Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 14.02.2022, Az.: 4 W 16/21
Rückabwicklung eines mit einem Kraftfahrzeugkaufvertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrages nach Widerruf; Sofortige Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluss; Verwirkung eines Widerrufsrechts; Abwarten auf das Ergebnis einer in einem fremden Verfahren eingeleiteten Vorlage an den EuGH
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 14.02.2022
- Aktenzeichen
- 4 W 16/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 15415
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2022:0214.4W16.21.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 03.12.2021 - AZ: 5 O 423/21 (064)
Rechtsgrundlagen
- § 148 ZPO
- § 252 ZPO
- § 348a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO
- § 348a Abs. 3 ZPO
- § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
- § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO
- Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG
- AEUV Art. 267
- § 574 Abs. 3 S. 1 ZPO
Fundstelle
- VuR 2022, 197
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Wird ein Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO in entsprechender Anwendung ausgesetzt, um das Ergebnis einer in einem fremden Verfahren eingeleiteten EuGH-Vorlage abzuwarten, so ist diese Aussetzungsentscheidung gemäß § 252 ZPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.
- 2.
In einem solchen Falle ist der Prüfungsmaßstab des Beschwerdegerichts ob der originären Sachentscheidungskompetenz des Instanzgerichts beschränkt. Er erstreckt sich grundsätzlich lediglich auf die formelle Entscheidungserheblichkeit des fremden Vorlageverfahrens für das ausgesetzte Verfahren sowie die Prüfung von Ermessensfehlern.
- 3.
Die Prüfung einer materiellen Entscheidungserheblichkeit der in dem fremden Vorlageverfahren gestellten Auslegungsfragen für den ausgesetzten Rechtsstreit ist dem Beschwerdegericht grundsätzlich verwehrt. So erscheint die Annahme, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Entscheidung vom 9. September 2021 - C-33/20 u.a. - Fragen der Vereinbarkeit des Verwirkungseinwandes mit der Verbraucherkreditrichtlinie noch nicht abschließend beantwortet habe, zwar eher fernliegend. Es ist dem Beschwerdegericht jedoch verwehrt, seine eigene rechtliche Würdigung an die Stelle derjenigen des Instanzgerichts zu setzen.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Aussetzungsbeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 3. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Mit Klageschrift vom 11. September 2020, zugestellt am 5. Oktober 2020, nimmt der Kläger die Beklagte auf Rückabwicklung eines mit einem Kraftfahrzeugkaufvertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrages nach Widerruf in Anspruch.
Der Kläger als Darlehensnehmer schloss - vermittelt durch ein Autohaus - mit der Beklagten als Darlehensgeberin am 5. November 2015 einen Verbraucherdarlehensvertrag mit einer Laufzeit von 48 Monaten über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 24.400,00 Euro. Das Darlehen diente der Teil-Finanzierung des Kaufs eines privat genutzten gebrauchten Audi A6 Avant 3.0 TDI quattro zu einem Kaufpreis in Höhe von 26.900,00 Euro. Den von dem Autohaus zur Verfügung gestellten Vertragsunterlagen war eine Widerrufsinformation beigefügt, wobei wegen der Einzelheiten auf Seite 5 des Darlehensantrages vom 5. November 2015 (Anlage K2/B1) Bezug genommen wird. Die Beklagte kehrte die Darlehensvaluta an das verkaufende Autohaus aus. Der Kläger erbrachte an dieses vereinbarungsgemäß eine Anzahlung in Höhe von 2.500,00 Euro und leistete in der Folge die vereinbarten Zins- und Tilgungsleistungen an die Beklagte. Nach Zahlung der Schlussrate im November 2019 übertrug die Beklagte das Sicherungseigentum an dem zu finanzierenden Fahrzeug auf den Kläger. Der Kläger veräußerte das Fahrzeug am 26. November 2019 zum Preis von 12.500,00 Euro weiter. Am 17. Januar 2020 widerrief er seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung. Er vertritt die Ansicht, dass er bei Abschluss des Darlehensvertrages nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht unterrichtet worden sei.
Die Beklagte meint, dass der Kläger im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei. Ein etwaiges Widerrufsrecht des Klägers sei jedenfalls verwirkt bzw. stelle sich dessen Ausübung als rechtsmissbräuchlich dar.
Der Kläger hat seine Klage ursprünglich vor dem Landgericht München II erhoben, dessen örtliche Zuständigkeit die Beklagte gerügt hat. Auf Antrag des Klägers hat sich dieses durch Beschluss vom 3. Februar 2021 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Braunschweig verwiesen.
Dort hat die Kammer die Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 348a Abs. 1 ZPO durch Beschluss vom 27. August 2021 auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
Durch Verfügung vom 18. November 2021 hat die Einzelrichterin den auf den 18. Januar 2022 zur Güteverhandlung und gegebenenfalls anschließenden mündlichen Verhandlung anberaumten Termin aufgehoben und dies mit Blick auf die Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 9. September 2021 - verbundene Rechtssachen C-33/20, C-155/20 und C-187/20 - begründet. Danach sei derzeit ungewiss, ob der Einwand der Verwirkung trotz dieser Entscheidung noch "möglich" sei. Demgegenüber verdichteten sich die Anzeichen, dass der Bundesgerichtshof - wie bereits angedeutet etwa in dem Beschluss vom 11. Oktober 2021 - XI ZR 144/21 - dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage der Verwirkung noch einmal umfassend zur Prüfung vorlegen werde. Im Hinblick auf die derzeit bestehende unsichere Rechtslage sei es vorzugswürdig, vor einer streitigen Entscheidung diese Entwicklung abzuwarten. Jedenfalls existiere bereits ein Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Oktober 2021 - 6 U 715/19 -, der sich ebenfalls mit der Problematik der Verwirkung nach der Rechtslage in Folge der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 9. September 2021 befasse. Dieser Beschluss verdeutliche, dass sich die Rechtsprechung zu diesem Punkt derzeit dynamisch entwickele. Sofern die Parteien nicht mit einem bloßen Abwarten oder einer Ruhendstellung einverstanden seien, käme hilfsweise eine Aussetzung "auf" den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart entsprechend § 148 ZPO in Betracht. Zu diesen Überlegungen hat das Landgericht den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
Der Kläger hat sich mit der Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO einverstanden erklärt. Zwar halte er daran fest, dass das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 9. September 2021 eindeutig und "abschließend" sei und für die nationalen Gerichte keinerlei Spielraum mehr zulasse, Verwirkung oder Rechtsmissbrauch anzunehmen, wenn eine in Art. 10 Abs. 2 der Verbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates) vorgesehene zwingende Angabe weder im Kreditvertrag enthalten sei noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt werde. Sofern man - wie die erkennende Kammer - jedoch davon ausgehe, dass sich der Gerichtshof der Europäischen Union zur Verwirkung und zum Rechtsmissbrauch im Hinblick auf die besonderen Umstandsmomente und zur bisherigen Praxis der nationalen Gerichte, eine Verwirkung regelmäßig bei Erklärung des Widerrufs nach Rückführung des Darlehens und Freigabe der Sicherheit anzunehmen, noch nicht abschließend geäußert habe und berechtigte Zweifel verblieben, ob eine derartige Prüfung der Verwirkung oder des Rechtsmissbrauchs nach der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 9. September 2021 weiterhin möglich sei, sei es seines Erachtens von der erkennenden Kammer nur konsequent, eine diesbezügliche Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union abzuwarten.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass sich zwischenzeitlich mehrere Obergerichte der von ihr vertretenen Position angeschlossen hätten, dass der Verwirkungseinwand in diesen Fällen weiterhin durchgreife (unter Hinweis auf OLG Hamm, Beschluss vom 27. September 2021 - I-31 U 46/21 und OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. November 2021 - 3 U 63/21). Dies stehe auch im Einklang mit dem von Generalanwalt Hogan in seinen Schlussanträgen vom 15. Juli 2021 zu den verbundenen Rechtssachen C-33/20, C-155/20 und C-187/20 eingenommenen Standpunkt mit Blick auf beiderseits vollständig erfüllte Verträge.
Durch Beschluss vom 3. Dezember 2021 hat das Landgericht den Rechtsstreit im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Oktober 2021 - 6 U 715/19 -, juris, in analoger Anwendung des § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union über die dort gestellten Vorlagefragen ausgesetzt.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart enthält folgende Vorlagefragen:
a) Ist Art. 14 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht mehr besteht, wenn der Kreditvertrag von beiden Parteien vollständig erfüllt worden ist?
b) Falls Frage a) verneint wird:
Steht Art. 14 der Richtlinie 2008/48 einer Regelung im nationalen Recht eines Mitgliedstaates entgegen, die dazu führt, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn der Kreditvertrag von beiden Parteien vollständig erfüllt worden ist?
c) Falls Frage a) verneint und Frage b) bejaht wird:
Steht Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2008/48 einer Regelung im nationalen Recht eines Mitgliedstaates entgegen, nach der ein Verbraucher, der sein auf Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 beruhendes Widerrufsrecht wirksam ausgeübt hat, gegen den Kreditgeber einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen hat, die der Kreditgeber aus den vom Verbraucher bis zum Widerruf an den Kreditgeber geleisteten Zahlungen gezogen hat?
Das Vorabentscheidungsverfahren ist beim Gerichtshof der Europäischen Union unter dem Aktenzeichen C-630/21 anhängig.
Nach der Begründung des Aussetzungsbeschlusses vom 3. Dezember 2021 sei unter Bezugnahme auf vorgenannte Verfügung vom 18. November 2021 nach derzeitiger Einschätzung fraglich, ob nach dem Urteil des Gerichtshofes des Europäischen Union vom 9. September 2021 - C-33/20 u.a., -, juris, die Annahme ausgeschlossen sei, dass die Ausübung des Widerrufsrechts eines Verbrauchers gemäß Art. 14 der Richtlinie 2008/48 durch innerstaatliches Recht (hier: § 242 BGB) beschränkt werden könne, welches - aufgrund einer umfassenden Bewertung der Umstände des Einzelfalles festgestelltes - rechtsmissbräuchliches Verhalten (so auch eine unzulässige Rechtsausübung wegen illoyal verspäteter Geltendmachung eines Rechts) verbiete.
Zwar sei nach der Entscheidung Gerichtshofs der Europäischen Union Art. 14 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass es dem Kreditgeber verwehrt sei, sich gegenüber der Ausübung eines Widerrufsrechts auf den Einwand der Verwirkung zu berufen, wenn eine der in Art. 14 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen zwingenden Angaben nicht richtig mitgeteilt worden sei, unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis gehabt habe, ohne dass er diese Unkenntnis zu vertreten habe (EuGH, a.a.O., Rn. 113 ff.). Allerdings könnte - was die denkbare Eindeutigkeit der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union in Zweifel ziehe - zu berücksichtigen sein, dass die dem Gerichtshof vorgelegten Ausgangsverfahren keine Feststellungen enthielten, die - mangels Umstandsmoments - den Tatbestand der Verwirkung im Sinne der Rechtsprechung (auch) des Bundesgerichtshofes (unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15 -, Rn. 37 ff., juris) erfüllten. In den Entscheidungsgründen des Urteils werde unter "rechtlicher Rahmen" und "Deutsches Recht" die Norm des § 242 BGB nicht genannt.
Außerdem - dies entspreche sowohl der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch des Gerichtshofes der Europäischen Union - stelle sich der Grundsatz, dass rechtsmissbräuchliches Verhalten für die so handelnde Partei keine günstigen Rechtsfolgen zeitigen dürfe, als anerkannte grundlegende Wertvorstellung sowohl des Unionsrechts als auch des deutschen Zivilrechts dar.
Andererseits sei auch nicht eindeutig, dass es im Ergebnis bei der Beurteilung der Frage der Verwirkung nach nationalem Recht bleiben könne. Die Frage einer unverhältnismäßigen Sanktion nach europäischem Recht werde im Vorlageverfahren zu klären sein; der Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Oktober 2021 enthalte hierzu entsprechende Ausführungen (6 U 715/19 -, Rn. 107, juris).
Nach Ergehen des Aussetzungsbeschlusses - noch innerhalb der von dem Landgericht gesetzten Stellungnahmefrist - ist die Beklagte einer Aussetzung des Rechtsstreits mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2021 entgegengetreten. Der Rechtsstreit sei entscheidungsreif. Dies gelte nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung. Hinzu komme ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung. Denn der Kläger habe das Fahrzeug veräußert, was im Rahmen des Rechtsstreits nicht offenbart worden sei. Es ergebe sich daher eine unzulässige Rechtsausübung im Rahmen des auf einen Widerruf folgenden Rückabwicklungsschuldverhältnisses auf der Rechtsfolgenseite (unter Hinweis auf OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. Oktober 2021 - I-16 U 256/20).
Gegen den ihr am 8. Dezember 2021 zugestellten Beschluss vom 3. Dezember 2021 hat die Beklagte am 13. Dezember 2021 sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass die Voraussetzungen des § 148 ZPO nicht vorlägen. Die Entscheidungsgründe nähmen den innerhalb der von dem Landgericht gesetzten Stellungnahmefrist gehaltenen Vortrag nicht auf. Die Klage sei wegen widersprüchlichen Verhaltens abweisungsreif und die dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegten Rechtsfragen mit Blick auf den hier zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt nicht vorgreiflich.
Das Landgericht Braunschweig hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 15. Dezember 2021 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Kammer sei weiterhin der Ansicht, dass die von dem Oberlandesgericht Stuttgart vorgelegten Auslegungsfragen für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit entscheidungserheblich seien. Der Einwand der Beklagten, dass die Klage bereits aufgrund der Veräußerung des Fahrzeuges an einen Dritten abweisungsreif sei, verfange nicht. Der von der Beklagten unter anderem zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 8. Juli 2020 - 11 U 101/19 - liege eine abweichende Fallgestaltung zugrunde, nämlich die Ausübung eines verbrieften Rückgaberechts nach Widerrufserklärung. Auch die zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Oktober 2021 habe den Weiterverkauf des Fahrzeuges trotz Erklärung des Widerrufs zum Gegenstand. Vorliegend hingegen habe der Kläger nach der Erklärung des Widerrufs kein solches Verhalten an den Tag gelegt.
Im Beschwerdeverfahren hält die Beklagte daran fest, dass der Umstand der Veräußerung des Fahrzeuges nicht in die Gründe des angefochtenen Beschlusses und somit auch nicht in die Ermessenserwägungen des Landgerichts eingegangen sei. Die Veräußerung des Fahrzeuges durch den Darlehensnehmer sei weder Gegenstand der verbundenen Rechtssachen C-33/20, C-155/20 und C-187/20 gewesen noch berührten die Vorlagefragen des Oberlandesgerichts Stuttgart diese Konstellationen. Vorgreiflichkeit liege nicht vor.
Der Kläger tritt der Aussetzung nicht entgegen und hält den Umstand der Veräußerung des Fahrzeuges für unerheblich.
II.
Die zulässige Beschwerde der Beklagten vom 13. Dezember 2021 gegen den Aussetzungsbeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 3. Dezember 2021 ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1.
Über die sofortige Beschwerde entscheidet der Senat in der nach dem Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung mit drei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden (§ 122 Abs. 1 GVG), nachdem die Berichterstatterin als originäre Einzelrichterin die Sache dem Senat durch Beschluss vom 3. Februar 2022 gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung übertragen hat.
2.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
a)
Gegen den Aussetzungsbeschluss in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO mit Blick auf ein Parallel-Vorlagefahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV ist die sofortige Beschwerde gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 252 ZPO statthaft.
Nach § 252 ZPO findet gegen die Entscheidung, durch die auf Grund der Vorschriften des entsprechenden Titels oder auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder abgelehnt wird, die sofortige Beschwerde statt.
Zwar ist nach herrschender Auffassung § 252 ZPO einschränkend dahin auszulegen, dass eine sofortige Beschwerde nicht statthaft ist, soweit das Gericht das Verfahren in Verbindung mit einer eigenen Vorlageentscheidung an ein höheres Gericht ausgesetzt hat (OLG Köln, Beschluss vom 13. Mai 1977 - 6 W 80/76 -, Rn. 22 ff., juris; OLG Celle, Beschluss vom 10. Oktober 2008 - 9 W 78/08 -, Rn. 1, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. Oktober 2014 - 4 W 33/14 -, Rn. 13 ff., juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Oktober 2020 - 6 W 53/20 -, Rn. 9, juris; MüKoZPO/Stackmann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 252 Rn. 17; BeckOK ZPO/Jaspersen, 43. Ed. 01.12.2021, ZPO § 252 Rn. 4; Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 252 ZPO Rn. 2).
Begründet wird dies zum einen damit, dass die Anfechtbarkeit einer solchen Entscheidung den Sinn und Zweck des § 252 ZPO verfehlte. Denn die Möglichkeit der Überprüfbarkeit einer Aussetzungsentscheidung gemäß § 252 ZPO diene dazu, einem (unberechtigten) Verfahrensstillstand entgegenzutreten. Durch die Vorlage einer Auslegungsfrage im Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV trete ein solcher jedoch nicht ein, da das Vorabentscheidungsverfahren - wenn auch in einem weiteren Sinne - als Teil des Zivilprozesses anzusehen sei (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. Oktober 2014 - 4 W 33/14 -, Rn. 14, juris; OLG Köln, Beschluss vom 13. Mai 1977 - 6 W 80/76 -, Rn. 26, juris; Musielak/Voit/Stadler, 18. Aufl. 2021, ZPO § 252 Rn. 1; kritisch: Pfeiffer, NJW 1994, 1996 [1998 ff.]). Zum anderen würde die Überprüfbarkeit einer solchen Aussetzungsentscheidung den allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatz verletzen, dass Instanzgerichte ihre Sachentscheidung ohne Steuerung und Einflussnahme von außen treffen dürften und müssten (OLG Köln, Beschluss vom 13. Mai 1977 - 6 W 80/76 -, Rn. 31 ff., juris). Erachtete man nun jedoch eine Anfechtbarkeit als statthaft, liefe dies auf eine von der gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckte Überprüfung der Vorlageentscheidung und -kompetenz des aussetzenden und vorlegenden Gerichts durch das Beschwerdegericht hinaus. Denn die Aussetzungsentscheidung sei untrennbar mit der Vorlageentscheidung verbunden (BeckOK ZPO/Jaspersen, 43. Ed. 01.12.2021, ZPO § 252 Rn. 4; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. Oktober 2014 - 4 W 33/14 -, Rn. 14 f., juris).
Ob diese Ausnahme - wie im vorliegenden Fall - auch dann gilt, wenn das Verfahren mit Blick auf eine bereits erfolgte Vorlage in einem anderen Verfahren ausgesetzt wird, mithin die Aussetzung nicht mit einer eigenen Vorlage verbunden wird, ist streitig (vgl. dazu - offen lassend -: OLG Celle, Beschluss vom 14. März 2016 - 13 W 3/16 (Kart) -, Rn. 3 f. m.w.N., juris; dagegen: Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 252 ZPO Rn. 2; BeckOK ZPO/Jaspersen, 43. Ed. 01.12.2021, ZPO § 252 Rn. 4; dafür: OLG Celle, Beschluss vom 10. Oktober 2008 - 9 W 78/08 -, Rn. 3, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. Oktober 2014 - 4 W 33/14 -, Rn. 16 ff., juris).
Aus Sicht des Senats streiten die besseren Argumente für die Anfechtbarkeit von solchen Aussetzungsbeschlüssen, die nicht mit einer eigenen Vorlage des aussetzenden Gerichts an den Gerichtshof der Europäischen Union verbunden sind.
Weil § 252 ZPO nach seinem Wortlaut uneingeschränkt für jede Art der Aussetzungsentscheidung aufgrund gesetzlicher Bestimmungen gilt, einschließlich der Aussetzung nach § 148 ZPO in entsprechender Anwendung in Verbindung mit Art. 267 AEUV, ist gerade begründungsbedürftig, warum der Anwendungsbereich der Norm für die Aussetzung ohne eigene Vorlage teleologisch zu reduzieren sein soll (vgl. zu diesem Gedanken Pfeiffer, NJW 1994, 1996 [1998]). In diesem Lichte ist folgerichtig die Übertragbarkeit der für die Unanfechtbarkeit eines mit einem eigenen Vorlagebeschluss verbundenen Aussetzungsbeschlusses vorgebrachten Argumentation auf die hier zur Entscheidung anstehende Konstellation einer kritischen Würdigung zu unterziehen.
Einem Vergleich mit der hier gegebenen Fallgestaltung halten die dort angeführten Gesichtspunkte zur Überzeugung des Senats nicht stand.
Zwar wird gegen die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde in der hier zur Entscheidung anstehenden Konstellation angeführt, dass sich - auch aus Sicht der Parteien - für den Verfahrensablauf kein Unterschied zu der Situation ergebe, in der das Gericht die Aussetzung mit einer eigenen - unanfechtbaren - Vorlageentscheidung verbindet (OLG Celle, Beschluss vom 10. Oktober 2008 - 9 W 78/08 -, Rn. 3, juris; dem folgend: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. Oktober 2014 - 4 W 33/14 -, Rn. 18, juris). Dem stehe nicht entgegen, dass es bei der Aussetzung wegen der Vorlage eines anderen Verfahrens an der Identität mit der Vorlageentscheidung fehle (wie Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 252 ZPO Rn. 2). Denn auch insoweit gehe es letztlich darum, dem Beschwerdegericht eine Überprüfungskompetenz dahingehend einzuräumen, ob das Gericht dem Gerichtshof der Europäischen Union die der Aussetzung zugrundeliegende Frage hätte vorlegen dürfen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. Oktober 2014 - 4 W 33/14 -, Rn. 18, juris).
Dieser Argumentation ist noch insoweit zuzustimmen, als die Entscheidungskompetenz des aussetzenden Gerichts mit Blick auf die Erforderlichkeit einer Vorlage im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens grundsätzlich unangetastet bleiben muss. Dies führt aus Sicht des Senats jedoch nicht dazu, dass bei Anfechtbarkeit einer isolierten Aussetzungsentscheidung mit Blick auf ein fremdes Vorlageverfahren der Sinn und Zweck des § 252 ZPO verfehlt würde. Nur dies könnte aber eine teleologische Reduktion rechtfertigen.
Bei der isolierten Aussetzungsentscheidung ist es nicht so, dass das fremde Vorlageverfahren in Wahrheit Teil des auszusetzenden Zivilprozesses sei. Dies stellt sich auch für die Parteien so dar. Denn diese werden durch die isolierte Aussetzungsentscheidung vielmehr mit einem "fremden" Vorlageverfahren konfrontiert, das Auswirkungen auf die rechtliche Beurteilung des von ihnen unterbreiteten Sachverhalts zeitigen soll, gegebenenfalls sogar ohne Rücksicht darauf, ob sie sich selbst darauf berufen haben.
Richtig ist zwar, dass das aussetzende Gericht im Falle der Bezugnahme auf ein fremdes Vorlageverfahren nichts anderes zum Ausdruck bringt, als die Einschätzung, dass in dem Falle, in dem es das fremde Vorlageverfahren nicht gäbe, selbst gehalten wäre, ein Vorabentscheidungsverfahren durchzuführen (so auch Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. Oktober 2014 - 4 W 33/14 -, Rn. 18, juris). Jedoch ist die Entscheidung, mit einer eigenen Vorlageentscheidung hervorzutreten, mit deutlich mehr Begründungsaufwand verbunden, als diejenige, die sich lediglich auf eine andere Entscheidung beruft und so die Erkenntnisse eines fremden Vorlageverfahrens für den eigenen Prozess fruchtbar macht. Für eine Anfechtbarkeit in diesen Fällen spricht denn auch das berechtigte Rechtsschutz-Bedürfnis der Parteien, die insoweit "nur" mit einem fremden Vorlageverfahren konfrontiert werden. Ihr berechtigtes Anliegen besteht in diesen Fällen deshalb darin, überprüfen zu lassen, ob überhaupt eine entscheidungserhebliche Vorlagefrage in der "Parallelsache" vorliegt und deshalb eine Aussetzung gerechtfertigt ist (vgl. hierzu auch BeckOK ZPO/Jaspersen, 43. Ed. 01.12.2021, ZPO § 252 Rn. 4). Schließlich wird das Abwarten auf die fremde Vorlageentscheidung, auf welche die Parteien selbst keinerlei Einfluss haben, für sie absehbar mit einer nicht unerheblichen Verzögerung des eigenen Rechtsstreits verbunden sein (vgl. Pfeiffer, NJW 1994, 1996 [1999 f.]).
Die grundsätzliche Überprüfbarkeit einer so die Dispositionsfreiheit der Parteien tangierenden isolierten Aussetzungsentscheidung entspricht gerade dem Zweck des § 252 ZPO. Erst recht verbietet sich deshalb eine teleologische Reduktion dieser Norm. Dem Gebot der grundsätzlichen Nichtüberprüfbarkeit der eigenen Vorlagekompetenz des aussetzenden Gerichts (ohne eigene Vorlage) kann auch bei einer isolierten Aussetzungsentscheidung mit Blick auf eine Vorlage in einem anderen Verfahren durch Anwendung eines dies berücksichtigenden begrenzten Prüfungsmaßstabes des Beschwerdegerichts Rechnung getragen werden.
b)
Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere formgerecht innerhalb der Zwei-Wochen-Notfrist des § 569 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO eingelegt worden.
3.
Die sofortige Beschwerde erweist sich jedoch als unbegründet.
Hierbei ist der der Prüfungsmaßstab des Beschwerdegerichts auf der Tatbestandsseite der Aussetzungsnorm umfassend (BeckOK ZPO/Jaspersen, 43. Ed. 01.12.2021, ZPO § 252 Rn. 7). Das Beschwerdegericht prüft uneingeschränkt, ob ein Aussetzungsgrund gegeben ist (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005 - II ZB 30/04 -, Rn. 6, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 20. April 2021 - I-4 W 17/21 -, Rn. 5, juris) und damit die tatbestandliche Voraussetzung für die Ausübung des Ermessens vorliegt (KG Berlin, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - 12 W 83/07 -, Rn. 7, juris).
Auf der Rechtsfolgenseite hingegen verengt sich der Prüfungsmaßstab auf die Kontrolle von Ermessensfehlern (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005 - II ZB 30/04 -, Rn. 6, juris). Dem Beschwerdegericht ist es daher verwehrt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des dem Erstgericht eingeräumten Ermessens zu setzen (KG Berlin, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - 12 W 83/07 -, Rn. 6, juris).
Auf dieser Grundlage ist unter Beachtung eines eingeschränkten Prüfungsmaßstabes des Beschwerdegerichts ein Aussetzungsgrund gegeben (a). Ermessensfehler sind nicht erkennbar (b).
Zwar ist in der unterlassenen Kammer-Vorlage zwecks Rückübertragung auf das Kollegium wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 348a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ein Verfahrensfehler zu erblicken. Dieser führt jedoch nicht zur Aufhebung der Aussetzungsentscheidung (c).
a)
Ein Aussetzungsgrund ist gegeben, weil die Voraussetzungen des § 148 ZPO in entsprechender Anwendung vorliegen.
Das Landgericht hat den bei ihm anhängigen Rechtsstreit mit Blick auf den Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Oktober 2021 - 6 U 715/19 - ausgesetzt, weil es der Ansicht ist, dass die Beantwortung der von dem Oberlandesgericht Stuttgart gestellten Vorlagefragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit vorgreiflich sei.
aa)
Die entsprechende Anwendung des § 148 ZPO ist in einer solchen Konstellation nach einhelliger Auffassung grundsätzlich zulässig, wenn die betreffende entscheidungserhebliche Frage bereits in einem anderen Verfahren vorgelegt wurde (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10 -, Rn. 9, juris; BGH, Beschluss vom 14. Mai 2014 - VII ZR 102/12 -, Rn. 7 m.w.N., juris; KG Berlin, Beschluss vom 7. November 2012 - 6 W 136/12 -, Rn. 3, juris; Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 148 ZPO Rn. 3b m.w.N.).
bb)
Die Entscheidungserheblichkeit der von dem Oberlandesgericht Stuttgart gestellten Vorlagefragen für den von dem Landgericht Braunschweig zu entscheidenden Rechtsstreit ist vorliegend zu bejahen.
(1)
Mit ihrem Argument, dass es auf die Frage der Verwirkung nicht ankomme, weil der Rechtsstreit bereits wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens auf Seiten des Klägers zu ihren Gunsten entscheidungsreif sei, dringt die Beklagte nicht durch.
Es ist dem Beschwerdegericht im Rahmen des § 252 ZPO grundsätzlich verwehrt, die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch das Erstgericht zu überprüfen, denn diese Prüfung ist dem Rechtsmittel gegen die spätere Sachentscheidung vorbehalten (Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 252 ZPO Rn. 5, unter Hinweis u.a. auf OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. November 1997 - 13 W 51/97 -, Rn. 7, juris = OLGR Düsseldorf 98, 83, und OLG Celle, Beschluss vom 27. Mai 1975 - 2 W 16/75 -, NJW 1975, 2208 [2208]; a.A.MüKoZPO/Stackmann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 252 Rn. 18, der meint, dass das Beschwerdegericht bei der rechtlichen Prüfung, ob ein Aussetzungsgrund gegeben sei, keinen Beschränkungen unterworfen sei).
Für diese eingeschränkte Prüfungsdichte des Beschwerdegerichts spricht der bereits im Rahmen der Statthaftigkeits-Prüfung erwähnte prozessrechtliche Grundsatz der Selbständigkeit des Instanzgerichtes, wonach die materiell-rechtliche Beurteilung des zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhaltes in den originären Verantwortungsbereich des aussetzenden Gerichts fällt, in den einzugreifen dem im Wege des § 252 ZPO angerufenen Beschwerdegericht nicht ansteht (OLG Celle, Beschluss vom 27. Mai 1975 - 2 W 16/75 -, NJW 1975, 2208 [2208]). Vor diesem Hintergrund hat der Senat "einzig und allein die formellen Voraussetzungen des § 148 ZPO [zu prüfen], also ob das 'andere Verfahren' auf der vom Prozeßgericht mitgeteilten materiellen Grundlage vorgreiflich ist" (OLG Celle, Beschluss vom 27. Mai 1975 - 2 W 16/75 -, NJW 1975, 2208 [2208]; ebenso: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. November 1997 - 13 W 51/97 -, Rn. 7, juris).
Vorliegend ist eindeutig erkennbar, dass das Landgericht den ihm zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt als Verwirkungsfall einstuft. Ausweislich der Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss hat das Landgericht zudem deutlich gemacht, dass es die Voraussetzungen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens auf Seiten des Klägers für nicht gegeben erachtet.
Diese Auffassung des Landgerichts, dass der Kläger durch den Verkauf des finanzierten Fahrzeuges nach vollständiger Erfüllung des Darlehensvertrages und vor Erklärung des Widerrufs kein rechtsmissbräuchliches Verhalten an den Tag gelegt habe, wäre auch nicht unvertretbar. So wäre selbst nach jüngster Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München, welches neuerdings einen vermittelnden Weg einschlägt und die rechtliche Würdigung des aussetzenden Gerichts einer Vertretbarkeitskontrolle unterwirft (vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 8 W 1818/21 -, Rn. 32 ff., juris), diese Voraussetzung erfüllt, ohne dass der Senat sich diese Auffassung notwendigerweise zu eigen machen muss.
(2)
Die in dem Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Oktober 2021 - 6 U 715/19 - gestellten Vorlagefragen sind auch für den von dem Landgericht Braunschweig zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt insoweit erheblich, als das Landgericht von einer Konstellation ausgeht, in der es den entscheidungserheblichen Einwand der Verwirkung selbst für begründet hält. Es sieht sich jedoch angesichts der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 9. September 2021 - C-33/20 u.a. - daran gehindert, entsprechend zu entscheiden.
Mit der Vorlage des Oberlandesgerichts Stuttgart verbindet es die Erwartung, dass trotz der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 9. September 2021 doch noch eine Klarstellung dergestalt erfolgen könnte, dass für das Rechtsinstitut der Verwirkung im Falle von vollständig erfüllten Verbraucherdarlehensverträgen ein Anwendungsbereich verbleibt.
(a)
Wiederum offen bleiben kann, ob die Notwendigkeit einer Vertretbarkeitskontrolle der rechtlichen Würdigung durch das aussetzende Gericht tatsächlich besteht (vgl. erneut OLG München, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 8 W 1818/21 -, Rn. 32 ff., juris).
Denn selbst unter Anlage eines solchen Maßstabes wäre die rechtliche Würdigung des Landgerichts dahingehend, Verwirkungsfragen für entscheidungserheblich zu halten, keineswegs zu beanstanden.
In vorliegender Konstellation, in welcher der Widerruf von dem Verbraucher erst zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem der Verbraucherdarlehensvertrag beiderseits beendet ist und die Sicherheiten zurückübertragen wurden, von der Begründetheit des von dem Darlehensgeber erhobenen Verwirkungseinwandes auszugehen, und zwar unabhängig von der etwaigen Fehlerhaftigkeit der Widerrufsinformation oder der Frage nach einer Nachbelehrung, entsprach - vorbehaltlich der Prüfung der Umstände des Einzelfalles - bis zum Ergehen der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 9. September 2021 - C-33/20 u.a. - (zu damit verbundenen Folge-Erheblichkeitsfragen sogleich) - der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der Obergerichte (vgl. nur BGH, Urteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105, Rn. 40, juris, und XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123, Rn. 37, juris; BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15 -, BGHZ 212, 207, Rn. 30, juris; BGH, Urteil vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16 -, Rn. 27, juris; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17 -, Rn. 9, juris; BGH, Urteil vom 16. Oktober 2018 - XI ZR 69/18 -, Rn. 12, juris; BGH, Urteil vom 18. Februar 2020 - XI ZR 25/19 -, Rn. 12, juris) und ist damit vertretbar.
(b)
Mit Blick auf die von dem Landgericht erkennbar zugrunde gelegte materielle Rechtslage erweist sich das von dem Oberlandesgericht Stuttgart durch Beschluss vom 12. Oktober 2021 - 6 U 715/19 - eingeleitete Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union als vorgreiflich.
(aa)
Eine formelle Entscheidungserheblichkeit, die sich allein auf die Prüfung erstreckt, ob die Vorlagefragen des Parallel-Vorlageverfahrens zu der Begründung passen, die das aussetzende Gericht für seine Aussetzungsentscheidung liefert, liegt vor.
Das Oberlandesgericht Stuttgart möchte wissen, ob sich die Frage des Widerrufsrechts bei einem von beiden Parteien vollständig erfüllten Kreditvertrag überhaupt noch stellt, und wenn ja, ob es unter Berücksichtigung der von ihm zusammengetragenen Argumente für solcherart erfüllte Darlehensverträge einen verbleibenden Anwendungsbereich für den Einwand der Verwirkung im nationalen Recht geben kann. Sollte letzteres verneint werden, wirft es die Frage auf, ob der Verbraucher zusätzlich zu seinem ewigen Widerrufsrecht - mit Blick auf von dem Darlehensgeber aus den vom Verbraucher bis zum Widerruf geleisteten Zahlungen gezogenen Nutzungen - in den Genuss eines entsprechenden Herausgabeanspruchs kommen kann.
Das Landgericht erachtet den Einwand der Verwirkung wie dargestellt als einschlägig, sieht sich aber an einer entsprechenden Entscheidung wegen möglicherweise entgegenstehender Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union gehindert. Es erhofft sich von dem Parallel-Vorlageverfahren eine Klärung dahingehend, dass das Widerrufsrecht bei beendeten Darlehensverträgen als von vornherein ausgeschlossen oder jedenfalls verwirkbar angesehen werden kann.
(bb)
Die Prüfung einer weitergehenden, in diesem Sinne materiellen Entscheidungserheblichkeit ist dem Senat ob des eingeschränkten Prüfungsmaßstabes grundsätzlich verwehrt. Die materielle Entscheidungserheblichkeit, genauer: die materielle Abhängigkeit, meint hierbei die Prüfung des Beschwerdegerichts dahingehend, ob das Parallel-Vorlageverfahren in der Sache tatsächlich dazu geeignet ist, eine Frage zu beantworten, die für das ausgesetzte Verfahren entscheidungserheblich ist.
Vor diesem Hintergrund ist die materielle Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen für das ausgesetzte Verfahren durchaus zweifelhaft. Denn aus Sicht des Senates dürfte der Gerichtshof der Europäischen Union mit besagter Entscheidung vom 9. September 2021 - gegenläufig zur Interpretation des Oberlandesgerichts Stuttgart - die Frage der Verwirkung nicht allein in zeitlicher Hinsicht beantwortet haben. Insoweit ist der Hinweis des Klägers keineswegs abwegig, wonach die Frage, ob der dem nationalen Recht entspringende Verwirkungseinwand mit Art. 14 der Verbraucherkreditrichtlinie vereinbar sei, von dem Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 9. September 2021 - C-33/20 u.a. - bereits klar und eindeutig verneint worden sei (so auch Artz, NJW 2022, 49 [49]: "erstaunliche Deutlichkeit"; Knops/Fromm, WM 2021, 2169 [2175 ff.]; vgl. weiterhin OLG Rostock, Beschluss vom 9. November 2021 - 4 U 51/21 -, Rn. 52, juris; a.A. Grüneberg, WM 2022, 153 [156]; Hölldampf, BB 2021, 2569 [2573]).
Der Annahme, dass diesbezüglich noch Fragen offen sein könnten, steht zunächst der Umstand entgegen, dass dem Vorabentscheidungsverfahren, das zum Urteil des Gerichtshofes vom 9. September 2021 führte, unter anderem ein Sachverhalt zugrunde lag, der dem hier zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt entspricht (LG Ravensburg, EuGH-Vorlage vom 5. März 2020 - 2 O 328/19 -, Rn. 11, juris): "Die Klägerin zahlte die vereinbarten Raten regelmäßig und löste das Darlehen mit Zahlung der am 01.05.2018 fälligen Schlussrate ab. Mit Kaufvertrag vom 04.06.2018 verkaufte sie das Fahrzeug an die Autohaus H. GmbH in L. für 8.031,46 €. Mit Schreiben vom 05.01.2019 widerrief die Klägerin ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung" (vgl. ebenso: EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-33/20, C-155/20 und C-187/20 -, Rn. 41, juris).
Damit wurde dem Gerichtshof bereits ein Sachverhalt einen beendeten Darlehensvertrag betreffend unterbreitet. Gleichwohl hat die Gerichtshof die Auslegungsfrage wie geschehen ohne jedwede Einschränkung beantwortet - und das, obwohl Generalanwalt Hogan im Rahmen seiner Schlussanträge doch folgende Beantwortung der Auslegungsfrage vorgeschlagen hatte:
"Vor diesem Hintergrund schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vierte Frage in der Rechtssache C-155/20 und die siebte Frage in der Rechtssache C-187/20 dahin zu antworten, dass Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass der Kreditgeber den Verbraucher nicht an der Ausübung seines Widerrufsrechts hindern darf, falls noch nicht alle in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie genannten Informationen in den Kreditvertrag aufgenommen sind. Dieses Recht kann jedoch nicht mehr ausgeübt werden, sobald alle vom Vertrag erfassten Verpflichtungen vollständig erfüllt sind"(Schlussanträge des Generalanwalts vom 15. Juli 2021, C-33/20, Celex-Nr. 62020CC0033, Rn. 109, juris).
Die zuletzt genannte Einschränkung hat der Gerichtshof bei der Beantwortung der Vorlagefrage - bewusst - weder aufgegriffen noch aufgenommen. Dies zeigt sich vor allem daran, dass er die subjektiven Voraussetzungen von Rechtsmissbrauch und Verwirkung in der weiteren Argumentation stark macht und zu diesem Zweck auch den zweiten Teil der zweiten thematisch einschlägigen Vorlagefrage des Landgerichts Ravensburg zur Frage der Kenntnis des Verbrauchers (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-33/20, C-155/20 und C-187/20 -, Rn. 46 sub. Ziffer 4 lit. a und lit. b, juris) mit beantwortet, obwohl die zweite Vorlagefrage zur Verwirkung unter Ziffer 4 lit. b nur dann zur Entscheidung angestanden hätte, wenn der Gerichtshof die Vorlagefrage zu Ziffer 4 lit. a verneint hätte, was er jedoch nicht getan hat. Die vom Gerichtshof so beantwortete Vorlagefrage zu Ziffer 4 lit. b benennt neben dem "Zeitablauf" zudem ausdrücklich eine Reihe weiterer Aspekte, die nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung nach nationalem Recht wesentlich zu berücksichtigende Aspekte bei der Beurteilung der Einwendung der Verwirkung im Rahmen des Umstandsmoments darstellen ("vollständige Erfüllung des Vertrages durch beide Vertragsparteien", "Disposition des Kreditgebers über die zurückerhaltene Darlehenssumme", "Rückgabe der Kreditsicherheiten"). Vor diesem Hintergrund dürfte es nach hiesiger Interpretation der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union aus Sicht des Senats für diesen auf weitere Voraussetzungen der Verwirkung im Sinne des Umstandsmomentes erkennbar nicht mehr ankommen (so ausdrücklich auch Knops/Fromm, WM 2021, 2169 [2177]), zumal kein Zweifel daran bestehen kann, dass dem Gerichtshof der Europäischen Union im besagten Vorlageverfahren die weitere Voraussetzung der Verwirkung im Sinne des Umstandsmomentes nach geltendem nationalen Recht nicht verborgen geblieben sein dürfte.
Bei dieser Sachlage davon auszugehen, dass der Gerichtshof die Frage der Verwirkung bislang nur in zeitlicher Hinsicht beantwortet habe (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 12. Oktober 2021 - 6 U 715/19 -, Rn. 102, juris), erscheint dem Senat nach alledem eher fernliegend.
Dennoch ist es dem Senat im vorliegenden Fall verwehrt, seine eigenen Erwägungen an die Stelle derjenigen des Ausgangsgerichts zu setzen.
Zwar mag es Fallkonstellationen geben, in denen eine fehlende materielle Entscheidungserheblichkeit zur Aufhebung der Aussetzungsentscheidung durch das Beschwerdegericht führen kann. Ein solcher Fall ist jedoch vorliegend nicht gegeben.
Unter Berücksichtigung des nur eingeschränkten Prüfungsmaßstabs hinsichtlich der instanzgerichtlichen Einschätzung der Sach- und Rechtslage, welche in dessen originärem Verantwortungsbereich zu verorten ist, könnte sich eine solche Prüfung der materiellen Entscheidungserheblichkeit durch das Beschwerdegericht allenfalls auf eine Unvertretbarkeits- bzw. Willkürkontrolle beschränken (in diese Richtung bereits: OLG Celle, Beschluss vom 14. März 2016 - 13 W 3/16 (Kart) -, Rn. 20 und Rn. 31, juris).
Diese äußerste Grenze ist trotzt dargelegter Zweifel bei der vorliegenden Fallgestaltung jedenfalls nicht überschritten.
Der Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Oktober 2021 - 6 U 715/19 - stellt sich weder für sich genommen als völlig unverständlich noch in der Gesamtschau als solitäre "Ausnahme"-Entscheidung dar. So hat selbst zwischenzeitlich der Bundesgerichtshof in einer vergleichbaren Konstellation auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers die Revision gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. März 2021 - 6 U 553/20 -, juris, immerhin mit der Begründung zugelassen, dass eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchstabe b und Abs. 3 AEUV in Betracht komme (BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2021 - XI ZR 196/21 -, juris).
Damit ist freilich keineswegs gesagt, dass der Bundesgerichtshof auch dieselben Vorlagefragen für entscheidungserheblich hält und die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens mit derselben Begründung wie das Oberlandesgericht Stuttgart in Betracht zieht.
Vor diesem Hintergrund erscheint es jedenfalls mitnichten willkürlich, wenn das Landgericht selbst nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 9. September 2021 noch Auslegungszweifel hegt, so dass es als von vornherein aussichtslos und überflüssig erschiene, den Gerichtshof erneut mit einem Vorabentscheidungsverfahren betreffend die Vereinbarkeit des Verwirkungseinwandes mit der Verbraucherkreditrichtlinie zu befassen.
b)
Ermessensfehler bei der Aussetzungsentscheidung sind nicht ersichtlich.
aa)
So hat sich das Landgericht bei der Aussetzungsentscheidung insbesondere nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Ganz im Gegenteil hat es deutlich gemacht, dass es sich angesichts der von ihm angenommenen Auslegungszweifel betreffend die Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 9. September 2021 nicht in einen Widerspruch zu dessen Rechtsprechung setzen möchte.
Bei der hier gegebenen Sachlage, in der das Landgericht daran zweifelt, den Verwirkungseinwand angesichts der möglicherweise in diesem Bereich vollharmonisierenden Wirkungen der Verbraucherkreditrichtlinie noch für durchgreifend erachten zu können, bleibt ihm letztendlich auch nichts anderes übrig, als den Gerichtshof entweder selbst im Wege der Vorabentscheidung anzurufen oder aber das Ergebnis des - aus seiner Sicht folgerichtig - einschlägigen, von dem Oberlandesgerichts Stuttgart durch Beschluss vom 12. Oktober 2021 eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahrens abzuwarten.
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass das Landgericht als nicht-letztinstanzliches Gericht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht zu einer eigenen Vorlage verpflichtet wäre. Denn ohne die eigene Vorlage bzw. das Zuwarten auf das Ergebnis des aus seiner Sicht einschlägigen Parallel-Vorlageverfahrens wäre das Landgericht dazu gezwungen, die Auslegungszweifel betreffend die Entscheidung des Gerichtshofes vom 9. September 2021 auszublenden und in der Folge entweder im Sinne der Verwirkung zu entscheiden (und damit gegebenenfalls mehr oder weniger "sehenden Auges" gegen Unionsrecht zu verstoßen) oder andererseits gegen seine Überzeugung zu entscheiden, indem es die Verwirkung außer Betracht lässt. Beides kann nicht von ihm verlangt werden.
bb)
Schließlich dringt die Beklagte mit ihrer Rüge, dass einige der von ihr vorgebrachten Argumente nicht in die Aussetzungsentscheidung eingegangen wären, nicht durch.
Zwar hat das Landgericht durch Beschluss vom 3. Dezember 2021 die Aussetzungsentscheidung getroffen, bevor ihm die innerhalb der gesetzten Stellungnahmefrist durch Schriftsatz vom 3. Dezember 2021 vorgebrachten weiteren Argumente der Beklagten zur Kenntnis gelangt waren, wonach es auf die Frage der Verwirkung nicht ankomme, nachdem der Kläger zusätzlich ein rechtsmissbräuchliches Verhalten an den Tag gelegt hatte.
Jedoch ist ein etwaiger Anhörungs- und Abwägungsmangel dadurch geheilt worden, dass das Landgericht dieses Argument sodann in dem Nichtabhilfebeschluss vom 15. Dezember 2021 aufgegriffen und unter Begründung im Einzelnen zurückgewiesen hat.
c)
Der obligatorischen Einzelrichterin ist zwar wegen Unterlassens der Kammer-Vorlage gemäß § 348a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zur Prüfung der Rückübertragung der Entscheidung des Rechtsstreits auf das Kollegium wegen grundsätzlicher Bedeutung ein Verfahrensfehler unterlaufen. Dieser hat jedoch nicht die Aufhebung der Aussetzungsentscheidung zur Folge.
aa)
Die obligatorische Einzelrichterin wäre gemäß § 348a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO gehalten gewesen, den Rechtsstreit der Kammer zur Prüfung der Rückübernahme vorzulegen, nachdem es durch die Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 9. September 2021 - C-33/20 u.a. - zu einer wesentlichen Änderung der Prozesslage gekommen war.
Nach § 348a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO legt der Einzelrichter den Rechtsstreit der Zivilkammer zur Entscheidung über eine Übernahme vor, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben.
Eine Änderung der Prozesslage tritt ein, wenn sich die Gegebenheiten, die die Kammer bei der Übertragungsentscheidung gemäß § 348a Abs. 1 ZPO berücksichtigt hat oder hätte berücksichtigen müssen, nach der Übertragung auf den Einzelrichter geändert haben. Dabei wird es sich in der Regel um neues Vorbringen der Parteien zum Streitgegenstand oder neue Angriffs- und Verteidigungsmittel handeln. Als ein berücksichtigungsfähiger Umstand kommt aber auch das Ergehen neuer Rechtsprechung in Betracht, durch die der beabsichtigten Entscheidung des Rechtsstreits grundsätzliche Bedeutung zuwächst (MüKoZPO/Stackmann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 348a Rn. 40).
Letzteres ist vorliegend zu bejahen.
Erst nach der Übertragung des Rechtsstreits auf die Einzelrichterin durch Kammerbeschluss vom 27. August 2021 wurde durch die Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 9. September 2021 die Frage virulent, ob die Berücksichtigung des Verwirkungseinwandes angesichts der insoweit gegebenenfalls vollharmonisierenden Wirkung der Verbraucherkreditrichtlinie noch Bestand haben könne. Diese Frage war zwar insoweit nicht neu, als dass sie bereits zuvor in Rechtsprechung und Schrifttum diskutiert worden war. Sie war jedoch bis dahin von der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung wie gezeigt bejaht worden. Insoweit schuf die Entscheidung des Gerichtshofes vom 9. September 2021, dem die verbindliche Letztentscheidungskompetenz zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht zukommt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10 -, Rn. 8, juris), eine neue Rechtslage.
Jedenfalls in dem Moment, in dem die Einzelrichterin zu der Überzeugung gelangte, dass auch angesichts der genannten Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union noch Fragen offen seien und insofern eine eigene Vorlage bzw. ein Zuwarten auf das Ergebnis eines Parallel-Vorlageverfahrens erforderlich sei, erlangte der Rechtsstreit - insbesondere angesichts der unter II. 3. a) bb) 2) entfalteten Gesichtspunkte - eine Bedeutung, die über eine Entscheidung des Einzelfalls hinausgeht (vgl. MüKoZPO/Stackmann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 348 Rn. 15; BeckOK ZPO/Fischer, 43. Ed. 01.09.2021, ZPO § 348 Rn. 46).
So geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass der Einzelrichter im Falle der Einleitung eines eigenen Vorabentscheidungsverfahrens den Weg der Kammervorlage gemäß § 348a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO beschreiten muss (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 - XI ZR 648/18 -, Rn. 48, juris; BGH, Beschluss vom 31. März 2020 - XI ZR 198/19 -, Rn. 15, juris; in diese Richtung auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 28. September 2020 - 6 W 48/20 -, Rn. 13 f., juris; a.A. Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 348a ZPO Rn. 8; Piekenbrock, GPR 2020, 240 [245]).
Da die Einzelrichterin vorliegend keine eigene Vorlageentscheidung getroffen hat, kann hier offen bleiben, ob die Vorlageberechtigung jedes Gerichts nach Art. 267 Abs. 2 AEUV im Falle des Erlasses einer eigenen Vorlageentscheidung zu einem Anwendungsvorrang der zuletzt genannten Norm und in weiterer Folge zur Unanwendbarkeit von § 348a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO führt (in diese Richtung die Vorlagefrage zu Ziffer II.7. bei LG Ravensburg, EuGH-Vorlage vom 12. Februar 2021 - 2 O 393/20 -, Rn. 107 ff. [116], juris; Piekenbrock, GPR 2020, 240 [245]).
bb)
Dieser Verfahrensfehler führt jedoch nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Denn nach § 348a Abs. 3 ZPO kann auf die unterlassene Vorlage ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
Eine Ausnahme von der gesetzlich vorgesehenen Unanfechtbarkeit kommt nur unter den engen Voraussetzungen der Willkür in Betracht, da in einem solchen Fall eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter und damit ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gegeben wäre (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 4/06 -, BGHZ 170, 180-182, Rn. 5, juris) und erst dadurch die Grenze von einem unanfechtbaren Verstoß gegen eine Vorschrift des einfachen Rechts zur Verfassungswidrigkeit überschritten wird (BeckOK ZPO/Fischer, 43. Ed. 01.09.2021, ZPO § 348 Rn. 58).
So kommt die Annahme der Verletzung der verfassungsrechtlich verbürgten Garantie des gesetzlichen Richters dann in Betracht, "wenn das Gericht Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat" (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 2. Juni 2009 - 1 BvR 2295/08 -, Rn. 21, juris), etwa dann, wenn sich aus der Entscheidung oder aus dem Verfahrensverlauf Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich dem Gericht die Notwendigkeit einer Vorlage, etwa wegen eines Hinweises durch eine Partei, aufdrängen musste (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 2. Juni 2009 - 1 BvR 2295/08 -, Rn. 21, juris).
Dass die Einzelrichterin von der Vorlage an die Kammer abgesehen hat, erweist sich vorliegend nicht als völlig unvertretbar und damit willkürlich.
Dies ergibt sich zum einen daraus, dass dem obligatorischen Einzelrichter die Entscheidung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung nicht schlechthin versagt ist. Denn nach § 348a Abs. 2 ZPO kann er eine Rückübertragung auf das Kollegium nicht ohne Weiteres vornehmen (vgl. zu diesem Gedanken BGH, Beschluss vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02 -, Rn. 6, juris).
Auch kann dem angefochtenen Beschluss jedenfalls nicht explizit entnommen werden, dass die Einzelrichterin der Rechtssache selbst grundsätzliche Bedeutung beigemessen hätte.
In diesem Punkt unterscheidet sich die angefochtene Entscheidung wesentlich von den Fällen, in denen der Bundesgerichtshof wegen objektiv greifbarer Willkür in ständiger Rechtsprechung eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters annimmt und in der Konsequenz die Anfechtbarkeit solcher Entscheidungen ausnahmsweise bejaht. Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen der originäre Einzelrichter eine etwa nach § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung gebotene Vorlage an das Kollegium unterlässt, in derselben Entscheidung jedoch die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässt (BeckOK ZPO/Wulf, 43. Ed. 01.12.2021, ZPO § 568 Rn. 11 m.w.N.). Denn in diesen Fällen verneint und bejaht der Einzelrichter in ein- und derselben Entscheidung ein- und dieselbe Vorfrage, was sich angesichts dieser offenen Unvereinbarkeit und angesichts der Einheit der Entscheidung als objektiv willkürlich darstellt (BGH, Beschluss vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02 -, Rn. 7, juris).
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Das durch die Aussetzungsentscheidung ausgelöste Beschwerdeverfahren stellt sich als Bestandteil des Hauptverfahrens dar (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - II ZB 16/20 -, Rn. 23, juris; BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005 - II ZB 30/04 -, Rn. 12, juris).
IV.
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 574 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.