Versionsverlauf

Pflichtfeld

  • ab 16.07.2020 (aktuelle Fassung)

Abschnitt 2 ZPZARdErl - Aufgaben von Polizei, Staatsanwaltschaft, Ausländer- und Leistungsbehörden, Jugendämtern, Agenturen für Arbeit und Jobcentern, Gewerbe- und Ordnungsbehörden sowie unteren Gesundheitsbehörden

Bibliographie

Titel
Zusammenarbeit zum Schutz von Betroffenen des auf sexuelle Ausbeutung gerichteten Menschenhandels und der Zwangsprostitution
Redaktionelle Abkürzung
ZPZARdErl,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21021

2.1
Kooperation zwischen Polizei, Staatsanwaltschaften, Behörden und Fachberatungsstellen

2.1.1 Polizei, Staatsanwaltschaft, Ausländer- und Leistungsbehörden, Jugendämter, Agenturen für Arbeit und Jobcenter, Gewerbe- und Ordnungsbehörden sowie untere Gesundheitsbehörden informieren die Fachberatungsstellen umgehend in geeigneter Form über alle Fälle, in denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Personen vom Menschenhandel oder der Zwangsprostitution betroffen sind und der Unterstützung durch die Fachberatungsstellen bedürfen. Sie tauschen relevante Informationen untereinander aus, soweit dem nicht Belange des Strafverfahrens, des Opfer-, Jugend- oder Datenschutzes entgegenstehen. Der Austausch kann unter dieser Bedingung beispielsweise Informationen über durchgeführte und geplante Einsätze und Maßnahmen, Sachstände in Strafverfahren, Ermittlungs- und Verwaltungsvorgängen, die Situation einzelner Betroffener sowie Lagebilder umfassen. In geeigneten Fällen werden die Fachberatungsstellen bereits in Einsatzvorbereitungen eingebunden. Dabei ist sicherzustellen, dass die Identität der Betroffenen ohne ihr Einverständnis gegenüber den Fachberatungsstellen nicht preisgegeben wird. In jedem Fall sind die Betroffenen umgehend über die Möglichkeit der Unterstützung durch eine unabhängige Fachberatungsstelle aufzuklären. Die Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft im Strafverfahren und die damit verbundene Befugnis zur Entscheidung über die Weitergabe von Informationen bleiben unberührt und sind zu beachten.

2.1.2 Die Jugendämter, Ausländer- und Leistungsbehörden, Agenturen für Arbeit und Jobcenter sowie Gewerbe- und Ordnungsbehörden und unteren Gesundheitsbehörden unterstützen die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei sowie die zum Schutz, zur Unterstützung und zur Betreuung der Betroffenen durch die Fachberatungsstellen und die Polizei getroffenen Maßnahmen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit. Im Fall von minderjährigen Betroffenen und erzieherischem Bedarf kann es sich bei der zuständigen Leistungsbehörde i. S. der Regelungen der Nummer 2 um ein Jugendamt handeln.

2.2
Aufgabe der Polizei und der Staatsanwaltschaften; Voraussetzungen und Durchführung von Zeugenschutzmaßnahmen, Opferschutzmaßnahmen und anderen gefahrenabwehrenden Maßnahmen

2.2.1 Die Staatsanwaltschaft beurteilt die Erforderlichkeit der Zeugenaussage von Betroffenen und die ermittlungsführende Polizeidienststelle deren Gefährdung unter besonderer Berücksichtigung

  • der Schwere des Delikts,

  • der Bedeutung der Zeugenaussage für das Strafverfahren,

  • der Gefährlichkeit der Täterinnen oder Täter sowie deren Umfeldes,

  • angedrohter oder tatsächlicher Repressalien und

  • der persönlichen Umstände der oder des Betroffenen.

2.2.2 Die Behördenleitung des LKA entscheidet im Benehmen mit der Staatsanwaltschaft auf Antrag der ermittlungsführenden Dienststelle, auf Basis der Beurteilungen gemäß Nummer 2.2.1, über die Einstufung des Gefährdungsgrades. Des Weiteren entscheidet sie unter Berücksichtigung der Richtlinie des LKA "Zeugenschutz und Operativer Opferschutz" über die Aufnahme in den Zeugenschutz oder über die Durchführung von zeugenschutzähnlichen Maßnahmen.

2.2.3 Erforderliche polizeiliche Schutzmaßnahmen und polizeiliche Betreuungsmaßnahmen für Betroffene i. S. der Nummer 1.2.2, insbesondere im Zusammenhang mit

  • der Einrichtung oder Aufhebung von Sperrvermerken,

  • der Klärung des aufenthaltsrechtlichen Status,

  • der Klärung staatlicher Alimentationsmöglichkeiten sowie

  • Terminen in der Öffentlichkeit, die der Gefährderseite bekannt sein könnten (z. B. Gerichtstermine),

trifft grundsätzlich die am Wohn- oder Unterbringungsort der oder des Betroffenen zuständige Polizeiinspektion, bzw. im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Hannover der Zentrale Kriminaldienst, nach Beratung durch die und in enger Abstimmung mit der Zeugenschutz- und Opferschutzdienststelle im LKA. Darüber hinaus können in besonderen Fällen temporäre operative Maßnahmen in Abstimmung mit der örtlichen zuständigen Dienststelle durch die Zeugen- und Opferschutzdienststelle des LKA getroffen werden. Über die Übernahme des Schutzes und der Betreuung von Betroffenen i. S. der Nummer 1.2.2, die aus anderen Bundesländern oder dem Ausland zuziehen, entscheidet die Zeugenschutzdienststelle im Einvernehmen mit der am neuen Wohnort zuständigen Polizeiinspektion und - sofern es sich um ausländische Betroffene handelt - der Ausländerbehörde. Im Einzelfall kann der Kontakt zu Betroffenen i. S. der Nummer 1.2.2 über das Ende der Gerichtsverhandlung hinaus, bei ausreisepflichtigen Betroffenen jedoch längstens bis zur Ausreise, gehalten werden. Die Schutz- und Betreuungsmaßnahmen werden grundsätzlich nicht von der ermittlungsführenden Organisationseinheit durchgeführt. Die Polizei entscheidet jeweils im Benehmen mit der Staatsanwaltschaft.

2.2.4 Die örtlich zuständigen Polizeiinspektionen oder der Zentrale Kriminaldienst der Polizeidirektion Hannover treffen in eigener Zuständigkeit im Benehmen mit der Staatsanwaltschaft erforderliche Schutzmaßnahmen für Betroffene i. S. der Nummern 1.2.3 und 1.2.4. Die Zeugenschutzdienststelle steht auch in diesen Fällen beratend zur Verfügung.

2.2.5 Polizeiliche Schutzmaßnahmen und polizeiliche Betreuungsmaßnahmen für Betroffene i. S. der Nummern 1.2.2 bis 1.2.4 sind in enger Zusammenarbeit mit den Fachberatungsstellen und Leistungsbehörden zu treffen.

Außer Kraft am 1. Januar 2026 durch Nummer 6 des Runderlasses vom 16. Juli 2020 (Nds. MBl. S. 728)