Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 01.12.2015, Az.: 3 A 5492/11
Aufenthalt; fehlende; gewöhnlicher; Hilfebeginn; nachträgliche; Personensorge; Vaterschaftsanerkennung; Zuständigkeit; örtliche
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 01.12.2015
- Aktenzeichen
- 3 A 5492/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 45170
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 86 Abs 3 SGB 8
- § 86 Abs 5 S 2 SGB 8
- § 89a S 3 SGB 8
- § 112 SGB 10
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. § 86 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. SGB VIII (a. F.) erfasst nicht die Fälle, in denen die Eltern bereits bei oder vor Beginn der Hilfe verschiedene g. A. besessen haben.
2. § 89a Abs. 3 SGB VIII greift auch in Fällen, in denen sich nicht nachträglich der g. A. der bisher für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgeblichen Anknüpfungsperson im Sinne eines Ortswechsels geändert hat, sondern auf Grund der Änderung anderer Umstände nach Hilfebeginn (hier: nachträgliche Vaterschaftsanerkennung) für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit (ggf. zusätzlich) auf den g. A. einer weiteren Person abgestellt werden muss.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt die Rückerstattung von Kosten, welche sie der Beklagten zunächst für die stationäre Unterbringung des Kindes C.. in einer Pflegefamilie für das Jahr 2007 erstattet hatte.
Der Hilfeempfänger D.. wurde am 14.10.1998 in B-Stadt in einem Krankenhaus geboren. Bis zum 13.01.1999 verblieb er anschließend in stationärer Krankenhausbehandlung. Seine unverheiratete Mutter lebte im Zeitpunkt der Geburt noch bei ihren Eltern in B-Stadt, bezog aber kurz danach zwischenzeitlich eine eigene Wohnung in B-Stadt. Der (seinerzeit lediglich mutmaßliche) Kindesvater war der Beklagten bekannt, die Vaterschaft allerdings zu der Zeit weder anerkannt noch festgestellt. Er lebte in der E..
Am 13.01.1999 nahm die Beklagte den Hilfeempfänger aus dem Kinderkrankenhaus heraus in Obhut und brachte ihn in einer Bereitschaftspflegestelle in F. in der Region B-Stadt unter.
Im Rahmen eines familiengerichtlichen Verfahrens bzgl. der Entziehung oder Beschränkung des Sorgerechts vor dem AG B-Stadt erklärte sich die seinerzeit noch (allein) sorgeberechtigte Kindesmutter im Februar 1999 bereit, in eine Mutter-Kind-Einrichtung zu wechseln, um dort ein Zusammenleben mit ihrem Kind zu erproben. Zugleich stellte sie am 18.02.1999 einen Antrag auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung (HzE) in Form der Vollzeit- bzw. Bereitschaftspflege. Diesem Antrag gab die Beklagte mit Bescheid vom 04.03.1999 gemäß §§ 27, 33 KJHG/SGB VIII rückwirkend zum 18.02.1999 statt. Der Kindesvater lebte zu der Zeit weiterhin in der E..
Wegen der vorgesehenen Zusammenführung mit dem Kind hielt sich die Kindesmutter ab dem 15.06.1999 in einer Jugendhilfeeinrichtung in G. auf. Anfang Juli 1999 startete in der Einrichtung der Versuch des Zusammenlebens von Mutter und Kind, der jedoch kurz darauf als gescheitert angesehen wurde. Am 13.07.1999 wechselte die Kindesmutter mit Billigung des Jugendamtes der Beklagten mit dem Kind für eine Nacht in den Haushalt ihrer Eltern in B-Stadt. Dort nahm die Beklagte das Kind am 14.07.1999 erneut gemäß § 42 SGB VIII in Obhut und brachte es wiederum in der Bereitschaftspflegestelle in F. unter. Einen neuen Hilfeantrag stellte die Kindesmutter zunächst nicht.
Eine im September 1999 im Rahmen des weiterhin laufenden familiengerichtlichen Verfahrens verabredete erneute Zusammenführung von Kindesmutter und Kind im Haushalt der Eltern der Kindesmutter in B-Stadt unter intensiver ambulanter Betreuung durch eine Familienhelferin begann am 01.11.1999, scheiterte aber letztlich noch in der Anbahnungsphase. Da die Kindesmutter wiederholt und zunehmend Termine nicht oder nicht pünktlich einhielt und sich die Vermutung ergab, dass sie gar nicht, wie vereinbart, im Haushalt ihrer Eltern lebte, wurde diese Maßnahme in einem Hilfeplangespräch am 18.01.2000 beendet. Das Kind war in dieser Phase weiterhin in der Bereitschaftspflegestelle verblieben.
Mit Beschluss vom 23.04.2000 entzog das AG B-Stadt der Kindesmutter die Personensorge für das Kind und übertrug diese dem Jugendamt der Beklagten als Ergänzungspfleger. Auf dessen Antrag bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 20.06.2000 rückwirkend zum 24.05.2000 (Datum des Antrags) HzE in Form der Vollzeitpflege zunächst weiterhin als Bereitschaftspflege in der bisherigen Pflegestelle. Die Kindesmutter lebte zu der Zeit wieder bei ihren Eltern in B-Stadt; der (mutmaßliche) Kindesvater wohnte in H.. Die Vaterschaft für das Kind war zu der Zeit weiterhin weder anerkannt noch festgestellt.
Zum 05.08.2000 wechselte das Kind in eine im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten ansässige Dauerpflegestelle. Hierüber erließ die Beklagte gegenüber dem eigenen Jugendamt als Ergänzungspfleger einen weiteren Bewilligungsbescheid unter dem 16.08.2000. Nach der Hilfeplanung war ein dauerhafter Verbleib des Kindes in einer stationären Jugendhilfemaßnahme vorgesehen, da die Kindesmutter als dauerhaft nicht erziehungsfähig angesehen wurde.
Am 31.10.2001 erklärte der Kindesvater gegenüber der Beklagten urkundlich seine Vaterschaft. Die Kindesmutter bestätigte dies in der Folge jedoch zunächst nicht.
Zum 29.04.2002 verzog die Kindesmutter nach A-Stadt. Die Vaterschaft war zu dem Zeitpunkt weiterhin weder rechtswirksam anerkannt noch festgestellt. Der Kindesvater verzog am 13.05.2002 nach B-Stadt.
Auf Ersuchen der Beklagten erkannte die Klägerin mit Schreiben vom 05.08.2002 ihre (Kosten-)Zuständigkeit ab dem 29.04.2002 an. Im Hinblick auf den ohnehin bevorstehenden Zuständigkeitswechsel gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII setzte die Beklagte die Leistungsgewährung fort.
Am 23.06.2005 erklärte die Kindesmutter in öffentlicher Urkunde ihre Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung. Der für die Ausübung der Personensorge für das Kind bestellte Ergänzungspfleger erklärte mit Urkunde vom 28.06.2005 ebenfalls seine Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung. Der Kindesvater lebte zu der Zeit weiterhin in B-Stadt, die Kindesmutter in A-Stadt.
Auch in der Folgezeit lebten die Kindeseltern jeweils an unterschiedlichen Orten. Die Beklagte verblieb in der Leistungszuständigkeit gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII. Die Klägerin erstattete der Beklagten auf Anforderung jeweils die aufgewendeten Jugendhilfekosten. Für das Jahr 2007 zahlte sie an die Beklagte einen Betrag in Höhe von insgesamt 10.860,77 Euro.
Mit Schreiben vom 10.05.2011 widerrief die Klägerin gegenüber der Beklagten ihre Kostenerstattungszusage vom 05.08.2002 und bat um Rückerstattung bereits an die Beklagte gezahlter Kostenerstattungsbeträge gemäß § 112 SGB X. Sie vertrat in dem Schreiben die Auffassung, dass ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt (g. A.) der Kindesmutter und des Kindes vor Hilfebeginn nicht bestanden habe. Die Grundzuständigkeit für die Leistungsgewährung müsse deshalb gemäß § 86 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 4 SGB VIII nach dem Aufenthalt des Kindes vor Beginn der Leistung bestimmt werden. Dieser habe nicht in A-Stadt gelegen.
Mit Schreiben vom 22.06.2011 widersprach die Beklagte der Auffassung der Klägerin. Die Grundzuständigkeit sei am 29.04.2002 mit dem Zuzug der Kindesmutter nach A-Stadt auf die Klägerin übergegangen. Daran habe nachfolgend auch die Vaterschaftsanerkennung nichts geändert. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. vom 09.12.2010, Az. 5 C 17/09) sei die am 29.04.2002 begründete Grundzuständigkeit der Klägerin auch danach gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII dort verblieben, da keinem Elternteil die Personensorge zustehe.
In dem sich anschließenden Schriftwechsel blieben die Beteiligten bei ihrer jeweiligen Rechtsansicht.
Die Klägerin hat am 23.12.2011 Klage erhoben, die sie auf die von ihr für den Zeitraum vom 01.01. - 31.12.2007 an die Beklagte gezahlten Erstattungsbeträge begrenzt hat. Sie macht geltend:
Mit der Rechtswirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung im Juni 2005 sei die Grundzuständigkeit für die Jugendhilfemaßnahme neu zu bestimmen, da diese sich dadurch nicht mehr aus § 86 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII habe ableiten lassen. Dabei sei fiktiv zu Grunde zu legen, dass die Vaterschaft bereits bei Hilfebeginn anerkannt gewesen sei. Bei Hilfebeginn am 24.05.2000 hätten die Kindeseltern unterschiedliche g. A. gehabt und der zuvor allein sorgeberechtigten Kindesmutter sei die Personensorge bereits entzogen gewesen. Die Zuständigkeit sei demgemäß ab Vaterschaftsanerkennung nach § 86 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 4 SGB VIII zu bestimmen, da das Kind zu keinem Zeitpunkt bei seiner Mutter einen g. A. gehabt habe. Vor Beginn der Leistung habe das Kind seinen - gewöhnlichen oder auch nur tatsächlichen - Aufenthalt im Bereich der Beklagten gehabt. Damit sei die Grundzuständigkeit zumindest ab dem 23.06.2005 wieder auf die Beklagte zurückgefallen. Dass (auch) die nachträgliche Vaterschaftsanerkennung auf den Zeitpunkt der Geburt zurückwirke, ergebe sich aus dem Zivilrecht, innerhalb dessen die ex-tunc-Wirkung der nachträglichen Anerkennung allgemein anerkannt sei. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (Urt. vom 25.03.2010, 5 C 12/09, juris) sei an eine im BGB familienrechtlich abschließende Statusregelung einer familienrechtlichen Beziehung zuständigkeitsrechtlich anzuknüpfen, wenn andere Gesetze darauf Bezug nähmen, ohne ihrerseits eine besondere Regelung zu treffen. Nach alledem sei die neuere Rechtsprechung des BVerwG zur Auslegung des § 86 Abs. 5 SGB VIII für den vorliegenden Fall nicht relevant, da nach Leistungsbeginn eine zuständigkeitsrelevante Veränderung gar nicht mehr eingetreten sei. Als solche sei vom BVerwG neben einer Veränderung des g. A. bisher nur eine nachträgliche Änderung des Personensorgerechts angesehen worden, die hier nicht gegeben sei. Das OVG Nordrhein-Westfalen habe sich in seiner gegenteiligen Entscheidung vom 19.02.2013 (12 A 1434/12) mit den zivilrechtlichen Wirkungen der nachträglichen Anerkennung bzw. Feststellung der Vaterschaft gerade nicht auseinandergesetzt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin - einen Betrag von 10.860,77 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, mit dem Eintritt der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung sei ein (erneuter) Wechsel der Grundzuständigkeit nicht eingetreten. Nach Wortlaut und Regelungszweck des § 86 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII sei die örtliche Zuständigkeit erst mit der Wirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung oder -feststellung ab dem Zeitpunkt, also ex nunc, neu zu bestimmen. Nach der neueren Rechtsprechung des BVerwG sei die Zuständigkeit ab dem Eintritt der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII zu beurteilen. Das BVerwG habe klargestellt, dass diese Vorschrift eine umfassende Regelung aller Konstellationen darstelle, in denen die Kindeseltern - wie im vorliegenden Fall - nach Leistungsbeginn unterschiedliche g. A. besäßen und sie nicht sorgeberechtigt seien. Danach sei die bis zum Eintritt der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung begründete (Grund-)Zuständigkeit der Klägerin auch für den Zeitraum danach bestehen geblieben, da die Kindeseltern nachfolgend jedenfalls bis zum 31.12.2007 zu keinem Zeitpunkt einen einheitlichen g. A. begründet hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beteiligten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin den an sie für das Jahr 2007 gezahlten Erstattungsbetrag hinsichtlich der für die Jugendhilfeleistungen zugunsten des Kindes C.. aufgewendeten Kosten zurückzuerstatten.
1. Die Klägerin stützt ihren Rückerstattungsanspruch zu Recht auf § 112 SGB X. Danach sind gezahlte Erstattungsbeträge zurückzuerstatten, soweit die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Die von der Klägerin für das Jahr 2007 in Bezug auf die für C.. erbrachte Jugendhilfe an die Beklagte geleistete Erstattung erfolgte zu Unrecht, denn die Beklagte hatte für diesen Zeitraum gegen die Klägerin keinen Erstattungsanspruch (mehr) aus dem dafür allein in Betracht kommenden § 89a VIII.
a) Nach § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Jugendhilfeträger aufgrund seiner Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Gemäß § 89a Abs. 3 SGB VIII wird, wenn sich während der Gewährung der Leistung nach Absatz 1 der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt ändert, derjenige örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig wäre. Dadurch wird die Kostenerstattungspflicht grundsätzlich dynamisch an die sog. Grundzuständigkeit für den Jugendhilfefall gekoppelt.
b) Die Beklagte war am 05.08.2002 gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII für die (weitere) Leistung von Jugendhilfe für das Kind D.. (primär) leistungszuständig geworden. Das Kind lebte zu dem Zeitpunkt seit zwei Jahren bei einer bestimmten Pflegeperson im Zuständigkeitsbereich der Beklagten und sein weiterer Verbleib dort war auf Dauer zu erwarten.
Ausgehend davon stand der Beklagten ab dem Zeitpunkt ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gegenüber demjenigen Jugendhilfeträger zu, der zuvor zuständig war, oder es - ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII - gewesen wäre. Mit der vorherigen Zuständigkeit ist diejenige gemeint, die vor dem auf § 86 Abs. 6 SGB VIII beruhenden Wechsel der primären Leistungszuständigkeit zuletzt bestanden hat (vgl. Kunkel/Pattar, LPK-SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 89a Rn. 2). Kostenerstattungspflichtig war danach zum damaligen Zeitpunkt, was zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig ist, zunächst die Klägerin, deren (vorherige) örtliche (Grund-)Zuständigkeit sich aus § 86 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII ergab. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit war seit Leistungsbeginn, der - auch insoweit zu Recht - von den Beteiligten unstreitig auf den 24.05.2000 datiert wird, und auch noch am 05.08.2002 der g. A. der Kindesmutter, weil die Vaterschaft bis dahin mangels der gemäß § 1595 Abs. 1 BGB erforderlichen Zustimmungserklärung der Kindesmutter weder rechtswirksam anerkannt noch gerichtlich festgestellt war. Die Kindesmutter hatte seit dem 29.04.2002 ihren g. A. im Zuständigkeitsbereich der Klägerin.
c) Mit Wirkung ab dem 28.06.2005 ist für die Frage der Kostenerstattungspflicht nach § 89a SGB VIII die örtliche (Grund-)Zuständigkeit für die Jugendhilfeleistung für C.. neu zu bestimmen. Zum diesem Zeitpunkt ist im Sinne des § 89a Abs. 3 SGB VIII eine nachträgliche Veränderung des nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalts eingetreten.
Am 28.06.2005 fiel § 86 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII als personale Anknüpfungsregelung für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit weg. Die Zuständigkeit richtet sich danach nämlich nur „solange“ nach dem g. A. allein der Kindesmutter, wie die Vaterschaft weder rechtswirksam anerkannt noch festgestellt ist. Die vom Kindesvater bereits im Jahr 2001 urkundlich erklärte Anerkennung der Vaterschaft wurde am 28.06.2005 rechtswirksam. Die Kindesmutter erklärte gemäß § 1595 Abs. 1 BGB in der erforderlichen Form des § 1597 Abs. 1 BGB (öffentliche Urkunde) am 23.06.2005 ihre Zustimmung, der Ergänzungspfleger die gemäß § 1595 Abs. 2 BGB außerdem erforderliche Zustimmung des Kindes, weil der Kindesmutter die Personensorge zu dem Zeitpunkt bereits komplett entzogen war, in der nach § 1597 Abs. 1 BGB geforderten Form am 28.06.2005.
Die Formulierung „Ändert sich … der maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt“ in § 89a Abs. 3 SGB VIII erfasst nach Auffassung der Kammer nicht nur Veränderungen tatsächlicher Art im Sinne einer Ortsveränderung der (bisher) für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgeblichen Anknüpfungsperson sondern nach ihrem sprachlichen Sinngehalt und nach Sinn und Zweck der Norm auch andere Veränderungen der Sach- und/oder Rechtslage, wenn sie dazu führen, dass dadurch zuständigkeitsrechtlich für die Bestimmung der örtlichen (Grund-)Zuständigkeit auf den g. A. einer anderen Person oder auf ein anderes personales Anknüpfungsmerkmal als zuvor abgestellt werden muss (ebenso für Veränderungen in der Personensorge: Kunkel/Pattar, LPK-SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 89a, Rn. 20, m. w. N. auch zur Gegenauffassung; offen gelassen von BVerwG, Urt. vom 09.12.2010, 5 C 17/09, juris, Rn. 14). Schon vom Wortlaut her lassen sich unter die Regelung auch Fälle subsumieren, in denen sich zwar der g. A. der bisher maßgeblichen Anknüpfungsperson nicht ändert, aber auf Grund von anderen Veränderungen - wie hier dem rechtlichen Hinzutritt des Kindesvaters - nach Maßgabe des § 86 Abs. 1 - 5 SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ggf. auf den g. A. einer anderen Person als bisher oder zumindest auch auf den g. A. einer weiteren Person abzustellen ist. Der erkennbare Regelungszweck des § 89a Abs.1, 3 SGB VIII liegt zudem darin, die Kostenerstattungspflicht an die Grundzuständigkeit für den Hilfefall zu koppeln. Die Kostenerstattungsvorschriften des SGB VIII dienen insgesamt dazu, zwischen den Jugendhilfeträgern einen möglichst gerechten Belastungsausgleich zu schaffen. Es ist kein überzeugendes Argument dafür ersichtlich, warum ein Jugendhilfeträger, der nach Maßgabe des § 86 Abs. 1 - 5 SGB VIII nicht auf Grund des Wechsels des g. A. der bisher maßgeblichen Anknüpfungsperson sondern auf Grund anderer Veränderungen der Sach- und/oder Rechtslage ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII für den Jugendhilfefall zuständig geworden wäre, gleichwohl von einer Kostenerstattungspflicht verschont werden sollte und dafür derjenige Jugendhilfeträger, der bisher (grund-)zuständig war, es aber auf Grund einer Veränderung der Sach- und/oder Rechtslage nach Maßgabe des § 86 Abs. 1 - 5 SGB VIII nicht mehr ist, weiterhin erstattungspflichtig bleiben soll.
d) Die Kammer teilt die Auffassung der Klägerin, dass die erforderliche Neubestimmung der örtlichen Zuständigkeit ab dem 28.06.2005 nicht nach § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII (in der im vorliegenden Fall noch anwendbaren, bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung, - a. F. -) sondern nach § 86 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 oder 4 SGB VIII zu erfolgen hat.
aa) Allerdings ist der Beklagten zuzugeben, dass nach der neueren Rechtsprechung des BVerwG auf die vorliegende Fallkonstellation die Regelung des § 86 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. SGB VIII (a. F.) anzuwenden wäre. Das BVerwG versteht § 86 Abs. 5 SGB VIII als eine umfassende Regelung für verschiedene gewöhnliche Aufenthalte der Eltern nach Leistungsbeginn. Dabei soll es nach seiner Auffassung in den Fällen des § 86 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. SGB VIII (a. F.), d. h. bei fehlendem Sorgerecht der Eltern, nicht auf die zeitliche Abfolge der zuständigkeitsrelevanten Kriterien ankommen. Vielmehr soll die Regelung in dieser Konstellation alle Fallgestaltungen erfassen, in denen die Eltern nach Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte „besitzen“, d. h. auch solche Fälle, in denen die Eltern - wie hier - bereits vor bzw. bei Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte hatten und solche während des Leistungsbezuges beibehalten haben (vgl. BVerwG, Urt. vom 09.12.2010, 5 C 17/09, juris, Rn. 21). Dabei geht das BVerwG davon aus, dass sich § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII (a. F.) nur hinsichtlich seiner ersten Tatbestandsvariante (gemeinschaftliches Sorgerecht beider Elternteile) auf den vollständigen Regelungsgehalt des Absatzes 5 Satz 1 der Norm bezieht, während die Regelung mit ihrer zweiten Tatbestandsvariante (fehlende Personensorge beider Elternteile) nur teilweise an Satz 1 anknüpfen soll, indem insoweit gerade kein Bezug zum dortigen Verb „Begründen“ besteht (so explizit Urt. vom 14.11.2013, 5 C 34/12, juris, Rn. 23 f.). Zur Begründung verweist das BVerwG darauf, dass es der Konzeption des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII (a. F.) zuwider liefe, die örtliche Zuständigkeit weiterhin an den (künftigen) gewöhnlichen Aufenthalt eines Elternteils zu binden und sie mit diesem "mitwandern" zu lassen, wenn beiden Elternteilen das Sorgerecht entzogen sei. Die individuellen Jugendhilfeleistungen nach dem SGB VIII würden Eltern in Anerkennung ihrer in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG beruhenden Verantwortung gewährt. Sie seien darauf ausgerichtet, die Erziehungsfähigkeit der Elternteile zu stärken und ihre erzieherische Kompetenz zu fördern, um auf diese Weise eine eigenständige Wahrnehmung der elterlichen Erziehungsverantwortung zu ermöglichen. Dieser Situation Rechnung tragend verfolgten die Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit das Ziel, durch eine grundsätzliche Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Erziehungsverantwortlichen eine effektive Aufgabenwahrnehmung sicherzustellen (BVerwG, Urt. vom 14.11.2013, 5 C 34/12, a.a.O., Rn. 25).
Zwar lag den zitierten Entscheidungen des BVerwG kein Fall der nachträglichen Anerkennung der Vaterschaft zu Grunde. Zudem hat es seine Aussage, es komme in den Fällen des § 86 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. SGB VIII auf die zeitliche Reihenfolge der zuständigkeitsrelevanten Kriterien nicht an, im Urteil vom 09.12.2010 (5 C 17/09, a.a.O., Rn. 21) in einem Klammerzusatz auf die Kriterien - „Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte“ oder „gemeinsame oder fehlende Personensorge beider Elternteile“ - nicht aber explizit auch auf den rechtlichen Hinzutritt des Kindesvaters nach Hilfebeginn bezogen. Schließlich hat es in jenem Urteil weiter ausgeführt, § 86 Abs. 3 SGB VIII erfasse (nur) die Fälle, in denen die Eltern vor bzw. bei Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte hätten und schon in diesem Zeitpunkt keinem Elternteil die Personensorge zustehe (a.a.O., Rn. 22). Eine solche Situation war im hier vorliegenden Fall gegeben.
Gleichwohl hat die Kammer aber, wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten erörtert, keinen Zweifel daran, dass bei Anwendung dieser Rechtsprechung des BVerwG auch der hier vorliegende Fall einer nachträglichen Vaterschaftsanerkennung bei fehlender Personensorge und verschiedenen g. A. beider Eltern sowohl im Zeitpunkt der erforderlichen Neubestimmung der örtlichen Zuständigkeit als auch schon bei Hilfebeginn als unter § 86 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. SGB VIII (a. F.) fallend anzusehen wäre. Das entspräche den Grundaussagen des BVerwG zum umfassenden Regelungscharakter des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII (a. F.) und zur Unbeachtlichkeit der zeitlichen Abfolge der jeweils zuständigkeitsrelevanten Kriterien in dessen zweiter Tatbestandsvariante, zumal sich die hier vorliegende Fallkonstellation als ein Unterfall der vom BVerwG benannten Variante einer „fehlenden Personensorge beider Elternteile“ verstehen lässt.
Bei einer solchen Anwendung des § 86 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. SGB VIII (a. F.) zur Neubestimmung der örtlichen Zuständigkeit ab dem 28.06.2005 wäre die örtliche (Grund-)Zuständigkeit der Klägerin nicht entfallen und die Klage deshalb abzuweisen. Denn nach dieser Vorschrift bleibt bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen die „bisherige Zuständigkeit“ bestehen. Damit ist diejenige örtliche Zuständigkeit gemeint, die vor deren erforderlicher Neubestimmung zuletzt bestanden hat (Lange in: jurisPK-SGB VIII, § 86 Rn. 99, m. w. N.). Das war im vorliegenden Fall die aus § 86 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII begründete Zuständigkeit der Klägerin.
bb) Die Kammer vermag jedoch der vom BVerwG vertretenen Auslegung des § 86 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. SGB VIII (a. F.) auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die weitere Rechtsprechung sich ihr - soweit ersichtlich - nach der Entscheidung des BVerwG vom 14.11.2013 (5 C 34/12, juris) zumindest „aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit“ (vgl. VG Aachen, Urt. vom 20.11.2014, 1 K 2893/12, juris, Rn. 41; jüngst auch Nds. OVG, Beschl. vom 23.11.2015, 4 LA 223/14, juris, Rn. 3; weitergehend in der Sache auch: VG Koblenz, Urt. vom 23.02.2015, 3 K 1243/13.KO, juris, Rn. 28 ff) angeschlossen hat, nicht zu folgen. Sie ist weder mit dem Gesetzeswortlaut noch mit der Gesetzessystematik und dem Sinn und Zweck der Regelung vereinbar. Hierzu ist in jurisPK-SGB VIII, § 86 Rn. 103 ff. ausgeführt:
„Das vom Senat gefundene Ergebnis ist unter Beachtung des allgemeinen Sprachverständnisses und grammatikalischer Grundregeln schon mit dem Gesetzeswortlaut eigentlich unvereinbar. Denn die Konjunktion „oder“ zwischen den beiden Tatbestandsvarianten des Satzes 2 gibt diesen Varianten innerhalb des Sinngefüges des Satzes einen gleichrangigen Stellenwert. Zudem erscheint es grammatikalisch vom Aussagegehalt des Satzes 1 her auch nicht nachvollziehbar, in der Formulierung „Begründen … nach Beginn der Leistung …“ überhaupt zwei getrennt voneinander zu betrachtende Tatbestandsmerkmale zu erblicken. Denn die Formulierung „nach Beginn der Leistung“, bei der es sich um eine adverbiale zeitliche Bestimmung handelt, ergäbe ohne das dazu gehörende Verb „Begründen“ aus sich selbst heraus keinen eine Normanwendung ermöglichenden Sinn. Vielmehr sind diese Satzbauteile grammatikalisch zwingend aufeinander bezogen. Es handelt sich also dabei in Wirklichkeit nur um ein einziges Tatbestandsmerkmal. Gleichwohl zu behaupten, dem Wortlaut des Absatzes 5 Satz 2 sei „bei gesonderter Betrachtung nicht zu entnehmen, welche Merkmale des Satzes 1 der Vorschrift in Bezug genommen werden“, und darauf aufbauend für die beiden Tatbestandsvarianten eine unterschiedlich weit reichende Bezugnahme anzunehmen, ist angesichts dessen schon rein grammatikalisch betrachtet eine äußerst kühne, besser gesagt unzulässige These. Dass die „Formulierung „nach Beginn der Leistung“ in der Tat eines Verbes bedarf, um überhaupt in einen schlüssigen Sinnzusammenhang gebracht werden zu können, räumt auch der Senat ein, indem er in den Text der Regelung das Wort „besitzen“ hineininterpretiert, das dort aber nicht steht.
Weiterhin verstößt die Interpretation des Senats gegen die Regeln der systematischen und der teleologischen Auslegung, weil sie nicht zu erklären imstande ist, … wieso sie – wenn sie denn für die dem § 86 SGB VIII vom Senat zugeschriebene Grundkonzeption eine solch grundlegende Bedeutung hat – an derart „versteckter“ Stelle der Vorschrift und nicht im Regelungskontext des Absatzes 3 platziert ist. … Das teleologische Argument des Senats ließe sich überdies genauso auf diejenigen Fälle anwenden, in denen bei gemeinsamer Sorge der Elternteile beide einen neuen, verschiedenen gewöhnlichen Aufenthalt begründen (vgl. Rn. 97), gibt also für eine teleologische Auslegung der Norm im Sinne einer Differenzierung der beiden Tatbestandsvarianten eigentlich nichts Substanzielles her sondern spräche eher dagegen. Außerdem stimmt auch die These von einer – durchgängigen bzw. einheitlichen – Regelungskonzeption des § 86 SGB VIII bzgl. einer Anknüpfung der „wandernden“ Zuständigkeit an die Personensorge nicht, wie insbesondere Absatz 1 zeigt, der eine solche Dynamik gerade unabhängig von der Zuordnung der Personensorge anordnet.
Und schließlich ignoriert der Senat auch die Entstehungsgeschichte und dabei insbesondere den Umstand, dass der Gesetzgeber seiner vorherigen Rechtsprechung mit der Einfügung der Worte „in diesen Fällen“ in den Satz 2 ausdrücklich „klarstellend“ entgegentreten wollte. Aus der Gesetzesbegründung wird nämlich deutlich, dass nach der Auffassung des Gesetzgebers § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII schon bisher, entsprechend seiner systematischen Stellung, nur auf die Fallkonstellation des Satzes 1 Bezug nahm. Daraus erklärt sich auch, warum das Gesetz keine Klausel zur Einbeziehung von Altfällen enthält. Einer solchen bedurfte es nicht, denn die Gesetzesergänzung stellt gar keine Änderung, sondern nur eine Klarstellung der – materiell unveränderten – Rechtslage dar.“
Diese Bewertung wird von der Kammer geteilt. Auf den vorliegenden Fall bezogen ist die teleologische Argumentation des BVerwG im Übrigen auch deshalb nicht überzeugend, weil wegen der durchgehenden primären Leistungszuständigkeit der Beklagten nach § 86 Abs. 6 SGB VIII ein Wechsel in der Fallbearbeitung gar nicht stattfand. Vielmehr geht es hier ausschließlich um die Frage, ob ein Wechsel in der bloßen Grundzuständigkeit und damit in der Kostentragungspflicht eingetreten ist. Die Kontinuität der Hilfegewährung und damit die vom BVerwG zur Begründung seiner Auffassung betonte effektive Aufgabenwahrnehmung waren demgegenüber weiterhin unabhängig von der Auslegung des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII (a. F.) gewährleistet. Schon dieser Fall zeigt damit exemplarisch, dass die vom BVerwG herangezogene teleologische Argumentation die von ihm vertretene Auslegung des § 86 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. SGB VIII (a. F.) letztlich nicht durchgängig trägt, sondern nur einen Teil der in Frage kommenden Fallkonstellationen zu erfassen vermag. Dabei stellt die (dauerhafte) Unterbringung und Betreuung eines hilfebedürftigen jungen Menschen in einer Pflegefamilie und damit die Wahrung der Betreuungskontinuität über § 86 Abs. 6 SGB VIII auch nicht etwa einen für die Normauslegung zu vernachlässigenden Sonderfall dar. Zu bedenken ist schließlich, dass die Notwendigkeit der Gewährung einer Jugendhilfeleistung sich nicht nur aus den in §§ 27 ff SGB VIII erfassten Sachverhalten sondern auch aus § 35a SGB VIII ergeben kann. Der daraus folgende Anspruch ist rechtlich unmittelbar dem Kind selbst zugeordnet und gründet auch nicht auf dem aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitenden Erziehungsrecht und der Erziehungsverantwortung der Eltern. Eine Leistung nach § 35a SGB VIII ist gerade nicht (vorrangig) darauf ausgerichtet, „die Erziehungsfähigkeit der Elternteile zu stärken und ihre erzieherische Kompetenz zu fördern, um auf diese Weise eine eigenständige Wahrnehmung der elterlichen Erziehungsverantwortung zu ermöglichen“. Gleichwohl richtet sich auch die örtliche Zuständigkeit für diese Leistung nach §§ 86 ff. SGB VIII. Angesichts dieser Umstände kann die Argumentation des BVerwG die oben zitierten grammatikalischen und systematischen Gegenargumente nicht entscheidend entkräften (a. A. offenbar VG Koblenz, Urt. vom 23.02.2015, 3 K 1243/13.KO, juris, Rn. 36 ff).
cc) Nach Auffassung der Kammer setzt eine Anwendbarkeit des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII (a.F.) wegen seiner umfassenden Anknüpfung an Satz 1 der Vorschrift vielmehr in beiden Tatbestandsvarianten voraus, dass die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte „begründen“. Das bedingt eine Veränderung der Aufenthaltssituation der Elternteile nach Leistungsbeginn in dem Sinn, dass sie vor Leistungsbeginn bzw. „vor der zuständigkeitsrelevanten Veränderung des gewöhnlichen Aufenthalts“ ihren g. A. im Zuständigkeitsbereich desselben Jugendhilfeträgers hatten (insoweit richtig: BVerwG, Urt. vom 14.11.2013, 5 C 34/12, juris, Rn. 19). Dieses Normverständnis schließt eine Anwendbarkeit des § 86 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. SGB VIII (a. F.) im vorliegenden Fall aus. Dabei kommt es auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die nachträgliche Anerkennung der Vaterschaft zuständigkeitsrechtlich auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes zurückwirkt, nicht an, denn die Kindeseltern hatten zu keinem Zeitpunkt vor oder nach Hilfebeginn einen einheitlichen gewöhnlichen Aufenthalt.
e) Ist der vorliegende Fall als Konsequenz der vorstehenden Überlegungen im Hinblick auf die ab dem 28.06.2005 erforderliche Neubestimmung der örtlichen (Grund-)Zuständigkeit an § 86 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 oder 4 SGB VIII zu messen, ist die (Grund-)Zuständigkeit der Klägerin und damit auch deren Kostenerstattungspflicht nach § 89a Abs. 1, 3 SGB VIII gegenüber der Beklagten ab dem Zeitpunkt entfallen.
Nach § 86 Abs. 3 SGB VIII gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 der Norm entsprechend, wenn die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und keinem Elternteil die Personensorge zusteht. Nach § 86 Abs. 2 Satz 2 bzw. Satz 4 SGB VIII kommt es letztlich auf den gewöhnlichen, oder in Ermangelung eines solchen auf den tatsächlichen Aufenthalt des Kindes vor Beginn der Leistung an. Welche der in den Regelungen abgebildeten Varianten im vorliegenden Fall letztlich einschlägig ist, namentlich die Frage, ob das Kind zu irgendeinem Zeitpunkt vor Hilfebeginn überhaupt bereits einen g. A. und wenn ja ggf. einen gemeinsamen g. A. mit seiner Mutter begründet hatte, kann offenbleiben. Denn jedenfalls hielt sich das Kind C.. zu keinem Zeitpunkt im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Klägerin auf.
2. Der Zinsanspruch der Klägerin rechtfertigt sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB (std. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. vom 14.11.2013, 5 C 34/12, juris, Rn. 44, m. w. N.).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO.
4. Die Berufung ist gemäß § 124 Abs. 1, 2 Nr. 4 VwGO und die Sprungrevision ist gemäß § 134 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Das Urteil weicht hinsichtlich der Auslegung des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII (a. F.) von dem Beschluss des Nds. OVG vom 23.11.2015 (4 LA 223/14) und von dem Urteil des BVerwG vom 14.11.2013 (5 C 34/12) ab und beruht auch auf dieser Abweichung.