Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 28.09.2009, Az.: 9 A 2/09

Einstellung; Auswahlrichtlinie; Tarifbeschäftigte

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
28.09.2009
Aktenzeichen
9 A 2/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 43845
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2009:0928.9A2.09.0A

Fundstellen

  • PersV 2010, 185-187
  • ZfPR online 2010, 16 (red. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

Bei einer Festlegung, nach der für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis nur solche Tarifbeschäftigten berücksichtigt werden sollen, die eine mehrjährige erfolgreiche Verwendung auf grundsätzlich mindestens zwei verschiedenen Dienstposten im öffentlichen Dienst sowie überdurchschnittliche Beurteilungen aufweisen können, handelt es sich um eine Richtlinie über die "personelle Auswahl bei Einstellungen" im Sinne von § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG mitzubestimmen hat.

Tenor:

  1. Es wird festgestellt, dass der Erlass der "einheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis aufgrund der Vorgaben aus der Leitungsrunde für das Luftfahrt-Bundesamt aus Oktober 2008" der Mitbestimmung des Antragstellers nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG unterliegt.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Gesamtpersonalrat bezüglich der von dem Beteiligten aufgestellten einheitlichen Anforderungen an eine Übernahme von Tarifbeschäftigten in das Beamtenverhältnis ein Mitbestimmungsrecht zusteht.

2

Aufgrund von Vorgaben aus einer im Oktober 2008 durchgeführten Leitungsrunde legte der Beteiligte fest, dass über Anträge von Tarifbeschäftigten auf Übernahme in das Beamtenverhältnis nach einheitlichen Anforderungen zu entscheiden ist. Nach den im Intranet des Beteiligten veröffentlichten Anforderungen müssen zunächst die beamten- und laufbahnrechtliche Voraussetzungen für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis erfüllt sein.

3

Darüber hinaus heißt es (auszugsweise wörtlich):

" der/die Tarifbeschäftigte (TB) (kann) einen Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis stellen, wenn darüber hinaus folgende Anforderungen erfüllt sind: -

  1. Mehrjährige erfolgreiche Verwendung auf grundsätzlich mindestens 2 verschiedenen Dienstposten im öffentlichen Dienst....

  2. Überdurchschnittliche Beurteilungen/Bewertungen, wobei für die Zeit im LBA eine Beurteilung nach den jeweils geltenden Beurteilungsbestimmungen des BMVBS unter Beachtung der Quotenvorgaben vorzunehmen ist."

4

Der Antragsteller machte mit E-Mail-Schreiben vom 23. April 2009 gegenüber dem Beteiligten geltend, bei den aufgestellten Vorgaben für eine Verbeamtung handele es sich um eine gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtlinie. Der Beteiligte trat dem mit Schreiben vom 27. April 2009 entgegen. Es handele sich bereits schon nicht um eine "Einstellung" im Sinne des Mitbestimmungstatbestandes, weil die fraglichen Arbeitnehmer bereits Beschäftigte des Luftfahrt-Bundesamtes seien. Im Übrigen fehle dem Konzept auch die Eigenschaft einer Auswahlrichtlinie. Die aufgezählten Kriterien definierten vielmehr erst den in Betracht kommenden Personenkreis. Dieser Akt liege im Vorfeld der eigentlichen Auswahl.

5

Am 25. Juni 2009 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Er macht geltend: Die Übernahme eines Arbeitnehmers in das Beamtenverhältnis sei trotz dessen vorheriger Eingliederung ein Fall der Einstellung auch im Sinne von § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG. Ferner handele es sich auch um eine Auswahlrichtlinie. Darunter seien Grundsätze zu verstehen, die für eine Mehrzahl von personellen Entscheidung positiv oder negativ vorwegnehmend festlegten, welche Kriterien im Zusammenhang mit dem zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen unter sozialen Gesichtspunkten in welcher Weise zu berücksichtigen seien. Um eben solche Kriterien handele es sich, wenn der Beteiligte für die Übernahme von Angestellten in das Beamtenverhältnis vorgebe, die Bewerber müssten eine mehrjährige erfolgreiche Verwendung auf grundsätzlich mindestens zwei verschiedenen Dienstposten im öffentlichen Dienst und überdurchschnittliche Beurteilungen/Bewertungen aufweisen.

6

Der Antragsteller beantragt,

  1. festzustellen, dass der Erlass der "einheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis aufgrund der Vorgaben aus der Leitungsrunde für das Luftfahrt-Bundesamt aus Oktober 2008" seiner Mitbestimmung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG unterliegt.

7

Der Antragsgegner beantragt,

  1. den Antrag abzulehnen.

8

Er macht geltend, es handele sich nicht um eine Auswahlrichtlinie im Sinne des Mitbestimmungstatbestandes. Er beruft sich auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. Oktober 2001 (1 A 606/00.PVB). Danach sei entscheidend, dass es bei einer Auswahlrichtlinie nicht um die Frage gehe, wer ausgewählt werden solle (Festlegung des Bewerber- oder Betroffenenkreises), sondern darum, wie die Auswahl innerhalb des in Betracht kommenden Personenkreises vorgenommen werden solle. Die hier aufgezählten Kriterien definierten erst den für eine Auswahl in Betracht kommenden Personenkreis, wobei ihr Vorliegen nicht automatisch zu einer Verbeamtung führe. Dieser Akt liege damit im Vorfeld der eigentlichen Auswahl und falle - wie etwa die Erstellung von Anforderungsprofilen - in die Organisationsgewalt des Arbeitgebers.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtakte Bezug genommen.

10

II.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

11

Der Zulässigkeit des Antrages steht nicht entgegen, dass die einheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis durch den Beteiligten bereits im Oktober 2008 erlassen worden sind. Dadurch hat sich die als mitbestimmungspflichtig reklamierte Maßnahme nicht durch Vollzug in der Weise erledigt, dass sie sich nicht mehr rückgängig machen ließe und der Antragsteller darauf zu verweisen wäre, seinen Antrag auf einen von dem konkreten Fall losgelösten Feststellungsantrag umzustellen (vgl. dazu BVerwG, Beschl. vom 12.03.1986 - 6 P 5/85 -, BVerwGE 74, 100/102 [BVerwG 12.03.1986 - BVerwG 6 P 5.85] ). Denn es kann davon ausgegangen werden, dass die aufgestellten Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis jetzt und auch in Zukunft laufend angewendet werden. Deshalb hat der Erlass dieser Anforderungen weiterhin rechtliche Wirkungen und hat sich der streitauslösende Vorgang nicht (vollständig) erledigt.

12

Der Antrag ist auch begründet. Dem Antragsteller steht bezüglich des Erlasses der "einheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis", wie sie in der Leitungsrunde des Luftfahrt-Bundesamtes im Oktober 2008 festgelegt worden sind, ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG zu.

13

Nach der genannten Vorschrift hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, gegebenenfalls durch Abschluss von Dienstvereinbarungen mitzubestimmen über den Erlass von Richtlinien, über die personelle Auswahl, bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen.

14

Bei der Übernahme von Tarifbeschäftigten in ein Beamtenverhältnis handelt es sich um Einstellungen im Sinne dieses Mitbestimmungstatbestandes. Zwar wird als "Einstellung" die Eingliederung eines neuen Beschäftigten in die Dienststelle verstanden. Dennoch fehlt es hier nicht deshalb an einer Einstellung, weil die betreffenden Tarifbeschäftigten bereits bei der Begründung ihres Beschäftigungsverhältnisses in die Dienstelle eingliedert wurden. Denn in der Rechtsprechung ist geklärt, dass auch Änderungen eines Beschäftigungsverhältnisses nach Art, Dauer oder Umfang einen neuen, einheitlichen Vorgang der Einstellung entstehen lassen können, der dann der Mitbestimmung unterliegt. So ist nicht nur die Umwandlung eines Teilzeitbeschäftigungsverhältnisses in ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis sondern auch die Übernahme eines Angestellten in das Beamtenverhältnis trotz der früheren Eingliederung des Beschäftigten als Arbeitnehmer als ein Fall der Einstellung anzusehen ( BVerwG, Beschl. vom 2.06.1993 - 6 P 3/92 -, BVerwGE 92, 295 [BVerwG 02.06.1993 - 6 P 3/92] unter Verweis auf den Beschl. vom 5.02.1971 - VII P11.70 -, BVerwGE 37, 169/171 [BVerwG 05.02.1971 - BVerwG VII P 11/70] ).

15

Ferner handelt es sich bei den aufgestellten Anforderungen für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auch um "Auswahlrichtlinien" im Sinne des Mitbestimmungstatbestandes. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezwecken Auswahlrichtlinien, dass die auf ihnen beruhenden und durch Ermessens- und Beurteilungsspielräume gekennzeichneten Einzelentscheidungen ihrem Inhalt nach durch Festlegung bestimmter Vorgaben versachlicht und zugleich für die davon Betroffenen besser durchschaubar werden. Die durch die Vorgaben gesteuerten Entscheidungen sollen also im gesetzlich vorgegebenen Rahmen "gerechter" ausfallen und zwar sowohl in ihrer Gesamtbezogenheit als auch in ihrer Rücksichtnahme auf die jeweilige individuelle Betroffenheit (vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschl. vom 5.09.1990 - 6 P 27/87 -, PersV 1991, 85).

16

Zum Zweck des Mitbestimmungstatbestandes hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, es solle eine möglichst frühzeitige und wirkungsvolle Beteiligung in der Form der Mitbestimmung sichergestellt werden. Dies erweise sich letztlich sogar zur Wahrung des bei Einzelmaßnahmen gegebenen Umfangs der Beteiligung als notwendig, weshalb es auch um eine Sicherung der Beteiligungsrechte vor einer Aushöhlung gehe. Wäre nämlich die Verallgemeinerung von Entscheidungselementen in Richtlinien mitbestimmungsfrei, so würden diese Festlegungen die Möglichkeiten einer Ausübung eines nur im Einzelfall gegebenen Beteiligungsrechts entsprechend einschränken. Denn über Artikel 3 Abs. 1 GG entfalten diese Festlegungen in aller Regel eine Selbstbindung der Verwaltung im Ermessensbereich. Über sie könnte sich der Personalrat ebenso wenig hinwegsetzen wie die Dienststelle. Eben aus diesem Grunde berechtigt auch der Verstoß gegen eine Richtlinie im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG zur Zustimmungsverweigerung gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG bzw. zum Widerspruch gegen eine Kündigung gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 BPersVG (vgl. BVerwG, Beschl. vom 5.09.1990 a.a.O.).

17

Unter Berücksichtigung der genannten Zwecke hat das Bundesverwaltungsgericht Auswahlrichtlinien definiert als "Grundsätze, die für eine Mehrzahl von personellen Entscheidungen bei Einstellungen, Umgruppierungen und Kündigungen positiv oder negativ vorwegnehmend festlegen, welche Kriterien im Zusammenhang mit den zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkten in welcher Weise zu berücksichtigen sind."

18

Die Kammer hat keine durchgreifenden Zweifel daran, dass es sich bei einer Festlegung, nach der für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis nur solche Tarifbeschäftigten berücksichtigt werden sollen, die eine mehrjährige erfolgreiche Verwendung auf grundsätzlich mindestens zwei verschiedenen Dienstposten im öffentlichen Dienst sowie überdurchschnittliche Beurteilungen aufweisen können, um eine Auswahlrichtlinie handelt. Denn bewerben für eine Übernahme können sich alle Tarifbeschäftigten, die die beamten- und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. In die (engere) Auswahl kommen aber aufgrund der in der Leitungsrunde des Beteiligten getroffenen Entscheidung nur die Beschäftigten, die die weiter aufgestellten Voraussetzungen (hinsichtlich der bisherigen Verwendung und der erzielten Beurteilungen) erfüllen. Entscheidend ist, dass es sich dabei nicht um rechtlich zwingende Ausschlussgründe, sondern um im Ermessen des Beteiligten liegende Auswahlkriterien handelt. Beispielsweise wäre es denkbar, dass für eine Übernahme von Tarifbeschäftigten in das Beamtenverhältnis die vorherige Verwendung auf drei (statt auf zwei) verschiedenen Dienstposten im öffentlichen Dienst zur Voraussetzung gemacht wird.

19

Zu Unrecht macht der Beteiligte (unter Berufung auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. Oktober 2001 - 1 A 606/00.PVB -) geltend, die erwähnten Vorgaben für die Übernahme in das Beamtenverhältnis seien deshalb keine Auswahlrichtlinien, weil sie lediglich den Bewerber- oder Betroffenenkreis festlegten. Zwar ist es zutreffend, dass Schritte, die - wie zum Beispiel die Gestaltung einer Ausschreibung - dem Vorfeld der eigentlichen Auswahl zuzuordnen sind und lediglich den Umfang oder die Zusammensetzung des erst noch zu erwartenden Bewerberkreises beeinflussen sollen, nicht der Mitbestimmung unterliegen. Bei dieser Abgrenzung ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu beachten, dass jede Auswahl einen positiven und einen negativen Aspekt haben muss. Beides ist untrennbar miteinander verbunden. Demgemäß ist unter dem Begriff "Auswahl" nicht nur die positive, sondern auch jede negative Auslese unter denjenigen Bewerbern zu verstehen, welche zunächst einmal die allgemeinen Anforderungen erfüllen (vgl. Beschl. vom 5.09.1990 a.a.O.).

20

Damit lassen sich - entgegen der Auffassung des Beteiligten - die hier aufgestellten Anforderungen für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht dem Vorfeld der eigentlichen Auswahl zuordnen. Entscheidend ist vielmehr, dass durch die hier angestellten Anforderungen für eine Verbeamtung der (mögliche) Bewerberkreis anhand von auswahlgeeigneten Kriterien (nämlich unter anderem die Dauer der Tätigkeit im Tarifbereich und die dabei erzielten Beurteilungen) reduziert wird. Denn von der (Negativ-) Auswahlentscheidung sind prinzipiell berücksichtigungsfähige Bewerber betroffen. Es wird nicht an Bedingungen oder Voraussetzungen angeknüpft, wie sie etwa die Laufbahnvoraussetzungen oder Ausschreibungsbedingungen darstellen.

21

Schließlich ist mit den hier aufgestellten Voraussetzungen für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auch nicht ein mitbestimmungsfreies Anforderungsprofil im Sinne der Rechtsprechung festgelegt worden. Denn Anforderungsprofile dienen dazu, für bestimmte Arbeitsplätze auszuweisen, welchen Anforderungen fachlicher, persönlicher und sonstiger Art ein potentieller Stelleninhaber genügen muss, um die Aufgabe erfüllen zu können. Diese in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelte Abgrenzung ist von dem Bundesverwaltungsgericht auch im Personalvertretungsrecht als sachgerecht angesehen worden (Beschl. vom 5.09.1990 a.a.O.). Die hier getroffenen Festlegungen für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis sind aber stellenunabhängig, so dass es sich nicht um die Festlegung eines Anforderungsprofils handelt.

22

Einer Kostenentscheidung bedarf es im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht.