Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 19.11.2007, Az.: 13 A 1762/06

Ausbildungsförderung; Ehegattenunterhalt; Einkommen; Freibetrag

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
19.11.2007
Aktenzeichen
13 A 1762/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71846
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Unterhaltszahlungen des geschiedenen Ehegatten stellen Einkommen im Sinne des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG und § 2 Nr. 6 BAföG-EinkommensV dar.

2. Diese Zahlungen werden ohne die Gewährung eines Freibetrages auf den Bedarf angerechnet.

3. Zum Verhältnis von Leistungen der Ausbildungsförderung und Ehegattenunterhalt.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt höhere Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz.

2

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 29. März 2005 die Gewährung von Ausbildungsförderung für den Besuch des Abendgymnasiums O. Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens teilte die Klägerin mit Schreiben vom 31. Mai 2005 mit, dass sie einen Nachweis über die Höhe der Unterhaltszahlungen ihres Ehemannes nicht vorlegen könne, da dieser derzeit keinen Unterhalt zahle. Eventuell müsse die Frage der Unterhaltsgewährung ohnehin gerichtlich geklärt werden.

3

Mit Bescheid vom 30. Juni 2005 gewährte die Beklagte der Klägerin Leistungen der Ausbildungsförderung in Höhe von 443,00 Euro monatlich. Einkommen wurde dabei nicht angerechnet.

4

Am 16. Januar 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Gewährung von Ausbildungsförderung. In diesem Zusammenhang teilte die Klägerin mit, dass ihr Ehemann bis zum 1. Januar 2006 seine bis dahin freiwilligen Unterhaltszahlungen in Höhe von 167,00 Euro monatlich eingestellt habe. Es werde gerichtlich zu klären sein, ob sie einen Unterhaltsanspruch habe.

5

Mit Bescheid vom 28. Februar 2006 gewährte die Beklagte der Klägerin Ausbildungsförderung für den Zeitraum von März 2006 bis Juli 2006 in Höhe von 415,00 Euro monatlich. Bei der Berechnung legte sie einen Bedarf von 443,00 Euro pro Monat zu Grunde. Diesen Bedarf minderte sie um 28,35 Euro monatlich, da die Klägerin über eigenes Einkommen verfügte.

6

Mit Schreiben vom 23. März 2006 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten, dass ihre Ehe am 1. März 2006 geschieden worden sei und dass das Gericht ihr ab 1. März 2006 ein Aufstockungsunterhalt in Höhe von monatlich 400,00 Euro zugesprochen habe. Bei dieser Berechnung habe das Gericht die Leistungen der Ausbildungsförderung in Höhe von 443,00 Euro monatlich als Einkommen berücksichtigt. Die Klägerin legte eine Ausfertigung des Protokolls der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Oldenburg zum dortigen Aktenzeichen 84 F 4156/04 S vor. Daraus ergibt sich, dass sich die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann, Herr J. d. H., im Wege eines Vergleichs über den Ehegattenunterhalt geeinigt haben. Nach Ziffer 1 des Vergleichs soll die Klägerin ab März 2006 einen monatlichen Aufstockungsunterhalt in Höhe von 400,00 Euro monatlich erhalten.

7

Die Klägerin hat am 27. März 2006 Klage erhoben. Sie macht geltend, dass die Beklagte zu Unrecht die Unterhaltszahlungen des geschiedenen Ehemannes vollständig als Einkommen berücksichtigt habe. Die Leistungen der Ausbildungsförderung seien bereits bei der Bemessung des Unterhaltsanspruches in voller Höhe angerechnet worden. Dementsprechend sei auch eine vergleichsweise Einigung über die Höhe der Unterhaltszahlungen erfolgt. Wenn nunmehr dieser Betrag, der in dem familiengerichtlichen Verfahren als nachrangige Unterhaltsverpflichtung des geschiedenen Ehemannes vereinbart worden sei, im Verfahren auf Bewilligung von Leistungen der Ausbildungsförderung als Einkommen berücksichtigt werde, ergebe sich ein Widerspruch. Sie sei benachteiligt, wenn nunmehr die bei der Ermittlung des Unterhaltsbetrages zugrundegelegten Ausbildungsförderungsleistungen gekürzt würden.

8

Mit Bescheid vom 28. April 2006 änderte die Beklagte ihren Bescheid vom 28. Februar 2006 ab und setzte die Leistungshöhe für den Zeitraum von März 2006 bis Juli 2006 neu auf 98,00 Euro monatlich fest. Dabei berücksichtigte sie bedarfsmindernd die Unterhaltszahlungen des ehemaligen Ehegatten der Klägerin in Höhe von 400,00 Euro monatlich.

9

Die Klägerin beantragt,

10

die Beklagte zu verpflichten, ihr Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ohne Anrechnung der Unterhaltszahlungen ihres geschiedenen Ehemannes, Herrn J. d. H., in Höhe von 400,00 Euro monatlich zu gewähren und den Bescheid vom 28. April 2006 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Nach § 23 Abs. 4 Nr. 4 BAföG seien Unterhaltsleistungen des geschiedenen Ehegatten auf den Bedarf anzurechnen. Freibeträge seien nicht zu gewähren.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Der Bescheid der Beklagten vom 28. April 2006 ist - soweit er Gegenstand des Verfahrens ist - rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Zutreffend rechnete die Beklagte die tatsächlich gezahlten Unterhaltsleistungen des geschiedenen Ehemannes der Klägerin in voller Höhe auf ihren Bedarf an.

16

Der Bescheid der Beklagten vom 28. April 2006, der allein Gegenstand des Verfahrens ist, nachdem die Beklagte mit diesem Bescheid die Leistungen der Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum von März 2006 bis Juli 2006 neu berechnete und den ursprünglichen Bescheid vom 28. Februar 2006 aufhob, beruht auf § 20 Abs. 1 Nr. 3 BAföG. Nach dieser Regelung ist der Bewilligungsbescheid insoweit aufzuheben und der Förderungsbetrag zu erstatten, soweit die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung nicht vorgelegen haben, weil der Auszubildende Einkommen im Sinne des § 21 BAföG erzielt hat, das bei der Bewilligung der Ausbildungsförderung nicht berücksichtigt worden ist.

17

Die Voraussetzungen dieser Regelung liegen für den hier streitgegenständlichen Zeitraum von März 2006 bis Juli 2006 vor. In diesem Zeitraum erzielte die Klägerin Einkommen im Sinne des § 21 BAföG, das bei der ursprünglichen Bewilligung der Ausbildungsförderung mit Bescheid vom 28. Februar 2006 nicht berücksichtigt worden ist.

18

In der Zeit von März 2006 bis Juli 2006 erhielt die Klägerin ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge monatlich jeweils 400,00 Euro von ihrem geschiedenen Ehemann, Herrn J. d. H., auf ihr Konto überwiesen. Dabei handelte es sich um den zwischen der Klägerin und ihrem ehemaligen Ehemann im familiengerichtlichen Verfahren am 1. März 2006 vergleichweise vereinbarten Aufstockungsunterhalt (vgl. Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Oldenburg vom 1. März 2006 - 84 F 4156/04 S -). Diese Zahlungen stellen Einkommen nach § 21 Abs. 3 Nr. 4 BAföG i.V.m. § 2 Nr. 6 der Verordnung zur Bezeichnung der als Einkommen geltenden sonstigen Einnahmen nach § 21 Abs. 3 Nr. 4 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG - EinkommensV) dar (so auch Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Auflage, § 21 Rn. 34; Rothe/Blanke, BAföG, § 21 Rn. 25.2). Zutreffend rechnete die Beklagte dieses Einkommen nach § 23 Abs. 4 Nr. 4 BAföG voll auf den Bedarf der Klägerin an. Freibeträge waren insoweit nicht zu gewähren. Die Berechnung der Beklagten im Einzelnen ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

19

Der Einzelrichter folgt nicht der Auffassung der Klägerin, dass sich vorliegend ein Widerspruch zu ihren Lasten zur familiengerichtlichen Vereinbarung über den Aufstockungsunterhalt ergibt. Im familiengerichtlichen Verfahren war zwischen der Klägerin und ihrem ehemaligen Ehemann, Herrn J. d. H., vereinbart worden, dass dieser der Klägerin 400,00 Euro monatlich Aufstockungsunterhalt zahlen sollte. Nach den Angaben der Klägerin habe das Familiengericht bei der Berechnung des Unterhalts die Leistungen der Ausbildungsförderung als Einkommen gewertet und den Aufstockungsunterhalt entsprechend verringert.

20

Ob die Berechnungsweise des Familiengerichts zutreffend war, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Ausschließlich die Entscheidung und Berechnung der Beklagten ist Gegenstand dieses Verfahrens und - wie ausgeführt - nicht zu beanstanden. Sie basiert auf den Regelung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und der dazu ergangenen Verordnung zur Bezeichnung der als Einkommen geltenden sonstigen Einnahmen nach § 21 Abs. 3 Nr. 4 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG - EinkommensV). Familiengerichtliche Vergleiche vermögen die genannten Regelungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und der BAföG-EinkommensV nicht abzuändern oder in ihrer Geltung zu beeinflussen.

21

Aus Sicht des Einzelrichters stellt sich vielmehr die familiengerichtliche Berechnungsweise als problematisch dar. So hätte es wohl näher gelegen, die Leistungen der Ausbildungsförderung nicht als Einkommen der Klägerin anzurechnen, sondern zunächst die Höhe des Aufstockungsunterhalts unter Außerachtlassung der Leistungen der Ausbildungsförderung zu berechnen und dem so ermittelten Bedarf die Leistungen der Ausbildungsförderung entgegenzusetzen (beispielhaft zur Berechnung: OLG Hamm, Beschluss vom 19. Januar 2005 - 11 WF 302/04 - zitiert nach juris).

22

Die Kostenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.