Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 27.01.2009, Az.: 2 A 133/07
Ausbildungsförderung; Beweisanzeichen; Stichtag; Treuhandabrede; Vermögen
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 27.01.2009
- Aktenzeichen
- 2 A 133/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44115
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2009:0127.2A133.07.0A
Rechtsgrundlagen
- 27 I Nr. 2
- 28 III
- 29 III BAföG
Amtlicher Leitsatz
Nichtanerkennung einer Treuhandabrede in Auswertung des Urteils des BVerwG vom 04.09.2008 - 5 C 12/08 -
Tatbestand:
Die am ... geborene Klägerin studierte seit dem Wintersemester 1998/99 Deutsche Philologie, Wirtschaft und Geografie an der Beklagten. Sie beantragte und erhielt Ausbildungsförderungsleistungen von dem in diesen Angelegenheiten namens und in Vollmacht der Beklagten handelnden Studentenwerk Göttingen. So erhielt sie u.a. auf ihren Antrag vom 8. Juli 1999 für den Bewilligungszeitraum Oktober 1999 bis September 2000 Leistungen in Höhe von monatlich 143,75 Euro, insgesamt also 1 725,00 Euro. In dem Antragsformular gab sie an, Vermögen und/oder Schulden nicht gehabt zu haben.
Die Beklagte erhielt vom vormaligen Bundesamt für Finanzen eine Kontrollmitteilung, nach der die Klägerin für das Jahr 2000 einen Freistellungsauftrag über 1 051,00 DM an die Stadtsparkasse G. und einen über 80,00 DM an die Sparkasse H. erteilt hatte. Auf Nachfrage teilte die Klägerin mit, dass bei der Stadtsparkasse G. per 8. Juli 1999 ein Sparguthaben in Höhe von 32 569,01 DM und bei der Sparkasse H. ein Giroguthaben auf dem Konto 100189729 in Höhe von 9 726,10 DM bestanden hat. Der Großvater der Klägerin bestätigte, dass diese von dem Sparguthaben nichts gewusst habe, weil er alle Unterlagen in seiner Hand behalten hatte. Die Klägerin machte hinsichtlich des Girokontoguthabens geltend, es handele sich um Fremdgeld. In diesem Zusammenhang teilte ihre Mutter der Beklagten mit, sie habe ihre Tochter, die Klägerin, beauftragt, mit Geld das von ihr, bzw. ihrem Vater gestammt habe einen PKW zu kaufen, den sie ihr zur Verfügung stellen wollte. Ihren bisher der Klägerin überlassenen PKW habe sie selbst wieder gebraucht, nachdem sich im Sommer 1999 abgezeichnet habe, dass sie nach einer Operation und Resturlaub wieder anfangen würde zu arbeiten. Sie habe das Geld ihrer Tochter nicht zur freien Verfügung überlassen, sondern es ausschließlich zum Kauf des PKW bestimmt. Wäre es nicht zu diesem Kauf gekommen, hätte die Klägerin das Geld an sie bzw. ihren Vater, den Großvater der Klägerin, zurückzahlen müssen. Nachdem am 10. August 1999 5 000,00 DM und am 27. August 1999 6 000,00 DM vom Großvater auf dem Girokonto der Klägerin eingegangen waren und der Kontostand nunmehr 23 355,66 DM betrug, erwarb die Klägerin am 27. August 1999 einen PKW zu einem Kaufpreis von 22 200,00 DM. Das Fahrzeug wurde auf die Mutter der Klägerin zugelassen.
Mit Bescheid vom 30. Juli 2004 berechnete die Beklagte die der Klägerin im Bewilligungszeitraum von Oktober 1999 bis September 2000 zustehenden Ausbildungsförderungsleistungen mit 0.- DM neu und forderte von ihr zuviel gezahlte Leistungen in Höhe von 1 725,00 Euro zurück. Dabei ließ sie das Sparguthaben außen vor, rechnete der Klägerin aber ein Giroguthaben in Höhe von 9 726,10 DM zu. Ein Treuhandverhältnis könne nicht anerkannt werden, weil es nach außen hin nicht erkennbar gemacht worden sei. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2007 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 21. Juni 2007 Klage erhoben.
Sie ist der Ansicht, ihr könne der Vermögensbetrag nicht zugerechnet werden, da sie das Geld für ihre Mutter und ihren Großvater treuhänderisch gehalten habe. Es habe für sie die Verpflichtung bestanden von dem Geld einen PKW für ihre Mutter zu kaufen. Im Übrigen sei dieses Treuhandverhältnis noch vor Beginn des Bewilligungszeitraums vollständig rückabgewickelt worden, so dass sie bei Beginn dieses Zeitraums über keinerlei anzurechnendes Vermögen mehr verfügt habe.
Die Klägerin hat unter Vorlage eines Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 6. Oktober 2007 vorgetragen, ihre aus der Gewährung von Ausbildungsförderung stammenden Verbindlichkeiten aus Darlehensanteilen zurückgezahlt zu haben, so dass sich der Anwendungsbereich des streitgegenständlichen Bescheides mit dieser Rückforderung zumindest teilweise überschneide.
In der mündlichen Verhandlung erzielten die Beteiligten Einigkeit darüber, dass infolge der Rückzahlung an das Bundesverwaltungsamt nur noch ein Betrag in Höhe von 1 065,18 Euro streitgegenständlich sei.
Nachdem die Beteiligten daraufhin den Rechtsstreit in Höhe eines Betrages von 659,82 Euro übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, beantragt die Klägerin,
den Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 2004 und deren Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2007 aufzuheben, sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären,
hilfsweise,
die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem klägerischen Vorbringen unter Bezugnahme auf ihre angefochtenen Bescheide in der Sache entgegen. Ferner hat sie nachterminlich ihre Hauptsacheerledigungserklärung widerrufen, weil eine Doppelforderung gegen die Klägerin nicht erhoben worden sei. Ihre Nachforschungen hätten ergeben, dass der Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 6. Oktober 2007 die klagegegenständliche Forderung nicht enthalten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Das Streitverfahren ist durch übereinstimmende Erledigungserklärungen unmittelbar beendet worden. Die Erledigungserklärung der Beklagten, obgleich möglicherweise unter einer falschen Tatsacheannahme abgegeben, ist nicht anfechtbar und nur unter den Voraussetzungen der §§ 153 VwGO i.V.m. 578 ff. ZPO widerrufbar. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens liegen indes ersichtlich nicht vor, weil ein möglicher Motivirrtum auf Seiten der Beklagten hierunter nicht fällt.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 2004 und deren Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2007 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 30. September 1999 in der Fassung des Bescheides vom 30. August 2002 ist § 45 SGB X. Rechtsgrundlage für die Rückforderung gewährter Ausbildungsförderung, wenn die Voraussetzungen des § 45 SGB X vorliegen, ist § 50 SGB X.
Gemäß § 45 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der, wie hier die von der Beklagten aufgehobenen Bewilligungsbescheide für Ausbildungsförderung, einen rechtlichen Vorteil begründet, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach Maßgabe der Absätze 2 - 4 zurückgenommen werden. Die Bewilligung von Ausbildungsförderung an die Klägerin in dem Bewilligungszeitraum Oktober 1999 bis September 2000 ist rechtswidrig gewesen, denn sie verfügte über anzurechnendes Vermögen, das einer Leistung entgegenstand.
Zu dem gemäß § 28 Abs. 2 und 4 BAföG maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung am 8. Juli 1999 hatte die Klägerin ausbildungsförderungsrechtlich Vermögenswerte in Form von Forderungen nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 BAföG gegen die Sparkasse H.. Diese hat die Beklagte auf den Antragszeitpunkt in zutreffender Höhe ermittelt. Die Werte überstiegen den Vermögensfreibetrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BAföG in einer Höhe, die die Gewährung von Ausbildungsförderungsleistungen ausschloss.
Die Forderung ist der Klägerin als eigenes Vermögen zuzurechnen, denn sie besaß jeweils als Kontoinhaberin formal die volle Verfügungsmacht über das Vermögen bei der Sparkasse H..
Die Klägerin hat diese Forderung auch nicht treuhänderisch für ihre Mutter bzw. ihren Großvater gehalten. Zwar lässt sich dies nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr allein aus dem Umstand ableiten, dass es sich um ein verdecktes Treuhandverhältnis gehandelt hat, das nach außen hin gegenüber niemandem zu erkennen gegeben worden ist ( BVerwG, Urteil vom 4.9.2008 -5 C 12/08 -, zitiert nach juris). Indes ist die Kammer nach Auswertung der Akten und dem klägerischen Vortrag in der mündlichen Verhandlung nicht zu der Überzeugung gelangt, dass eine zivilrechtlich wirksame Treuhandabrede vorliegt.
Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt eine rechtlich anzuerkennende Treuhandschaft eine entsprechende schuldrechtliche Vereinbarung zwischen Treugeber und Treuhänder voraus, aus der sich ergeben muss, dass die mit der rechtlichen Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht im Innenverhältnis zugunsten des Treugebers eingeschränkt ist. Dabei muss das Handeln des Treuhänders im fremden Interesse wegen der vom zivilrechtlichen Eigentum abweichenden Zurechnungsfolge eindeutig erkennbar sein. Entsprechend diesen Vorgaben ist der Treuhandcharakter eines Kontos oder Depots nur anzunehmen, wenn eine entsprechende Treuhandabrede zivilrechtlich wirksam zustande gekommen und dies von dem insoweit darlegungspflichtigen Auszubildenden auch nachgewiesen worden ist. Hieran sind strenge Anforderungen zu stellen; das gilt in dem vorliegenden ausbildungsrechtlichen Zusammenhang gerade im Hinblick auf die Gefahr des Missbrauchs bei solchen Abreden unter Angehörigen. Da die relevanten Umstände oft in familiären Beziehungen wurzeln oder sich als innere Tatsachen darstellen, die häufig nicht zweifelsfrei festzustellen sind, ist es zudem gerechtfertigt, für die Frage, ob ein entsprechender Vertragsschluss vorliegt, äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien) heranzuziehen.
Gemessen an diesen Vorgaben, vermag das Gericht nicht von einer anzuerkennenden (verdeckten) Treuhand auszugehen.
Ein gewichtiges Beweisanzeichen im zuvor genannten Sinne ist die Separierung des Treuguts. Eine derartige Trennung des Fremdguts von eigenen Forderungen gegen die Sparkasse H. hat die Klägerin nicht vorgenommen. Auf dem fraglichen Girokonto gingen sowohl eigene Gelder der Klägerin wie Gelder ihrer Mutter und ihres Großvaters ein. Eine Separierung war auch niemals Gegenstand vertraglicher Abreden zwischen der Klägerin und ihrer Mutter und/oder ihrem Großvater. Mit dem Bundesverwaltungsgericht ist die Kammer der Ansicht, dass in der Regel davon auszugehen ist, dass die Beteiligten eine verbindliche Treuhandvereinbarung tatsächlich nicht getroffen haben, wenn die Separierung des Treuguts schon nicht Bestandteil des behaupteten Vertrages ist und der angebliche Treuhänder das Empfangene auch tatsächlich nicht von seinem Vermögen getrennt hat. Von dieser Regel ist eine Ausnahme hier nicht zu machen. Weitere Indizien sprechen gegen eine Treuhandabrede.
So ist nach der genannten Rechtsprechung ein weiteres Indiz, wenn ein plausibler Grund für den Abschluss des Vertrages nicht genannt werden kann. Die Nennung eines solchen Grundes ist der Klägerin nicht schlüssig gelungen. Sie hat hierzu vorgetragen, dass Hintergrund der treuhänderischen Zuwendung der Gelder ein Autokauf gewesen sei, wobei sie das Auto nutzen und deshalb auch aussuchen sollte, das Fahrzeug aber auf den Namen ihrer Mutter zugelassen werden sollte, die auch Eigentümerin werden sollte. Hintergrund sei gewesen, dass die Mutter der Klägerin ihr altes Fahrzeug, das sie krankheitsbedingt länger nicht habe nutzen können, Mitte 1999 wieder selbst gebraucht habe. Der so geschilderte wirtschaftliche Hintergrund scheint nicht plausibel und konnte in der mündlichen Verhandlung auch nicht schlüssig dargelegt werden. Ausweislich des Bescheides des Versorgungsamtes Hildesheim vom 12. Juli 1999 lautet die Begründung für die Zuerkennung eines Grades der Behinderung und des Merkzeichens "G" an die Mutter der Klägerin wie folgt: "Reststörung nach Entfernung eines gutartigen Hirntumors, permanente Doppelbilder, Konzentrations- und Gleichgewichtsstörungen mit Fallneigung, Augenmuskellähmung, Kopfzwangshaltung". Auf die Frage an den Prozessbevollmächtigten, wie die Mutter der Klägerin mit diesen Behinderungen überhaupt Auto fahren könne, antwortete dieser sie lasse sich von Dritten fahren. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden ist, erklärt es nicht, warum die Klägerin erst Mitte 1999 ihr altes, an die Klägerin ausgeliehenes Fahrzeug wieder haben wollte, so dass für die Klägerin ein neues angeschafft werden musste. Denn wenn sich die Mutter der Klägerin ohnehin fahren lassen muss, dann wird sie das alte Fahrzeug auch schon vor Beginn ihrer Reha und ihres Jahresurlaubs 1999 gebraucht haben. Dem musste das Gericht nicht näher nachgehen, weil selbst wenn sich diese Zweifel noch beseitigen ließen, kein Grund dafür ersichtlich ist, weshalb denn eine Treuhandabrede getroffen werden musste, um der Klägerin zu ermöglichen ein Auto für sich auszusuchen, das jedoch Eigentum ihrer Mutter werden sollte. Deutlich unkomplizierter in der Abwicklung wäre es gewesen, die Klägerin sucht sich ein Auto aus, das dann von ihrem Großvater, ihrer Mutter und ihr gemeinsam gezahlt wird.
Ferner hat die Klägerin nicht vorgetragen, ob die Treuhandabrede auch gelten sollte, wenn sie in finanzielle Not geriete oder nur durch Verwertung des Treuguts ihre Ausbildung finanzieren könnte. Da sie nach der von der Kammer geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine gesteigerte Mitwirkungspflicht bei der Darlegung einer Treuhandabrede trifft, wäre sie hierzu jedoch verpflichtet gewesen, und zwar auch ohne entsprechende Aufforderung durch die Beklagte und/oder das Gericht.
Weiter spricht gegen das Vorliegen einer Treuhandabrede, dass die Klägerin nicht nachvollziehbar erklären konnte, warum sie die treuhänderische Bindung von (Teilen) ihres Vermögens nicht bereits in dem Antragsvordruck vom 8. Juli 1999 bezeichnet hat, sondern erst geltend gemacht hat, nachdem sie der Beklagten gegenüber nachträglich einräumen musste, anrechenbares Vermögen zu besitzen. Schließlich ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass sich zwar der ersten, anwaltlich noch nicht unterstützten Einlassung der Mutter der Klägerin vom 27. Juli 2003 Anhaltspunkte für die Behauptung einer Treuhandabrede entnehmen ließen, nicht jedoch der Stellungnahme ihres Großvaters vom 10. Februar 2003. Dieser beschränkte sich darauf, Angaben zu dem von ihm eingerichteten und verwalteten Sparkonto zu machen. Hätte hinsichtlich des Girokontos eine Treuhandabrede bestanden, hätte es doch nahe gelegen, dass auch dies in dem Schreiben vom 10. Februar 2003 eingewandt worden wäre.
Dem Beweisantrag der Klägerin musste das Gericht nicht nachgehen. Er bezieht sich in allen seinen vier Punkten auf innere Tatsachen, das heißt Absprachen zwischen der Klägerin, ihrer Mutter und ihrem Großvater sowie Erwartungen dieser Personen an das Verhalten des jeweils anderen. Die Kammer aber stützt ihre Entscheidung, wie vom Bundesverwaltungsgericht vorgegeben, an äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen. Darin ist eine (unzulässig) vorweggenommene Beweiswürdigung nicht zu sehen. Vielmehr versteht die Kammer die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts so, dass diesen Beweisanzeichen gegenüber den Einlassungen und ggf. Zeugenaussagen der Familienmitglieder eines Auszubildenden Vorrang für die Gewinnung der Überzeugungsgewissheit zukommt.
Die Beklagte hat ihrem angefochtenen Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 30. Juli 2004 sowie ihrem Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2007 zu Recht den Forderungsbetrag zugrunde gelegt, der am 8. Juli 1999 im Zeitpunkt der Antragstellung gegenüber der Sparkasse H. bestand. Dieser Zeitpunkt ist gemäß § 28 Abs. 2 BAföG maßgebend für die Berechnung des Vermögens. Veränderungen zwischen Antragstellung und Ende des Bewilligungszeitraums bleiben gemäß § 28 Abs. 4 BAföG unberücksichtigt. Es spielt deshalb rechtlich keine Rolle, dass die Klägerin ihr entsprechendes Bankguthaben am 27. August 1999 aufgelöst und davon einen PKW gekauft hat. Auch einen Anspruch auf Gewährung eines weiteren Freibetrags zur Vermeidung einer unbilligen Härte gemäß § 29 Abs. 3 BAföG hat die Klägerin aus dem Umstand nicht, dass ihr zu Beginn des Bewilligungszeitraums das angerechnete Vermögen nicht mehr zur Verfügung stand. Ein solcher Freibetrag kommt in Betracht, wenn das Vermögen ohne Zutun des Auszubildenden ausbildungsfremd geschmälert wird, nicht aber, wenn der Auszubildende, wie hier die Klägerin, aus eigenem Entschluss Aufwendungen tätigt, die jedenfalls auch studienbedingt motiviert sind. Darin ist vielmehr die vom Gesetz gewollte Verwendung des auf die Leistungsgewährung angerechneten Vermögens zu sehen (vgl. nur Ramsauer/Stallbaum/Sternel, BAföG, 4. Aufl. § 28 Rn. 11; § 29 Rn. 12; Beschluss der Kammer vom 15.1.2009 -2 A 151/08 -).
Die Klägerin kann sich gegenüber der Rücknahme des ursprünglichen Bewilligungsbescheides nicht auf Vertrauensschutz berufen.
Gemäß § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte, wie hier die Klägerin, erbrachte Leistungen verbraucht hat. Allerdings kann sich gemäß Satz 3 Nr. 2 der Vorschrift der Begünstigte nicht auf Vertrauensschutz berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dies ist bei der Klägerin der Fall.
Unstreitig wusste sie von dem auf ihren Namen lautenden Girokonto mit einer Forderung von 9 726,10 DM. Selbst wenn die Klägerin geglaubt haben sollte, sie sei zur Angabe ihres Vermögens nicht verpflichtet gewesen, weil es sich aus ihrer Sicht um Treuhandvermögen ihrer Mutter und ihres Großvaters gehandelt habe, muss ihr grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Mindestens der Vorwurf einer derart grob fahrlässigen unrichtigen Angabe ist dem Kläger zu machen. Denn von einem volljährigen Auszubildenden ist schon bei Anspannung geringer Sorgfalt zu verlangen, dass er bei der Beklagten bzw. dem für sie handelnden Studentenwerk nachfragt, was es denn ausbildungsförderungsrechtlich damit auf sich hat, Inhaber eines Girokontos zu sein und wie die behauptete Treuhandabrede insoweit wirke. Dadurch, dass die Klägerin eine derartige Nachfrage unterlassen hat, handelte sie in Bezug auf ihre, hier unterstellte, Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Ausbildungsförderung grob fahrlässig.
Schließlich liegt ein Ermessensfehler der Beklagten bei der Rücknahme der streitbefangenen Bescheide im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO nicht vor.
Die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte steht gem. § 45 Abs. 1 SGB X im Ermessen der Sozialleistungsbehörde ("darf zurückgenommen werden"). Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Zu einer rechtmäßigen Ermächtigungsausübung zählt insbesondere, dass die Verwaltungsbehörde alle für ihre Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte erkennt und in ihre Entscheidung einstellt. Dies hat die Beklagte zutreffend getan. Zur Begründung wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die Ausführungen der Beklagten in ihrem Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2007 Bezug genommen. Gesichtpunkte, die einen Ermessensfehler erkennen ließen, hat die Klägerin weder vorgetragen noch sind sie sonst für das Gericht ersichtlich.
Dem Hilfsantrag auf Zulassung der Berufung ist nicht nachzugehen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2, 188 S. 2 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entspricht es der Billigkeit, der Klägerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Sie wäre, wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, hinsichtlich des erledigten Teils ohne Erledigungserklärung mit ihrer Klage unterlegen gewesen. Da die Klage erfolglos bleibt, kann die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren nicht ausgesprochen werden.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.