Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.05.1994, Az.: 4 W 350/93

Parabolantenne als bauliche Veränderung; Anspruch auf Zustimmung der Miteigentümer; Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung; Interessenabwägung; Neubescheidung des Antrags

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.05.1994
Aktenzeichen
4 W 350/93
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1994, 17633
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1994:0519.4W350.93.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 11.11.1993 - AZ: 1 T 127/93

Fundstellen

  • NJW 1994, 2160 (amtl. Leitsatz)
  • NJW-RR 1994, 977-980 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Wohnungseigentumssache

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Anbringung einer Parabolantenne stellt eine bauliche Veränderung dar, insbesondere dann, wenn sie das Gesamtbild beeinträchtigt. Demjenigen Miteigentümer, der sich zu Recht auf das Grundrecht der Informationsfreiheit berufen kann, steht jedoch gegenüber den anderen Miteigentümern ein Anspruch auf Zustimmung zu.

  2. 2.

    Der Beschluss einer Wohnungseigentümerversammlung, dem Miteigentümer keine oder nicht die gewünschte Parabolantenne zuzubilligen, hat vor Gericht nur Aussicht auf Bestand, wenn die Gemeinschaft selbst die Interessenabwägung vorgenommen hat, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Prozess verlangt wird. Die Gerichte sind Kontrollinstanz für Missbrauch, nicht aber Vormund der Wohnungseigentümergemeinschaft. Vertretbare Mehrheitsentscheidungen der Gemeinschaft sind zu respektieren.

  3. 3.

    Da im vorliegenden Fall noch keine umfassende Interessenabwägung stattgefunden hat, steht dem Miteigentümer auf der nächsten Wohnungseigentümerversammlung ein Anspruch auf Neubescheidung seines Antrages unter Berücksichtigung der geforderten Abwägungskriterien (optischer Gesamteindruck, Zahl der Ausländer in der Anlage, die ebenfalls eine Anlage wünschen) zu.

In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters ....
sowie der Richter .... und ....
am 19. Mai 1994
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 11. November 1993 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegnern auch die außergerichtlichen Auslagen im Verfahren der weiteren Beschwerde zu erstatten.

Der Beschwerdewert wird auf 5.000 DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller ist Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft in ... mit 60 Wohnungseinheiten, die in einem zwölf geschossigen Gebäude untergebracht sind. Die Anlage ist an das Breitbandkabelnetz angeschlossen mit der Folge, daß der Antragsteller den staatlichen türkischen Sender, nicht jedoch die sechs türkischen Privatsender empfangen kann.

2

Anfang 1993 ließ der Antragsteller, ohne die übrigen Wohnungseigentümer vorher zu fragen, auf dem Balkon seiner Wohnung im 9. Geschoß eine Parabolantenne mit einem Durchmesser von 80 bis 100 cm anbringen, wobei sich die Antennenschüssel zwischen der Balkonbrüstung und dem darüber liegenden Balkon befindet, mithin deutlich sichtbar ist. Daraufhin wurde in der Eigentümerversammlung im April 1993 mit Mehrheit beschlossen, die Antenne nicht zu genehmigen und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes im Klagewege durchzusetzen.

3

Das Amtsgericht hat dem Antrag auf Aufhebung dieses Beschlusses stattgegeben, das Landgericht hat ihn zurückgewiesen.

4

II.

Die gemäß §§ 43, 45 WEG. 27 FGG zulässige weitere Beschwerde hat keinen Erfolg.

5

1.

Sowohl im Mietrecht (zuletzt OLG Frankfurt, NJW 1992, 2490; OLG Karlsruhe, NJW 1993, 2815 [OLG Karlsruhe 24.08.1993 - 3 ReMiet 2/93] und BVerfG, NJW 1994, 1147 [BVerfG 09.02.1994 - 1 BvR 1687/92] - jeweils mit ausführlichen Rechtsprechungsnachweisen) als auch im Wohnungseigentumsrecht (BayObLG NJW-RR 1992, 16; OLG Zweibrücken, NJW 1992, 2899 [OLG Zweibrücken 29.06.1992 - 3 W 30/92]; OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1274 [OLG Düsseldorf 02.12.1992 - 3 Wx 159/92]; OLG Hamm, NJW 1993, 1276 [OLG Hamm 04.12.1992 - 15 W 324/92]; OLG Frankfurt, NJW 1993, 2817 und OLG Düsseldorf, NJW 1994, 1163 [OLG Düsseldorf 12.11.1993 - 3 Wx 333/93] - jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen) gibt es eine inzwischen nahezu unübersehbare Rechtsprechung zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Vermieter oder eine Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet sind, deutschen und/oder ausländischen Mietern bzw. Wohnungseigentümern das Anbringen einer Parabolantenne zu gestatten.

6

Im Mietrecht dürfte sich in diesem Zusammenhang eine gefestigte Rechtsprechung gebildet haben, wonach der Vermieter bei vorhandenem Breitbandkabelanschluß zwar deutschen Mietern die Aufstellung einer Parabolantenne nicht zu gestatten braucht, ausländischen Mietern indessen grundsätzlich, sofern sie über den Breitbandkabelanschluß nicht in einem ausreichenden Umfang mit Programmen ihres Heimatlandes versorgt werden, wobei ein Programm in ihrer Landessprache nicht als ausreichend anzusehen ist (in diesem Sinne insbesondere BVerfG NJW 1994, 1147 [BVerfG 09.02.1994 - 1 BvR 1687/92], Leitsätze 3 und 4). Nach allgemeiner Ansicht ist dieses Ergebnis die Folge einer Interessenabwägung zwischen dem Recht des ausländischen Mitbürgers auf Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz und den möglicherweise widerstreitenden Interessen des Eigentümers, dem immerhin im gewissen Umfang ein berechtigtes Interesse am optischen Gesamteindruck seines Hauses zugebilligt wird.

7

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in diesem Zusammenhang (NJW 1993, 2815, 2817) [OLG Karlsruhe 24.08.1993 - 3 ReMiet 2/93] allerdings eine Reihe von Kriterien zum Schutze des Vermieters fortentwickelt und ausgesprochen, daß die Vorschriften des öffentlichen Baurechtes nicht entgegenstehen dürfen, der Vermieter im Rahmen des Zumutbaren den Aufstellungsort bestimmen, die Anbringung durch einen Fachmann gefordert werden darf und auf Verlangen eine Sicherheitsleistung für die Kosten der Entfernung der Anlage beim Auszug beigebracht werden muß.

8

2.

Im Wohnungseigentumsrecht sind die Gerichte demgegenüber bisher überwiegend davon ausgegangen (BayObLG, NJW-RR 1992, 16; OLG Zweibrücken, NJW 1992, 2899 [OLG Zweibrücken 29.06.1992 - 3 W 30/92] und OLG Hamm, NJW 1993, 1276 [OLG Hamm 04.12.1992 - 15 W 324/92]), daß die Anbringung einer Parabolantenne jedenfalls in der Regel schon wegen der Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks eine bauliche Veränderung darstellt, die gemäß § 22 WEG der einstimmigen Billigung sämtlicher Wohnungseigentümer bedarf, weil die Rechte der übrigen Miteigentümer jedenfalls bei einer Veränderung der Gesamtansicht sowie des bisweilen vorliegenden Eingriffs in Gemeinschaftseigentum über das in § 14 WEG genannte Maß hinaus beeinträchtigt werden.

9

Demgegenüber haben sowohl das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung sowie neuerdings das OLG Düsseldorf (NJW 1994, 1163) anerkannt, daß eine ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer angebrachte Parabolantenne durch die Wahrnehmung des Grundrechts auf Informationsfreiheit des Ausländers gedeckt sein kann. Das OLG Frankfurt (NJW 1993, 2817) hat ferner für das Wohnungseigentumsrecht den auch im Mietrecht geltenden Grundsatz bekräftigt, daß für Deutsche, aber eben nur für Deutsche, ein Anspruch auf eine Parabolantenne ausscheidet, wenn das Haus an das Breitbandkabelnetz angeschlossen ist.

10

III.

Nach Auffassung des Senats kann die bisherige Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Parabolantennen im Wohnungseigentumsrecht unter Berücksichtigung der erwähnten neuen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1994, 1147 [BVerfG 09.02.1994 - 1 BvR 1687/92]) weitgehend nicht mehr aufrecht erhalten werden.

11

1.

Die zitierte Entscheidung bezieht sich zwar auf das Mietrecht und die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Vermieter einem deutschen oder ausländischen Mitbürger die Installation einer Parabolantenne gestatten muß. Gleichwohl kann kein ernstlicher Zweifel daran bestehen, daß die vom Verfassungsgericht aufgestellten Grundsätze auch für das Wohnungseigentumsrecht gelten müssen und es damit im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsprechung geboten erscheint, auch den vom Oberlandesgericht Karlsruhe (NJW 1993, 2817) entwickelten Kriterienkatalog für die Interessenabwägung zum gerichtlichen Maßstab der Überprüfung eines Wohnungseigentümerbeschlusses zu machen. Die Notwendigkeit einer Gleichbehandlung von Mietern und Wohnungseigentümern ergibt sich zum einen deshalb, weil Eigentumswohnungen teilweise von den Eigentümern selbst genutzt und teilweise vermietet werden, es jedoch keine tragfähigen und sachgerechten Kriterien für eine Ungleichbehandlung von Mietern oder Eigentümern innerhalb einer Wohnungsanlage gibt. Zum anderen ist die Interessenlage eines Vermieters mit der der Mehrheit der Wohnungseigentümer identisch. Es ist die Sorge vor einer optischen Verunstaltung des Gebäudes sowie vor Folgekosten bei einer nicht oder nicht sachgerecht vorgenommenen Beseitigung der Anlage beim Auszug und in formaler Hinsicht das - nicht zu unterschätzende - Interesse, daß Mieter und Wohnungseigentümer nicht eigenmächtig und ohne Konsultation mit Vermieter oder den anderen Wohnungseigentümern vollendete Tatsachen schaffen und damit in gewissem Umfang durch ihre Eigenmächtigkeit die Gegenseite dazu zwingen, einen Prozeß selbst zu beginnen.

12

2.

In dogmatischer Hinsicht wird man dementsprechend unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts § 22 WEG dahin verstehen müssen, daß zwar regelmäßig die Anbringung einer Parabolantenne eine bauliche Veränderung darstellt, insbesondere dann, wenn sie das Gesamtbild beeinträchtigt, demjenigen Miteigentümer, der sich zu Recht auf das Grundrecht der Informationsfreiheit berufen kann, gegenüber den anderen Miteigentümern jedoch ein Anspruch auf Zustimmung zusteht. Vorbild dafür ist beispielsweise der Anspruch des Wohnungseigentümers gegen die anderen Miteigentümer, bei einer grob ungerechten und sachwidrigen Teilungserklärung einer Änderung dieser Teilungserklärung zuzustimmen (BayObLG, WE 1992, 28; weitere Nachweise bei Palandt/Heinrichs, BGB, 53. Aufl. 1994, Rdn. 2 zu § 1 AGB-Gesetz sowie Soergel-Stürner, 12. Aufl. 1989, Rdn. 3 zu § 8 WEG).

13

IV.

Eine Durchsicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung vermittelt allerdings den Eindruck, daß zwar sämtliche überhaupt denkbaren Gesichtspunkte und Interessen in die Erwägungen einbezogen worden sind, jedoch mit Ausnahme der Frage, ob das berechtigte Bemühen um Einzelfallgerechtigkeit noch zu Ergebnissen führt, die auch nur einigermaßen praktikabel sowie dem Vermieter und der Wohnungseigentümergemeinschaft unter dem Gesichtspunkt des Zeitaufwandes und des Kostenrisikos zumutbar sind. Dies mag an dem hier zu entscheidenden Fall (60 Wohnungen. 12 Geschosse, zahllose Balkone in der Fassade) näher verdeutlicht werden.

14

1.

Der Beschluß einer Wohnungseigentümerversammlung oder eines Vermieters, dem Mieter oder Miteigentümer keine oder nicht die gewünschte Parabolantenne zuzubilligen, wird vor Gericht nur Aussicht auf Bestand haben, wenn der Vermieter oder die Gemeinschaft selbst die Interessenabwägung vorgenommen haben , die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Prozeß verlangt wird.

15

2.

Eine Interessenabwägung, die Aussicht haben soll, einer gerichtlichen Überprüfung standzuhalten, wird zunächst eine Tatsachenfeststellung erforderlich machen. In diesem Zusammenhang wird der Verwalter gehalten sein, den 60 Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft folgende Fragen zuzuleiten:

  1. 1.

    Sind Sie oder Ihr Ehepartner ausländischer Staatsangehörigkeit?

  2. 2.

    Welche Staatsangehörigkeit besitzen Sie oder Ihr Ehepartner bejahendenfalls?

  3. 3.

    Werden Sie von dem Ihnen möglicherweise zustehenden Recht, eine Parabolantenne zu installieren, innerhalb der nächsten Jahre voraussichtlich Gebrauch machen?

16

Wie das Bundesverfassungsgericht (NJW 1994, 1147, 1149) [BVerfG 09.02.1994 - 1 BvR 1687/92] ausdrücklich hervorgehoben hat, kann der Umstand, daß zahlreiche Mieter eines Wohnkomplexes aufgrund ihrer besonderen Umstände ein berechtigtes Interesse an einer Parabolantenne haben und dieses sich nicht durch eine Gemeinschaftsanlage befriedigen läßt, durchaus bei der Abwägung der Eigentümerinteressen berücksichtigt werden. Wenn auch nur einem Wohnungseigentümer eine Parabolantenne zugebilligt wird, so verpflichtet der Gleichheitsgrundsatz die Miteigentümer, auch sämtlichen anderen Mitbewohnern, die sich in einer gleichen oder noch schlechteren Lage befinden (hier: über das Breitbandkabelnetz nur einen oder gar keinen ihrer Heimatsender empfangen können) ebenfalls eine Parabolantenne zuzugestehen. Sollte sich deshalb herausstellen, daß beispielsweise 15 von 60 Bewohnern ausländischer Nationalität sind, so würde die Gemeinschaft berechtigt sein, wegen des durch die auf jedem vierten Balkon angebrachte Parabolschüssel beeinträchtigten Gesamteindrucks eine derartige Maßnahme insgesamt zu untersagen oder lediglich eine Gemeinschaftsparabolantenne zuzulassen. Aus diesem Grunde kann eine sachgemäße Interessenabwägung in der Eigentümergemeinschaft nicht ohne die Informationen zur Frage 1 erfolgen.

17

Das Bundesverfassungsgericht hat ferner zum Ausdruck gebracht, es sei mit Art. 5 Grundgesetz vereinbar, bei der Abwägung zwischen Mieter- und Vermieterinteressen zu berücksichtigen, in welchem Umfang der Mieter Programme seines Heimatlandes bereits ohne Parabolantenne empfangen könne (S. 1149). Aus diesem Grunde ergibt sich die Notwendigkeit der Frage 2, denn es liegt auf der Hand, daß Österreicher in Südbayern und Niederländer im westlichen Grenzgebiet von Nordrhein-Westfalen keinen Anspruch auf eine Parabolantenne haben, weil sie bereits in ausreichendem Umfang Heimatsender empfangen können.

18

Die Frage 3 ist deshalb erforderlich, weil dann, wenn zwar 20 von 60 Mitbewohnern ausländische Mitbürger sind, jedoch 18 die Erklärung abgeben, sie wünschten keine Parabolantenne, den übrigen zwei Bewohnern kaum die Anbringung einer derartigen Empfangseinrichtung versagt werden könnte, weil zwei Antennen bei 60 Balkonen wahrscheinlich keine wesentliche Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks hervorrufen.

19

3.

Auf der Grundlage dieser Umfrage muß sodann in der nächsten Wohnungseigentümerversammlung über das Begehren des Miteigentümers entschieden werden. Dabei dürfte man realistischerweise davon ausgehen, daß nicht mehr als die Hälfte der Fragebogen überhaupt beantwortet wird und die Wohnungseigentümergemeinschaft sich dem - möglicherweise zum Prozeßverlust führenden - Vorwurf des Gerichts ausgesetzt sehen könnte, auf einer vollkommen unzulänglichen Tatsachengrundlage entschieden zu haben. Darüber hinaus wird sich schwerlich eine befriedigende Antwort auf die Frage finden lassen, wie die Interessen der Eigentümergemeinschaft praktikabel und mit vertretbarem Kostenrisiko durchgesetzt werden können, wenn binnen Monaten nach einer derartigen Entscheidung andere Bewohner ebenfalls Parabolantennen anbringen, verbunden mit dem Hinweis, der Fragebogen sei ihnen nicht zugegangen oder sie hätten die Beantwortung versehentlich vergessen, denn es erscheint mehr als problematisch, einen Bürger über Jahre von seinem berechtigten Informationsrecht abzuschneiden, weil er vergessen hat, einen Fragebogen zurückzusenden.

20

Hat die Eigentümergemeinschaft beispielsweise zwei oder drei Parabolantennen genehmigt, werden ihr weitere Schwierigkeiten dann entstehen, wenn durch den Zuzug anderer Berechtigter im Laufe der Jahre die Zahl der Antennen überhand nimmt und nunmehr eine optische Beeinträchtigung des Gesamtbildes entsteht.

21

In den von der Rechtsprechung zum Mietrecht entwickelten Leitsätzen (OLG Karlsruhe, NJW 1993, 2815 ff [OLG Karlsruhe 24.08.1993 - 3 ReMiet 2/93]) ist darüber hinaus der Grundsatz aufgestellt worden, wonach der Vermieter - mithin auch die Mehrheit der Wohnungseigentümer - über die Wahl des Aufstellungsortes entscheiden darf. Wenn man schon eine umfassende Interessenabwägung durch die Gerichte fordert, so wird man diesen Grundsatz nur eingeschränkt für zutreffend halten können, denn der Vermieter bzw. die Mehrheit der Wohnungseigentümer dürfen das Grundrecht des Betroffenen auf Information nicht dadurch unterlaufen, daß sie einen Aufstellungsort bestimmen, bei dem die Empfangseigenschaften wesentlich schlechter oder die Kosten der Installation wesentlich höher sind. In diesem Zusammenhang liegt die Frage geradezu auf der Hand, wer eigentlich den Arbeits- und Kostenaufwand für die Klärung derartiger Fragen bezahlen soll, denn weder Vermieter noch Wohnungseigentümer können ohne die Hinzuziehung von Fachleuten beurteilen, ob der von ihnen oder der vom Wohnungseigentümer oder Mieter gewünschte abweichende Standort einwandfreie Empfangseigenschaften gewährleistet und welche Kosten mit der einen oder anderen Variante verbunden sind. Kommt es darüber zum Streit, wird ohnehin im Prozeß ein Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden müssen.

22

Schließlich kann nicht außer Betracht gelassen werden, daß es der Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen einer vertretbaren Ermessensentscheidung überlassen bleiben muß, ob sie, wenn beispielsweise 10 von 60 Wohnungseigentümern eine Parabolantenne wünschen, eine derartige Empfangseinrichtung auf jedem einzelnen Balkon zuläßt oder eine Gemeinschaftsantenne verlangt. Diese Frage mag sich zwar dann, wenn nur einer oder 20 Eigentümer Interesse bekunden, relativ einfach beantworten lassen, wird jedoch im mittleren Bereich (5 Interessenten) nicht ohne einen Fachmann unter Berücksichtigung der anfallenden Kosten zu beurteilen sein.

23

Auch in diesem Fall stellt sich die Frage, wie eigentlich verfahren werden soll, wenn zunächst Einzelantennen genehmigt wurden, die Zahl der Interessenten im Laufe der Zeit aber zunimmt. Der zentrale Einwand gegen die vom Verfassungsgericht geforderte umfassende Interessenabwägung geht deshalb dahin, daß diese Abwägung auf der Basis einer Tatsachenfeststellung erfolgen darf - und muß, zu der (nur) eine Seite gar nicht ausreichend vortragen und damit ihre an sich als berechtigt anerkannten Interessen gar nicht wahren kann. Die Eigentümergemeinschaft dürfte zwar den Gesichtspunkt der optischen Beeinträchtigung des Gesamtbildes vortragen und mit Erfolg geltend machen, es gebe 15 Berechtigte, die alle beabsichtigten, eine Parabolantenne aufzustellen, ihr fehlt aber gerade die Möglichkeit, in gerichtlich überprüfbarer Weise festzustellen, wie viele Berechtigte in der Gemeinschaft wohnen und welcher Prozentsatz von ihnen von seinen Rechten Gebrauch machen möchte. Da die Gemeinschaft ihre Interessen darlegen und beweisen muß, wird diese Rechtsprechung normalerweise zu einem Prozeßverlust der Gemeinschaft führen. Man wird bezweifeln dürfen, ob das noch mit dem Grundsatz der Waffengleichheit im Prozeß vereinbar ist, der ebenfalls Verfassungsrang genießt (BVerfG; NJW-RR 1991, 1134).

24

4.

Hinzu kommt folgendes:

25

Das Wohnungseigentumsrecht gehört zur freiwilligen Gerichtsbarkeit. Nach § 47 Satz 2 WEG - und das entspricht auch der Rechtsprechung im Wohnungseigentumsrecht - werden außergerichtliche Auslagen bei einem Obsiegen grundsätzlich nicht erstattet, es sei denn, es handelt sich um offensichtlich unbegründete Klagen oder Rechtsmittel. Nach allgemeiner Ansicht der Oberlandesgerichte (statt vieler BayObLG NJW-RR 1988, 1151) ist § 44 Abs. 1 WEG, der eine mündliche Verhandlung vorschreibt, auch in der Beschwerdeinstanz anwendbar. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die sich auf Auseinandersetzungen mit einem Miteigentümer über die Parabolantenne einläßt, muß deshalb damit rechnen, daß sie selbst dann, wenn das Gericht ihre Interessenabwägung hinnimmt, trotz eines Obsiegens im Prozeß mindestens sechs (für den Anwalt entsteht bei der Vertretung einer Gemeinschaft gemäß § 6 BRAGO eine weitere Geschäftsgebühr - vgl. BGH NJW 1987, 2240) Anwaltsgebühren zuzüglich Mehrwertsteuer und Nebenkosten selbst übernehmen muß, und zwar auf der Grundlage eines realistischerweise für derartige Verfahren zugrundezulegenden Geschäftswertes von 5.000 DM, weil es sich um eine Entscheidung handelt, die sich auf die Informationsfreiheit für viele Jahre auswirkt. Das ergibt Kosten von ca. 2.000 DM selbst für den Fall des Obsiegens. Berücksichtigt man darüber hinaus, mit welchem Arbeitsaufwand und sonstigen Kosten (von Porto bis zur Information durch Fachleute) zu rechnen ist, so läßt sich nach Auffassung des Senats schwerlich noch sagen, daß die Gemeinschaft bei der Gefahr mehrerer Prozesse in zumutbarer Weise ihre berechtigten Interessen überhaupt noch wahren kann, zumal zwar der einzelne Wohnungseigentümer sein Risiko durch eine Rechtsschutzversicherung (§ 29 ARB) abdecken kann, für die Eigentümergemeinschaft die Möglichkeit, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, nach Auskunft der HUK aber nicht besteht. Das Bundesverfassungsgericht hat andererseits mehrfach ausgesprochen (z. B. BVerfG NJW 1992, 1673), es dürften keine Regeln aufgestellt werden, die einem Bürger die Wahrnehmung seiner Rechte in unzumutbarer Weise erschweren.

26

Insgesamt besteht nach Ansicht des Senats nur dann eine einigermaßen realistische Chance, zumutbare und praktikable Lösungen zu finden, wenn die Gerichte einen Beurteilungsspielraum des Vermieters akzeptieren und ferner anerkennen, daß vertretbare Mehrheitsentscheidungen der Gemeinschaft zu respektieren sind und nicht ihre eigene Wertung uneingeschränkt an die Stelle der Wertung der Gemeinschaft setzen. Die Gerichte sind Kontrollinstanz für Mißbrauch, nicht aber Vormund der Wohnungseigentümergemeinschaft.

27

V.

Im vorliegenden Fall gilt folgendes:

28

1.

Das Landgericht und die Wohnungseigentümergemeinschaft haben die verfassungsrechtlich gebotene umfassende Interessenabwägung noch nicht vornehmen können, weil ihnen die erwähnte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht bekannt war. Insbesondere ist offensichtlich nicht geprüft worden, wie viele andere ausländische Mitbewohner innerhalb der 60 Wohnungen umfassenden Gemeinschaft es gibt, die ebenfalls einen Anspruch auf eine Parabolantenne haben und ihn auch wahrzunehmen beabsichtigen. Unter diesen Umständen kommen drei verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Zum einen könnte man sich auf den Standpunkt stellen, daß der angefochtene Beschluß, weil die Interessenabwägung nicht vollständig stattgefunden hat, insgesamt aufzuheben ist. Auf der anderen Seite ließe sich das Verfahren an das Landgericht zurückverweisen, um im Rahmen dieses Rechtsstreits die Interessenabwägung nachzuholen. Das erscheint eine im besonderen Maße unpraktikable Möglichkeit, weil das Verfahren ausgesetzt bleiben müßte, bis die erforderlichen Informationen eingeholt sind und eine Eigentümerversammlung zu diesem Thema stattgefunden hat. Unter Berücksichtigung dieser auch den Kosten- und Zeitaufwand berücksichtigenden Umstände hält der Senat die Zurückweisung der Beschwerde für die sachlich gerechtfertigte Entscheidung, weil mehrere Kriterien für die Zulässigkeit einer Empfangsanlage nicht vorliegen oder zur Zeit ungeklärt sind. Zum einen wird man mit dem OLG Karlsruhe (Leitsatz c) auch für das Wohnungseigentumsrecht fordern müssen, daß der Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen einer vertretbaren Ermessensentscheidung die Befugnis zusteht, darüber zu entscheiden, ob zum einen eine Gemeinschaftsparabolantenne oder Einzelantennen aufgestellt werden sollen und zum anderen den ihr geeignet erscheinenden Aufstellungsort zu wählen. Zum anderen läßt sich nicht übersehen, daß nach der zutreffenden Einschätzung des Landgerichts durch diese Antenne eine besondere optische Beeinträchtigung und Verunstaltung des gesamten Objekts stattfindet, wobei der Antragsteller sich nicht mit Erfolg darauf berufen kann, seine Antenne befinde sich im 9. Stock und sei deshalb relativ schwer zu sehen. Aus dem Gleichheitsgrundsatz folgt nämlich, daß, bliebe es bei seiner Anlage, den anderen ausländischen Mitbürgern vergleichbare deutlich sichtbare Anlagen in anderen Stockwerken zugebilligt werden müßten. Auch die Forderungen, die das OLG Karlsruhe in den Leitsätzen f und g aufstellt, nämlich eine Sicherheitsleistung und der Ausschluß des Haftungsrisikos, sind bisher nicht erfüllt. Wenn die Rechtsprechung aber neue Kriterien für die Interessenabwägung aufstellt, so muß beiden Beteiligten Gelegenheit gegeben werden, in der nächsten Eigentümer Versammlung nach Maßgabe dieser Grundsätze Anträge zu stellen und zu entscheiden. Im Wohnungseigentumsrecht gibt es darüber hinaus ein berechtigtes Interesse der Gemeinschaft, daß einzelne nicht - wie im vorliegenden Fall - eigenmächtig und ohne die Miteigentümer überhaupt zu fragen, eine bauliche Veränderung vornehmen und die anderen Miteigentümer damit - jedenfalls in der Regel - zu einem Prozeß zwingen, bei dem sie im Hinblick auf die Kostenregelung der freiwilligen Gerichtsbarkeit ohnehin nur den kürzeren ziehen können.

29

2.

Dem Antragsteller steht deshalb auf der nächsten Wohnungseigentümerversammlung ein Anspruch auf Neubescheidung seines Antrages unter Berücksichtigung des vom OLG Karlsruhe entwickelten Kataloges und unter Einbeziehung der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Abwägungskriterien (optischer Gesamteindruck, Zahl der Ausländer in der Anlage, die ebenfalls eine Anlage wünschen) zu.

30

3.

Der Senat hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Auslagen des Verfahrens der weiteren Beschwerde auferlegt. Im Rahmen des billigen Ermessens im Sinne von § 47 WEG liegt der Grund dafür in dem eigenmächtigen Verfahren des Antragstellers. Gerade diese bei Wohnungseigentümern leider nicht selten anzutreffende Verfahrensweise, vollendete Tatsachen zu schaffen, ohne die Partner zu konsultieren, vergiftet das Klima in der Gemeinschaft und führt zu Rechtsstreitigkeiten, die bei vorheriger Abstimmung der Pläne - auch und gerade auch hinsichtlich der Art der Ausführung - möglicherweise hätten vermieden werden können. Deshalb hat der Senat bereits mehrfach bei der Entscheidung zur Billigkeit einer Kostenverteilung das eigenmächtige Vorgehen zum Anlaß genommen, die Erstattung der außergerichtlichen Auslagen anzuordnen (Nds. Rechtspflege 1993, 71).

Streitwertbeschluss:

Der Beschwerdewert wird auf 5.000 DM festgesetzt.