Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 28.01.2009, Az.: 1 A 380/08
Fehlverhalten; Finanzamt; Nichtentrichtung der Kfz-Steuer; Prinzip der Gerechtigkeit; § 14 KraftStG
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 28.01.2009
- Aktenzeichen
- 1 A 380/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 44117
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2009:0128.1A380.08.0A
Rechtsgrundlage
- § 14 KraftStG
Amtlicher Leitsatz
Führt das alleinige Fehlverhalten bei der Bearbeitung der Kfz-Steuer durch das Finanzamt zu einem (angeblich) Nichtentrichten der Steuer ist der Antrag nach § 14 KraftStG unwirksam mit der Folge der Rechtswidrigkeit der darauf basierenden Anordnung der Zulassungsbehörde
Abmeldung eines Kfz von Amts wegen nach § 14 KraftStG bei fehlerhafter Bearbeitung durch das Finanzamt
Tenor:
Nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO über die Verfahrenskosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Tatbestand:
Im vorliegenden Fall entspricht es billigem Ermessen, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Kläger wäre mit seiner Klage voraussichtlich erfolgreich gewesen. Er wendet sich gegen die Anordnung des Beklagten innerhalb eines Monats zur Abmeldung seines Fahrzeugs den Fahrzeugschein und -brief sowie die gestempelten Kennzeichen zur Außerbetriebsetzung vorzulegen, die Androhung der Ersatzvornahme bei Nichtbefolgung der Aufforderung bzw. bei Nichtbestätigung des Finanzamtes, dass der Außerbetriebsetzungsgrund entfallen sei, und die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 32,00 Euro. Grundlage dieser Anordnung war der Antrag des Finanzamtes E. an den Beklagten als zuständige Zulassungsbehörde, das Fahrzeug des Klägers von Amts wegen aufgrund (angeblicher) Nichtentrichtung der Kfz-Steuer abzumelden. Zwar ist der Beklagte nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) verpflichtet, auf Antrag des Finanzamtes ein Fahrzeug von Amts wegen abzumelden, doch war dieser Antrag aus den besonderen Umständen dieses Einzelfalles nicht gerechtfertigt und konnte die im Rahmen des § 14 KraftStG vorgesehene rechtliche Wirkung nicht entfalten.
Die (angebliche) Nichtentrichtung der Kfz-Steuer hat nämlich im vorliegenden Fall allein das Finanzamt E. zu vertreten. Die Ausübung eines materiell- oder verfahrensrechtlichen Rechtes kann nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn sie aufgrund besonderer Umstände, vor allem aufgrund des vorhergehenden Verhaltens des Berechtigten und der besonderen Vertrauenssituation auf der Gegenseite, im Ergebnis zu einer Verletzung des Prinzips der Gerechtigkeit im Einzelfalle, eines wesentlichen Bestandteils des Rechtsstaatsprinzips, führen würde (vgl. OVG Münster, Urteil vom 15.07.1986, VRS 72, 145, 147 f.). Ein derartiger besonderer Einzelfall liegt hier vor. Der Kläger hat selbst nach den Angaben des Finanzamtes seine Kfz-Steuer im Juni 2008 komplett durch Überweisung ausgeglichen. Das Finanzamt hat allerdings die bereits gezahlte Kfz-Steuer an einen Insolvenzverwalter erstattet, obwohl das Kraftfahrzeug aus der Insolvenzmasse freigegeben wurde und die Erstattung nicht hätte erfolgen dürfen. Es hat gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 12.11.2008 darauf hingewiesen, dass die Zahlung der Kfz-Steuer ihre Wirkung von Juni 2008 behalten müsse und der Antrag auf Zwangsabmeldung zu Unrecht ergangen sei.
Der Kläger hatte sich mehrmals an das Finanzamt gewendet und darauf hingewiesen, dass er die Kfz-Steuer entrichtet habe und ein angeblicher Erstattungsbetrag bei ihm nicht eingegangen sei. Trotzdem hat das Finanzamt den Kläger weiter aufgefordert, die Kfz-Steuer zu zahlen, ihm die Vollstreckung angedroht und den Antrag auf Zwangsabmeldung bei dem Beklagten gestellt. Der Kläger hat aus seiner Sicht alles für die Entrichtung der Kfz-Steuer Erforderliche getan. Das Fehlverhalten liegt allein auf Seiten des Finanzamtes, ohne dass der Kläger darauf weiteren Einfluss nehmen konnte. Es oblag dem Finanzamt, seine Buchungen sorgfältig zu prüfen. Wäre dies von Anfang an geschehen, wäre die Fehlbuchung sofort festgestellt worden und der Antrag auf Abmeldung von Amts wegen unterblieben.
Gründe
Der Antrag bei dem Beklagten war aufgrund des alleinigen Fehlverhaltens des Finanzamtes in der geschilderten Situation rechtlich nicht zulässig.
Die Unwirksamkeit des Antrages führt in der Folge zur Rechtswidrigkeit der Anordnung des Beklagten. Das Gericht verkennt nicht, dass der Beklagte auf das Verhalten des Finanzamtes keinen Einfluss hat, aber er muss es sich, auch wenn er dies weder kannte noch erkennen konnte, als Teil einer im vorliegenden Zusammenhang einheitlich zu sehenden Verwaltung zurechnen lassen. Im Rahmen des gemeinsamen Verwaltungshandelns nach § 14 Abs. 1 KraftStG ist der Beklagte zumindest berechtigt, wenn nicht sogar verpflichtet, von dem Finanzamt den Nachweis zu verlangen, dass der Fahrzeughalter seiner Steuerpflicht nicht nachgekommen ist (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 11.02.1974, NJW 1975, 358 [OVG Niedersachsen 11.02.1974 - VI OVGA 149/73] zum früheren § 16 KraftStG; VG Meiningen, Urteil vom 13.01.2004 - 2 K 677/02.Me -, juris).
Das Finanzamt wiederum muss dem Beklagten den Nachweis vorlegen, dass der Betroffene seine Steuerpflicht nicht erfüllt hat, was beinhalten kann, dass dem Beklagten als Zulassungsstelle der Erlass des Steuerbescheides, dessen Vollziehbarkeit und der Zahlungsrückstand in geeigneter Weise nachgewiesen wird. Nur so ist gewährleistet, dass der Fahrzeughalter davor geschützt ist, dass die Zulassungsstelle die Zwangsabmeldung trotz nicht mehr bestehender Steuerschuld durchführt (vgl. VG Meiningen, a.a.O.). Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass der Beklagte weder verpflichtet noch befugt ist zu prüfen, ob das Finanzamt das Besteuerungsverfahren bis zum Stilllegungsantrag fehlerfrei durchgeführt hat. Er hat den Steuerverwaltungsakt nicht materiell rechtlich zu überprüfen (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O.; VG Meiningen, a.a.O.).
Der Beklagte hat auch die vollständigen Verfahrenskosten zu tragen und nicht nur den den Streit über die Verwaltungsgebühren betreffenden Teil. Die Verfügung des Beklagten zur Außerbetriebsetzung von Amts wegen vom 09.10.2008 war nämlich zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 05.11.2008 noch nicht erledigt und damit fehlte es nicht am Rechtsschutzbedürfnis des Klägers. Zwar ist dem Kläger vom Finanzamt mit Schreiben vom 16.10.2008 mitgeteilt worden, dass seine überwiesene Steuer irrtümlich an den Insolvenzverwalter erstattet und jetzt wieder zurück gefordert wurde. Doch erhielt der Kläger vom Finanzamt keine Mitteilung, dass darüber auch der Beklagte informiert wurde und dieser das Verfahren nicht weiter betreibt. Daran ändert auch nichts, dass das Finanzamt den Beklagten mit Schreiben vom gleichen Tag über die Zahlung der Steuerschuld informiert hat und den Antrag auf Abmeldung von Amts wegen für erledigt erklärte. Von diesem Schreiben hatte der Kläger nämlich keine Kenntnis.
Der Beklagte hat den Kläger erst mit Schreiben vom 12.11.2008, also nach Klageerhebung, darüber informiert, dass sich durch die Mitteilung der Rückstandsaufhebung durch das Finanzamt die Abmeldung von Amts wegen erledigt hat. Angesichts seiner gesamten Erfahrungen mit dem Finanzamt konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass die Außerbetriebsetzung nicht weiterverfolgt werde. Sowohl dem Finanzamt als auch dem Beklagten wäre es ohne weiteres möglich gewesen, den Kläger zeitnah Mitte Oktober darüber zu unterrichten, dass die Kfz-Steuer gezahlt ist und die Außerbetriebsetzung seines Kraftfahrzeuges nicht weiter verfolgt werde. So aber war der Kläger gezwungen, zur Wahrung seiner Rechte Klage zu erheben.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 und 3 GKG i.V.m. Abschnitt II Nr. 46.15 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ( NVwZ 2004, 1327 ff). Das Gericht geht bei Verfahren um die Stilllegung eines Kraftfahrzeuges von dem halben Auffangstreitwert von 5 000,00 Euro, also 2 500,00 Euro, aus. Hinzu kommt die Verwaltungsgebühr in Höhe von 32,00 Euro.