neben den oben genannten Entnahmen aus den Rücklagen eine weitere Erhöhung der Rücklagen um 1.000.000 Euro.

Der Beschluss zur Umschichtung der Rücklagen in die "Bauerneuerungsrücklage" sei erst im Laufe des Jahres 2016 erfolgt. Die Beklagte berufe sich ausschließlich auf ihre Veröffentlichung im Ärzteblatt 10/2016. Den Unterlagen zum Haushaltsentwurf 2016 ließen sich Ausführungen dazu nicht entnehmen. Wegen der notwendigen ex ante Betrachtung sei der Beschluss zur Umschichtung ohne Bedeutung. Ein "Tendenzbeschluss" könne eine millionenschwere Rücklage nicht rechtfertigen. Der Kläger verweist insoweit auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung. Eine Konkretisierung mit Blick auf die Planung, die Kosten und den Zeitpunkt der Inanspruchnahme habe dem Tendenzbeschluss nicht zu Grunde gelegen. Nur, wenn der Bedarf auf der Grundlage von Kostenschätzungen und einem entsprechenden Zeitplan beschlossen worden wäre, sei die Rücklagen gerechtfertigt gewesen. Bis Ende 2015 habe die Beklagte von den Neubauplänen jedoch nichts gewusst, und wiederholt Mittel für den Umbau der Dachterrasse etc. zur Verfügung gestellt. Auch ein erheblicher Sanierungsbedarf ergebe sich aus den Unterlagen zu Kammerversammlung November 2015 nicht.

Soweit die Beklagte vortrage, dass sie die Problematik mit Sachverständigen beraten habe, habe sie nichts Substanzielles dazu vorgelegt.

Soweit die Beklagte vortrage, die Bereitstellung des veranschlagten Betrages für den Umbau der Dachterrasse sei wegen des Umwidmungsbeschlusses nicht mehr relevant, irre sie. Diese Beschlüsse hätten bei der Aufstellung des Haushaltsplans 2016 im November 2015 noch nicht vorgelegen. So habe die Beklagte den Sanierungsbedarf gegenüber dem Landesrechnungshof auch erstmalig am 2. Mai 2016 thematisiert.

Das laufende Bauprojekt stelle einen massiven Verstoß gegen das Gebot der Sparsamkeit dar. Der mindestens 80.000.000 Euro teure Neubau rechtfertige nicht den Verbrauch der rechtswidrig angehäuften Rücklagen. Die wesentlichen baulichen Probleme (Brandschutz und Asbestbelastung) hätten sich als unzutreffend herausgestellt. Die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen würden die Entscheidung für einen Neubau nicht rechtfertigen. Bereits die Haushalte 2014 bis 2016 belegten, dass die Beklagte erhebliche Summen für nicht substantiierte Bauprojekte bereitgestellt habe.

Für eine überhöhte rechtswidrige Rücklagen- und Vermögensbildung spreche auch der Jahresbericht des Landesrechnungshofes Niedersachsen für 2015. Auf Seite 60 werde von "Auffälligkeiten bei den Rücklagen der Kammern" gesprochen, was ein "Indiz für eine nicht ausreichende Beachtung des Kostendeckungsprinzips" gewertet werde. Hinzu komme, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger von einer Bauerneuerungsrücklage spreche, gegenüber dem Landesrechnungshof aber von einer Instandhaltungsrücklage. Diese sprachliche Differenzierung erwecke Zweifel an der Darstellung der Beklagten. Denn eine Baurücklage sei anders zu begründen als eine Instandhaltungsrücklage. Für die Zulässigkeit einer Instandhaltungsrücklage lägen keinerlei Hinweise oder Belege vor. Es treffe zwar zu, dass der Landesrechnungshof in Bezug auf die Beklagte keine Entscheidungskompetenz habe. Allerdings handele es sich bei den Ausführungen um sachkundige Feststellungen zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des eigenen Handelns. Außerdem sei das (Nicht-)Handeln der Aufsichtsbehörde im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung irrelevant.

Die "Instandhaltungsrücklage" verstoße gegen das Kostendeckungsprinzip und das Prinzip der Jährlichkeit bei der Aufstellung des Haushaltes. Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 27. Juni 2018 (Az.: 3 A 74/16).

Die für das Jahr 2016 beschlossene Beitragssenkung verstoße ebenfalls gegen staatliches Haushaltsrecht. Die Beitragssenkung werde mit dem derzeitigen Rücklagevolumen und der weiterhin soliden Haushaltslage begründet. Allerdings finde sich weder eine Abschätzung noch eine Hochrechnung in den Unterlagen. Es dränge sich der Verdacht auf, dass die Beitragssenkung willkürlich "ins Blaue hinein" erfolgt sei. Der Wirtschaftsplan 2016 belege, dass mit der Beitragssenkung ein Rücklagenabbau nicht vorgesehen gewesen sei. Denn eine mögliche Rücklagenentnahme sei nur im Zusammenhang mit dem Umbau der Dachterrasse etc. vorgesehen gewesen. Zu einer Entnahme aus der Betriebsmittelrücklage habe die Beitragssenkung nicht führen sollen. Im Zuge der Neufassung der Haushalts- und Kassenordnung habe die Kammerversammlung selbst festgestellt, dass die Betriebsmittelrücklage als vollständig entbehrlich angesehen werde.

Der Haushaltsplan sei auch in Bezug auf die Beiträge zu BÄK rechtswidrig. Der Kläger habe keinen Zugriff auf die Jahresrechnungen der BÄK. Er gehe davon aus, dass Beitragszahlungen mit Blick auf das Geschäftsjahr 2010/2011, in dem die BÄK fast 4.000.000 Euro aus Beteiligungen erwirtschaftet habe, dazu beitrügen, einen erheblichen gewerblichen Wirtschaftsbetrieb zu finanzieren. Die Beklagte sei an die Grundsätze staatlichen Haushaltsrechts, insbesondere das Kostendeckungsprinzip, gebunden. Auch der zulässige Zusammenschluss von Ärztekammern verfüge nicht über weitergehende Rechte. Da die Beklagte Beträge an die BÄK zahle, erweise sich ihre Haushaltsplanung ebenfalls als rechtswidrig. Dies bestätige auch der Landesrechnungshof in seinem Schreiben an die Beklagte vom 29. August 2019, nach dem sich die Beklagte gegenüber der BÄK für eine sparsame Haushaltsführung und für eine maßvolle Finanzierung durch die Landesärztekammern einzusetzen habe. Die Beklagte sei daher verpflichtet, hinsichtlich der an die BÄK weitergeleiteten Mittel auf eine zulässige Verwendung zu achten. Eine pauschale Weiterleitung nach einem statischen Umlagesystem stehe dazu im Widerspruch. Der Kläger sehe diesbezüglich insbesondere die von der BÄK gezahlten Aufwandsentschädigungen als wesentlich zu hoch an.

Darüber hinaus seien die Aufwandsentschädigungen in Höhe von 340.000 Euro und das Übergangsgeld in Höhe von 90.000 Euro wegen des Verstoßes gegen das Gebot der Sparsamkeit rechtswidrig. Dieses belegten auch Feststellungen des Landesrechnungshofes in dessen Schreiben an die Beklagte vom 29. August 2019 zu den Aufwandsentschädigungen. Mit der Neufassung der Entschädigungsordnung habe die Beklagte lediglich eine Umschichtung der unzulässig hohen Alimentierung der Funktionäre vorgenommen. Dies werde einer sparsamen und wirtschaftlichen Vorgehensweise nicht gerecht. Dazu und zum veranschlagten Übergangsgeld für Funktionäre habe sich der Landesrechnungshof ebenfalls geäußert.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Ergänzend trägt sie vor, dass sie über eine Haushalts- und Kassenordnung, nicht aber über ein Finanzstatut verfüge. Die von dem Kläger vorgebrachten Einwände träfen nicht zu.

Soweit der Kläger auf Entscheidungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts verweise, seien diese auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Denn die Entscheidungen befassten sich mit den Besonderheiten der Beitragserhebung durch die Industrie- und Handelskammern. Nach dem Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) sei bestimmt, dass die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Kammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt seien, nach Maßgabe des Haushaltsplans (Wirtschaftsplan) durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht werden müssten. Dagegen bestimme der für den Ärztekammerbeitrag maßgebliche § 8 Absatz 1 HKG, dass zur Durchführung der Aufgaben der Kammern für Heilberufe aufgrund einer Beitragsordnung Beiträge von den Kammermitgliedern erhoben würden, soweit sonstige Einnahmen nicht zur Verfügung stünden. Dies zeige, dass es nicht auf die Planung ankomme, sondern auf die tatsächliche Situation. Daher sei auch die Entwicklung in 2016, dem Beitragsjahr, zu berücksichtigen.

Übertrage man die Rechtsprechung zu den IHK-Beiträgen auf den vorliegenden Fall, ergäbe sich nichts anderes. Denn die Höhe der gebildeten Rücklagen sei nicht unverhältnismäßig gewesen und führe auch nicht zu einer unzulässigen Vermögensbildung. Die Rücklagen in dieser Höhe seien auch erforderlich gewesen, da sich die Kosten des Neubaus des Ärztehauses voraussichtlich auf 75.000.000 Euro belaufen. Trotz der Bildung der Bauerneuerungsrücklage sei die Aufnahme von Darlehen erforderlich gewesen.

Weiter sei zu berücksichtigen, dass der Beklagten für die Bemessung der Kammerbeiträge ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe. Die gerichtliche Überprüfung sei darauf beschränkt, ob der Satzungsgeber die äußersten Grenzen seines Gestaltungsspielraums überschritten habe. Dies sei nur anzunehmen, wenn die Bemessung der Mitgliedsbeiträge gegen das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitssatz verstoße. Nicht zu prüfen sei, ob die Beklagte die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden habe. Auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht habe keine Bedenken in Bezug auf die Beitragsordnung und das ihr zugrunde gelegte System der Beitragserhebung nach Beitragsgruppen etc. gehabt.

Einwendungen gegen die Bemessung des Mitgliedsbeitrages wegen Verstoßes gegen das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitssatz habe der Kläger nicht vorgebracht.

Im Übrigen könnten zukünftige Einnahmen in der Haushaltsplanung nur geschätzt werden. Dies läge daran, dass diese auch durch die Entwicklung der Mitgliederanzahl und deren Einkommensentwicklung beeinflusst werde. Die Mitgliederanzahl habe sich in der Vergangenheit erhöht, sodass sich die Einnahmen der Beklagten schon aus diesem Grund erhöht hätten. Hinzu seien andere Umstände gekommen, beispielsweise höhere Tarifabschlüsse. Auf diese Umstände könne nur zeitlich verzögert reagiert werden, weil sich diese nicht voraussagen ließen. Daher habe die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach die Beiträge gesenkt (2014 um 15 %, 2015 um 25 % und 2016 um 15 %). Dies zeige, dass es ihr nicht um eine rechtswidrige Vermögensbildung gehe, sondern sie dem mit deutlich reduzierten Beiträgen entgegengewirkt habe. Wäre die Umgliederung von Mitteln in die Bauerneuerungsrücklage nicht notwendig gewesen, wären auch in den Jahren nach 2016 weitere Senkungen des Beitrages erfolgt.

Dass über dem Haushaltsplan 2016 "Entwurf" stehe, ändere an der Endgültigkeit nichts. Der Zusatz rühre daher, dass der Haushaltsplan mit der Einladung zur Sitzung der Kammerversammlung am 28. November 2015 als Entwurf verschickt worden sei. Da keine Änderungen beschlossen worden seien, sei der Entwurf automatisch in die Endfassung erwachsen. Das Gleiche sei beim Haushaltsplan 2015 der Fall gewesen.

Allein der Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan 2016 und allein die zu diesem Zeitpunkt bekannten Finanzdaten seien nicht maßgeblich. Die Rechtmäßigkeit der Rücklagen beurteile sich nicht nach dem Stand vom 31. Dezember 2014, sondern vielmehr nach den für das Haushaltsjahr 2016 geltenden Zahlen. Damit sei die Neustrukturierung und Umgliederung der Rücklagen für die Beiträge 2016 relevant. Darauf, dass im Haushaltsplan für 2016 noch nicht die Beiträge aus der allgemeinen Betriebsmittelrücklage in die Bauerneuerungsrücklage umgegliedert worden seien, komme es nicht an. Bei den Industrie- und Handelskammern sei eine unzulässige Vermögensbildung nicht am Reinvermögen zu messen. Vielmehr komme es darauf an, ob die insgesamt geplante Rücklagenhöhe über das erforderliche Maß hinausgehe. Wenn dies für die Industrie- und Handelskammern gelte, könne nichts anderes für die Beklagte gelten.

Der § 2 Absatz 4 HKO erlaube in besonderen Fällen Rücklagen in Anlehnung an das Rücklagenrecht für die Gemeinden. Damit werde auf § 123 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) Bezug genommen. Danach werden Rückstellungen für Verpflichtungen gebildet, die dem Grunde nach zu erwarten sind, deren Höhe oder Fälligkeit aber noch ungewiss sei. Dies sei bei der Bauerneuerungsrücklage der Fall gewesen.

Die "Betriebsmittelrücklage" sei im Jahr 2016 mehrfach umgegliedert worden. Zum 31. Dezember 2015 habe sie 11.345.818,03 Euro betragen. Im Jahr 2016 seien dann 5.177.758,09 Euro entnommen und der Bauerneuerungsrücklage zugeführt worden. Außerdem seien 1.068.059,94 Euro zur Deckung der Gewinn- und Verlustrechnung entnommen worden. Allein durch die letzte Entnahme sei die Betriebsmittelrücklage auf 10.277.758,09 Euro gesunken, was einem Anteil am Haushaltsvolumen 2016 von 49,69 % entspreche. Dies entspreche der Vorgabe des § 2 Absatz 4 HKO. Unter Berücksichtigung der Entnahme für die Bauerneuerungsrücklage sinke der Anteil am Haushaltsvolumen sogar auf 24,66 %.

Der Nachweis eines konkreten Bedarfs sei für die Betriebsmittelrücklage nicht erforderlich. Sinn der Betriebsmittelrücklage sei es gerade, den regelmäßigen Bedarf zu decken. Letzterer ergebe sich jedenfalls aus dem Haushaltsplan. Basis für die Bildung der Betriebsmittelrücklage sei der Haushaltsplan 2016. In diesem seien die Planwerte für 2016, die Werte des laufenden Jahres und die Werte aus der Erfolgsrechnung des vergangenen Jahres dargestellt. Letztere seien die festgestellten tatsächlichen Werte, die die Grundlage für die kommende Planung bildeten. Diese Werte seien keine Vermutung, sondern eine Feststellung. Das Gleiche gelte für die Fortschreibung dieser Werte, die Grundlage jeder Planung seien. Dabei würde bei jeder Position überprüft werden, ob die Werte des Vorjahres angesetzt werden könnten oder die konkreten Umstände eine Änderung rechtfertigten. Im Haushaltsplan 2016 sei dies etwa bei der Beitragssenkung um 15 % und der Entnahme aus Rücklagen wegen des Sitzungszimmers besonders gekennzeichnet worden.

Der Hinweis auf die Einschätzung des Landesrechnungshofes sei nicht maßgeblich. Denn Aufsichtsbehörde der Beklagten sei das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung. Ungeachtet dessen habe der Landesrechnungshof festgestellt, dass der bis Ende 2015 geltende Soll-Wert als Obergrenze aufgefasst werden könne. Dieser Wert werde nicht überschritten.

Die Beklagte plane keine dubiosen Umbauprojekte. Vielmehr habe sich inzwischen herausgestellt, dass statt Umbauten nun entweder eine Kernsanierung oder ein kompletter Neubau des Verwaltungsgebäudes erforderlich sei. Hierfür seien mindestens 44.000.000 Euro notwendig. Die "Bauerneuerungsrücklage" in Höhe von 9.000.000 Euro werde daher bei weitem nicht ausreichen. Daher sei es sachgerecht gewesen, diese Rücklagen nicht aufzulösen, sondern für die Bauerneuerung bereitzustellen.

Allein aus dem Umstand, dass die Beklagte gegenüber dem Landesrechnungshof den Begriff "Instandhaltungsrücklage" und anderenorts den Begriff der "Bauerneuerungsrücklage" verwendet habe, würden sich keine Zweifel an ihrem Vorbringen ergeben. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Bauerneuerungsrücklage erst neu geschaffen worden sei und der Begriff vorher noch nicht habe verwendet werden können.

In die "Bauerneuerungsrücklage" seien unter anderem die Mittel aus der "Instandhaltungsrücklage" geflossen. Soweit der Kläger vorträgt, es gebe keine Belege für die Zulässigkeit der Instandhaltungsrücklage, sei dieser pauschale Vorwurf nicht haltbar. Vielmehr habe für das im Jahr 1966 errichtete und inzwischen abgerissene Gebäude der Beklagten in der M. ein großer und regelmäßiger Bedarf an Instandhaltungsmaßnahmen bestanden. Zudem hätte es immer wieder erhebliche Probleme mit eindringendem Grundwasser gegeben. Auch diese Umstände hätten dazu geführt, sich für einen Neubau zu entscheiden.

Nicht nachvollzogen werden könne, warum der Kläger einerseits die Umgliederung von Rücklagen in die Bauerneuerungsrücklage kritisiere, andererseits aber auch die Existenz der Instandhaltungsrücklage. Ursprünglich sei geplant gewesen, das Altgebäude zu erweitern und umzubauen. Mit Kenntnis der Baumängel und des Sanierungsbedarfs seien diese Überlegungen obsolet gewesen. Hierzu verweist die Beklagte auf eine FAQ-Liste auf ihrer Internetseite. Obgleich es zuvor einzelne Sanierungsmaßnahmen gegeben habe, sei der Begriff des Sanierungsbedarfs im Kontext mit der Instandhaltung nicht verwendet worden. Dies sei erst im Zuge einer eventuellen Komplettsanierung der Fall gewesen.

Hinsichtlich der Bilanz 2014 addiere der Kläger Aktiva und Passiva, was nicht korrekt sei. Dem Bankguthaben von knapp 20.000.000 Euro als Aktivposten stünden die Rücklagen als Passivposten gegenüber. Das Bankguthaben decke damit die Rücklagen.

Ferner liege auch ein Verstoß gegen das Gebot der Sparsamkeit nicht vor. Dies gelte zunächst für die Aufwendungen für die BÄK. Soweit der Kläger auf Ausführungen des Landesrechnungshofs verweise, sei ein Verstoß nicht ersichtlich. Allein der Vorschlag des Landesrechnungshofs, sich bei der BÄK für eine sparsame Haushaltsführung und eine maßvolle Finanzierung einzusetzen, führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Aufwendungen für die BÄK.

Der Neubau erfolge auch nicht zum Zweck, angeblich rechtswidrig angehäufte Rücklagen umzuschichten. Die zuvor gebildeten Rücklagen seien wegen umfangreicher Investitionen aufgrund vorhandener Baumängel erforderlich gewesen. Die Beklagte habe dabei Anfang 2016 externe Sachverständige eingeschaltet. Im August 2016 sei mit einer Machbarkeitsstudie begonnen worden. Die Studie sei zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Neubau die wirtschaftlichste und nachhaltigste Option darstelle. Daraufhin habe die Kammerversammlung den Neubau am 14. Juni 2017 beschlossen, für den ein Budgetrahmen von zunächst 75.000.000 Euro und inzwischen 82.500.000 Euro vorgesehen sei.

Die Feststellungen des Landesrechnungshofs belegten auch nicht die Rechtswidrigkeit der Aufwandsentschädigungen. Der Landesrechnungshof habe zwar weitere Fragen an die Beklagte in diesem Zusammenhang gestellt, eine Bewertung enthalte dies aber nicht. Konkrete Rügen habe der Kläger hinsichtlich der Reisekosten- und Entschädigungsordnung nicht vorgebracht. Der Einwand des Klägers sei auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Kläger selbst ehrenamtlich für die Beklagte tätig sei und aufgrund der Reisekosten- und Entschädigungsordnung abrechne.

In Bezug auf das Übergangsgeld sei unklar, warum dieses rechtswidrig sein solle. Der Landesrechnungshof habe zwar moniert, dass seine Forderungen nicht umgesetzt worden seien. Hieraus ergebe sich aber nicht die Rechtswidrigkeit des Übergangsgeldes, was selbst der Landesrechnungshof nicht behaupte. Ungeachtet dessen sei das Übergangsgeld angemessen.

Schließlich könne die Zahlung von Beiträgen nicht mit der Begründung verweigert werden, die Beklagte verfolge gesetzesfremde Zwecke. Denn der Kammerbeitrag könne nicht mit der notwendigen Bestimmtheit einzelnen Aufgaben und Tätigkeiten zugeordnet werden. Das Kammermitglied könne daher gerichtlich die Unterlassung solcher Tätigkeiten beanspruchen, nicht aber den Kammerbeitrag verweigern.

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2019 hat der Kläger die Zulassung von Herrn N. O., Geschäftsführer des P. e. V., als Beistand beantragt. Mit Beschluss vom 13. Mai 2020 hat das Gericht Herrn O. als Beistand des Klägers in der mündlichen Verhandlung zugelassen.

Am 8. Dezember 2021 hat in dieser Sache eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Diesbezüglich wird auf die Niederschrift vom selben Tag verwiesen.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakte zum Verfahren L. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Sie ist als Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Absatz 1, 1. Alternative der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2017 verletzt den Kläger im Sinne des § 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO in seinen eigenen Rechten, weil er rechtswidrig ist. Die Beklagte veranlagte den Kläger für das Beitragsjahr 2016 zu Unrecht mit einem Beitrag in Höhe von 413,10 Euro.

Rechtsgrundlage der Beitragserhebung ist § 8 Absatz 1 HKG in Verbindung mit den §§ 1, 2 und 6 der Beitragsordnung der Beklagten vom 1. Februar 2005, zuletzt geändert am 28. November 2015.

Gemäß § 8 Absatz 1 HKG erheben die Kammern zur Durchführung ihrer Aufgaben aufgrund einer Beitragsordnung Beiträge von den Kammermitgliedern, soweit sonstige Einnahmen nicht zur Verfügung stehen. Nach § 1 BO erhebt die Beklagte zur Durchführung ihrer Aufgaben gemäß § 8 Absatz 1 HKG von ihren Kammermitgliedern einen Jahresbeitrag (Absatz 1). Die Veranlagung erfolgt nach Beitragsgruppen. Veranlagungsstichtag ist der 1. Februar (Absatz 2). Zur Veranlagung des Beitrages versendet die Beklagte regelmäßig Anfang des Beitragsjahres Schreiben an ihre Mitglieder (§ 5 Absatz 1 Satz 2 BO). Danach ermitteln die Mitglieder ihre relevanten Einkünfte aus dem Vorjahr des der Beitragserhebung vorausgegangen Jahres. Für das Beitragsjahr 2016 betraf dies Einkünfte aus dem Jahr 2014. Der den Schreiben anliegenden Beitragstabelle (§ 2 Absatz 5 BO) entnehmen die Mitglieder dann die Höhe des Beitrages, wobei gegebenenfalls eine für das jeweilige Beitragsjahr geltende Beitragsermäßigung zu berücksichtigen ist (vgl. Schreiben zur Veranlagung zum Beitrag 2014, 2015 und 2016, Bl. 171, 180 und 189 der Gerichtsakte - GA). Wenn die Beitragstabelle dem Schreiben beiliegt, hat die Beklagte die Beitragsbemessung zuvor abgeschlossen, das heißt vor Beginn des jeweiligen Beitragsjahres. Die Beitragsveranlagung erfolgt gemäß § 6 BO unter anderem dann durch Bescheid, wenn das Kammermitglied eine Beitragsveranlagung durch Bescheid beantragt.

So lag der Fall hier. Auf den Antrag des Klägers vom 6. Juli 2016 hat die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 18. Januar 2017 gemäß § 2 Absatz 5 BO für das Jahr 2016 in der Beitragsgruppe "085" zu einem Jahresbeitrag in Höhe von 486 Euro veranlagt. Von diesem Betrag hat die Beklagte gemäß § 9 Absatz 1 BO einen Abschlag in Höhe von 15 % vorgenommen und den von dem Kläger zu entrichtenden Betrag demnach auf 413,10 Euro (486 - 15 % = 413,10) festgesetzt.

Der Kläger bestreitet nicht, dass die Beklagte die Beitragsordnung gegenüber dem Kläger fehlerfrei angewandt hat.

Der Kläger greift den Beitragstarif vielmehr mit dem Vortrag an, die Mittelbedarfsfeststellung der Beklagten sei fehlerhaft. Das ist zulässig. Denn die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert nicht nur die Feststellung, ob der im Haushaltsplan festgesetzte Mittelbedarf der Kammer - die nicht durch Einnahmen (anderweitig) gedeckten Kosten ihrer Tätigkeit - durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf die Kammerzugehörigen umgelegt und ob die Beitragsordnung auch im Einzelfall fehlerfrei angewendet wurde. Geboten ist vielmehr ebenfalls die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Der Haushaltsplan ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen. Er ist auch der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit nicht entzogen. Beides wäre mit dem Gebot des Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes (GG), gegen die Beitragserhebung effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar (vgl. BVerwG, Urt. v. 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 -, juris Rn. 13 in einem Verfahren betreffend die Beiträge zu der Industrie- und Handelskammer).

Die Kammer besitzt bei der Aufstellung des Haushaltsplanes einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. Ferner sind die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (vgl. BVerwG, Urt. v. 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 -, juris Rn. 16 m.w.N.).

Die rechtlichen Anforderungen an den Haushaltsplan ergeben sich hier in erster Linie aus dem Satzungsrecht der Beklagten; das ist hier die Haushalts- und Kassenordnung der Beklagten vom 8. März 1997, zuletzt geändert am 24. November 2012. Nach § 1 Absatz 2 HKO ist vor jedem Geschäftsjahr rechtzeitig der Haushaltsplan aufzustellen und von der Kammerversammlung zu beschließen. Der Haushaltsplan muss alle im Kalenderjahr zu erwartenden Einnahmen, voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und voraussichtlich benötigten Verpflichtungsermächtigung enthalten und ist in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen (§ 1 Absatz 4 HKO). Gemäß § 2 Absatz 1 HKO ist der Vorstand der Kammer berechtigt, nach Maßgabe des Haushaltsplanes und nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erforderliche Ausgaben zu leisten und Verpflichtungen einzugehen. Eine allgemeine Rücklage soll gebildet werden. In ihr sind so viel Mittel anzusammeln, dass der regelmäßige Bedarf an Betriebsmitteln für sechs Monate gedeckt wird. In besonderen Fällen können Rücklagen in Anlehnung an das Rücklagenrecht für die Gemeinden gebildet werden (§ 2 Absatz 4 HKO).

Rücklagen dürfen nicht der Bildung von Vermögen dienen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. Juni 1990 - 1 C 45.87 -, juris Rn. 20). Das Maß der Rücklage muss von ihrem legitimen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan - und damit jährlich - erneut treffen. Ein Haushaltsplan kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält (vgl. BVerwG, Urt. v. 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 -, juris Rn. 18).

Der Prüfung ist die von der Beklagten im Prozess vorgetragene Bemessung der erforderlichen Höhe der Rücklage zu Grunde zu legen. Das gilt auch dann, wenn der Vollversammlung zur Vorbereitung der Entscheidung über die Mittelbedarfsfeststellung eine abweichende oder eine die prognostischen Leitentscheidungen nur unzureichend widerspiegelnde Darstellung der die Höhe betreffenden Prognose vorlag ("materielle Betrachtung", vgl. Nds. OVG, Urt. v. 17. September 2018 - 8 LB 129/17 -, juris Rn. 96 m.w.N. in einem Verfahren betreffend die Beiträge zu der Industrie- und Handelskammer).

Das Bundesverwaltungsgericht und das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht haben diese Maßstäbe bisher in Verfahren aufgestellt, die Rücklagen der Industrie- und Handelskammern betrafen. Diese Maßstäbe sind aber auch auf den Fall der Rücklagen einer Ärztekammer anzuwenden (im Ergebnis bereits VG Hamburg, Urt. v. 13. November 2018 - 17 K 1035/18 -, juris; VG Trier, Urt. v. 18. Juni 2018 - 2 K 1089/18.TR -, juris). Eine (inzidente) Überprüfung des Haushaltsplanes der Ärztekammer und damit der von ihr gebildeten Rücklagen im Beitragsrechtsstreit muss möglich sein, da andernfalls ein Verstoß gegen Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 GG vorläge (vgl. BVerwG, Urt. v. 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 -, juris Rn. 13). Die rechtlichen Anforderungen an die Haushaltsplanung und Rücklagenbildung bei der Industrie- und Handelskammer unterscheiden sich nicht erheblich von der bei der Ärztekammer Niedersachsen. Denn bei der beklagten Ärztekammer handelt es sich ebenso wie bei der Industrie- und Handelskammer um eine Körperschaft öffentlichen Rechts (vgl. § 1 Absatz 2 Satz 1 HKG sowie § 3 Absatz 1 IHKG), deren Pflichtmitglieder Kammerbeiträge zu zahlen haben. Gemäß § 8 Absatz 1 HKG erhebt die beklagte Ärztekammer "zur Durchführung ihrer Aufgaben" Beiträge; gemäß § 3 Absatz 2 Satz 1 IHKG werden "die Kosten der Errichtung und Tätigkeit" der Industrie- und Handelskammer durch Beiträge aufgebracht. Die beklagte Ärztekammer stellt dazu gemäß § 7 Absatz 1 Satz 1 HKG in Verbindung mit § 1 HKO einen "Haushaltsplan" auf; die Industrie- und Handelskammer gemäß § 3 Absatz 2 Satz 1 und 2 IHKG einen "Wirtschaftsplan". Beide Kammern haben bei der Aufstellung "die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" (§ 1 Absatz 3 Satz 2 HKO) bzw. der "sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung" (§ 3 Absatz 2 Satz 2 IHKG) zu beachten. Die Begriffe "Haushaltsplan" und "Wirtschaftsplan" werden in diesem Zusammenhang von dem Bundesverwaltungsgericht synonym verwendet (vgl. BVerwG, Urt. v. 9. Dezember 2015 - 10 C 6.15 -, juris Rn. 12 ff.). Es ist nicht ersichtlich, dass sich die rechtlichen Anforderungen an die Aufstellung eines Haushaltsplanes von denen an die Aufstellung eines Wirtschaftsplanes im Hinblick auf die Rücklagenbildung wesentlich unterschieden. Der Haushaltsplan ist von einem Mitglied der beklagten Ärztekammer ebenso wenig isoliert überprüfbar wie der Wirtschaftsplan von einem Mitglied der Industrie- und Handelskammer.

Dies zu Grunde gelegt genügt die von der Beklagten für das Jahr 2016 vorgehaltene Rücklage in Höhe von 11.237.183,62 Euro den rechtlichen Anforderungen nicht.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Haushaltsplanes ist im Ausgangspunkt das Datum des Beschlusses über seine Aufstellung. Das ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Haushaltsplan gemäß § 1 Absatz 2 HKO in zeitlicher Hinsicht vor einem jeden Geschäftsjahr auszustellen ist. Daraus, dass der Haushaltsplan gemäß § 1 Absatz 4 HKO alle im Kalenderjahr zu erwartenden Einnahmen, voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und voraussichtlich benötigten Verpflichtungsermächtigungen enthalten muss, wird ersichtlich, dass bei der Beschlussfassung über den Haushaltsplan eine Prognose hinsichtlich der zu erwartenden Einnahmen oder Ausgaben erforderlich ist. Diese Prognose muss möglichst realitätsnah sein. Wie andere Prognosen sind auch die vielfach erforderlichen Einnahmen- und Ausgabenschätzungen nicht schon dann als Verstoß gegen das Wahrheitsgebot zu bewerten, wenn sie sich im Nachhinein als falsch erweisen. Sie müssen stets nur aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 17. September 2018 - 8 LB 129/17 -, juris Rn. 77).

Der Haushaltsplan 2016 der Beklagten war zu diesem Zeitpunkt rechtswidrig.

Das Gericht geht nur den im Gerichtsverfahren vorgebrachten Rügen nach; zu einer ungefragten Fehlersuche besteht kein Anlass (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 17. September 2018 - 8 LB 129/17 -, juris Rn. 84).

Die Rechtswidrigkeit des Haushaltsplanes 2016 ergibt sich daraus, dass dieser, wie der Kläger geltend gemacht hat, die Beibehaltung einer unzulässigen Rücklage vorsieht.

Der Haushaltsplan der Beklagten sieht die Beibehaltung einer Rücklage in Höhe von 11.237.183,62 Euro vor. Ausweislich des Finanzberichts 2014 der Beklagten beliefen sich die Rücklagen des Beklagten zum Stichtag des Finanzberichts 2014, dem 31. Dezember 2014, auf 21.942.683,62 Euro (vgl. Bl. 144 GA). Der Haushaltsplan 2016 sah Entnahmen von dieser Rücklage im Jahr 2015 in Höhe von 5.516.000,00 Euro und im Jahr 2016 in Höhe von 5.189.500,00 Euro vor (vgl. Bl. 134 GA, bzgl. der für das Jahr 2015 geplante Entnahmen vgl. ebenso Bl. 128 GA).

Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen, die Beibehaltung der Rücklage in dieser Höhe sei wegen des Neubaus des Ärztehauses erforderlich gewesen. Einen sachlichen Grund für die Beibehaltung der Rücklage sieht das Gericht hierin nicht. Dabei kommt es nach Ansicht des Gerichts weder darauf an, ob der Neubau des Ärztehauses tatsächlich erforderlich war, noch darauf, in welchem Verhältnis die Kosten des geplanten Neubaus zu den vorhandenen Rücklagen stehen.

Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt des Beschlusses der Vollversammlung über den Haushaltsplan am 28. November 2015 war der Beschluss über den Neubau des Ärztehauses noch nicht gefasst.

Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus S. 3 des Haushaltsplanes 2016 (Bl. 134 GA), in welchem unter der Überschrift "Einnahmen" im Kapitel "Beiträge und Gebühren" der Titel 2500 "Entnahmen aus Rücklagen" in einer Höhe von 5.189.500 Euro aufgeführt ist. Zu diesem Titel ist vermerkt: "Unter Berücksichtigung des neu angedachten Umbaus der Dachterrasse im 8. OG oder Umbau im 2. oder 5. OG zu einem Sitzungszimmer". Daraus ergibt sich, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Beschlussfassung davon ausging, dass sie das Ärztehaus lediglich "umbauen", nicht aber "neubauen" werde.

Die Beklagte führt auch selbst an, dass sich die Notwendigkeit des Neubaus erst im Laufe des Jahres 2016 ergeben habe. So verweist sie im angefochtenen Bescheid auf die Berichterstattung im "ärzteblatt 10/2016" bzgl. des Neubaus und auf den Beschluss der Vollversammlung vom 14. September 2016. Hier war der Vollversammlung der Zwischenstand der Machbarkeitsstudie vorgestellt worden. Die Machbarkeitsstudie war im Sommer 2016 in Auftrag gegeben worden. Tatsächlich abgeschlossen wurde sie erst im April 2017. Eine Erhöhung des Kammerbeitrages - im Sinne eines Sonderbeitrages "Neubau Kammergebäude" - wurde erstmals Im Jahr 2018 für die Jahre 2019 - 2021 beschlossen.

Allein die Tatsache, dass die Beklagte die Notwendigkeit des Neubaus im Laufe des Jahres 2016 feststellte und beschloss, die Rücklagen hierfür zu verwenden, führt nicht zu einer "Heilung" des Haushaltsplanes 2016. Unabhängig davon, ob eine solche Heilung durch nachträglichen Beschluss der Vollversammlung möglich ist (dafür: Nds. OVG, Urt. v. 17. September 2018 - 8 LB 129/17 -, juris Rn. 100 m.w.N.), liegt ein solcher Beschluss hier nicht vor. Es ist auch keine andere Willensbildung der Vollversammlung ersichtlich, aus der sich eine Heilung ergeben könnte. Insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus dem Beschluss der Vollversammlung vom 14. September 2016. Denn in diesem hat die Vollversammlung den Haushaltsplan für das Jahr 2017 aufgestellt. Ein Bezug zum Haushaltsplan 2016 ist aus dem Beschluss nicht ersichtlich.

Die Rücklage ist auch nicht deshalb als rechtmäßig anzusehen, weil sich die Rücklage in Höhe von 11.237.183,62 Euro daraus ergibt, dass die Beklagte eine noch höhere Rücklage in Höhe von 21.942.638,62 Euro Im Jahr 2014 reduziert hat, indem sie für die Jahre 2015 und 2016 Entnahmen aus den Rücklagen und keine Zuweisungen vorgesehen hat.

Denn für welche Zwecke die Rücklage in Höhe von 11.237.183,62 Euro erforderlich gewesen ist und aus welchem Grund eine Rückführung auf ein geringeres, zulässiges Maß möglicherweise nicht möglich gewesen ist, ist von der Beklagten nicht dargelegt worden und für das Gericht auch nicht ersichtlich.

Darauf, ob sich die Rücklage im Rahmen von § 2 Absatz 4 Satz 2 HKO befand, kommt es nach alldem nicht an. Gemäß § 2 Absatz 4 Satz 2 HKO sind in der Rücklage so viel Mittel anzusammeln, dass der regelmäßige Bedarf an Betriebsmitteln für sechs Monate gedeckt wird. Die Haushalts- und Kassenordnung der Ärztekammer Niedersachsen ist aber Satzungsrecht der Beklagten. Sie hat nicht höheren Rang, sondern muss die haushalts- und beitragsrechtlichen Vorgaben des Kammergesetzes für die Heilberufe und sonstiges höherrangiges Recht beachten (Nds. OVG, Urt. v. 17. September 2018 - 8 LB 129/17 -, juris Rn. 106). Aus diesem ergeben sich die oben dargestellten Anforderungen.

Aus diesem Grund kann auch dem Verweis auf § 123 Absatz 2 NKomVG nicht gefolgt werden. § 123 Absatz 2 NKomVG bestimmt, dass die Kommune Rückstellungen für Verpflichtungen bilden können, die dem Grunde nach zu erwarten sind, deren Höhe oder Fälligkeit aber noch ungewiss ist. Es ist bereits fraglich, ob die für die niedersächsischen Kommunen geltenden Rechtssätze hier (entsprechend) herangezogen werden können. Denn die Beklagte ist keine Gebiets-, sondern eine Personalkörperschaft und kann sich als solche insbesondere nicht auf Artikel 28 GG berufen. Darüber hinaus bestimmt § 123 Absatz 2 NKomVG, dass "Rückstellungen" gebildet werden können. Solche Rückstellungen sind aber von den vorliegend in Streit stehenden "Rücklagen" zu unterscheiden. So hat es die Beklagte später auch tatsächlich gehandhabt, indem sie in ihrem Haushaltsplan 2016 die "Rückstellungen" gesondert von den "Rücklagen" auswies. Ausweislich des Haushaltsplanes 2016 sollten im Beitragsjahr 2016 Rückstellungen in Höhe von 1.000.000 Euro "unter Berücksichtigung des neu angedachten Umbaus der Dachterrasse im 8. OG oder Umbau im 2. oder 5. OG zu einem Sitzungszimmer" erfolgen. Darauf, ob die Bildung einer solchen Rückstellung im Jahr 2016 zulässig war, kommt es nach dem oben gesagten nicht mehr an.

Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Unterteilung der Rücklage in eine "Betriebsmittelrücklage", eine Rücklage "Sachanlagen/Gebäude" und eine "Rücklage für Großreparaturen" sachgerecht war.

Der Kläger ist der Ansicht, der Jahresbericht des Landesrechnungshofes Niedersachsen für 2015 spreche für eine überhöhte rechtswidrige Rücklagen- und Vermögensbildung der Beklagten. Einen selbständigen Mangel der Beitragsfestlegung begründet dies nicht. Soweit der Kläger darauf verweist, der Landesrechnungshof habe "Auffälligkeiten bei den Rücklagen der Kammern" festgestellt, sind diese Ausführungen derart unkonkret, dass nicht ersichtlich ist, welche Rechte der Kläger daraus für sich herleiten will. Zuzustimmen ist dem Kläger dahingehend, dass der Landesrechnungshof gegenüber der Beklagten keine Entscheidungskompetenz hat.

Der Kläger trägt vor, die Abgaben der Beklagten an die BÄK seien rechtswidrig. Dies führt nicht zu einem selbständigen Mangel der Beitragsfestlegung. Für die Annahme des Klägers, weil die BÄK im Geschäftsjahr 2010/2011 fast 4.000.000 Euro erwirtschaftet habe, seien die Grundsätze staatlichen Haushaltsrechts, insbesondere das Kostendeckungsprinzip, missachtet worden, sind keine objektiven Anhaltspunkte ersichtlich.

Die Beitragserhebung ist rechtswidrig, weil der Beitragstarif, nach dem der Beitrag berechnet wurde, rechtswidrig ist. Denn nach dem oben Ausgeführten ist die Mittelbedarfsfeststellung im Haushaltsplan rechtswidrig.

Die Rechtswidrigkeit der Mittelbedarfsfeststellung wirkte sich nur dann nicht aus, wenn festgestellt werden könnte, dass ein Mittelbedarf in derselben Höhe auch ohne Verstoß gegen Haushaltsrecht ermittelt worden wäre. Die Rechtswidrigkeit hätte sich dann nicht auf die Gestaltung des Beitragstarifs ausgewirkt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. April 2002 - 9 CN 1.01 -, juris Rn. 31 ff.). Dies lässt sich jedoch nicht feststellen. Die zu untersuchende Frage ist dabei nicht, ob die tatsächliche erfolgte Mittelbedarfsfeststellung rechtswidrig ist, sondern ob im Ergebnis dieselbe Mittelbedarfsfeststellung auch bei Einhaltung der geltenden Vorschriften erfolgen müsste. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn die Berücksichtigung einer Position zu dem angegebenen Zweck gegen den Grundsatz der Haushaltswahrheit verstößt, diese Position aber bei korrekter Deklaration ihres Zwecks rechtmäßigerweise berücksichtigt werden dürfte. Erforderlich ist hierbei jedoch, dass kein Gestaltungsspielraum der Beklagten besteht. Denn das Gericht würde seine Befugnisse überschreiten, wenn es selber eine nur mögliche, aber von der Ausübung des Gestaltungsspielraums seitens der Beklagten abhängige Prognose der erforderlichen Mittel anstellte. Es steht aber nicht fest, dass die Beklagte auch bei rechtmäßigem Vorgehen zu einer Mittelbedarfsfeststellung in derselben Höhe hätte gelangen müssen (Nds. OVG, Urt. v. 17. September 2018 - 8 LB 129/17 -, juris Rn. 153). Ein objektiv bestehender Mittelbedarf lässt sich hier nicht beziffern. Denn eine ordnungsgemäße Prognose fehlt. Es ist aber Sache der Beklagten eine solche Prognose vorzulegen. Welche rechtlichen Grenzen einer solchen Kompensation im Übrigen gesetzt sind, muss nicht entschieden werden.

Es kommt nicht in Betracht, den Beitragsbescheid nur teilweise aufzuheben, soweit der Beitrag überhöht erscheint, weil sich der "korrekte" Mittelbedarf durch das Gericht nicht beziffern lässt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nummer 11 und § 711 der Zivilprozessordnung.

Gründe für eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 Absatz 2 Nummer 3 und 4 in Verbindung mit § 124a Absatz 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.