Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 21.05.2010, Az.: L 11 AY 2/10 B ER

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
21.05.2010
Aktenzeichen
L 11 AY 2/10 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 38489
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2010:0521.L11AY2.10B.ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hildesheim - 01.12.2009 - AZ: S 40 AY 188/09 ER

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 1. Dezember 2009 insoweit aufgehoben, als dass der Antragsgegner verpflichtet worden ist, den Antragstellern weitere Leistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts (§ 3 Abs 1 Satz 1 Asylbewerberleistungsgesetz) zu gewähren. Die Beschwerde der Antragssteller wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner erstattet den Antragstellern die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten um die Höhe der den Antragstellern zu gewährenden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

2

Die 1955 und 1957 geborenen und miteinander verheirateten Antragsteller zu 1. und 2. sind (mittlerweile) libanesische Staatsangehörige. Sie reisten 1986 aus Beirut/Libanon kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und gaben an, kurdische Volkszugehörige mit ungeklärter Staatsangehörigkeit zu sein. Nach Ablehnung ihres Asylantrags wurden sie zunächst wegen ungeklärter Staatsangehörigkeit in der Bundesrepublik geduldet. In ihrem am 13. Oktober 1990 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gaben sie als Staatsangehörigkeit erneut "staatenlos" an. In der Folgezeit erhielten sie zeitlich befristete Aufenthaltsgenehmigungen bzw. Aufenthaltsbefugnisse, ebenso ihre 1992 und 1994 in Deutschland geborenen Kinder (Antragsteller zu 3. und 4.).

3

Im Februar 1997 übersandten die Antragsteller an den Antragsgegner eine Bescheinigung der Botschaft des Libanon, Bonn, vom 26. November 1996, wonach sie (die Antragsteller) nicht im Libanon registriert seien und deshalb keinen Anspruch auf ein libanesisches Reisedokument mit Rückkehrberechtigung in den Libanon hätten. In der Folgzeit erklärte der Antragsteller zu 1. nochmals unter dem 25. August 1997 schriftlich, weder die libanesische noch eine andere Staatsangehörigkeit zu besitzen (auch nicht durch Einbürgerung). Kurze Zeit später teilte die Botschaft des Libanons auf Anfrage des Antragsgegners mit, dass es sich bei der Bescheinigung vom 26. November 1996 um eine Fälschung handele.

4

Anlässlich einer zu einem späteren Zeitpunkt von der Polizei durchgeführten Hausdurchsuchung wurden bei den Antragstellern libanesische Auszüge aus dem Einwohnerregister, libanesische Identitätskarten (Personalausweise) sowie ein Zeitungsausschnitt gefunden. Dieser Zeitungsausschnitt enthielt die Bekanntmachung der Sammeleinbürgerung der Antragsteller in den Libanon aufgrund eines Dekrets vom 20. Juni 1994. Diese Unterlagen wurden den Antragstellern im Oktober 2001 von der Polizei zurückgegeben. Bereits im März 2001 hatte K., ein damals bereits volljähriger weiterer Sohn der Antragsteller zu 1. und 2., bei dem Antragsgegner vorgesprochen und mitgeteilt, dass die Familie in den Libanon eingebürgert worden sei. Die Familie stamme ursprünglich aus der Gegend um L. in der Türkei. Seit Mai 2002 verfügen die Antragsteller über libanesische Reisepässe.

5

Nach umfangreichen Ermittlungen ist der Antragsgegner in der Folgezeit davon ausgegangen, dass es sich bei den Antragstellern zu 1. und 2. um Angehörige der Großfamilie M. aus der Provinz L./Türkei handele. Sie seien als Cousin bzw. Cousine miteinander verwandt. Mehrere Angehörige dieser Großfamilie würden mittlerweile in der Bundesrepublik Deutschland leben, überwiegend unter dem (falschen) Namen "N.". Aufgrund des in der Türkei geltenden Abstammungsprinzips handele es sich bei den Antragstellern zu 1.und 2. und damit auch bei ihren Kindern (u.a. die Antragsteller zu 3. und 4.) um türkische Staatsangehörige (vgl. Ermittlungsbericht vom 24. Juli 2003 nebst Anlagen).

6

Aufgrund dieser Ermittlungsergebnisse lehnte der Antragsgegner (als Ausländerbehörde) eine Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigungen ab und wies die Antragsteller mit unbefristeter Wirkung aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Bescheid vom 29. Juli 2003 i.d.F. des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 28. Oktober 2003). Die Entscheidung wurde ergänzend damit begründet, dass die Antragsteller zu 1. und 2. u.a. bei ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland sowie bei der Beantragung ihrer ersten Aufenthaltserlaubnis im Jahre 1990 ihre türkische Staatsangehörigkeit bewusst verschwiegen und falsche Personalien verwendet hätten. Der Antragsteller zu 1. sei erst im März 2003 aus der Türkei ausgebürgert worden.

7

Die gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis, die Ausweisung und gegen die Androhung der Abschiebung geführte Klage war zwar erstinstanzlich erfolgreich (Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) O. vom 29. Juni 2006 - P.), wurde jedoch im Berufungsverfahren unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Zur Begründung führte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Q. aus, dass die Antragsteller zu 1. und 2. gegenüber der Ausländerbehörde unrichtige bzw. unvollständige Angaben hinsichtlich ihrer Identität und Staatsangehörigkeit gemacht hätten. Damit hätten sie die Straftatbestände nach § 92 Abs 1 Nr 7 Ausländergesetz (AuslG) (a.F.) bzw. § 92 Abs 2 Nr 2 1. Alt. AuslG verwirklicht. Dementsprechend seien die angefochtenen Bescheide - zumindest hinsichtlich der Antragsteller zu 1. bis 4. - rechtmäßig (Urteil vom 29. Januar 2009 - R.). Eine von den Antragstellern gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 15. Juli 2009).

8

Seit Oktober 2009 werden die Antragsteller gemäß § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geduldet. In der Zeit davor waren die Aufenthaltserlaubnisse der Antragsteller weiter verlängert worden, nachdem das VG O. die aufschiebende Wirkung der gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltsbefugnisse eingelegten Klage angeordnet hatte (Beschluss vom 2. Januar 2004 -S.).

9

Die Antragsteller erhalten nach Lage der (nur für die Zeit seit Februar 2007 vorliegenden) Verwaltungsakten bereits langjährig Leistungen nach dem AsylbLG. Während der Antragsgegner auf Anfrage des Senats mitgeteilt hat, dass die Leistungsbewilligung mittel schriftlicher bzw. konkludenter Verwaltungsakte jeweils nur monatsweise (und nicht etwa unbefristet) erfolgt sei (S. 2 des Schriftsatzes vom 29. April 2010), haben die Antragsteller im Beschwerdeverfahren den in den übersandten Verwaltungsvorgängen nicht enthaltenen Bescheid vom 22. Dezember 2006 vorgelegt, in dem Leistungen nach dem AsylbLG ab dem 1. Dezember 2006 "b.a.w." gewährt worden sind. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2008 (Datum lt. Verwaltungsakte) bzw. vom 23. Oktober 2008 (Datum lt. des den Antragstellern zugegangenen Exemplars dieses Bescheides, Bl. 16 der Gerichtsakte S 40 AY 266/08 ER) bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern Grundleistungen für den Monat Oktober 2008 in Höhe eines Leistungsbetrages von 835,07 Euro. Die Leistungsbewilligung erfolgte bis auf die Geldleistung nach § 3 Abs 1 Satz 4 AsylbLG in Form von Wertgutscheinen. Leistungen für Unterkunft und Heizung wurden - wie auch bereits in der Vergangenheit - nicht gewährt. Dies beruhte darauf, dass die Antragsteller nicht die ihnen vom Antragsgegner angebotene Unterkunft in der Gemeinschaftsunterkunft in der T., U., bewohnen, sondern eine selbst angemietete Wohnung (derzeit: V. 8, U.). Bereits für die zuvor angemietete Wohnung (W. 30, U.) hatte es das SG Hildesheim abgelehnt, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur vorläufigen Zustimmung zur Anmietung sowie zur vorläufigen Übernahme der Unterkunftskosten zu verpflichten (Beschluss vom 30. Juni 2006 - S 44 AY 7/06 ER).

10

Gegen den Bescheid vom 22./23. Oktober 2008 legten die Antragsteller am 19. November 2008 Widerspruch ein, über den bislang noch nicht entschieden worden ist. Der im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit diesem Widerspruch gestellte und auf Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG gerichtete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung blieb erfolglos (Beschluss des SG Hildesheim vom 25. Februar 2009 - S 40 AY 266/08 ER).

11

In der Folgezeit gewährte der Antragsgegner den Antragstellern weiterhin Leistungen nach §§ 3 bis 7 AsylbLG, wobei wiederum keine Leistungen für Unterkunft und Heizung bewilligt wurden. Die Verwaltungsakte enthält weitere Bewilligungsbescheide für die Monate Dezember 2008, Januar 2009, Mai 2009, Juni 2009, September und November 2009 (Bescheide vom 23. Dezember 2008, 5. Februar, 4. Mai, 10. Juni, 15. September 2009 und 8. Oktober 2009). Gegen den Bescheid vom 8. Oktober 2009 legten die Antragsteller mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 Widerspruch ein, über den ebenfalls bislang noch nicht entschieden worden ist. Mit Bescheid vom 5. November 2009 stellte der Antragsgegner aufgrund der Anrechnung von Erwerbseinkommen sowohl des Antragstellers zu 1. als auch seiner drei volljährigen Kinder X., Y. und Z. N. die Leistungsbewilligung mit Wirkung ab 1. November 2009 vollständig ein. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller am 10. November 2009 Widerspruch ein, über den bislang ebenfalls noch nicht entschieden worden ist. Auf einen Hinweis des SG hat der Antragsgegner zwischenzeitlich jedoch die Anrechnung von Einkommen der volljährigen Kinder wieder rückgängig gemacht und die Leistungsgewährung wieder aufgenommen (mit Wirkung ab 1. November 2009 und unter Anrechnung lediglich des Erwerbseinkommens des Antragstellers zu 1., Teilanerkenntnis aus dem Schriftsatz vom 13. November 2009). Über die Widersprüche vom 19. November 2008, 16. Oktober 2009 und 10. November 2009 (betreffend die Bescheide vom 22./23. Oktober 2008, 8. Oktober 2009 und 5. November 2009) hinaus legten die Antragsteller keine weiteren Widersprüche ein. In den Monaten, für die keine schriftlichen Leistungsbescheide ergangen sind, erfolgte die Leistungsgewährung durch "schlichte Aushändigung der Wertgutscheine" (vgl. Seite 2 des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 29. April 2010). Außerdem wurden einmalige Beihilfen gewährt. Dies erfolgte nach Aktenlage teilweise auf der Grundlage schriftlicher Bescheide, teilweise jedoch auch lediglich durch tatsächliche Auszahlung. Die weiteren in den übersandten Verwaltungsunterlagen enthaltenen Bescheide vom 12. Januar 2010 (für den Leistungszeitraum Februar 2010) und 1. April 2010 (für den Leistungszeitraum März bis August 2010) sollen nur für den "internen Gebrauch bestimmt" bzw. aus "EDV-technischen Gründen gefertigt" worden sein. Sie seien weder abgesandt noch ausgehändigt worden (vgl. Seite 2 des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 29. April 2010).

12

In der Höhe der den Antragstellern gewährten Leistungen trat ab Januar 2009 eine Änderung insoweit ein, als dass ab diesem Zeitpunkt keine Gutscheinleistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts mehr gewährt werden. Vorher erhielten die Antragsteller hierfür Wertgutscheine i.H.v. insgesamt 125,27 Euro pro Monat. Diese Änderung in der Leistungsgewährung wurde im Textteil des Bescheides vom 5. Februar 2009 weder erwähnt noch begründet. Sie war vielmehr lediglich aus dem beigefügten Berechnungsbogen ersichtlich. Die Antragsteller rügten diese für sie ungünstige abweichende Leistungsgewährung nach Aktenlage zunächst auch nicht ausdrücklich, möglicherweise infolge Unkenntnis. Nach Aktenlage wurde die Änderung erstmals im vorliegenden Eilverfahren problematisiert (Verfügung des Vorsitzenden der 40. Kammer des SG Hildesheim vom 4. November 2009).

13

Am 19. September 2009 haben die Antragsteller den vorliegend streitbefangenen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Sie haben begehrt, den Antragsgegner zur vorläufigen Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG und zur Übernahme der Miet- und Heizkosten in voller Höhe zu verpflichten. Nachdem sich der Antragsgegner mit dem bereits erwähnten Teilanerkenntnis aus dem Schriftsatz vom 13. November 2009 bereit erklärt hatte, auch für die Zeit ab November 2009 Leistungen ohne Anrechnung des Einkommens der volljährigen Kinder der Antragsteller zu 1. und 2. zu gewähren, hat das SG dem Eilantrag insoweit stattgegeben, als dass der Antragsgegner verpflichtet worden ist, für die Zeit vom 21. September 2009 bis zur Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. Oktober 2008 im Rahmen der §§ 1, 3 AsylbLG auch Leistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts nach § 3 Abs 1 Satz 1 AsylbLG zu gewähren (unter Berücksichtigung des vom Antragsteller zu 1. erzielten Erwerbseinkommen). Den weitergehenden Antrag (Leistungen nach § 2 AsylbLG sowie Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung) hat das SG dagegen abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG i.V.m. den Regelungen des SGB XII nicht bestehe, weil die Antragsteller zu 1. und 2. ihre Aufenthaltsdauer durch falsche Angaben über ihre Identität und Staatsangehörigkeit rechtsmissbräuchlich beeinflusst hätten. Hinsichtlich des Vorliegens entsprechender Falschangaben folge das SG der Auffassung des OVG Lüneburg in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 29. Januar 2009. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung der Wohnung in der V. 8, U., bestehe nicht, da den Antragstellern zumutbarer Wohnraum in einer Gemeinschaftsunterkunft angeboten worden sei. Dagegen erweise sich der gegen die "Kürzung" der Leistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts gerichtete Eilantrag als begründet. Denn der Antragsgegner habe das ihm eingeräumte Ermessen nach § 3 Abs 2 S 1 AsylbLG dahingehend ausgeübt, den Antragstellern anstelle von Sachleistungen pauschalierte Leistungen zu gewähren (überwiegend in Form von Wertgutscheinen). Mit dieser Entscheidung gehe ein Anspruch der Antragsteller auf diese Leistungen in ungekürzter Höhe einher. Zwar sei es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn bei einer teilweisen Sachleistungsgewährung die pauschalierten Leistungen entsprechend gekürzt würden. Dies setze jedoch zumindest voraus, dass den Betroffenen diese Sachleistungen auch tatsächlich angeboten würden. Die Antragsteller seien jedoch bislang nicht darauf hingewiesen worden, dass und ggf. wo sie entsprechende Sachleistungen erhalten könnten. Der Antragsgegner habe sich vielmehr erstmals im Laufe des gerichtlichen Verfahrens zu den Kürzungen geäußert. Selbst wenn der Antragsgegner Gebrauchs- und Verbrauchsgüter bei einer Unterbringung in der von ihm angebotenen Gemeinschaftsunterkunft unentgeltlich als Sachleistung zur Verfügung stelle, könnten diese Leistungen nur bei Unterbringung in dieser Gemeinschaftsunterkunft erbracht werden. Es sei nicht erkennbar, dass diese Leistungen für die Antragsteller (ggf. leihweise bzw. zur Abholung) bereit ständen (Beschluss vom 1. Dezember 2009).

14

Gegen den den Beteiligten am 3. bzw. 4. Dezember 2009 zugestellten Beschluss richten sich die von beiden Beteiligten am Montag, 4. Januar 2010, eingelegten Beschwerden. Der Antragsteller wendet sich gegen die Ablehnung der vorläufigen Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG, während sich der Antragsgegner gegen die Verpflichtung zur Gewährung von Leistungen ohne Abzug des Anteils für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts richtet.

15

Die Antragsteller begründen ihre Beschwerde damit, dass den Antragstellern zu 1. und 2. eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer nicht vorgeworfen werden könne. Das Urteil des OVG Lüneburg überzeuge nicht, da es hinsichtlich der (angeblichen) türkischen Staatsbürgerschaft der Antragsteller lediglich auf Mutmaßungen beruhe. Aus der Eintragung einer AA. M. in amtliche Register "in irgendeinem türkischen Bergdorf am gleichen Tage im Jahre 1961 wie die Schwester der Antragstellerin zu 2. (namens AA.)" könne nicht geschlossen werden, dass diese Eintragungen auch die Antragstellerin zu 2. betreffen. Bei dem Namen AA. handele es sich um einen oft gebrauchten Mädchennamen wie z.B. "Anne" in Deutschland. Auch habe das OVG nicht plausibel machen können, weshalb zwar die (angebliche) Schwester AA. im Jahre 1961 in der Türkei registriert worden sei, nicht dagegen die bereits im Jahre 1957 geborene Antragstellerin zu 2 ... Unabhängig davon hätten die Antragsteller zu 1. und 2. gerade nicht das Bewusstsein gehabt, türkische Staatsangehörige zu sein. Sie seien im Libanon geboren und aufgewachsen und hätten keinerlei Bezug zur Türkei gehabt. Als Angehörige der Kurden, die "über Generationen hinweg ein bekanntes Beispiel für Vertreibung und ziellose Wanderungen in den Irak, Syrien, der Türkei und dem Libanon" seien, hätten sie weder Kenntnis noch das Gefühl einer Staatszugehörigkeit entwickeln können.

16

Der Antragsgegner begründet seine Beschwerde damit, dass den Antragstellern keine weiteren Leistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts zuständen. Auch das SG habe nicht beanstandet, dass die Kosten für die von den Antragstellern eigenmächtig und ohne Zustimmung des Antragsgegners angemieteten Wohnung in der V. 8 nicht übernommen worden seien. Der Anspruch auf Leistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts könne jedoch nicht anders beurteilt werden als der Anspruch auf Übernahme der Unterkunftskosten. Den Antragstellern werde eine Unterkunft in der T., U., einschließlich der Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts zur Verfügung gestellt (in Form von Sachleistungen bzw. Leihgegenständen). Ein über das Unterkunftsangebot hinausgehendes gesondertes Angebot für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts sei nicht erforderlich gewesen, da er mit dem Unterkunftsangebot (Gemeinschaftsunterkunft) dem Sachleistungsanspruch der Antragsteller insgesamt nachgekommen sei.

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In Ausführung des angefochtenen Beschlusses vom 1. Dezember 2009 hat der Antragsgegner unter dem 6. Januar 2010 einen Ausführungsbescheid für die Zeit vom 21. September 2009 bis Ende Januar 2010 erlassen (Wertgutscheine für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts i.H.v. 542,85 EUR).

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II. 1. Die form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden sind zulässig. Der Zulässigkeit der Beschwerde des Antragsgegners steht auch nicht der Ausschlussgrund nach § 172 Abs 3 Nr 1 i.V.m. § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entgegen. Schließlich übersteigt der Betrag, den der Antragsgegner auf Grundlage des angefochtenen Beschlusses mittlerweile zusätzlich gewährt hat, den Mindestwert von 750,01 EUR (§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG). Zudem dürfte es sich aufgrund des Vorbringens des Antragsgegners, wonach nach wie vor kein Zeitpunkt für die Entscheidung über den Widerspruch vom 19. November 2008 absehbar sei, um eine zukunftsoffene Verpflichtung zur Leistungsgewährung handeln, so dass sich die Statthaftigkeit der Berufung in der Hauptsache bereits aus § 144 Abs 2 S 2 SGG ergeben dürfte (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 - B 9b AY 1/06 R).

19

2. Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens sind lediglich der von den Antragstellern weiter verfolgte Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG i.V.m. SGB XII (anstatt der derzeit gewährten Leistungen nach §§ 3 - 7 AsylbLG) sowie die vom Antragsgegner angegriffene einstweilige Anordnung des SG (Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung von Leistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts). Der vom SG abgelehnte Antrag auf Übernahme der Unterkunftskosten wird von den Antragstellern ausweislich ihres im Beschwerdeverfahren gestellten Antrags dagegen nicht mehr weiterverfolgt.

20

3. Die Beschwerde der Antragsteller erweist sich als unbegründet. Dagegen ist die Beschwerde des Antragsgegners begründet, so dass die vom SG ausgesprochene Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung von weiteren Leistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts aufzuheben ist.

21

4. Das SG hat den Antrag auf vorläufige Gewährung von Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG i.V.m. SGB XII zutreffend abgelehnt.

22

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen.

23

Auch nach Auffassung des erkennenden Senats liegt bzgl. der begehrten Leistungen nach § 2 AsylbLG i.V.m. SGB XII kein Anordnungsanspruch vor. Denn die Gewährung von Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG setzt u.a. voraus, dass die Leistungsberechtigten die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand haben jedoch die Antragsteller zu 1. und 2. die Dauer ihres Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst, so dass auch Ansprüche der noch minderjährigen Antragsteller zu 3. und 4. auf Leistungen nach § 2 AsylbLG i.V.m. SGB XII von vornherein ausscheiden (§ 2 Abs. 3 AsylbLG).

24

Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten ist ein zu missbilligendes, sozialwidriges Verhalten unter Berücksichtigung des Einzelfalles, welches nicht nur eine objektive, sondern auch eine subjektive Komponente enthält (Vorsatz bezogen auf die die Aufenthaltsdauer beeinflussende Handlung mit dem Ziel der Beeinflussung der Aufenthaltsdauer). Abzustellen ist auf die gesamte Dauer des Aufenthaltes in der Bundesrepublik, wobei auch ein einmaliges Fehlverhalten von solchem Gewicht, dass es einen Leistungsausschluss rechtfertigt, ausreichen kann (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 12/07 R).

25

Das SG hat - unter zutreffender Bezugnahme auf das rechtskräftige Urteil des OVG Q. vom 29. Januar 2009 - überzeugend dargelegt, dass die Antragsteller zu 1. und 2. durch unrichtige bzw. unvollständige Angaben hinsichtlich ihrer Identität bzw. Staatsangehörigkeit zu Unrecht von einer Bleiberechtsregelung für kurdische Flüchtlinge ungeklärter Staatsangehörigkeit profitiert haben. Hierdurch sowie durch die Vorlage der gefälschten Bescheinigung der Botschaft des Libanon vom 26. November 1996 haben die Antragsteller zu 1. und 2. ihre Aufenthaltsdauer rechtsmissbräuchlich beeinflusst (vgl. im Einzelnen: S. 10 des angefochtenen Beschlusses, auf den der Senat gem. § 142 Abs 2 S 3 SGG verweist). Einer Abschiebung der Antragsteller zu 1. und 2. standen auch nicht durchgängig Vollziehungshindernisse entgegen (vgl. für die Zeit ab 2003: rechtskräftiges Urteil des OVG Lüneburg vom 29. Januar 2009).

26

Das Beschwerdevorbringen führt zu keinem anderen Ergebnis. Unabhängig davon, ob dieses Vorbringen angesichts der sorgfältigen Beweiswürdigung des OVG Lüneburg und des aussagekräftigen Ermittlungsberichts des Antragsgegners (Aktenvermerk vom 24. Juli 2003) überhaupt zu überzeugen vermag, fehlt jegliches Vorbringen zu der Tatsache, dass die Antragsteller zu 1. und 2. im Jahre 1997 durch ihren damaligen Bevollmächtigten eine gefälschte Bescheinigung der Botschaft des Libanon vorgelegt haben. Allein diese Täuschungshandlung begründet im Rahmen der im vorliegenden Eilverfahren vorzunehmenden nur summarischen Prüfung eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer i.S.d. § 2 AsylbLG.

27

5. Der angefochtene Beschluss ist insoweit aufzuheben, als dass der Antragsgegner zur Gewährung weiterer ("ungekürzter") Leistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts verpflichtet worden ist.

28

a) Die vom SG angeordnete Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung weiterer Leistungen ist nicht bereits deshalb aufzuheben, weil es insgesamt oder für einzelne Teilzeiträume an einem streitigen Rechtsverhältnis i.S.d. § 86 b Abs 2 S 2 SGG fehlen würde. Zwar haben die Antragsteller nach Aktenlage weder gegen die Bescheide vom 23. Dezember 2008, 5. Februar 2009, 4. Mai 2009, 10. Juni 2009 und 15. September 2009 noch gegen die konkludenten bzw. mündlichen Bewilligungsbescheide für die Monate Dezember 2009 bis Mai 2010 Widersprüche eingelegt. Allerdings sind diese für Folgezeiträume ergangenen ausdrücklichen bzw. konkludenten Verwaltungsakte nach der sehr weitgehenden Auslegung des § 86 SGG durch den 8. Senat des BSG Gegenstand des durch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22./23. Oktober 2008 eingeleiteten Widerspruchsverfahrens geworden (vgl. im Einzelnen: BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 11/07 R, Rn 10). Damit sind zumindest die Leistungsansprüche für die Zeit seit Oktober 2008 nach wie vor noch nicht abschließend bzw. bestandskräftig geregelt.

29

Der Antragsgegner wird dementsprechend dafür Sorge zu tragen haben, dass in der noch ausstehenden Widerspruchsentscheidung tatsächlich auch alle streitbefangenen Widersprüche beschieden werden. Unter Zugrundelegung der o.g. BSG-Rechtsprechung ist hierfür entgegen den Ausführungen des Antragsgegners auf S. 2 des Schriftsatzes vom 29. April 2010 nicht die "Zusammenfassung" mehrerer Widerspruchsverfahren erforderlich. Vielmehr sind die von § 86 SGG erfassten späteren Bescheide kraft Gesetzes Gegenstand des bereits anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden. Der Beklagte wird auch zu prüfen haben, ob und ggf. welche Entscheidungen über einmalige Leistungen ebenfalls in das Widerspruchsverfahren einbezogen sind.

30

Soweit die Antragsteller nicht bereit sind, weitere Verzögerungen in der Bearbeitung ihres Widerspruchs vom 19. November 2008 hinzunehmen, ist es ihnen unbenommen, gegen den Antragsgegner Untätigkeitsklage nach § 88 SGG zu erheben. Einer solchen Untätigkeitsklage dürften erhebliche Erfolgsaussichten zukommen, da der Antragsgegner nicht einmal im Beschwerdeverfahren einen Zeitpunkt für die zu treffende Widerspruchsentscheidung in Aussicht gestellt bzw. rechtfertigende Gründe für die bisherige Verfahrenslaufzeit bzw. für das weitere Abwarten genannt hat (vgl. Schriftsatz vom 29. April 2010).

31

b) Wenn das SG somit auch nicht bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen gehindert war, für die Zeit ab September 2009 vorläufige Leistungen zuzusprechen, ist die vom SG ausgesprochene Verpflichtung des Antragsgegners jedoch wegen des Fehlens eines entsprechenden Anordnungsanspruchs aufzuheben.

32

Für in Aufnahmeeinrichtungen (§ 44 Asylverfahrensgesetz) untergebrachte Leistungsberechtigte sieht das AsylbLG zwingend Sachleistungen auch für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts vor (§ 3 Abs 1 Satz 1 und 3 AsylbLG). Sind die Leistungsberechtigten - wie im vorliegenden Fall - nicht in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht, steht es im Ermessen des Leistungsträgers, anstelle von vorrangig zu gewährenden Sachleistungen die Leistungen in Form von Wertgutscheinen oder von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen zu erbringen (§ 3 Abs 2 Satz 1 AsylbLG). Diese Ermessensnorm beseitigt jedoch nicht den im AsylbLG geltenden Vorrang der Sachleistungsgewährung (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. April 2006 - L 7 AY 45/05 ER, Rdnr 18 - zitiert nach juris; Hohm, AsylbLG, Stand: 2009, III - § 3 Rdnr 68; Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 3 AsylbLG Rdnr 2). Dementsprechend ist die Entscheidung, ob ausnahmsweise anstelle der vorrangigen Sachleistungen eine andere Art der Leistungsgewährung in Betracht kommt, vom Leistungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der dem AsylbLG zugrunde liegenden Prinzipien zu treffen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. März 2008 - L 20 B 10/08 AY ER, veröffentlicht in: Hohm, aaO., VII - § 3 (LSG) - Nr 4).

33

Der Antragsgegner hat sich hinsichtlich der Art der Leistungserbringung bislang nicht dahingehend gebunden, dass die Antragsteller verlangen können die streitbefangenen Leistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts zwingend anstelle als Sachleistung in Form von Wertgutscheinen oder anderer unbarer Abrechnungen zu erhalten. Zwar wohnen die Antragsteller außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft. Der Antragsgegner hat der Anmietung dieser Wohnung jedoch zu keinem Zeitpunkt zugestimmt. Dementsprechend übernimmt der Antragsgegner derzeit auch keinerlei Kosten für diese Wohnung, sondern bietet den Antragstellern nach wie vor eine Wohnmöglichkeit in der Gemeinschaftsunterkunft in der T., U., an. Allein durch die gegen den Willen des Antragsgegners erfolgte Anmietung der Wohnung ist der Antragsgegner nicht verpflicht, die von ihm für die angebotene Unterkunft als Sachleistung angebotenen weiteren Leistungen (hier: Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts) nunmehr in einer anderen Art und Weise zu erbringen (nämlich als Gutscheinleistungen).

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Ebenso wenig ist das pflichtgemäße Ermessen des Antragsgegners hinsichtlich der Art der Leistungsgewährung dadurch eingeschränkt bzw. gebunden, dass er die Leistungen für andere Bedarfe wie z.B. Kleidung und Ernährung in Form von Wertgutscheinen gewährt. Denn das AsylbLG schließt nicht aus, dass einzelne der in § 3 Abs 1 Satz 1 genannten Bedarfsgruppen durch Sachleistungen, andere dagegen in Form von Wertgutscheinen erbracht werden. Ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Leistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts in Form von Wertgutscheinen oder anderer unbarer Abrechnungen ergibt sich für die Antragsteller auch nicht daraus, dass der Antragsgegner in der Vergangenheit, nämlich bis einschließlich Dezember 2008, so verfahren ist. Selbst wenn - wie die Antragsteller meinen - mit Bescheid vom 22. Dezember 2006 ein Dauerverwaltungsakt für die Zeit ab 1. Dezember 2006 ergangen sein sollte, ist dieser durch die nachfolgenden Bescheide gem. § 48 SGB X abgeändert worden. Zuletzt erfolgte die Gewährung von Gutscheinleistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts nach Aktenlage nur noch aufgrund monatsweise ergehender Entscheidungen (vgl. hierzu etwa: Bescheid vom 23. Dezember 2008 für den Monat Dezember 2008). Somit war und ist es dem Antragsgegner unbenommen, hinsichtlich der Art und Weise der Leistungsgewährung das ihm zustehende pflichtgemäße Ermessen für jeden Leistungsmonat neu auszuüben. Zwar erfolgte die mit Wirkung ab Januar 2009 getroffene Ermessensentscheidung des Antragsgegners (keine Gutscheinleistungen mehr für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts) für die Antragsteller überraschend und - mangels Erwähnung und mangels entsprechender Begründung der Entscheidung im Textteil des Bescheides - in einer für sie nicht transparenten Art und Weise, im Ergebnis jedoch ohne Rechtsverstoß. Denn es sind keine zwingenden Gründe ersichtlich oder von den Antragstellern vorgetragen worden, weshalb die Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts entgegen dem im AsylbLG geregelten Vorrang des Sachleistungsprinzips im vorliegenden Fall ausschließlich in Form von Wertgutscheinen oder anderer unbarer Abrechnungen erbracht werden müssten. Auch das SG hat Sachleistungen insoweit grundsätzlich für durchaus möglich und zumutbar gehalten. Dementsprechend war und ist der Antragsgegner auch im vorliegenden Fall lediglich verpflichtet, Sachleistungen in erforderlichem Umfang anzubieten. Dieser Verpflichtung ist der Antragsgegner aller Voraussicht nach durch das Angebot einer Unterkunft in der Gemeinschaftsunterkunft nachgekommen, wobei dieses Angebot entsprechende Sachleistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts beinhaltete. Dadurch, dass die Antragsteller die angebotene Unterkunft nicht angenommen haben, haben sie gleichzeitig auch die für die dortige Unterkunft angebotenen weiteren Sachleistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter abgelehnt. Zu weiteren Angeboten ist der Antragsgegner im vorliegenden Fall nicht verpflichtet, da er nicht verpflichtet ist, die Sachleistungen auf andere Art und Weise zu erbringen und auch nicht ersichtlich ist, ob die Antragsteller die in der Gemeinschaftsunterkunft angebotenen Ge- und Verbrauchsgüter überhaupt nutzen können und nutzen wollen. Dazu fehlt der Vortrag der Antragsteller. Die Antragsteller können nicht durch die eigenmächtige Anmietung einer eigenen Wohnung einen einklagbaren Anspruch darauf begründen, dass ihnen eine anderweitig (nämlich im Zusammenhang mit dem Unterkunftsangebot in der Gemeinschaftsunterkunft) bereits angebotene, von ihnen jedoch ausdrücklich abgelehnte Leistung nunmehr in einer anderen Art der Leistungsgewährung (Wertgutscheine) nochmals angeboten werden muss.

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Der erkennende Senat teilt ausdrücklich das aus dem angefochtenen Beschluss erkennbare Unbehagen des SG darüber, dass der Antragsgegner durch den Verweis auf das Sachleistungsangebot in der Gemeinschaftsunterkunft den Antragstellern einzelne der ihnen eigentlich nach dem AsylbLG zustehende Leistungen im Ergebnis nicht gewährt. Wie auch das SG ist der erkennende Senat zudem der Auffassung, dass das AsylbLG die vorliegend sehr restriktive Leistungsgewährung so nicht zwingend vorschreibt. Vielmehr dürfte ein umsichtiger, die nachvollziehbaren Interessen der Leistungsberechtigen hinreichend berücksichtigender Leistungsträger in einem vergleichbaren Fall in aller Regel das ihm zustehende Ermessen dahingehend ausüben, den Betroffenen zumindest Wertgutscheinleistungen in Höhe der durch die Nichtinanspruchnahme der Sachleistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts ersparten Aufwendungen zu gewähren. Allerdings verbietet das AsylbLG es einem Leistungsträger auch nicht, das ihm zustehende Ermessen - wie im vorliegenden Fall - äußerst restriktiv auszuüben. Schließlich handelt es sich bei dem AsylbLG nicht um ein Buch des Sozialgesetzbuches, wonach bei der Ausübung von Ermessen sicherzustellen ist, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden (§ 2 Abs 2 SGB I). Bei einer Ermessensausübung unter Berücksichtigung der dem AsylbLG zugrunde liegenden Prinzipien (so: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. März 2008, aaO.) ist ein Leistungsträger kraft Gesetzes somit nicht daran gehindert, bei seiner Ermessensentscheidung besonders zu berücksichtigen, dass das Asylbewerberleistungsrecht jegliche wirtschaftliche Anreize zur Einreise in die bzw. zum Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland vermeiden soll (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 12/508, S. 13 sowie Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke u.a., BT-Drs. 16/9018, S. 25f.).

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Die Frage, ob der vom Antragsgegner für die streitbefangenen Leistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts veranschlagte Betrag (33,23 EUR für den Antragsteller zu 1. und je 30,68 EUR für die Antragsteller zu 2. bis 4.) zutreffend berechnet ist, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Denn der Antragsgegner hat diesen Betrag nicht freihändig geschätzt, sondern sich an Vorgaben des Niedersächsischen Innenministeriums orientiert. Nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen lediglich summarischen Prüfung erscheinen die Beträge angesichts der in dieser Bedarfsgruppe enthaltenen vielfältigen Einzelpositionen (u.a. Hausrat, Bettwäsche, Handtücher, Haushaltsenergie [mit Ausnahme der Heizung], Putz- und Reinigungsmittel) auch durchaus plausibel.

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Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Zugunsten der Antragsteller hat der Senat ihren Teilerfolg hinsichtlich der Anrechnung von Einkommen der minderjährigen Kinder (Teilanerkenntnis des Antragsgegners aus dem Schriftsatz vom 13. November 2009) berücksichtigt. Zudem ist der Antragsgegner aufgrund des im Rahmen der Kostenentscheidung zu berücksichtigten sog. Veranlasserprinizps zu einer zumindest teilweisen Kostenerstattung verpflichtet. Unabhängig davon, dass die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung durch eine nur mit erheblichem Aufwand nachvollziehbare Bescheidungspraxis des Antragsgegners sowie dessen nur verzögerter Bearbeitung von Widerspruchsverfahren erschwert wird, hat es der Antragsgegner unterlassen, die Tatsache der Einstellung der Wertgutscheinleistungen sowie die Begründung hierfür transparent zu machen. Dies erfolgte erstmals auf die richterliche Verfügung des Vorsitzenden der 40. Kammer des SG Hildesheim vom 4. November 2009. Damit bestand für die Antragsteller durchaus Anlass, die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen des Antragsgegners gerichtlich überprüfen zu lassen.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).