Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.04.1994, Az.: 7 W 62/93

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.04.1994
Aktenzeichen
7 W 62/93
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1994, 25347
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1994:0418.7W62.93.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lüneburg - 03.08.1993 - AZ: 2 Lw 27/93

in der Landwirtschaftssache

hat der 7. Zivilsenat -; Senat für Landwirtschaftssachen -; durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht . den Richter am Oberlandesgericht . und die Richterin am Oberlandesgericht . als Berufsrichter sowie die Landwirtin . und . als ehrenamtliche Richter am 18. April 1994 beschlossen:

Tenor:

  1. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den am 3. August 1993 verkündeten Beschluß des Amtsgerichts -; Landwirtschaftsgericht -; Lüneburg wird zurückgewiesen.

    Die Beteiligte zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 2 und 3.

    Der Geschäftswert wird auf 16.519,52 DM festgesetzt.

Tatbestand:

1

I.

Die Antragstellerin begehrt als Hoferbin nach dem Erblasser C. J. Feststellung, daß sie auch Alleinerbin zweier landwirtschaftlicher Grundstücke geworden ist, die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR liegen.

2

Der Landwirt C. J. die Antragstellerin sowie die Mutter des Antragsgegners und seiner Schwester, der Beteiligten zu 3, waren Geschwister.

3

Der Landwirt C. J. war Eigentümer des im Grundbuch von B. Bl. . verzeichneten Hofes gemäß der HöfeO. Ihm gehörten auch die streitbefangenen, im Grundbuch von W. Bl. . und W. Bl. . verzeichneten landwirtschaftlichen Grundstücke, die rechtselbisch liegen und bis zur Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands zum Hoheitsgebiet der ehemaligen DDR gehörten. Diese Grundstücke wurden bis 1945 von dem in B. gelegenen Hof aus bewirtschaftet. Sie bildeten mit ihm eine wirtschaftliche Einheit und waren insgesamt als Erbhof im Sinne des Reichserbhofgesetzes ausgewiesen. Seit der Besetzung des rechtselbischen Gebietes durch die sowietische Armee ab 01.07.1945 fand eine Bewirtschaftung der rechtselbischen Grundstücke vom Hof aus nicht mehr statt.

4

Am 28.04.1950 wurde im Grundbuch von B. Bl. . der Hofvermerk gemäß der Höfeordnung eingetragen. Zugleich wurde vermerkt, daß der Grundbesitz W. Bl. . hofzugehörig sei.

5

Der Großvater des C. J., der Kleinbürger J. J. erwarb Ende des vorigen Jahrhunderts die Halbhofstelle Nr. 18 in W. zu Eigentum. Ausweislich eines Vertrages des J. J. mit seiner zweiten Ehefrau D. vom 11.03.1886 wurde H. J. (geb. am 04.12.1888. gestorben am 04.12.1960) der Sohn der beiden vorgenannten, zum Anerben der Hof stelle bestimmt.

6

Aus der Ehe des Hoferben H. J. mit E. geb. L., gingen vier Kinder hervor, nämlich der Erblasser C. J., die Antragstellerin, die Mutter des Antragstellers und der Beteiligten zu 3, S. K. (verstorben am 25.10.1957) sowie C. J. (verstorben am 09.05.1922). C. J. verstarb am 30.01.1985. Durch Hoffolgezeugnis des Amtsgerichts Lüneburg vom 10.04.1985 wurde die Antragstellerin als Hoferbin des im Grundbuch von B. Bl. . eingetragenen Hofes ausgewiesen.

7

Unter dem 19.06.1989 erklärte die Beteiligte zu 3 notariell, daß sie auf das Erbe ihres Großvaters C. J. (gemeint ist H. J.) keine Erbansprüche erhebe, soweit sich die Erbmasse auf dem Staatsgebiet der Deutschen Demokratischen Republik befinde.

8

Am 19.09.1989 beantragte die Antragstellerin beim staatlichen Notariat in H. (M.) die Ausstellung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins des Inhalts, daß C. J. durch sie selbst sowie durch die Beteiligten zu 2 und 3 hinsichtlich eines Kontos bei der Staatsbank der DDR sowie eines Grundstücks in der Gemeinde B. beerbt worden sei. Das staatliche Notariat erteilte den Erbschein antragsgemäß.

9

Die Antragstellerin verpachtete die im Bereich der ehemaligen DDR gelegenen Grundstücke und erzielte daraus in den Jahren 1991 und 1992 Pachteinnahmen in Höhe von insgesamt 13.215,62 DM.

10

Der Antragsgegner begehrt in dem abgetrennten Verfahren 7 U 177/93 Zahlung eines Viertels dieser Einnahmen und Feststellung, daß die Antragsgegnerin verpflichtet sei, ihm auch für die Zukunft jeweils 1/4 der Pachteinnahmen auszuzahlen. Im Gegenzug beantragt die Antragstellerin die Feststellung, daß sie Alleinerbin der beiden Grundstücke geworden sei.

11

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, der rechtselbisch gelegene Grundbesitz habe immer zu der linkselbisch gelegenen Hof stelle B. Bl. . gehört. Dementsprechend sei sie Alleinerbin auch der beiden streitbefangenen Grundstücke geworden.

12

Der Antragsgegner hat die gegenteilige Auffassung vertreten und sich zur Begründung auf den Erbschein des staatlichen Notariats H. berufen.

13

Das Amtsgericht -; Landwirtschaftsgericht -; hat mit dem angegriffenen Beschluß dem Zahlungsantrag des Antragsgegners stattgegeben, hingegen den Feststellungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, daß die rechtselbisch im Bereich der früheren DDR gelegenen Grundstücke ihre Hofeszugehörigkeit verloren hätten, da es seit Schließung der innerdeutschen Grenze nicht mehr möglich gewesen sei, sie vom Westen aus zu bewirtschaften. Zum Zeitpunkt des Erbfalls nach C. J. habe das Erbrecht der ehemaligen DDR Gültigkeit gehabt, das durch den Einigungsvertrag auch aufrechterhalten geblieben sei. Die rechtselbisch gelegenen Grundstücke könnten auch nicht als "Ausmärkergrundstücke" des linkselbisch gelegenen Hofes betrachtet werden.

14

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie die dazu vertretenen Rechtsauffassungen wiederholt und vertieft.

15

Der Antragsgegner und die Beteiligte zu 3 verteidigen hingegen den angegriffenen Beschluß.

Gründe

16

II.

Die gemäß §§ 9, 22 Abs. 1 LwVG, 20, 22 FGG zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

17

Das Landwirtschaftsgericht hat mit Recht den Antrag der Beteiligten zu 1, festzustellen, daß sie Alleinerbin der in den Grundbüchern von W. Bl. . und W. Bl. . eingetragenen Grundstücke geworden ist, zurückgewiesen. Zutreffend hat es seiner Entscheidung das Erbrecht der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik zugrunde gelegt.

18

Gemäß Art. 235 § 1 EGBGB gilt aufgrund des Einigungsvertrages für die erbrechtlichen Verhältnisse vor dem Beitritt das bisherige Recht. Der Erbfall ist im Jahre 1985 eingetreten. Der Erblasser lebte zum Zeitpunkt seines Todes in der Bundesrepublik Deutschland.

19

Nach den Bestimmungen des internationalen Privatrechtes des EGBGB unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehört, Art. 25 EGBGB. Auch wenn es sich bei den Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zur ehemaligen DDR nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGE 36, 1 ff. [BVerfG 31.07.1973 - 2 BvF 1/73]) um eine Sonderrechtslage handelte, die ehemalige DDR insbesondere nicht als Ausland mit eigener Staatsbürgerschaft angesehen wurde, bestand und besteht jedoch Einigkeit, daß die Vorschriften des EGBGB über das internationale Privatrecht (zumindest analog) auf das interlokale Privatrecht zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik anzuwenden sind und waren (BGH, Urteil vom 01.12.1993 Az. IV ZR 261/92). Gemäß Art. 3 Abs. 3 EGBGB beziehen sich Verweisungen im dritten und vierten Abschnitt, die das Vermögen einer Person dem Recht eines Staates unterstellen, nicht auf Gegenstände, die sich nicht in diesem Staat befinden und nach dem Recht des Staates, in dem sie sich befinden, besonderen Vorschriften unterliegen.

20

Diese Voraussetzungen liegen vor. Die streitbefangenen Grundstücke befanden sich zum Zeitpunkt des Erbfalls auf dem Staatsgebiet der ehemaligen DDR. § 25 Abs. 1 des Rechtsanwendungsgesetzes der DDR (DDR-RAG) war seit Inkrafttreten des ZGB und des Einführungsgesetzes zum ZGB (EGZGB) eine "besondere Vorschrift" im Sinne des Art. 3 Abs. 3 EGBGB (vgl. Schotten DtZ 1991, 229). Danach bestimmten sich erbrechtliche Verhältnisse in bezug auf das Eigentum und andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden, die sich in der Deutschen Demokratischen Republik befanden, nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik. Damit kam es zu einer Nachlaßspaltung, wenn ein in der Bundesrepublik zuletzt lebender Erblasser Grundbesitz auf dem Territorium der ehemaligen DDR hinterließ (BayObLG NJW 1991, 1237 [BayObLG 19.02.1991 - BReg. 1a Z 79/90]).

21

Nach seinerzeit geltendem DDR-Recht richtete sich die Erbfolge hinsichtlich der beiden streitbefangenen rechtselbischen Grundstücke nach den §§ 364 ff. ZGB. Dieser gesetzlichen Erbfolgeregelung entspricht auch der Erbschein des staatlichen Notariats Hagenow vom 16.10.1989.

22

Das Anerbenrecht für M. gemäß Anerbengesetz vom 20.04.1922 hat für den vorliegenden Fall keine Bedeutung. Es erstreckte sich während der Dauer der Geltung der HöfeO nicht auf das Gebiet des Amtes N. Es ist bis zu seiner Aufhebung im Jahr 1951 auch nicht auf dieses Gebiet erweitert worden.

23

Für die streitbefangenen Grundstücke galt zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers auch nicht mehr das Preuss. Gesetz betr. das Höferecht für die Provinz Hannover vom 28.07.1909 (PreussGesetzslg 1909, 663). Zwar war es nach Ende des zweiten Weltkrieges aufgrund des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 zunächst wieder in Kraft gesetzt worden, und zwar wohl auch im Bereich des Amtes N., denn die Sowietunion hat von ihrer Ermächtigung in Art. XI des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 keinen Gebrauch gemacht. Selbst wenn man nicht bereits mit Inkraftreten der Verfassung der ehemaligen DDR im Jahr 1949 sämtliche frühere Anerbengesetze als gegenstandslos ansehen wollte (so die Rechtsauffassung der ehemaligen DDR, vgl. Adlerstein-Desch DtZ 1991, 200 m. w. N.), wozu der Senat neigt, so wäre das eventuell noch geltende HöfeG jedenfalls mit Erlaß des Rechtsanwendungsgesetzes der DDR vom 05.12.1975 hinfällig geworden. Weder das RAG noch das EGZGB enthielten einen Art. 64 EGBGB ähnlichen Vorbehalt über die Weitergeltung früherer anerbenrechtlicher Vorschriften. Zwar ist in § 15 Abs. 2 EGZGB das HöfeG nicht als eine Rechtsvorschrift erwähnt, die zugleich mit dem Inkrafttreten des EGZGB außer Kraft trat, jedoch war es geltende Rechtsauffassung in der ehemaligen DDR, daß Rechtsvorschriften, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ZGB kein geltendes Recht mehr darstellten, sogenannte gegenstandslose Bestimmungen, keiner ausdrücklichen Aufhebung bedurften. Die ehemalige DDR aber betrachtete Anerbengesetze auf ihrem Gebiet als gegenstandslos und nicht mehr existent.

24

Bei den streitbefangenen Grundstücken handelt es sich auch nicht um Ausmärkergrundstücke des in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Hofes. Zum einen fehlt es an der Voraussetzung, daß eine regelmäßige Bewirtschaftung vom Hofes aus erfolgt sein muß, zum anderen können die Grundsätze über Ausmärkergrundstücke nur dann zur Anwendung kommen, wenn diese in einem anderen Bundesland liegen. Im Ausland gelegene Grundstücke hingegen konnten und können nur durch ausdrückliche entsprechende letztwillige Verfügung vererbt werden (Wöhrmann-Stöcker Landwirtschaftserbrecht 5. Aufl. § 1 Rdn. 47 ff; Lange-Wulff, HöfeO 6. Aufl. § 2 Rdn. 39). Aufgrund des Sonderstatus der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen DDR sind Grundstücke in der ehemaligen DDR jedoch wie im Ausland gelegene Grundstücke zu behandeln und dementsprechend die hierfür geltenden Vorschriften des internationalen Privatrechtes anzuwenden.

25

An dem vorliegenden Feststellungsverfahren war auch die Beteiligte zu 3 zu beteiligen, da sie als Miterbin ein eigenes Interesse an der Abwehr der Ansprüche der Antragstellerin hat. Daran ändert auch ihre notarielle Erklärung vom 19.06.1989 nicht, denn diese bezog sich ausschließlich auf ihr Erbe nach ihrem Großvater, nicht aber auf eventuelle Erbansprüche nach ihrem Onkel C. J. Es kann daher dahinstehen, ob sie überhaupt formell und materiell den Anforderungen für einen entspr. Rechtsverlust genügt.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34, 44, 45 Abs. 1 Satz 2 LwVG. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf den §§ 19 Buchst. a HöfeVfO, 30 KostO. Das Interesse an der von der Beteiligten zu 1 begehrten Feststellung, daß sie Alleinerbin der streitbefangenen Grundstücke geworden ist, richtet sich wirtschaftlich betrachtet darauf, die hälftigen von ihr erzielten Jahrespachteinnahmen nicht an die Beteiligten zu 2 und 3 auskehren zu müssen, so daß es der Senat entsprechend § 24 Abs. 3 KostO für sachgerecht erachtet hat, den Wert auf den fünffachen Jahresbetrag des auf die Beteiligten zu 2 und 3 entfallenden Pachtanteil festzusetzen.